Ein Eigensinniger im besten Wortsinn: FRIDOLIN DALLINGER im mica-Porträt

„Bauernkriegssymphonie“ oder „Bilder einer Einstellung“ – markante Titel haben sich aus dem Schaffen von FRIDOLIN DALLINGER eingeprägt. Die Lust, sich mit kleinen wie großen Aufgaben auseinanderzusetzen, hat ihn auch im neunten Lebensjahrzehnt nicht verlassen. Christian Heindl porträtiert das bekannteste Mitglied einer Innviertler Musikerfamilie.

„Leider ist mit seinem Körper auch sein Eigensinn gewachsen“, schreibt Mutter Dallinger über ihren vierjährigen Sohn im September 1937; ein Eigensinniger im besten Wortsinn ist er seither geblieben. Fridolin Dallinger zählt seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Komponisten seines oberösterreichischen Heimatbundeslandes, wo man nicht versäumt, ihn entsprechend zu würdigen und all seine Jubiläen entsprechend zu feiern. Im übrigen Österreich ist sein Rang ein eher legendärer als ein dem derzeitigen Aufführungsstand zuzuschreibender. Es waren vor Jahrzehnten vor allem drei große Werke, die Aufmerksamkeit erregten und bei ihren Premieren ebenso wie in der Folge durch das damals völlig anders gestaltete Präsentationsmodell der Rundfunkanstalten große Zuhörerschaft fanden: das Ballett „Die sieben Todsünden“ (1965), die „Bauernkriegssymphonie“ (1975) sowie die Kantate „Bilder einer Einstellung“ (1983).

Bekenntnis zur Symphonie

Heute müssen diese Werke primär aus der Erinnerung rekapituliert werden, eine gegenwärtige Bewertungsmöglichkeit wird durch den Mangel an aktuellen Darbietungen auf Partituren und Aufnahmen beschränkt. Dem oben zitierten Eigensinn des Komponisten tut diese keinen Abbruch, steht er doch nach wie vor hinter den großen Gattungen, bekennt sich auch zur Symphonie, selbst wenn es dafür in der heutigen Musiklandschaft nur wenig Bedarf gibt und sich Interpreten wie Verlage nicht darum reißen.

Musik in den Genen

Fridolin Dallinger, am 16. Februar 1933 in Eferding geboren, kann als der prominenteste Vertreter jener großen Innviertler Musikerfamilie gelten, die neben „den Dallingers“ auch den Zweig der Lesskys umfasst. So wären als engere Verwandte hier nur stellvertretend Fridolins Bruder Gerhard, Komponist und Cellist in Feldkirch, der gleichnamige langjährige Direktor des Linzer Bruckner-Konservatoriums Gerhard Dallinger, der frühere Direktor des Wiener Musikgymnasiums Friedrich Lessky sowie dessen als Chefdirigent der Jungen Philharmonie wirkender Sohn Michael zu nennen. Im Jahr 2000 galt den Dallingers & Lesskys sogar eine Ausstellung im Innviertler Volkskundehaus in Ried.

Gefördert – aufgeführt – geehrt

Seine Kompositionsstudien begann Fridolin Dallinger zunächst an der Musikschule der Stadt Linz bei Robert Schollum und am Bruckner-Konservatorium bei Helmut Eder, ehe er ab 1956 die Musikakademien in Wien (Klavier bei Gershon Jarecki) und Salzburg (Musikerziehung) besuchte und diese mit der Staatsprüfung für Klavier sowie der Lehramtsprüfung für Schulmusik abschloss. Parallel verliefen nun die Tätigkeiten als Gymnasiallehrer und Musikprofessor an der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz einerseits, das kompositorische Schaffen andererseits. Für letzteres erhielt er u. a. den Förderungspreis der Österreichischen Jugendkulturwochen Innsbruck (1954/55), den Österreichischen Staatspreis (für das Ballett „Die sieben Todsünden“ 1965), den Kulturpreis des Landes Oberösterreich (1981), das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (1993) und den Heinrich-Gleißner-Preis (1997).

Vom Experiment zur Tonalität

Nachdem er schon früher mit einer großen Zahl weltlicher und für den liturgischen Gebrauch komponierter Werke hervorgetreten war, war es das halbstündige Ballett „Die sieben Todsünden“, das Dallinger fix in der zeitgenössischen österreichischen Musik verankerte. 1965 entstanden erlebte es seine Uraufführung 1968 am Linzer Landestheater. Eine erweiterte Alternativfassung wurde unter dem Titel „Todsünden“ 1971 am Theater an der Wien gezeigt. Fällt das Ballett in eine Phase der Beschäftigung mit der Dodekaphonie und experimentellen Mitteln, so erfolgte bald darauf eine Zuwendung zu einer neuen Tonalitätsbezogenheit, die sich markant in seiner ersten Symphonie, der „Bauernkriegssymphonie“ (1975) zeigt. In gleichermaßen packenden wie düsteren Farben ziehen in den vier Sätzen Bilder zum 1976 begangenen 350. Jahrestag des oberösterreichischen Bauernaufstands vorüber – nicht im Sinn einer Programmmusik, sondern eher als Spiegel von Stimmungen beim Gedenken an die Ereignisse.

Dodekaphonie und Jazz – Spaß an der Grenzüberschreitung

Als weiteres, besonders markantes Beispiel aus dem Dallinger’schen Schaffen seien die „Bilder einer Einstellung“ (1983) erwähnt – eine verschiedenste Alltagsszenen beleuchtende Kantate auf Worte von Herbert Vogg, die als frühe Synthese von Dallingers Stilmitteln gesehen werden kann: Neben der für ihn damals bereits primär geltenden freien Tonalität bedient er sich darin auch wieder der Dodekaphonie und des Jazz. Dass ihm solche vermeintlichen Grenzüberschreitungen Spaß machen und er sich keineswegs davor scheut, zeigt das Musical „Die Goldenen Zwanziger“/„The Roaring Twenties“ (1988), das noch markanter E- und U-Musik verbindet, über die Uraufführung 1989 am Linzer Landestheater hinaus jedoch nicht zu reüssieren vermochte.
Die Beschäftigung mit einer der zentralen österreichischen Lebensadern brachte Komponisten bislang keinen allzu großen Ruhm ein. Dies erwies sich bereits an den „Donau“-Vertonungen durch Leoš Janáček und Alfred Uhl und auch Dallingers weltliches Oratorium „Die Donau“ ruht nach Aufführungen im Stift Engelszell und in Linz seit nunmehr 20 Jahren in der Schublade. Ein Schicksal, das seine weiteren Symphonien teilen, die allesamt mit Erfolg uraufgeführt, in der Folge aber nicht mehr nachgespielt werden; als bislang letzte die Symphonie Nr. 5 für Chor und Orchester, die der Komponist sich selbst zum 80. Geburtstag schrieb, anlässlich dessen sie im Frühjahr 2013 unter dem Dirigat von Dennis Russel Davies im Linzer Brucknerhaus Premiere hatte. Bis zu den nächsten großen Aufführungen sind es zwischenzeitlich die vielen kammermusikalischen Werke und die Chorsätze Dallingers, die aufgrund ihrer dankbaren Ausführbarkeit gerne von den Interpreten aufgegriffen werden und seinen Namen präsent halten.

Ein Leben als Bilderbuch

Für Komponisten der Gegenwart durchaus nicht selbstverständlich: 2008 erschien im Trauner-Verlag ein von Georgina Szeless erarbeiteter Band, der sich Persönlichkeit und Werk Dallingers in liebevoller Weise nähert. Es ist keine Huldigungsschrift, sondern ein Lesebuch, das in anschaulicher Weise verschiedenste Aspekte eines Künstlerlebens transparent macht. Ebenso hat man es aber auch mit einem Bilderbuch zu tun, das die Biographie schon beim bloßen Durchblättern anziehend und zum spannenden Ereignis macht. Man sieht Entwicklungsgänge vor dem lokalen Hintergrund der oberösterreichischen Herkunft und historischer Ereignisse, den Werdegang eines Komponisten (und bildenden Künstlers!) und auch die Herausforderungen des Sich-bewähren-Müssens im heutigen Umfeld.

Christian Heindl

http://www.trauner.at/buchdetail.aspx?artnr=24199971