Mit „Superdeep“ veröffentlicht der österreichische Dub-Spezialist PANGANI aka SEBASTIAN FRISCH nicht nur seine zweite CD, sondern präsentiert damit gleichsam ein gesamtheitliches Statement für Auge, Ohr und Nase. Gibt es das aktuelle Werk doch gleich in mehreren Version, die bis zu einer handgemachten Holzbox und zu einer streng limitierten „Synæsthetic Edition“ reichen. Wobei allein schon die Musik von SEBASTIAN FRISCH aka SUBBASSTIAN FRÊSH zu verzaubern vermag. Werden hier doch auf Basis von Dub und Reggae diverseste Soundquellen zu ebenso hypnotisierenden wie das Tanzbein animierenden Tracks verwoben, die nicht nur im heimischen Dub-Reggae-Kosmos ihresgleichen suchen. Didi Neidhart sprach mit SEBASTIAN FRISCH über seine Musik und die dahinterstehende Philosophie.
Was unterscheidet die aktuelle CD „Superdeep“ vom Debüt „In The Moment“ aus dem Jahr 2016?
Sebastian Frisch: Ich denke, der größte Unterschied ist die zeitliche Entstehung der Alben mit den Hintergründen und Themen, die zu diesen Momenten in meinem Leben eine wichtige Rolle spielten.
Während des Schaffensprozesses von „In The Moment“ habe ich den Versuch gewagt, eine damals akute traumatische Erfahrung meines Lebens zu thematisieren und mein Urvertrauen in die Welt wiederzuerlangen. Dabei empfand ich, dass Improvisation – das tief gehende Einfühlen in Gegebenheiten und das Reagieren durch das Spielen im Moment – eine maßgebliche Rolle in meinem Heilungsprozess spielte.
„Dubby Storytelling“
Neben der Improvisation rückten Ideen des musikalischen Geschichtenerzählens immer näher in den Fokus des Kompositionsansatzes. Das Schaffen von morphenden Szenerien aus Melodien, Field Recordings, Hintergrundsounds und experimentellen Klangwelten brachte mich dazu, meine musikalische Arbeit als „Dubby Storytelling“ zu beschreiben. Nach der Fertigstellung meines Debüts hatte ich eine Art Kochbuch für meine musikalischen Geschichten geschaffen.
In „Superdeep“ greife ich diese kompositorischen Ansätze auf und versuche, sie zu vertiefen. In der Zeit von 2016 bis 2019 wurde mein Sohn geboren, ich habe geheiratet, wir mussten unser Waldparadies in Niederösterreich verlassen und meine musikalische Praxis hat sich verfestigt. Alles einschneidende Erlebnisse, die „Superdeep“ maßgeblich geprägt haben.
Was bedeutet eigentlich „Pangani“?
Sebastian Frisch: Das Wort „Pangani“ stammt aus der Sprache Swahili – vorwiegend gesprochen in Kenia und Tansania – und bedeutet wörtlich übersetzt „Ort der Kraft“.
Naturheiler in Kenia bauen die Hütten, in denen sie praktizieren, in der Nähe alter Affenbrotbäume. Die Afrikanischen Baobabs sollen eine besonders starke Energie spenden und sich verstärkend auf ihre Arbeit auswirken. Diese Orte werden „Pangani“ genannt.
Eines Abends im Sommer 2013 – während meines Aufenthaltes in Mombasa – hat ein guter Freund meine Musik mit einem „Pangani“ verglichen. Das Wort und seine Bedeutung haben sofort mit mir resoniert.
Aus welchen Quellen, Sounds, Klängen, Samples setzen sich die einzelnen Tracks eigentlich zusammen?
Sebastian Frisch: Aus einer endlos scheinenden Sammlung aus Stimmen, Flöten, Wassertropfen, knacksenden Hölzern, kommunizierenden Pflanzen, Saxofonen, Meeresrauschen, Drums, Field Recordings aus allen Teilen der Welt, spielenden Kindern, Gitarren, mikrofonierten Badewannen, Hangs, Akkordeons, Melodicas, analogen und digitalen Synthesizern, Percussions und vor allem tiefen Bässen.
Ich finde es wunderschön, dass so ziemlich jeder Sound eine kleine Geschichte in sich trägt. Neben Jams in meinem Studio produziere ich die meisten Aufnahmen während meiner Reisen. So manifestieren sich Erlebnisse mit bestimmten Menschen, Umgebungen, Pflanzen, Tieren und Eindrücke als Soundelemente meiner musikalischen Geschichten.
„Ich stelle mir (…) vor, dass ich fließende Sound-Umgebungen und tonale Bühnenbilder erschaffe.“
Wie wichtig ist dabei das Verhältnis zwischen Field Recordings und live eingespielten Teilen?
Sebastian Frisch: Das kommt auf die Szenerie des einzelnen Tracks an. Ich stelle mir beim Musizieren immer vor, dass ich fließende Sound-Umgebungen und tonale Bühnenbilder erschaffe. Meistens gibt es dabei einen „Hauptcharakter“ im Fokus, der ein Geräusch, eine Melodie, ein Field Recording etc. sein kann, und die anderen Elemente malen dann dazu die Umgebung.
Räumliche Tiefe und sich ständig verändernde Klanglandschaften sind mir dabei sehr wichtig.
Mit „Pangani in Ritual“ gibt es auch eine eigene spezielle Live-Reihe. Worum geht es dabei und worin besteht hier die Herausforderung?
Sebastian Frisch: Bei „Pangani in Ritual“ lade ich mein Publikum auf eine multisensorische Abenteuerreise ein. Neben dem Hören werden in diesem Ritual noch zwei weitere Sinne in den Fokus gerückt: Sehen und Riechen. Eine speziell entwickelte Lichtanlage taucht die Umgebung in ein intensives Farbenspiel, das zusammen mit Geruchskompositionen aus ätherischen Ölen den Konzertraum in eine multisensorische Erfahrung verwandelt.
Ich versuche dabei, eine möglichst ganzheitliche Erfahrung zu kreieren, in welcher die Gerüche eine Grundstimmung im Raum erzeugen, die von der Musik weitergetragen und durch das choreografierte Licht verstärkt wird.
Meine ständige Inspiration ist dabei der Eindruck natürlicher Umgebungen, wo die Erfahrung aus einem Zusammenspiel verschiedener sensorischer Eindrücke erzeugt wird.
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„Die verschiedenen Werke sind lediglich unterschiedliche Ausdrucksformen desselben Ursprungs.“
Sie beschäftigen sich ja auch mit „Sound-Art-Installationen“. Wie „interagieren“ diese mit Ihren Livekonzerten?
Sebastian Frisch: Ich denke, meine gesamte künstlerische Tätigkeit kann man unter dem großen Schirm immersiver Erfahrungen zusammenfassen.
Die verschiedenen Werke sind lediglich unterschiedliche Ausdrucksformen desselben Ursprungs. Ich bin sehr interessiert an Rauminstallationen, der Selbstwahrnehmung im Raum und den damit verknüpften Sinneseindrücken.
Ich sehe z. B. meine psychedelische Musik an sich als Sound-Art-Installation im menschlichen Körper meiner Mitreisenden.
Während meiner künstlerischen Forschungsarbeit sample ich viele Experimente, wie z. B. das kommunizieren junger Maispflanzen in der Arbeit „Biophonic Garden“ aus dem Jahr 2014 oder das knacksende Universum trocknenden Holzes in „Splits and Cracks“ aus dem Jahr 2017, die mir wiederum akustisches Material für neue Tracks liefern.
Live fällt vor allem Ihr außergewöhnliches, aber auch überschaubares Set-up auf. Neben Laptop und iPad gibt es da diese „Holzplatte“, auf der Sie Kugeln fallen lassen, wodurch Sie gleichsam einzigartige Soundscapes produzieren. Auf Ihrer Homepage steht dazu etwas von einem „self-built percussive synthesizer“. Können Sie uns mehr davon erzählen bzw. wie sind Sie überhaupt auf die Idee zu diesem Set-up gekommen?
Sebastian Frisch: Mein Live-Set-up kann man in zwei Abschnitte unterteilen. Auf der einen Seite befindet sich mein Playback-System, welches alle meine Tracks auf acht Spuren und in verschiedene Teilabschnitte unterteilt beinhaltet. Alle Kanäle haben einen Hochpass- und Tiefpass-Filter, Lautstärke und BUS zu einem Dub-Delay/Reverb-Effektgerät. Dadurch kann ich live mit bestehendem Material interagieren, Tracks völlig neu zusammensetzen oder einzelne Bestandteile verändern.
Auf der anderen Seite befindet sich mein Foleyboard, eine soundreaktive Holzplatte, die ich mit einer Vielzahl an Objekten wie Bohnen, Bürsten, einer Kalimba und Würfeln bespiele.
Ich bin ein großer Fan der Praxis eines Geräuschemachers, jedoch finde ich den Workflow – Aufnahme, Laden, Platzieren, Schneiden und Effektieren –- nicht sehr musikalisch.
Den richtigen kleinen Sample-Schnipsel für einen spezifischen Platz in einem Track zu finden erinnert mich eher immer ans Puzzlespielen als an freies Musizieren. Als Antwort auf diesen eher starren Workflow entstand die Idee, ein Instrument zu entwickeln, welches es mir ermöglicht, Geräusche live auf der Bühne spielen zu können. Das Foleyboard habe ich während des Kurses „Performative Instruments“ als Teil meines ArtScience-Master-Studiums in Den Haag entwickelt.
Begonnen hat alles mit einem dynamisches Mikrofon und einem Koffer voller Krimskrams. Durch fast tägliches Weiterentwickeln und Spielen des Foleyboard im Improvisationsensemble des Studiengangs konnte ich sehr schnell große Entwicklungsschritte machen.
Am Ende blieb eine gedämmte Holzplatte mit qualitativ hochwertigem Kontaktmikrofon und einigen wenigen Geräuscherzeugern übrig. Der abgenommene Sound wird dann durch eine Vielzahl an kontrollierbaren Effekten manipuliert und spielbar gemacht.
Seit Neuestem befindet sich auch ein Gesangsmikrofon auf der Bühne, mit welchem ich mein Effektsystem mit vokalen Improvisationen füttern kann.
Einer der essenziellen Punkte während der Entwicklung meines Live-Set-ups war, dass ich Konzerte spielen möchte, ohne auf meinen Laptop-Bildschirm schauen zu müssen.
Die Überschaubarkeit meines Set-ups ist vor allem der zwingenden Transportierbarkeit geschuldet. Es muss einfach alles in meinen Rucksack passen, damit ich damit um die Welt fliegen kann.
„Gleichzeitig bedeutet psychedelische Musik für mich völlige Freiheit in der Gestaltung“
Sie selbst bezeichnen Ihre Musik als „Psychedelic Dub“. Was bedeutet dabei für Sie „Psychedelic“ und wieso Dub und nicht eine andere Form der Dekonstruktion von Musik aus dem mittlerweile doch auch recht großen Fundus der Remixtechniken?
Sebastian Frisch: Psychedelische Musik ist für mich eine Einladung, Geist und Körper durch Musik auf eine bewusstseinserweiternde Reise zu schicken. Ich sehe mich selbst als Geschichtenerzähler, der in seinen Werken eigene Erfahrungen nutzt, um den Hörerinnen und Hörern die Schönheit sinnlicher Wahrnehmung unserer Umwelt zugänglich zu machen. Gleichzeitig bedeutet psychedelische Musik für mich völlige Freiheit in der Gestaltung, das Spielen mit Erwartungshaltungen, die Liebe zum Detail und eine überzeugende Entwicklung in der Zeit.
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Dub beschreibt für mich eine besondere geistige Haltung zur Musik, das Experimentieren als Basis des Schaffens, eine unausweichliche Nähe zur Reggae-Musik und einen gewissen DIY-Zugang zum verwendeten Equipment. Mein gesamtes Set-up ist für mich ein einziges Instrument, dass im Prinzip eine digitale Weiterentwicklung eines alten 8-Track-Dub-Set-ups ist.
An der CD waren über ein Dutzend Musikerinnen und Musiker beteiligt. Was war dabei deren Funktion? Haben diese einzelne Pattern eingespielt oder ganze Tracks, die dann mittels Dub-Techniken bearbeitet worden sind?
Sebastian Frisch: Für meine Gäste bereite ich meistens ca. zehn Minuten lange Stücke aus verschiedenen geloopten Abschnitten vor und lade sie ein, dazu zu improvisieren. Die Stücke bestehen größtenteils aus Rhythmen und Hintergrundsounds, um die Musikerinnen und Musiker in wechselnden Umgebungen zu platzieren. In diese fügen sie sich auf verschiedene Art und Weise ein oder interpretieren sie. Aus den entstandenen Aufnahmen suche ich mir dann die für mich spannendsten Sektionen aus und baue neue Elemente für meine musikalischen Geschichten.
Auch die aktuelle CD „Superdeep“ wurde großteils durch Crowdfunding via kickstarter.com ermöglicht. Wieso diese Art der Finanzierung und wie viel Geld ist zusammengekommen?
Sebastian Frisch: Meine Entscheidung, die Finanzierung durch Crowdfunding zu machen, entstand sowohl aus einem Mangel an eigenem Kapital als auch aufgrund der dann doch eher wenigen Kunstförderungen in Österreich.
Die während der Kickstarter-Kampagne zu finanzierende Summe von 1.500 Euro konnte ich mit einer Förderung durch den SKE-Fonds gering halten und das Ziel wurde dank der Großzügigkeit meiner Unterstützerinnen und Unterstützer schon nach drei Tagen erreicht. Insgesamt sind durch die Crowdfunding-Kampagne knapp 3.000 Euro über Kickstarter und persönliche Vorbestellungen zusammengekommen.
Geplant sind diesmal auch zwei „Special Editions“, zum einen eine mit einer handgemachten Holzbox und zum anderen eine „synæsthetische Special Edition“ mit einem kleinen Parfümfläschchen. Zusätzlich hat jeder Track sein eigenes Symbol bzw. Emoji.
Wie kommen Sie auf solche Ideen, die ja nicht nur hübsches Beiwerk darstellen sollen?
Sebastian Frisch: Der Moment, als Bastian in „Die unendliche Geschichte“ das Buch mit dem dicken braunen Ledereinband und dem silbernen Symbol der verschlungenen Schlangen in die Hand nimmt und öffnet, hat sich tief in meine Erinnerung eingebrannt. Ich war fasziniert von der Ästhetik dieses Buches und kann immer noch mitfühlen, wie sich dieser kleine Junge gefühlt haben muss, als er diesen Schatz öffnete.
Alle Objekte, Farben, Grafiken und Gerüche sollen meine Zuhörerinnen und Zuhörer auf die bevorstehende Reise vorbereiten. Neben dem Sound hat auch jeder Track eine Farbe und Form, die ich in den Symbolen der Tracks manifestiere. Das kaleidoskopische Cover ist ein Mosaik aus eben diesen Symbolen der acht Tracks.
Bisher habe ich die Symbole eher als Hieroglyphen gesehen, wobei man Emojis wahrscheinlich auch als Hieroglyphen des 21. Jahrhunderts bezeichnen kann.
Die CD-Hülle in einer Auflage von 500 Stück ist eine handgemachte Holzbox, welche ohne Plastik und umweltschädliche Materialien auskommt und so gleichzeitig Denkanstöße über die Massenproduktion umweltschädlicher Verpackungsmaterialien geben soll.
Der Deckel der Hülle ist mit detaillierten Ausschnitten versehen, die Elemente des darunterliegenden Booklets freilegen.
Mit der „Synæsthetic Edition“, die auf eine Auflage von zehn Stück limitiert ist, möchte ich meinen Zuhörerinnen und Zuhörern den multisensorischen Zugang meiner „Rituals“ auch in ihrem eigenen Zuhause erlebbar machen.
Wird es eine Tour zur CD geben?
Sebastian Frisch: Die Tour ist gerade in Planung, daher kann ich noch nicht allzu viel ankündigen, aber ein paar Termine kann ich schon verraten. Besonders freut mich, dass ich mein „Ritual“-Set-up dieses Jahr das erste Mal auf einem Festival zeigen kann.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Didi Neidhart
Termine:
9. März 2019: CD-Release-Show „Pangani in Ritual“, OFF THEATER Salzburg
9. JJuni 2019: Botanical Garden, Leiden, NL
19.–24. Juni 2019: Everness Festival („Live Ambient Music Workshop“ und „Pangani in Ritual“), HU
29. Juli–4. August 2019: XPS Sound, Salzburg
15.–19. August 2019: Psy-Fi Festival, NL
31. August 2019: Altes Spital, Viechtach, D
16.–22. September 2019: Back to Nature Festival, TR
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