Der letzte Gig ist zwar lange her, trotzdem waren PLEXUS SOLIAIRE alles andere als untätig. Zuletzt erschienen drei EPs (“Noir“, “Blanc“ und “Rouge“, alle auf Monkey Records) und mit “2123” (ebenfalls auf Monkey Records) endlich ein ganzes Album, das eine Art Best Of der letzten EPs ist und gewohnte Hausmarke bietet, d.h. eleganten und eloquenten French-Rock mit Hang zur großen Geste, soll heißen an der Schwelle zum Chanson angesiedelt, aber zum wirklich guten. Man hört Brel, Gainsbourg oder die aktuellen La Femme. Markus Deisenberger traf VINCENT WOHINZ (Gesang, Gitarre), JÜRGEN BAUER (Schlagzeug) und ALEXANDRE FEDORENKO (Gesang, Gitarre), um mit ihnen über das neue “Here we come”-Gefühl und eine Karriere zwischen fm4 und Radio Wien zu plaudern.
Ich habe mit Schrecken festgestellt, dass das letzte Interview, das wir miteinander führten, vor fast zwanzig Jahren stattfand. Soll ich jetzt fragen, was in der Zwischenzeit passiert ist? Oder besser, das wievielte Comeback das hier ist?
Vincent Wohinz: Wir haben eigentlich nie aufgehört, wir haben uns auch nie aufgelöst. Daher ist es kein Comeback. Wir haben nur eine längere Pause gemacht. Ab 2016 haben wir an der EP “Noir” gearbeitet, die dann erst 2021 rausgekommen ist. Und ab 2022 haben wir so viel rausgebracht wie noch nie. Aber wir hatten 2009 ein Seuchenjahr. Da hat sich Alexandre den Halswirbel gebrochen.
Was eine längere Zwangspause erforderlich machte?
Alexandre Fedorenko: Genau sechs Monate. Danach habe ich im Rabenhof ein Trash-Musical gemacht, das “Fantomas“ hieß. Da musste ich auf der Bühne eine Halskrause tragen. Ich war an der Musikproduktion beteiligt, und als Schauspieler und Sänger. Das war sehr cool, aber wegen der Halskrause auch schräg.
Wieso jetzt auf einmal die Produktivität?
Vincent Wohinz: Es ging ein Ruck durch uns. Wir haben gemeinsam viel erreicht, und es dann ein bisschen schleifen lassen. Für mich persönlich gab es eine Veränderung durch eine Krankheit, die mich hat innehalten lassen. Aber seit 2023 sind wir, wie gesagt, so produktiv wie noch nie, mit dem Ziel, auch wieder mehr live zu spielen.
Jürgen Bauer: Man muss noch erwähnen, dass zwei Nummern von “Noir” in “Ordinary Creatures” verwendet wurden, einem Film von Thomas Marschall. Dadurch hatten wir schon auch einen gewissen Druck, weil wir ein Album dazu haben wollten, damit die Nummern nicht verebben. Das hat halt nur leider in der Corona-Phase stattgefunden, wodurch der Film nur stockend anlief. Trotzdem hatten wir den Wunsch, dass eine EP rauskommt. Und die EP war dann ein Motor dafür, neue Sachen zu produzieren.
Vincent Wohinz: Der Film hat es sogar auf das Plakat der Diagonale geschafft, und dann wurde die Diagonale einen Tag vorher abgesagt. Es hat dann ein ganzes Jahr gedauert, bis der Film schließlich auf der Viennale lief. Es war irgendwie typisch: Wir sind gut drauf und der Lockdown kommt. Aber wir haben uns nicht kleinkriegen lassen haben die virtuelle Welt erobert.
Jürgen Bauer: Die Zeiten der CD waren einfach vorbei und so haben wir uns intensiv auf den digitalen Markt geworfen, mit Spotify und Apple Music, und haben sehr positive Resonanz bekommen.
Vincent Wohinz: Wir haben es geschafft, dass wir international gut gehört werden. Mit manchen Nummern haben wir 300.000 Streams erzielt. Aber du musst halt auch live spielen.
Alexandre Fedorenko: Unser letzter Live-Auftritt war 2015, liegt also schon eine ganze Weile zurück. Das war eine fette Geschichte- beim französischen Institut in der Währinger Straße. Wir haben gerockt, aber aus irgendwelchen Gründen haben wir danach nicht mehr gespielt. Dann haben wir ein bisschen gestritten, ich hatte andere Sorgen und mit den Jungs nicht mehr so viel Kontakt. Also haben sie ohne mich auf der “Noir”-Produktion weitergearbeitet. Dadurch ist die EP auch viel weniger gitarren-lastig. Dann ist Bassist Manuel ausgestiegen und sie haben mich gefragt, ob ich nicht wieder einsteigen will, und ich habe Ja gesagt, weil ich extrem viel Lust hatte, mit den Jungs wieder gemeinsame Sache zu machen. Und jetzt seit zweieinhalb Jahren sind wie extrem produktiv. Wir rocken wieder. Schöne Platten sind draußen. Und: Here we come!
Vincent Wohinz: “Noir” war eine Synth-Platte. Wir wollten eine synth-lastige Pop-Platte machen, und das ist uns auch gut gelungen, finde ich.
Der Sound war aber insgesamt schon mal gitarrenlastiger als auf der neuen Platte, oder?
Vincent Wohinz: Auf Seite A sind Nummern der EP “Noir” ohne Alex, und dann auf der B-Seite ist Alex wieder dabei, da wird es wieder gitarrenlastiger. Zu “Blanc” haben wir uns dann während es Lockdowns im Proberaum von Stefan Plattner-Deisenberger getroffen.
Alexandre Fedorenko: Und ich habe gleich die erste Recording Session versäumt, weil ich Corona hatte.
Jürgen Bauer: Aber du hast schon recht. Ich finde auch, dass wir schon gitarrenlastiger waren. Mit den neuen Nummern sind wie ein bisschen reduzierter geworden, was den Nummern aber auch guttut. Wir sind nicht mehr so bombastisch wie früher. Das ist schon ein bisschen eine neue Richtung. Wir sind im Produktionsprozess gereift.
Alexandre Fedorenko: Wir sind alle gereift. Es ist einfach schön, wieder gemeinsam mit den Jungs zu sein und zu rocken.
Die Bandbreite auf “2123” ist enorm. Oft wird das ja nur behauptet, ab er bei euch ist es tatsächlich der Fall. Wenn gleichzeitig eine Nummer des neuen Albums auf Radio Wien und eine andere auf FM4 gespielt wird, spricht das Bände. Das muss man erst einmal schaffen.
Vincent Wohinz: Wir lieben FM4. Und Radio Wien ist großartig für uns, weil sie eine große Reichweite haben. Wir haben “Day and Night” im Studio bei Markus Perner (u.a. bei Garish, Anm.) aufgenommen und es dann einfach hingeschickt, weil wir der Meinung waren, dass es ideal für Radio Wien wäre. Ein Sommerhit…
… mit Ukulele
Vincent Wohinz: Genau. Und nach zwei Mal Hin und Her haben sie uns schließlich recht gegeben. Wir sind dankbar, dass sie uns in die Rotation genommen haben. FM4 wird uns auch wieder öfter spielen, hoffen wir, wenn sie sehen, dass wir wieder mehr live spielen und das Ganze wieder mehr in Richtung Rock geht. Aber die Anerkennung war schon wichtig.
Jürgen Bauer: Bei FM4 wurden wir mit “Rendezvous Magique” zwar gespielt, aber kamen nicht in die Rotation. Dadurch, dass wir so lange nicht präsent waren, haben wir ein bisschen den Kontakt und die Bekanntheit verloren, die wir vorher hatten. Es dauert eine gewisse Zeit, bis du wieder aus der Versenkung auftauchst.
Vincent Wohinz: Als wir uns gegründet haben, wollte uns ja am Anfang auch keiner. Es wäre schön, wenn die Liebe zu uns wieder entfacht wird. Einschneidend war auch, dass unser Produzent Stefan Plattner-Deisenberger aufgehört hat. D.h. er macht immer noch seine eigenen Themen, aber er hat seine Tätigkeit eingeschränkt und stand uns nicht mehr zur Verfügung.
Stefan ist grandios. Wir kennen ihn schon seit etwa 2000, d.h. die Zusammenarbeit geht sehr lange zurück. Ich war verzweifelt, dass einer der besten aufhört – und das gerade zu einem Zeitpunkt, als es für uns darum ging, nicht lange zu warten, sondern nachzusetzen. Aber er hat uns an den Markus Perner verwiesen. Mit dem Markus hat es gleich super gepasst. Das war unheimlich wichtig. Er hat sich die Zeit genommen. Wir haben gemeinsam zwei Nummern gemacht, und der Übergang war sehr erfolgreich. Dass Markus ein grandioser Drummer ist, wussten wir. Aber wie viele Instrumente er sonst noch spielt und dass er auch ein so hervorragender Produzent ist, wussten wir nicht. Er hat sich die Zeit genommen.
Vielleicht war es auch durch ihn, dass das mit Radio Wien geklappt hat. Aber auch Peter Strutzenberger, der am Bass zur Band dazugestoßen ist, war eine enorme Bereicherung. „Rendevousz Magique” war die erste Nummer, die er eingespielt hat, und die hat er sofort getroffen. Er kommt vom Harri Stojka, ist hauptberuflicher Bassist. Die Harmonie zwischen Jürgen an den Drums und Peter am Bass war sofort da.
Jürgen Bauer: Es wurde zwar keine neue Band durch ihn, aber sie bekam einen neuen Charakter
Vincent Wohinz: Er ist auch ein Grund dafür, weshalb wir die Synths von “Noir“ weglassen können. Er gibt uns viel Sicherheit. Ich bin sehr dankbar, dass er uns unterstützt. Er ist ein echter Gewinn.
Wer hatte die Idee zum Crowdfunding für die aktuelle Platte?
Vincent Wohinz: Unser Label Monkey Music. Für seine Lieblinge macht Monkey immer Crowdfunding. Das Vinyl ist wunderschön geworden. Jürgen hat die Cover gemacht wie bei fast allen unserer Platten.
Vorher gab es eine ganze Reihe von EPs, wieso dann doch ein Album?
Jürgen Bauer: Das Album ist eine Collection der vorangegangenen drei EPs. D.h. Walter Gröbchen hat aus drei EPs eine LP gebastelt, die unsere Arbeit seit 2021 widerspiegelt. Wir hatten dreizehn Songs, aber ausgewählt hat Walter nur zehn. Eine Art Best Of also. Wir haben ihm auch bei der Auswahl nicht dreingeredet.
Jetz verstehe ich. Ich dachte zuerst, der Titel “2123” hat einen mystischen oder dystopischen Grund, indem er in die Zukunft weist.
Alexandre Fedorenko: Das haben viele geglaubt. In Wirklichkeit spiegelt es nur die Zeitspanne wider, in der die Songs releast wurden. Entstanden sind viele Songs auf “Noir” ja schon früher.
Jürgen Bauer: Ich fand auch gut, dass er die „Noir“-Songs alle auf eine Seite gepackt hat, weil es so ein stimmiges Feeling hat.
Meine Französischkenntnisse ist sehr rudimentär, aber ich gehe davon aus, dass der Eröffnungs-Song des Albums, “Le dernier métro”, nichts mit Truffaut zu tun hat, oder?
Vincent Wohinz: Nein, der Titel klingt erst mal gut, ist auch eine der beliebtesten Nummern auf Spotify, hat aber nichts mit Truffaut zu tun. In Wirklichkeit ist es ein Aufruf zur Liebe. Es gibt so viel Hass auf der Welt. Das Lied haben wir zu einer Zeit geschrieben, als die Welt sehr komplex wurde. Überhaupt war die “Noir”-EP eher weltpolitisch motiviert. “Episodes” etwa ist eine Nummer über Diktatoren. Aber der Text von “Le dernier métro” geht so: “Nimm mit mir die Letzte Metro, um nach Paris zu gehen.” Und weiter: “Die Welt dürstet nach Liebe!”
Alexandre Fedorenko: Was angesichts der Tatsache, dass Krieg in Europa ist, wohl niemand abstreiten kann.
Ihr probt gerade für euren Live-Auftritt im Chelsea am 14.3. Was sind die Erkenntnisse?
Vincent Wohinz: Die große Erkenntnis ist, dass es egal, was wir machen, selbst wenn wir versuchen, nach Velvet Underground zu klingen und ganz egal, was wir arrangieren und wie oft wir streiten, am Ende nach uns klingt. Am Ende klingt es nach Plexus Solaire. Das einzige Problem war, dass ich im Studio zu viel rede…
Jürgen Bauer: Es gab lange Wartezeiten, ja.
(alle lachen)
D.h. die Proben laufen gut?
Alexandre Fedorenko: Sehr gut. Wir sind gut bereit dafür, wieder live zu spielen.
Vincent Wohinz: Wir haben um die zwanzig Nummern im Programm. Das war und ist viel Arbeit. Bassist Peter Strutzenberger kannte ja nur die neuen, aber nicht die alten Songs. Wir spielen live natürlich auch ein paar alte Hadern. Es wird also auch ein bisschen Revival-Konzert werden.
Jürgen Bauer: Gerade die synth-lastigen Nummern des “Noir”-Albums müssen wir live anders spielen, weil wir beschlossen haben, nicht mit dem Laptop auf der Bühne stehen zu wollen, sondern sie neu arrangieren. Sie auch in der Rock-Formation gut klingen zu lassen, ist eine gewisse Challenge.
Alexandre Fedorenko: Wir bleiben bei der Besetzung: Schlagzeug, Bass und zwei Gitarren. Vielleicht noch ein bisschen Mundharmonika, aber das ist es. Wir sind uns treu geblieben.
Vincent Wohinz: Die Nummern von “Blanc”, “Rouge” und “Noir” werden die Leute überhaupt zum ersten Mal live hören. Es wird ein komplett neues Set, aber wir werden natürlich auch Klassiker wie “Malheureux” spielen.
Bei “Malheureux” gibt es ja immer diesen “Born in the USA”-Effekt, d.h. dass jeder mitsingt, aber die wenigsten wirklich wissen, worum es im Song eigentlich geht.
Vincent Wohinz: Wir stehen zur Vergangenheit und sind stolz, dass wir die und andere Nummern geschrieben haben. Aber es geht uns natürlich auch darum, dass das neue Material ankommt. Und wir tun alles dafür, dass es ankommt. Wir hatten einen Probelauf bei Schallter Records, als wir im Zuge unserer Platten-Präsentation live spielten. Dieser Auftritt war der schwierigste seit langem, weil wir damals ohne Bassisten spielten.
Und wie hat es funktioniert?
Vincent Wohinz: Überraschend gut. Wir waren uns bei einigen Dingen noch nicht sicher, ob es passt. Es war sicher kein Vergleich zum anstehenden Gig im Chelsea.
Jürgen Bauer: Geprobt haben wir ja immer viel. In unseren ersten Zeiten haben wir uns mehrmals die Woche getroffen, und diese Zeit kann uns niemand mehr nehmen.
Alexandre Fedorenko: Darüber hinaus haben wir uns fast täglich an der Bar getroffen.
Vincent Wohinz: Es macht wieder großen Spaß und wir streiten nicht mehr jeden Tag.
Das heißt, die dysfunktionale Familie hat zueinander gefunden?
Alexandre Fedorenko: Die Vernunft hat gesiegt.
Vincent Wohinz: Es ist auf jeden Fall nicht so wie bei Metallica, dass es einen Supervisor braucht, um uns auseinanderzuhalten.
Und die Perspektive sind weitere Alben?
Alexandre Fedorenko: Auf jeden Fall.
Vincent Wohinz: Vielleicht auch ein Live-Album.
Jürgen Bauer: Live spielen war schon immer etwas, was wir gerne gemacht haben.
Vincent Wohinz: Wir haben noch kein Live-Album, und wir waren live immer gut. Wenn es am 14. März auch gut sein sollte…
…könnte man doch gleich das Konzert aufnehmen?
Jürgen Bauer: Wir werden auf jeden Fall testen. “Live Im Chelsea” wäre gut.
Vincent Wohinz: Wir werden weiterveröffentlichen. Vielleicht schaffen wir noch eine EP. Wir schauen jetzt mal, was die Leute sagen. Wie es ankommt. Viele kennen uns von früher, aber es gibt mehr als zehn Nummern, die wir noch nie live gespielt haben. Ob es gut ist, sagt das Publikum.
Jürgen Bauer: Genau, das Publikum entscheidet.
Alexandre Fedorenko: Der Stilmix wird von Country über Reggae-Vibes, Traditional und Chanson bis hin zu Rock reichen. Ich glaube, das wird sehr bunt.
Vincent Wohinz: Und sonst gilt: Nicht so viel nachdenken, sondern sich darüber freuen, was alles passiert. Vielleicht können wir nachsetzen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Markus Deisenberger
++++
Plexus Solaire live
14.03. Chelsea, Wien
++++
Links:
Plexus Solaire (Facebook)
Plexus Solaire (Instagram)
Monkey Music