„DIESES ALBUM WAR EIN HERZENSPROJEKT“ – CHRISTINA ZURBRÜGG UND MICHAEL HUDECEK IM MICA-INTERVIEW

Die Schweizer Musikerin CHRISTINA ZURBRÜGG lebt seit vielen Jahren in Wien: Gemeinsam mit dem Saxofonisten MICHAEL HUDECEK hat sie das Album „The heart is an eternal wanderer“ produziert, das demnächst live präsentiert wird. Im Interview mit Jürgen Plank erzählen die beiden von Erinnerungen an Willi Resetarits und von vertonten Gedichten des 2018 verstorbenen Autors Heinz R. Unger und – Unger hat einst die Proletenpassion für Die Schmetterlinge geschrieben. HUDECEK und ZURBRÜGG thematisieren außerdem, dass sie mit „The heart is an eternal wanderer“ zurück zu ihren Wurzeln kommen und sprechen über ihre nächsten Projekte.

Euer Album beginnt mit einem vertonten Text des Autors Heinz R. Unger: „The heart is an eternal wanderer“. Wie seid ihr zu diesem Text gekommen?

Christina Zurbrügg: Das ist eine längere Geschichte, denn wir haben einen Film über Birgit Heyn gemacht, die Lebensgefährtin von Heinz Unger. Sie ist eine Tai-Chi-Meisterin. Dafür sind wir sehr viel herumgereist, wir waren in Asien, in Europa und für diesen Film hat Heinz acht Gedichte geschrieben und das ist eines davon. Diese Gedichte sind dann lange liegen geblieben und irgendwann haben wir die wieder gelesen und gesagt: „Die sind so schön, vertonen wir doch zwei oder drei davon.“

Michael Hudecek: Wir wollten auch über Heinz R. Unger einen Film machen, deswegen haben wir uns die Gedichte noch einmal angeschaut. Die wären im Film nämlich vorgekommen.

Christina Zurbrügg: Der Heinz war abergläubisch, er hat gesagt, dass er keinen Film über sich will, weil das immer so nach Ende klingt.

Was ist für euch das Besondere an den Texten von Heinz R. Unger?

Christina Zurbrügg: Ich habe ihn unheimlich geschätzt, auch wegen seiner politischen Haltung. Bei seinen Gedichten mag ich aber weniger die politisch engagierten, sondern mehr die poetischen Texte. Die sind einfach wunderschön, er hat Gefühl gehabt und war wirklich ein Künstler. „The heart is an eternal wanderer“ beantwortet unausgesprochen sehr viele Fragen zum Sinn des Lebens. Ich finde das Bild des Lebensweges und das Motiv des Wanderns durch das Leben sehr schön.

Michael Hudecek: Ich sehe Texte eher als Lautmalerei, bei Worten höre ich eher den Klang. Dieses Album war ein Herzensprojekt, wir haben das the heart-project genannt. Auf Reisen, in Ligurien, haben wir begonnen, zu improvisieren und zu texten, und so hat sich das entwickelt. So war das unser Herzensprojekt und der Text „The heart is an eternal wanderer“ hat einen starken Bezug dazu, auch der „Mercy Blues“, bei dem es um die Liebe, also wieder um das Herz, geht.

Bild Christina Zurbrügg
Christina Zurbrügg (c) Oliver Topf

Bei Heinz R. Unger muss man auch an die Proletenpassion und an Willi Resetarits denken, der ja leider vor kurzem verstorben ist. Was könnt ihr dazu sagen?

Michael Hudecek: Ich bin ja in Wien aufgewachsen und habe natürlich Die Schmetterlinge gekannt. An einem Abend wurde im Radio eine LP der Band vorgestellt und die habe ich auf Kassette aufgenommen, die habe ich dann rauf und runter gehört. Willi bin ich mal bei der Lobau-Besetzung begegnet, da haben Die Schmetterlinge gespielt und ich auch und so sind wir einander begegnet. Und du hast Willi ja immer wieder getroffen.

Christina Zurbrügg: Ja, wir haben einen Werbespot miteinander gemacht! Nun, Heinz hat sich auch sehr fürs Theater interessiert und er war in New York beim La Mama Theatre, das war auch für das experimentelle Theater in Wien ein Vorbild. Als wir in New York waren, haben wir dort im Theater gefilmt und recherchiert, wann Heinz dort war.

„Eine Nähe zu Gedichten habe ich immer gehabt, das fing mit der Liebe zu Federico García Lorca an“

Ich habe die CD „Sonnenuntergang“ von Café de Chinitas – da warst du, Christina, in den 1990er Jahren dabei – mit der neuen Platte quer gehört und mir sind Gemeinsamkeiten aufgefallen: es gibt damals wie heute Rezitationen und Gedichte.

Christina Zurbrügg: Eine Nähe zu Gedichten habe ich immer gehabt, das fing mit der Liebe zu Federico García Lorca an. Das Album „Sonnenuntergang“ ist ja im Kolumbus-Jahr erschienen und da ging es auch um die Azteken und um indianische Gedichte. Das zieht sich bis heute durch, ich lese einfach gerne poetische Texte. Als ich in der Schweiz ins Gymnasium kam, gab es das Projekt „Poesie und Musik“, das war topmodern und wurde im Radio gebracht. Da war zum Beispiel Andreas Vollenweider dabei und da wurden Gedichte von Pablo Neruda oder Heine gelesen und vertont.

Was fasziniert dich an Lorca?

Christina Zurbrügg: Bei Lorca ist diese Nähe zum Ländlichen ganz stark, da gibt es viele Gedichte über die andalusische Erde. Ich komme ja aus einem Bergdorf und das hat bei mir einen Nerv getroffen. Wie Heinz Unger war auch Lorca dann in New York, da geht es zum einen um die Faszination so einer großen Stadt und auch um die Angst. Da gibt es Parallelen in den Lebensthemen.

Unter euren aktuellen Mitmusikern findet sich auch Peter Rosmanith, mit dem du schon in den 1990er-Jahren zusammengearbeitet hast.

Christina Zurbrügg: Mit Peter habe ich immer wieder gespielt, in unserer Anfangszeit haben wir rund zehn Jahre lang miteinander musiziert. Das gilt auch für den Gitarristen und Bassisten Arnulf Lindner, der damals wie heute dabei ist. Der war lange in London und ist erst vor rund zwei Jahren zurückgekommen und so war die Idee, ein bisschen back to the roots zu gehen, zurück zu den Anfängen, und so ist das neue Album auch ein unplugged-Album geworden.

Michael Hudecek: Auch insofern ist das wieder das Herzensprojekt, das mit Menschen zu tun hat, mit denen man schon sehr lange sehr eng zusammengearbeitet hat.

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Ein Stück auf der neuen Platte heißt „Millions of tears“, worum geht es in diesem Lied?

Michael Hudecek: Bei mir ist es oft so, dass ich aufwache und mir fällt eine Textzeile ein. Und das war eben die Zeile „Millions of tears“, weil mich am Tag davor die Lage der Erde zu Tränen gerührt hat: wie wir mit der Erde umgehen und was da alles schief geht. Zur Textzeile „Millions of tears“ ist mir dann eine Melodie eingefallen, das läuft dann immer so parallel. Mittlerweile würde ich gerne ein Lied schreiben, das mehr Hoffnung in sich birgt. Es ist kein sehr hoffnungsfrohes Stück, aber es ist genau die Emotion, die damals bei mir da war.

„Mercy Blues“ ist das letzte Lied – der Text stammt wieder von Heinz R. Unger – auf dem neuen Album und scheint mir ein zentrales Stück dieser Veröffentlichung zu sein. Da geht es um die Suche nach Liebe.

Christina Zurbrügg: Ja, das ist auch in diesem Tai-Chi-Film, den wir damals gemacht haben, am Schluss. Das Stück hat viel mit der Beziehung zwischen Heinz und Birgit zu tun, die sehr nahe war. Gleichzeitig haben sie sich immer wieder sehr viel Raum gelassen und sind immer wieder auseinandergegangen und zusammengekommen. Ich finde, das ist eines der schönsten Gedichte von Heinz.

Das von Richard Weihs in die englische Sprache übertragen worden ist.

Christina Zurbrügg: Ja, dazu ist eines zu sagen: du weißt sicher um die Schwierigkeit in hochdeutscher Sprache zu singen. Wenn du anfängst zu singen: das Herz ist ein ewiger Wanderer. (singt) Das funktioniert nicht so wirklich oder du kommst ganz schnell in Richtung Schlager. Wir haben ja einen Haus- und Hofübersetzer, Richard Weihs, der selbst auch Songwriter ist, und er hat das brillant übersetzt.

Michael Hudecek: Er hat den Vorteil, dass er auch immer weiß, wie ein Text zu singen ist.

„Es ist einfach so, dass man sich über die Jahre immer weiterentwickelt und sich die Interessen verschieben“

Christina, laut Presseinfo erfindest du dich musikalisch immer wieder neu. Wie würdest du das selbst sehen, du hast natürlich schon Verschiedenes gemacht, auch gejodelt.

Christina Zurbrügg: Es ist einfach so, dass man sich über die Jahre immer weiterentwickelt und sich die Interessen verschieben. Das drückt sich natürlich auch in der Musik aus und ich mache nun doch schon seit über 30 Jahren Musik und da gab es schon verschiedene Schwerpunkte. Das ist für mich ganz natürlich, für den Verkauf ist das manchmal ein wenig verunsichernd. Weil die Leute dann nicht wissen, wie sie mich einordnen sollen: das war doch in spanischer Sprache? Und dann jodelt sie? Und dann macht sie ein Album mit Songs? Für mich ist das ganz natürlich, dass das so ist.

Was sind eure nächsten Pläne?

Michael Hudecek: Ein Musical schreiben! Mich fasziniert das Musiktheater immer schon und ich weiß nicht, ob ich das schaffe, aber man kann es ja mal probieren. Es gab zum Beispiel das Projekt und die CD „Christl’s Wunderwelt“. Das war Anfang der 2000er-Jahre und das war eine Live-Show, die eine Handlung gehabt hat, mit Visuals und Film-Zuspielungen, das hat einen Handlungsbogen ergeben. Das ist eine interessante Sache, so etwas reizt mich und dich, glaube ich, auch. Ein Musical ist natürlich eh nur in einer Team-Arbeit möglich.

Christina Zurbrügg: Weil wir auch Filmproduktionen machen, sind die Bilder immer dabei. Und ich habe mit den Lorca-Texten viele Jahre lang Musiktheater-Produktionen gemacht. Ich habe gerade viele Projekte, die ich fertig machen will. Wir haben ein Filmprojekt mit Found Footage-Material über mein Heimatdorf, das sind Amateurfilme aus den 1950er-Jahren. Das machen wir gerade fertig, da ist auch Filmmusik dabei. Und es gibt einen Roman, der noch auf eine letzte Überarbeitung wartet. Heuer möchte ich angefangene Projekte fertig stellen, um dann wieder in neue Projekte gehen zu können. Ich hätte schon genug Titel für ein nächstes Album und würde gerne gleich weiter tun.

Herzlichen Dank für das Interview.

Jürgen Plank

Live:

7.6.2022: Haus des Meeres, Fritz-Grünbaum-Platz 1, 1060 Wien, CD-Präsentation, 19:30h

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