„DU KANNST MENSCHEN NUR DANN ERREICHEN, WENN ES DIR GELINGT, SIE IN IHREM INNERSTEN ZU ÜBERRASCHEN.”- JULIA MALISCHNIG IM MICA-INTERVIEW.

Die Kärntner Ausnahme-Gitarristin und Sängerin Julia Malischnig organisiert seit 17 Jahren das Internationale Gitarrenfestival La Guitarra esencial in Millstatt. Vor sechs Jahren kam das Gitarrenfestival La Guitarra Erl in Tirol dazu und am 8. und 9. November wird in der Seestadt Aspern in Wien zum zweiten Mal das Art of Guitar Festival über die Bühne gehen, u. a. mit dem spanischen Flamenco Star und Latin-Grammy-Gewinner Antonio Rey.

Sie sind seit 17 Jahren sehr erfolgreich als Festivalgründerin und -leiterin tätig. Können Sie die Anfänge skizzieren?

Julia Malischnig: Ich habe das Gitarrenfestival Millstatt mit der Intention gegründet, die Gitarre auf ein größeres Podium zu bringen; mit der Gitarre als Gastgeberin den Austausch mit anderen Künstler:innen zu öffnen und spannende Saitenspiele zwischen Form und Freiheit zu kreieren.

Das Line-Up Ihrer Festivals liest sich wie ein “Who is Who” der Gitarrenszene: Antonio Rey, Tommy Emmanuel, Tuck and Patty, aber auch Stars aus der Weltmusik: Amjad Ali Khan (Sarod), Sona Jobarteh (Kora) sind vertreten …

Julia Malischnig:  Viele Highlights mit großen Namen und Stars aus aller Welt sind als unvergessliche Konzerterlebnisse von La Guitarra esencial präsent. Bei der Festivalgründung 2008 war es ein Novum, diese Buntheit und Vielfalt an “Saitenströmen” auf die Bühne zu bringen. Ich war eine Pionierin auf diesem Gebiet. Meine Vision ist mit unglaublich großem Erfolg aufgegangen und hat sich kontinuierlich weiterentwickelt und manifestiert.

Kärnten bzw. Millstatt ist ja nach Längerem auch wieder Ihr Lebensmittelpunkt, Sie sind aber auch in Tirol und Wien aktiv…

Julia Malischnig: Vor 10 Jahren habe ich das Konzertformat Una Noche de Guitarra im Rahmen der Tiroler Festspiele Erl entwickelt. Daraus ist das eigenständige Gitarrenfestival La Guitarra Erl entstanden, das sich mittlerweile erfolgreich etabliert hat und nächstes Jahr bereits zum 7. Mal im Festspielhaus Erl stattfindet.

Als drittes Festival meiner Marke La Guitarra esencial ist im letzten Jahr das Art of Guitar Festival Wien in Europas größtem Stadtentwicklungsgebiet in der Seestadt Aspern aus der Taufe gehoben worden. Es ist für mich Herausforderung und Inspiration zugleich in Wiens modernstem und aufstrebendem Stadtteil ein Klangfestival zu positionieren und damit einen Impuls zu setzen, dass Kunst und Kultur an jedem Ort unverzichtbarer Bestandteil in unserer Gesellschaft wird.

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Worauf darf man sich in Aspern freuen?

Julia Malischnig: Am 8. November eröffne ich mit meinem Projekt Alegría, mit Wolfgang Puschnig (Saxophon), Klaus Paier (Akkordeon), Asja Valčić (Cello), Cecilio Pereira (Gitarre) und den internationalen Tänzer:innen Maria Shurkhal, Marina Razumovskaja und Elías Morales Pérez. Projektionen des bildenden Künstlers Harald Schreiber werden unsere Aufführung um eine zusätzliche Dimension bereichern. Das zweite Konzert am 9. November lässt ein Flamenco-Feuerwerk der Superlative mit dem spanischen Flamenco Star Antonio Rey und seinem Sextett erwarten. Antonio Rey zählt für mich neben Vicente Amigo und Tomatito zu den größten Flamenco-Gitarristen unserer Zeit und fasziniert mit seinem ganz eigenen Stil und Klang.

Der Flamenco ist ja eine Kunstform, die alle Sinne anspricht…

Julia Malischnig: Beim Flamenco werden tiefgreifende Emotionen freigesetzt. Der Flamenco Tanz spielt dabei als Ausdrucksform eine wesentliche Rolle. Seit Beginn meiner Festivals ist Tanz in verschiedensten Formen und Stilen in das Programm integriert. Auch in meinen eigenen künstlerischen Projekten ist der Tanz ein Bindeglied, um in Interaktion mit der Musik alle Sinne anzusprechen. Es ist mir als Künstlerin aber auch wichtig, Inhalte und Werte zu vermitteln…

„ICH SEHE ES ALS GROßEN AUFTRAG DER KUNST, DER VERKÜMMERUNG DER SINNE ENTGEGENZUWIRKEN.”

Welche wären das?

Julia Malischnig: Aufrichtigkeit, Authentizität, das Ausblenden von Oberflächlichkeiten und Manipulationen… – ich wähle für meine Festivals aussagekräftige und einzigartige Künstler:innen aus, wie zum Beispiel die Koravirtuosin Sona Jobarteh aus Gambia, die sich mit ihrem Instrument als erste Frau in der westafrikanischen Männerdomäne durchgesetzt hat. Mit ihrer Musik ist sie auch ein Sprachrohr, und sie setzt sich für die Entwicklung der Jugend in ihrer Heimat.

Bild Julia Malischnig
Julia Malischnig (c) Lukas Bezila

Eine Parallele zu Ihnen…

Julia Malischnig: Ja, ich bin jetzt als Fachbereichsleiterin für die künstlerische Entwicklung der Musikschulen in Kärnten verantwortlich. Davor habe ich mich 12 Jahre lang als Fachgruppenleiterin im Oberösterreichischen Landesmusikschulwerk für die Zupfinstrumentenszene in Österreich eingesetzt. Denn mir liegt daran, junge Menschen für Kunst, Kultur und Musik zu begeistern. Ich halte es für unsere Gesellschaft äußerst wichtig, hören und zuhören zu lernen, die eigene Stimme zu entdecken und die Individualität zu entwickeln. Diese Möglichkeit und Förderung bieten wir den jungen Menschen in unseren Musikschulen.

Stellen Sie eine Veränderung zu Früher fest?

Julia Malischnig: Ich bemerke, dass die Schüler:innen durch die Digitalisierung ein noch größeres Bedürfnis nach Aufmerksamkeit haben und den kompetenzorientierten Musikunterricht als “quality time” erleben. Ich sehe es als großen Auftrag der Kunst, der Verkümmerung der Sinne entgegenzuwirken.

Sie setzen sich auch mit Ihren eigenen musikalischen Wurzeln auseinander – Stichwort: Kärntner Lied -, wovon man sich auf Ihrem Album “Canti Carinthiae” überzeugen kann…

Julia Malischnig: Das Kärntner Lied ist ein Teil meiner musikalischen Identität. Ich gehe damit aber auf meine Art und Weise um. Mein letztes Album “Canti Carinthiae” ist eine Hommage an das Kärntnerlied mit Eigenkompositionen, Arrangements und musikalischen Verwebungen mit Einflüssen aus anderen Ländern. Besonders speziell war dabei das Zusammentreffen mit dem chinesischen Erhu-Virtuosen Guo Gan. Wenn man es zulässt, dass sich Kulturen einander begegnen, ergeben sich spannende Gratwanderungen, die von der Tradition in die Zukunft führen.

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„ICH MÖCHTE MIR DIE FREIHEIT NEHMEN, MICH SELBST FÜHREN BZW. ENT-FÜHREN ZU LASSEN.”

Wie entstehen Ihre Stücke, wann haben Sie mit dem Schreiben begonnen?

Julia Malischnig: Meine erste Komposition “La Marcha de los Pinguinos” ist auf einer Reise nach Südamerika entstanden. Ich lasse mich beim Komponieren spontan von äußeren Einflüssen inspirieren und gehe dabei sehr intuitiv vor.

Gibt es etwas, das die Gitarre anderen Instrumenten voraushat?

Julia Malischnig: Die Gitarre kann durch ihren einzigartigen Klangfarbenreichtum eine ganz besondere Atmosphäre erzeugen. Durch die umarmende Haltung nahe beim Herzen nimmt der Gitarrist die Schwingung des Klanges in sich auf, bevor sie sich wie eine Welle auf das Publikum überträgt. Nicht umsonst zählt die Gitarre zu den beliebtesten Instrumenten, weil sie mit ihrer Vielfalt an Klangfarben und Stilen Menschen auf mehreren Ebenen erreicht, begeistert und glücklich macht.

Sie verfolgen aus meiner Sicht ziemlich konsequent das Ziel eines “rauschhaften Festes”, wenn ich das so sagen darf. Was ist die nächste Stufe: ist der Zenit erreicht oder haben Sie weitere hochfliegende Pläne?

Julia Malischnig: Ich würde nicht sagen, dass ich etwas verfolge, sondern ich möchte mir immer die Freiheit nehmen, mich selbst führen bzw. ent-führen zu lassen von dem, was mich fasziniert. Außerdem möchte ich mir meine unvoreingenommene, kindliche Neugier und Offenheit bewahren. Neue Spielräume mit unbändiger Spielfreude erschließen ist meine Vision und Mission. Du kannst Menschen nur dann erreichen, wenn es dir gelingt, sie in Ihrem Innersten zu überraschen

Dazu gehört auch viel Mut zum Risiko. Denn es kann funktionieren, kann aber auch mal nicht funktionieren…

Julia Malischnig: Ja, aber darüber habe ich noch nie nachgedacht, schon vor 17 Jahren nicht.

Dann wünschen wir Ihnen und dem Art of Guitar Festival Wien viel Erfolg und sagen herzlichen Dank für das Gespräch!

Philipp Tröstl

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