Von der Komponistin Pia Palme und der Performerin Gina Mattiello ins Leben gerufen, um die Kräfte der Wiener Komponistinnenszene sichtbar zu machen und zu bündeln, hat sich das Festival e_may inzwischen als Treffpunkt höchst individueller Kompositions- und Improvisationsansätze zwischen traditioneller Klangerzeugung und Elektronik positioniert. Am Donnerstag und Freitag voriger Woche gab es zwei Konzerte des Festivals in der Reihe “im loth” im Konzerthaus.
Ein Schwerpunkt wurde auf das Schaffen von Eliane Radigue, einer Pionierin der musique concrète, gelegt. Uraufführungen österreichischer Komponistinnen und dem neu restaurierten Max-Brand-Synthesizer setzen die weiteren Akzente. Eliane Radigue gehört bereits seit den frühen 50er Jahren zusammen mit Pierre Schaeffer und Pierre Henry zu den PionierInnen der «musique concrete». Sie arbeitete vorwiegend mit einem ARP Synthesizer, was ihrer Musik auch eine einzigartige Signatur verleiht. In den 70er Jahren zog sie sich vom Musikgeschehen gänzlich zurück und widmete sich dem tibetischen Buddhismus. Erst in den letzten Jahren wurde sie von einer jüngeren Generation als maßgebliches Vorbild entdeckt. Derzeit schreibt Radigue ausschließlich für akustische Instrumente.Emmanuel Holterbach (*1971 im Elsass), Schüler und Archivar Eliane Radigues, interpretiert ihre Musik und war am ersten Abend auch selbst als Komponist zu hören sein. Das im Rahmen der Serie IMA fiction entstandene Videoportrait #04 Eliane Radigue wurde präsentiert. Somit hat in der neuen Ausgabe des Festivals die Forschungsarbeit verstärkt Eingang ins Festival gefunden.
Darüber hinaus ergingen Auftragswerke an österreichische Komponistinnen: Elisabeth Schimana, Andrea Sodomka und Pia Palme. Die auf Neue Musik spezialisierte Musikwissenschaftlerin und Ö1-zeitton-Mitarbeiterin machte die Einführungen.
Pia Palme und eine Phalanx von spannenden KünstlerInnen
AX.WHO. (2009 UA) hieß das im zweiten Teil des ersten Konzerts gebotene Stück der Komponistin Pia Palme, sonst auch gerne tätig an Subbassblockflöten, diesmal Aerophone & Elektronik. Die weitere aufwändige Besetzung für das vielleicht beste Stück bei diesem e-may-Festival: Margarethe Deppe, Cello, Alexander J. Eberhard, Viola , Electric Indigo, Synthesizer, Judith Unterpertinger, Innenklavier, Bernhard Ziegler, Kontrabass, Yoshie Maruoka, Performance und -konzept. Dazu: Armin Anders, Künstlerische Beratung, Toshio Nakae, Texte, Gen Seto, Performance Assistent , Velli Vandulaki, Papierkunst.
Pia Palme charakterisierte ihr Stück folgendermaßen: “Bei der Entstehung dieses Stückes habe ich viel über das Zusammenspiel von genau geplanten und zufälligen Ereignissen nachgedacht. Wie greifen Planung und Willkür ineinander, wo beginnt und endet Kontrolle? Je mehr ich darüber reflektiere, desto mehr scheint mir ein fließender Übergang möglich zu sein, dem die Präzision der eigenen Achtsamkeit als drittes Element gegenübersteht.
Das Werk AX.WHO. besteht aus drei parallel ablaufenden Ereignissen: Musik, Performance und Text. Die Musik spielt ein Ensemble, das aus zwei klanglich entgegengesetzten Polen zusammengesetzt ist: einem tiefen Streichtrio und einem Trio aus drei InstrumentalistInnen, die im Bereich Performance und Elektronik jeweils individuelle Stimmen entwickelt haben.
Die Performance wurde von der in Wien lebenden japanischen KünstlerinYoshie Maruoka gestaltet. Der der Performance zugrunde liegende Textstammt aus dem Werkzyklus “Nakae Toshio Goishuh” (“Toshio NakaeVocabulary List”) des japanischen Dichters Toshio Nakae. Es handeltsich dabei um einen Text, der aus einer langen Auflistung von Wörternbesteht. Solche Wortlisten stellen eine Art fortlaufendes Lebensprojektvon Toshio Nakae dar, er hat zahlreiche davon verfasst. Der Text trifftfür mich genau den Zwischenbereich von “geplant und absichtslos”, indem sich Präzision und Kontrollverlust mischen. Die Performerin wirdden Text in japanischer Originalsprache sprechen.
Die Papierkünstlerin Velli Vandulaki wirkt mit einer Papierinstallationzum Thema an der Bühnengestaltung mit. Eine Übersetzung des japanischenTextes wird mit einem Diaprojektor asynchron zur Performance an dieWand projiziert. Die Wörter “Ax. Who.”, auf welche die Musik inmehrfacher Weise Bezug nimmt, bilden eine Zeile des Werkes von ToshioNakae.”
Und es war – von Anfang bis Ende spannend, auch nicht nur hörens- sondern auch sehenswert!
Elisabeth Schimana und Andrea Sodomka
Tags darauf bediente die Pianistin Manon Liu-Winter in ElisabethSchimanas Stück “Höllenmaschine II” den von Robert Moog für denösterreichischen Komponisten Max Brand entwickelten Max BrandSynthesizer. Der neu restaurierte Max-Brand-Synthesizer (1957-67) ausder Klangmaschinenausstellung des IMA war erstmals im Neuen Saal desKonzerthauses zu hören und kam anschließend wieder zurück in dasMax-Brand-Archiv.
Schimana, die die noch immer in Hainburg zu sehende Ausstellung”Zauberhafte Klangmaschinen” kuratierte erforschte diesen Synthesizerund nannte ihn in ihrem neuen Stück wiederum Höllenmaschine. Sie tönteam Anfang des Stücks auch mit Absicht ziemlich laut. ElisabethSchimana: “. ein über Jahrzehnte entwickeltes Monster und Urahn der derMoog Synthesizer. Bedient von einer erstklassigen Pianistin, schnaubtund röchelt die Maschine ihre subharmonischen Frequenzen durch denÄther. Eine Reise in die Hölle und nicht zurück:”
Andrea Sodomka entwickelt eine Komposition für Akkordeon, Stimme undLive-Elektronik: “The Broken Heart Suite”, basierend auf em Rhythmusihres Herzschlags. Sodomka: “Ein Midi-File, das meine Pulsfrequenzwiedergibt, auggenommen während einer computergestütztenBiofeefeedback-Performance, ist der Auslöser für vielschichtigeKlangereignisse: Texte, Maschinen und die dissonanten Klänge zweierHerzen ., reale Stimmen und virtual voices, reale und virtuelleInstrumente..”
Fast ein bißchen viel! (hr, Texte: Konzerthaus “im loth”, e-may.org und Komponistinnen)