Echoraum: Ein Schnitzelfilm (dieb 13 & Billy Roisz) und 3 x Festival „Grenzwerte“

Der dritte Termin der Veranstaltungsreihe „Grenzwerte“ in der Sechshauserstraße in Fünfhaus ist am Freitag, 16. April. Also noch zu haben (Eintritt: 5 bzw. 7 Euro). Vom 7.-10. April erlebte man im Echoraum bereits Videos, Performances und interessante Stücke von und mit teils sehr jungen Komponisten/innen (u. a. Schüler von Burkhard Stangl, Dietmar Hellmich oder Dieter Kaufmann) und Interpreten/innen. Es war vom Feinsten. Selbst „Experten“ hörten viele Namen zum ersten Mal. Der Echoraum an der Frontlinie des Neuesten, viele Ur- und Erstaufführungen, zumeist durchaus kurzweilig.

Heute findet die „Grenzwerte“- Serie ihren Abschluss. Zu hören sind Katrin Hauk (blfl), Gabi Teufner (fl), Agnes Hvidazlek (voc), Gloria Damijan (piano), Klaus Filip (electronics). Auf dem Programm eine Improvisation über den Graphikzyklus „Elbe“ von Gerhard Richter, Christine Schörkhuber ist für die „Visuals“ zuständig, desgleichen für die der darauf folgenden Improvisationen à 1, à 2, à 3 und à 4.

Projektbeschreibung Echoraum: „Das dritte Konzert „Farben” steht im Zeichen intermedialer Konzepte und ist in gewisser Weise der Umkehrschluss des ersten Abends. So steht im ersten Teil des Abends ein bildender Künstler – Gerhard Richter – im Mittelpunkt, dessen Graphik-Zyklus „Elbe” als Inspiration für das multimediale Improvisationskonzept „Im Fluss” dient. Ein weiterer Programmpunkt ist dem Versuch gewidmet, Buchstaben und Wörter aus ihrer funktionalen Ebene herauszulösen und mittels visuals und Stimm-Improvisation, ihre bildnerisch-formgebende und ihre klangliche Möglichkeiten auszuloten. Hier wird durch die zusätzliche Ebene der Buchstaben und Wörter der Übergangsbereich von Komposition und Improvisation einem Verdichtungsprozess zugeführt. Beendet soll der Abend mit „floating point“ werden, einem Kompositionsauftrag von Klaus Filip.
Der Österreicher Klaus Filip ist eine Mischung aus Musiker, Bastler und Performer mit avantgardistischen Ansätzen und politisch motiviertem Background schrieb skug #48 bereits im Dezember 2001 (Klaus Filip – Meine Musik ist passierte und keine komponierte, Text: Christian Rösner). „Sein Hauptbetätigungsfeld ist der Computer, wobei er durch seine Illoop-Patches für das Programm max-msp der elektronischen Musik neue Pforten geöffnet hat. Diese Patches haben mitunter das Powerbook zu einem vollwertigen Instrument gemacht.” Aus dem „Kunstradio“ wissen wir: “ … he is now reducing the processes to mere sinus-waves, overlapping with themselves and the ever sounding surroundment of a place; searching for the individual limits of perception. Colaborations with Radu Malfatti, Werner Dafeldecker, Dieb13, Christof Kurzmann, Boris Hauf, Christian Fennesz, Jason Kahn, John Butcher, Sabine Marte, Gilles Aubry, noid, Cordula Bösze, Silvia Faessler, Taku Unami, Taku Sugimoto, Toshimaru Nakamura and Kai Fagaschinski” (Los Glissandinos -Duo mit Kai Fagaschinski). Wird also wiederum spannend werden.
Klaus Filip ( * 1963 Computermusik, Programmierung, Komposition) ist seit 1989 aktiv in experimentellen elektronischen musikalischen Zusammenhängen. Unter anderem Studium der Elektroakustik bei Wolfgang Musil und Dieter Kaufmann in Wien. Ständige Auseinandersetzung mit dem Computer als Musikinstrument, woraus das software-Projekt lloopp entstanden ist (lloopp.klingt.org). Er ist auch Lehrbeauftragter der Universität für angewandte Kunst, Wien.
Klaus Filip : floating point
serielle live notation für 4 stimmen in 3 sätzen
1/ mali dio plocice 2/ kyoyochi 3/ sn cassio
„Die Interpreten sind aufgefordert zunächst das Bild in seiner Gesamtheit zu erfassen und eine entsprechende Klangsprache zu finden. Jede der 4 Stimmen ist durch einen Punkt in Gestalt einer einfachen geometrischen Form definiert: Kreis, Dreieck, Quadrat, Karo. Diese vier Punkte bewegen sich live auf einem jeweils individuellen Pfad über das Bild. Dieser Pfad wird bei jedem Durchlauf des Stückes nach einem Zufallsprinzip neu berechnet. Die überstrichenen Bildpunkte geben eine frei zu interpretierende Spielanweisung, wobei als einzige fixe Definition schwarz als Stille zu lesen ist.“ (Klaus Filip)
Rückblick Schnitzelfilm 09. (7. April, Echoraum)
Kaum zu glauben: Schnitzel 09 ist bereits das achte Video aus der Schnitzel-Reihe (Dieter Kovacic, Billy Roisz 2010). Zu sehen war diesmal in „Stereo“ und nebeneinander eine rasende Collage aus Fotos des Vorjahres + „Vertonung“. „Exotische Landschaften“ (z.B. Roisz & Kovacic, Angélica Castelló & Burkhard Stangl) auf Mexiko-Trip, samt Aufnahmen aus dem Flugzeug und vom Strand , dieweilen ein „anderer“ in Wien auf einem bekannten Platz auf die Bim wartet oder ist das nicht in Berlin ??).  „Schockierende Details aus dem Alttag der handelnden Personen“ (was die alles essen, was sich die kochen und leisten und kaufen können und dann lassen sie sogar noch halbgegessene Tortenstücke auf den Tellern und lachen sich eins – diesen Künstlern sollte man die Subventionen streichen !!!, naja zwischendurch tritt jemand auf, im Echoraum – Kunststück!!!).
„Betörende Musik“ (was der Dieb Kovacic da wieder alles zusammengeschnitten hat). Und angeben tut er auch noch (O-Ton Echoraum Einladungskarte): Komprimiert auf ein augenliderfixierendes Wahrnehmungsexperiment von rund 32 Minten Länge. Als Neuerung, um nicht zu sagen, Steigerung gegenüber bisherigen Schnitzelfilmen, wird heuer ein Stereo-Film von Billy Roisz und Dieter Kovacic uraufgeführt. Die Details zur Entstehung werden (wurden) vor Ort erläutert. 3D-Brillen werden nicht benötigt.“ Aha. Schöööön.
In Abteilung 1 und 2 desselben Abends hörte man „2 + 2 = 3“, feat. Silvia Fässler (ppooll, devices), Angélica Castelló (recorders, electronics) & Billy Roisz (audible video devices, e-bass). Sehr schöne alte Röhrendradios spielten da auch mit, weiters (2)  Peter Kutin (Gitarre und elektronische Gerätschaften) & dieb 13 (Plattenspieler und elektronische Gerätschaften).
Grenzwerte 1.0 – 2. 0 (8. & 10. April, Echoraum)
An der Grenze zwischen Improvisation und Komposition. Wir zitieren die Projektbeschreibung des Echoraum:  „Ausgehend von graphischer Notation, die ein wichtiges Bindeglied zwischen Improvisation und Komposition darstellt, werden die Bereiche „Offene Form”, streng konzeptuelle Improvisation und ausschließlich der Gruppendynamik verpflichteten Improvisation ausgelotet und deren Grenzen verflüssigt. Das Sujet der graphischen Notation dient auch als Ausgangspunkt für intermediale Improvisationskonzepte und Kompositionsaufträge, die Visualisierungen bewusst miteinbeziehen. Auch soll eine Verbindung zwischen den offenen Formen der 50er- und 60er-Jahre und der Gegenwart geschaffen werden. Es geht hierbei vor allem darum, die Herausforderung anzunehmen, besonders in den Kompositionsaufträgen die offene Form mit dem heutigen Zeitgeist zu konfrontieren.
Jedes der drei Konzerte ist einem Bereich der Grenzregion zwischen Improvisation und Komposition gewidmet. In jedem Konzert wird eine Komposition uraufgeführt, die sich sowohl mit dem jeweiligen Grenzbereich, als auch mit Visualisierungskonzepten auseinandersetzt.
Das erste Konzert „Graphen” ist dem Komponisten Haubenstock-Ramati gewidmet, der als einer der wenigen europäischen Komponisten die Beschäftigung mit offenen Formen wagte. Besonders seine Graphikserie „Konstellationen” ist hier von Bedeutung, da sie gleichzeitig ein Bindeglied zwischen bildnerischer Graphik und graphischer Notation darstellt. Mit dieser Schnittstelle werden sich auch die visuals dieses Abends auseinandersetzen.“
Die (sehr jungen) Interpreten des Abends: Meike Melinz (Flöten), Gabi Teufner (Flöten), Gloria Damijan (Klavier),  Daniel Lercher (Elektronik). Der Kompositionsauftrag erging an Tamara Friebel (Alterity) Tamara Friebel  ist Komponistin, „Voice-Artist“ und Architektin, sie wurde in Australien (Cohuna) geboren und kam 2002 nach Europa, wo sie in Wien bei Chaya Czernowin, Karlheinz Essl, Dieter Schermann studierte, sowie in London und (gegenwärtig) Huddersfield.
“Tamara is currently working on a PhD (Huddersfield, UK) in composition, looking at dynamical systems and their influence on the compositional process. Her research language involves the use of strange attractors from mathematics, which she uses compositionally/architecturally as proportional variations, hybrid demarcations and residual forms. Tamara holds a strong fascination for dynamical forms, drawn from her childhood in the Sahara Desert”, heißt es in ihrer Bio.
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Hier noch das gesamte Programm vom 10. 4. unter dem Motto „Graphen) :
1. Improvisation (fl, fl, piano/toypiano)
Haubenstock-Ramati : Konstellationen 9, 13, 15, 17 (fl, fl, piano/toypiano)
2. Haubenstock-Ramati : Tenebrae (piano + Zuspielung)
Improvisation (piano/toypiano, elektronics)
3. Film + Livemusik : Alterity (fl/bassfl/picc, fl/picc, piano/toypiano, electronics) Tamara Friebel lieferte dazu auch schöne philosophische Ausgangsthesen  von “I. he oneself cannot form itself; it’s already formed with absolute passivity“  bis „X.  ich bin du, wenn ich ich bin. Paul Celan“.
Der zweite Abend hieß „Formen“, auch hier gleich das Programm (10.4.):
1. Earle Brown : Folio / November 52 (sax/bcl, git, piano)
Improvisation (blfl, sax/bcl, elektronics)
Earle Brown : Four Systems (blfl, kb, piano, elektronik)
2. Untitled – Film : Alejandro de Montes Oca, Musik : Ye Hui
3. Dietmar Hellmich : Apotheose (git, bcl, piano, blfl)
Bernd Klug : Kompimpro (git, bcl, piano, blfl, kb, elektronics)
Bernhard Schöberl (git), Flo Fennes (sax/bcl), Gloria Damijan (piano),
Bernd Klug (kb), Gobi Drab, Katrin Hauk (blfl)
Film/Kompositionsauftrag : Ye Hui / Alejandro de Montes Oca, Dietmar Hellmich
Projektbeschreibung: „Der zweite Abend ist der offenen Form gewidmet und insbesondere der Auseinandersetzung mit der New York School. Das Konzert „Formen” soll zeigen, dass offene Formen auch im Bereich der Komposition nach wie vor aktuell sind und auch für die junge Komponistengeneration eine Herausforderung darstellen. Weiters geht es auch darum, den Improvisationszeitgeist der 50er- und 60er-Jahre mit dem der jungen Wiener Improvisationsszene zu konfrontieren.“
Oh ja. Da hörte man also zunächst drei Kompositionen von dem großen Earle Brown (1996-2002), den hr übrigens in den Räumen der UE noch ausführlich interviewen konnte, als er in Wien in den neunziger Jahren bei Wien Modern weilte – er war sehr angetan, dass „wenigstens einer“ der Wiener Journalisten (es war für die Salzburger Nachrichten) ihn befragt hatte und er erzählte über John Cage, Jackson Pollock und natürlich besonders viel und gern über „Morty“ Feldman.
Die Brown – Interpretationen im Echoraum (wie auch zuvor die Haubenstocks) klangen neuartig, aber durchaus gut. Über „Four Systems“ / November 1952” kann man in Browns Vorwort lesen: „Time is the actual dimension in which music exists when performed and is by nature an infinitely divisible continuum. Non metric system or notation based on metrics is able to indicate all of the possible points in the continuum, yet sound may begin or end anywhere along this dimension.”
5 + Film/Gemeinschaftskomposition Ye Hui, Alejandro Dvlatt nante sich das zweite „Werk“. Bio der Komponinistin: 1981 im Canton, China geboren, begann Ye Hui 1997 dort ein Kompositionsstudium am Xinghai Musikgymnasium. Im Jahre 2000 wechselte sie im Alter von 19 Jahren ins Xinghai Konservatorium, um dort elektronische Musik und Komposition als Schwerpunkt zu studieren. Seit 2003 lebt Hui Ye in Wien. Zuerst studierte sie Komposition am Franz Schubert Konservatorium und belegte verschiedene Deutschkurse. Im Wintersemester 2003 wechselte sie an die Konservatorium Wien Privatuniversität. Im Herbst 2004 begann sie schließlich ein Kompositionsstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien bei Detlev Müller-Siemens und Karlheinz Essl.
Auch der Autor des Films, Alejandro Montes de Oca, studiert elektroakustische Komposition an der Wiener  Universität für Musik und Darstellende Kunst und ist auch als bildender Künster tätig. Der Untitled Film (Alejandro Montes de Oca) und die Musik (Ye Hui) sucht die Entwicklung einer Filmmusik durch Übersetzung der Graphiken aus dem Film von Alejandro Montes de Oca in graphische Notation / eine graphische Partitur. .
Dritte Abteilung: Von Dietmar Hellmich „L’apothéose de Monsieur Pfadenhauer“. Monsieur Pfadenhauer hat zwar die elysischen Felder noch nicht bezogen, doch mag sein Geist die kontrapunktische Harmonielehre-Übung durchwehen, von deren 11 Akkorden stets ein Ton die Brücke zum nächsten baut. Wie sehr hier Geschmäcker vereint werden mögen, hängt wohl von den trefflichen Musikern ab, die in der endlosen Wiederholung keine Wiederholung erklingen lassen dürfen. Nachdem ich unter Dieter Kaufmann an der Wiener Musikuniversität das Komponieren verlernt habe, bin ich auf der Suche und jedem Anhaltspunkt dankbar, wo es denn anzutreffen sein könnte. Dietmar Hellmich über sich selbst: „… unternahm seit dem Eintritt in die Volksschule Kompositionsversuche, die seit nunmehr acht Jahren durch akademischen Titel und Auszeichnung legitimiert scheinen (Komposition bei Dieter Kaufmann an der Musikhochschule Wien, Technische Mathematik an der TU Wien).“
Bernd Klug steuerte noch eine „Kompimpro“ bei. Geboren 1981 in Villach, lebt er derzeit in Wien. Er beendete 2007 mit Auszeichnung das Studium „Bass der Popularmusik“ und der Wiener Musikuni. Er legte seine Schwerpunkte auf Improvisation und neue Musikströmungen und zwar bei Manon Liu Winter, Gunter Schneider und Franz Hautzinger, weiters hatt er auch mehrere Jahre Unterricht bei Achim Tang (Jazz) und Ukli Fisseneger (Neue Musik und Improvisation).
Heinz Rögl (unter Verwendung der Website-Texte und Programme des Echoraum)

 

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