Die isländisch-österreichische Band CHILI AND THE WHALEKILLERS ist hierzulande schon lange kein unbeschriebenes Blatt mehr. Drei viel gelobte Alben, eine Chartplatzierung in Island und eine rege Konzerttätigkeit im In- und Ausland haben die Fanschar der Combo schnell anwachsen lassen. Mit „a dot in the sky“ folgte Anfang Mai nun das vierte Album der Band. Chili Tomasson und Hjörtur Hjörleifsson im Interview mit Michael Ternai
Anfang Mai ist Ihr mittlerweile viertes Album „a dot in the sky“ erschienen. Und wie eigentlich zu erwarten war, ist es musikalisch wieder ganz anders ausgefallen als das Vorgängeralbum. Die Musik ist anscheinend noch nicht zur Routine geworden.
Chili Tomasson: Ich glaube, unsere Alben klingen deswegen immer anders, weil wir eben nicht in eine Routine verfallen. Natürlich haben sich schon gewisse Dinge eingespielt, was zu einem gewissen Grad auch sehr angenehm ist. Vor allem diese bürokratischen Abwicklungen mit dem Presswerk oder der AUME zum Beispiel. Diese Dinge nehmen jetzt ganz einfach nicht mehr so viel Zeit in Anspruch, wie es früher der Fall war. Aber vom Künstlerischen, vom Arbeitsprozess her? Nein, da ist definitiv nichts zur Routine geworden. Wir versuchen, uns immer weiterzuentwickeln und suchen ständig neue Ansätze. Im Songwriting genauso wie in den Texten.
Hjörtur Hjörleifsson: Ich glaube, man merkt bei diesem Album – vor allem im Bezug auf die Akkordabfolgen und Rhythmuswechsel –, dass wir uns doch um einiges weiterentwickelt haben. Auf unserem letzten Album waren schon noch mehr klassisch geprägte Popsongs vertreten. Diesmal habe ich das Gefühl, dass wir wirklich neue Ansätze gefunden und entwickelt haben. Für mich persönlich ist auch der Umstand, dass ich nun in manchen Songs wieder auch auf Isländisch singe, ein großer Schritt. Ich war dahingehend lange Zeit unsicher. Mein Bruder und ich sind ja mit vierzehn nach Österreich gezogen. Und als wir hier ankamen, hatten wir zunächst genug mit der deutschen Sprache zu kämpfen. Erst als ich selbst in Deutsch und Englisch sicherer geworden bin, konnte ich mich wieder dem Isländischen zuwenden. Das hat schon eine Weile gedauert.
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„Ich denke schon, dass wir von Album zu Album immer auch etwas dazugelernt haben und mittlerweile unsere eigene Arbeitsweise gefunden haben.“
Chili and The Whalekillers sind ja bekannt dafür, in Ihrer Arbeit sehr selbstständig zu agieren. Von der Musik bis zur Covergestaltung: Es bleibt quasi alles in den eigenen Händen. Wie wichtig ist für Sie diese Selbstständigkeit? Inwieweit reicht sie schon hinein in den Perfektionismus?
Hjörtur Hjörleifsson: Sicher, eine gewisser Hang zum Perfektionismus ist schon da. Aber durch diese Selbstständigkeit hat sich für uns die Möglichkeit eröffnet, wirklich so lange an den Sachen zu arbeiten, bis wir mit ihnen wirklich hundertprozentig zufrieden sind. Wir haben ja mit sechzehn, siebzehn mit der Band gestartet und wir waren eigentlich von Beginn an gezwungen, alles selbst zu machen. Ich denke schon, dass wir von Album zu Album immer auch etwas dazugelernt haben und mittlerweile unsere eigene Arbeitsweise gefunden haben.
Kann man sagen, dass Sie es mit diesem Album wissen wollen? Sie haben vermutlich recht locker und ohne viel nachzudenken begonnen. Nun sind sie schon deutlich komplexer unterwegs.
Chili Tomasson: Schwierige Frage. Ich will jetzt nicht für alle in der Band reden, aber ich selbst habe noch nie das Gefühl gehabt, in einer Position zu sein, in der ich mir gesagt hätte: „So jetzt will ich es wissen.“. Wir tun einfach und schauen von Album zu Album. Und es wird sich immer irgendetwas weiterentwickeln. Wir wissen, dass auf „a dot in the sky“ definitiv ein weiteres Album folgen wird, weil wir schon an diesem arbeiten.
Hjörtur Hjörleifsson: Wir haben im Rahmen unserer Sessions ja circa 20 Lieder aufgenommen. Und einige werden sicher auch auf das nächste Album kommen.
Chili Tomasson: Ich finde „a dot in the sky“ ist ein richtig feines Ding geworden. Auch weil es aufregend war, es zu machen. Wir haben zum ersten Mal mit Streicherinnen und Streichern gearbeitet, was sehr spannend war. Mit Bläserinnen und Bläsern zusammenzuarbeiten, war uns ja schon vertraut, aber ein Streicherensemble war ganz was Neues.
Hjörtur Hjörleifsson: Genau. Dahingehend streben wir immer nach vorne, wobei man schon aufpassen muss, dass man sich nicht allzu sehr in der Detailarbeit verliert. Auch wenn wir uns sehr mit dem Sound und den Arrangements auseinandersetzen, versuchen wir doch, uns nicht komplett in diesen Dingen zu verlieren. Für uns steht eigentlich immer der Song an erster Stelle.
Ungewöhnlich ist die musikalische Bandbreite, die Sie abdecken. Klarerweise entsteht diese auch durch die vielen verschiedenen Instrumente, die Sie verwenden. Aber es ist nicht nur das. Sie kommen ganz ohne eine Anbiederung an einen aktuellen Trend aus. Ihre Musik hat einen richtig schönen zeitlosen Charakter.
Hjörtur Hjörleifsson: Wir hören natürlich schon auch aktuelle Musik. Es mag schon sein, dass manche Leute meinen, wir wären etwas retro fixiert. Das ist aber, so glaube ich zumindest, darauf zurückzuführen, dass wir auf neue Technologien oder Elektronik verzichten. Es gibt ja viele Bands, die nach und nach immer mehr auf elektronische Beats und Samples bauen. Wir nicht. Wir sind noch nicht an diesem Punkt angelangt. Und vielleicht ist es genau dieser Zugang, der unserer Musik eine gewisse Zeitlosigkeit verleiht.
„Natürlich ist man von dem geprägt, was man kennt und womit man aufgewachsen ist.“
Ist dieser pure Sound eine bewusst gesetzte Trademark?
Hjörtur Hjörleifsson: Bewusst, das glaube ich eher nicht. Wir haben einfach immer sehr limitierte Instrumente zur Verfügung gehabt. Was unsere Musik vielleicht mehr ausmacht, ist, dass wir unterschiedliche Instrumente verwenden. Und das, ohne dass wir das wirklich planen. Manchmal passiert das aus dem Zufall heraus. So bin etwa auch zur Saz – einem türkischen Instrument – eher durch Zufall gelangt. Ein Nachbar von mir in Salzburg hat mir, einfach weil er zwei von diesen Instrumenten gehabt hat, eine geschenkt. Und ja, wir haben versucht, diese Saz auch in unsere Musik einzubauen. Ähnlich war es bei der Bo-Camp-Kinderorgel, die Chili irgendwann einmal auf dem Müll gefunden hat. Sie spielt zwar nur drei Sounds und ein paar Rhythmen, aber die reichen schon aus, um unserer Musik einen eigenen Klang zu geben. Natürlich verwenden wir Effektgeräte, die den Sound etwas verfremden und aufpeppen, aber dennoch sie haben großen Einfluss auf die Songs.
Wer sind Ihre musikalischen Vorbilder? Wer hat Sie geprägt? Ich nehme einmal an, dass Bands aus den Sechzigerjahren nicht ganz unwichtig waren?
Hjörtur Hjörleifsson: Natürlich ist man von dem geprägt, was man kennt und womit man aufgewachsen ist. Bei uns waren es die Beatles, Led Zeppelin und anderes Sechziger-Jahre-Zeug. Aber auch neuere Bands wie Radiohead und Beachhouse hatten einen nicht unerheblichen Einfluss auf uns. Irgendwann später haben wir auch begonnen, Fleet Foxes zu hören, was unser Interesse an Harmonien geweckt hat. Für mich persönlich nicht unwichtig war auch die klassische Musik meiner Eltern, die in Island Mitglieder eines A-capella-Quartetts waren. Aber wie schon vorher erwähnt, für uns steht immer der Song an sich im Fokus. Ein Song, der eine Geschichte erzählt.
Sie legen sehr viel Wert auf die Texte. Wovon lassen Sie sich inspirieren?
Chili Tomasson: Eigentlich von allem Möglichen. Das fangt an bei Dostojewski und geht bis Tolstoi oder Berthold Brecht. Auch Charles Bukowski ist irrsinnig spannend. Es gibt viele Literatinnen und Literaten, die großartig schreiben und die inspirieren. Auf der anderen Seite sind es auch einfach nur irgendwelche skurrilen Geschichten, die man mal aufschnappt, oder Ideen, mit denen man konfrontiert wird.
Hjörtur Hjörleifsson: Aber natürlich sind wir auch beeinflusst von den großen Songwritern wie Leonard Cohen und Bob Dylan.
Mitte Mai geht es ja auf eine ausgedehnte England-Tour?
Chili Tomasson: Ja, wir spielen so dreizehn, vierzehn Konzerte. Ich bin schon sehr gespannt.
Irgendwie ein Sprung ins kalte Wasser? Wie sehen die Erwartungen aus? So viele neue Fans wie möglich zu gewinnen?
Chili Tomasson: Natürlich wäre das schön. Aber ich habe jetzt nicht die großen Erwartungen. Was mich mehr interessiert, ist, einfach einmal vor einem neuen Publikum zu spielen, das nicht voreingenommen ist. Wir spielen ja mittlerweile seit fünf Jahren immer in den gleichen Städten. Daher ist es jetzt höchste Zeit, auch einmal rauszukommen.
Im Moment wird viel über die österreichische Popszene berichtet. Vor allem auch wegen der Erfolge von Bands wie Bilderbuch und Wanda. Beschäftigen Sie sich mit dieser Entwicklung?
Hjörtur Hjörleifsson: Natürlich beschäftigen wir uns damit und kennen die Bands. Wir haben ja vor einem Jahr mit Wanda in Wien gemeinsam im Shelter gespielt. Die waren damals unsere Supportband. Es ist wirklich spannend und sehr erfreulich, was aktuell abgeht. Und es ist schön, zu sehen, dass immer mehr österreichische Sachen ihren Weg ins Ausland finden. Allerdings sehen wir Chili and The Whalekillers jetzt nicht als Teil einer bestimmten Musikszene oder Bewegung. Es gibt schon Bewegung, aber nicht eine Bewegung. Die deutschsprachigen Bands sind eine Sache für sich, wir stehen für eine andere Musik und, und, und.
Chili Tomasson: Ich selbst habe das Gefühl, dass ich von vielen Dingen eigentlich nicht viel mitbekomme. Aber ich habe auch nie wirklich auf andere geschielt. Ich bin auch nicht jemand, der den plötzlichen großen Durchbruch erwartet. Wir konzentrieren uns einfach auf unsere Sachen und schauen, was kommt.
Hjörtur Hjörleifsson: Und schrittweise kommt man so ja auch weiter …
Chili Tomasson: … ja genau. Wir machen uns da nicht wirklich Stress.
Danke für das Interview.
Michael Ternai
Foto Chili and the Whalekillers 1: Vedrana Ona
Foto Chili and the Whalekillers 2: Luca Riccardo Donabauer