„Die Welt braucht einfach mehr Liebe“ – SCHMACK im Mica-Interview

Nach längerer Albumpause hat das Warten nun ein Ende: Die Linzer Band SCHMACK ist zurück – mit 13 neuen Tracks auf ihrem zweiten Album „In Love“ (VÖ: 19.4.2024, Seayou Records). Für dieses Werk haben sich die vier Instrumentalisten mit einigen Vokalist:innen zusammengetan und neben dem gewohnten Jazz-Pop-Soundgemisch auch andere musikalische Welten für sich entdeckt. Katharina Reiffenstuhl hat sich anlässlich der Neuveröffentlichung mit SCHMACK – das sind Andreas Holler (Saxofon/Flöte), Philipp Wohofsky (Keyboard), Tobias Wöhrer (Bass) und Patrick Pillichshammer (Schlagzeug) – unterhalten. Ein Gespräch über die Gruppendynamik der Band, die organische Weiterentwicklung des Sounds und die Nachteile daran, eine Instrumentalband zu sein.

Zwischen euren beiden Alben liegen fünf Jahre. Was ist in der Zwischenzeit passiert?

Patrick Pillichshammer: Es hat sich beim zweiten Album musikalisch einiges verändert, das erste Album war viel mehr in diesem Jazz-Kontext drin. Da waren wir noch mehr eine Instrumentalband, unser Genre damals haben wir irgendwo zwischen Fake-Pop und Fake-Jazz definiert. Innerhalb dieser fünf Jahre haben wir uns musikalisch einfach extrem in eine andere Richtung entwickelt. Ob das jetzt eine Weiterentwicklung ist, kann man sehen, wie man will. Das jetzige Album hat sieben Sänger:innen gefeatured, was für uns sehr neu ist. Es ist dadurch viel poppiger geworden. 

Albumcover In Love
Albumcover “In Love”

Tobias Wöhrer: Wir hatten schon sehr viele Demos und Skizzen, die wir immer wieder verworfen haben. Da haben wir sehr viel überlegt, welche Richtung wir einschlagen wollen, welche Sachen zusammenpassen. Zwischenzeitig hatten wir ein paar Schlenker in andere Richtungen, da waren ein paar Songs sehr hip-hoppig und düster. Jetzt ist es ein bisschen eine Mischung geworden. Persönlich ist natürlich auch sehr viel passiert, für viele von uns war das das erste Projekt, wo wir ein Album gemacht haben. Jetzt haben wir mittlerweile in anderen Projekten auch schon viel Erfahrung gesammelt, die wir da hineinbringen können. 

Was hat das jetzige Album so zeitintensiv gemacht?

Tobias Wöhrer: Der ganze Prozess an sich, diese fünf Jahre, haben wir nicht immer nur mit SCHMACK verbracht. Wir haben immer wieder am Album gearbeitet, aber vor allem in der Lockdown-Zeit nicht sehr viel weitergebracht. Wir haben viel gesammelt, und waren dann irgendwann an dem Punkt, wo wir genau wussten, was wir machen wollen. Das hat einfach ein bisschen Reife gebraucht.

Philipp Wohofsky: Die ersten Skizzenteile, die jetzt am Album gelandet sind, sind tatsächlich auch schon vor zwei, drei Jahren aufgenommen worden. Das hat sich erst durch neue Ideen, die dazugekommen sind, weiterentwickelt. 

Patrick Pillichshammer: Und trotzdem haben wir aber Jahr für Jahr einen Release-Termin angesetzt. “Im Frühling 2020 releasen wir unser Album. Frühling 2021. Frühling 2022”. [lacht] Es war nicht so, dass wir uns Zeit lassen wollten. Die fünf Jahre Erschaffungsprozess waren nicht bewusst geplant. Eigentlich wollten wir das so schnell wie möglich fertigmachen, aber es war einfach nie so weit. Deswegen sind wir froh, dass es nächste Woche tatsächlich passiert. 

Warum der Name „In Love“?

Philipp Wohofsky: Kurze, knappe Antwort: Die Welt braucht einfach mehr Liebe. Vielleicht spiegelt das unsere Musik für die Welt wider. 

„LIVE WIRD IRGENDWAS PASSIEREN, WO WIR JETZT NOCH NICHT WISSEN, DASS ES PASSIEREN WIRD“

Ihr seid nicht die klassische Jazzband, die man kennt. Was macht euch aus?

Tobias Wöhrer: Ein großes Merkmal ist auf jeden Fall das Saxofon, das wir als Instrument verwenden, das mehr beiträgt als eine Melodie, sondern wirklich einen eigenständigen Part darstellt. Das kommt sicherlich aus diesem klassischen Jazz-Quartett von damals, mit Klavier, Bass, Schlagzeug, Saxofon. Diese Besetzung haben wir in eine neue Zeit übersetzt. 

Patrick Pillichshammer: Was uns zusätzlich zu dem auch noch ausmacht, ist, dass wir bei dem Album im Großen und Ganzen Popmusik machen, aber uns trotzdem die Freiheit geben, das bei Konzerten aufzubrechen und drüber zu improvisieren. Nicht nur die kleinen Kompositionen wiedergeben, sondern jetzt schon wissen: Live wird irgendwas passieren, wo wir jetzt noch nicht wissen, dass es passieren wird. Das ist das Spannende für uns und für die Zuhörer:innen.

Improvisieren mit vier Leuten – das haut hin?

Alle: Mal besser, mal schlechter. [lachen]

Andreas Holler: Ich glaube, wir kennen uns schon so gut, dass man schon weiß, was passieren kann, wenn man wie auf was reagiert. 

Patrick Pillichshammer: Das ist ein bisschen wie bei dem Interview gerade. Manchmal fallen wir uns ins Wort, manchmal hören wir auch ganz gut zu und ergänzen uns.

Wie beim Musikvideo zu “Orchidee”, über die Zeit ein bisschen zu einer Einheit verschmolzen.

Tobias Wöhrer: Genau. Wir geben uns Mühe.

Patrick Pillichshammer: Das ist, weil wir dieselbe Zahnbürste benutzt haben. Alle Grenzen verloren.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Wie ist diese Band zustande gekommen?

Patrick Pillichshammer: Wir kennen uns alle aus Linz. Dadurch, dass Linz eine sehr überschaubare Musikszene hat. Da kommen dann gleichgesinnte Personen früher oder später zusammen. So ist das bei uns auch passiert.

Wie lange ist das her?

Philipp Wohofsky: 2017, 2018, so irgendwie. 

Dann wart ihr ja mit dem ersten Album richtig schnell.

Tobias Wöhrer: Da waren wir sehr schnell, ja.

Patrick Pillichshammer: Der Prozess war einfach so viel kürzer, die Band hat sich gegründet, die Nummern waren da und wir haben gesagt “Cool, da machen wir jetzt ein Album”. Wir hatten damals einen Proberaum in einer Lagerhalle, nur abgetrennt von so dünnen Sperrholzplatten. Da hat natürlich die ganze Halle mitgeschwungen. Und da drin haben wir das ganze Album aufgenommen. 

Tobias Wöhrer: Es war halt so ein bisschen ein DIY-Anspruch da, den wir aber eh beim zweiten Album auch weitergeführt haben. Wir haben alles selbst aufgenommen, selbst gemischt, nur das Mastering haben wir extern machen lassen. Das war im Prinzip ja beim ersten Album genauso, nur haben wir jetzt diese Aufnahmeprozesse und so schon öfter mitgemacht. Daher sind wir der Meinung, dass das jetzt ein bisschen ein professionelleres Format hat als das erste Album, das recht punkig in irgendeinem Proberaum entstanden ist, mit keinem Mikrofon, das mehr als 80 Euro gekostet hat.

„ES IST SCHON ETWAS DARK GEWORDEN INSGESAMT, ABER VIELLEICHT WAR DAS AUCH EINFACH UNSER ZEITGEIST IN DIESEN VIER JAHREN“

Ihr habt Songs am neuen Album, mit Mile von SHARKTANK, mit FRITZ FISHERMAN, mit denen ihr ein bisschen weg vom Jazz in Richtung Hip-Hop driftet. Wolltet ihr euch musikalisch bewusst ein wenig breiter aufstellen?

Tobias Wöhrer: Es war keine bewusste Entwicklung, ich glaube, kurzzeitig sind wir sogar noch breiter gewesen. Wir haben da dann einfach überlegt, wie wir das zusammenbringen können.

Philipp Wohofsky: Es waren schon viele verschiedene Songs aus verschiedenen Richtungen. Bis wir durchgefiltert haben, was für uns alle funktionieren könnte, hat es gedauert. Bei den Skizzen, die dann übriggeblieben sind, haben wir uns halt gedacht “Das wäre jetzt mega, wenn da noch wer drüber rappen oder drüber singen würde”. Es ist schon etwas dark geworden insgesamt, aber vielleicht war das auch einfach unser Zeitgeist in diesen vier Jahren.

Patrick Pillichshammer: Bezüglich der Features, wir sind wirklich eine Band, die sehr lange über Sachen redet, bis die Entscheidungen getroffen werden. Die Auswahl der Features war teilweise von uns, aber zum Beispiel KOOB, die auf “Orchidee” featured, das war extrem zufällig. Sie hat uns angeschrieben, dass sie unsere Musik feiert, dann haben wir ihre Musik angehört und uns gedacht, das ist extrem geil. Und dann haben wir sie gefragt, ob sie ein Feature machen will. Hätte sie uns nicht irgendwo in den Weiten des Internets gefunden, wäre das vermutlich nicht zustande gekommen. 

Bei euch spielt das Instrumentale eine zentrale Rolle, einige Songs haben gar keine Lyrics, und wenn, sind sie nicht von euch geschrieben. War das für euch nie ein Thema?

Bild Schmack
Schmack (c) Alex Gotter

Andreas Holler: Die einzigen Lyrics, die es von uns gibt, sind vom Philipp, oder?

Philipp Wohofsky: Stimmt, bei “Oh”, der Single, die wir zwischen den Alben rausgebracht haben, da singe ich. Aber wir sind halt eine Instrumentalband. Wenn ich jeden Song singen würde, wäre das zu viel Fokus auf mich. Ich singe es auch gar nicht live, sondern mein Klavier singt es mit Samples. Das war aber auch das einzige Mal, wo ich tatsächlich Lyrics geschrieben habe. Was in der Zukunft passiert, ist eine ganz andere Frage. Vielleicht wird das nächste Album komplett instrumental, oder es wird etwas ganz anderes.

Patrick Pillichshammer: Das wissen wir dann in fünf Jahren.

 [Alle lachen]

Habt ihr das Gefühl, man hat es in der Musikindustrie schwieriger, wenn man nicht in dieser typischen Singer-Songwriter-Position ist?

Andreas Holler: Ja. Vor allem beim Booking, alle wollen immer ein Genre, wo sie dich eingliedern können. Schon beim ersten Album war das ganz schwierig. Ist man eine Jazzband, ist man eine Popband? Wo steht man dazwischen? Man findet keine Definition, die genau passt.

Tobias Wöhrer: Und auch für Radio, Airplay, Playlists und sowas ist der Bereich, den man mit der Instrumentalmusik abdecken kann, viel kleiner. Weil gerade bei Ö3 und FM4 hauptsächlich Musik gespielt wird, die Texte oder Vocals dabeihat. Somit war das schon eine Überlegung, ob wir vielleicht Vocals mit Features dazunehmen. Parallel dazu hat es sich sowieso ergeben, weil es teilweise musikalisch Sinn gemacht hat, Vocals dazu zu nehmen. Man kann es dann halt einfach anders vermarkten bzw. Radios bespielen. 

Also eine Form der Anpassung?

Tobias Wöhrer: Es war ein bisschen ein Experiment für uns. Es kommt aber wie gesagt aus einer musikalischen Motivation heraus, weil wir Instrumentals gehabt haben, wo es sich angeboten hat, das mit Vokalist:innen auszuarbeiten. 

Philipp Wohofsky: Es hat sich irgendwo so ergeben, ich würde nicht sagen, dass wir uns angepasst haben. Es ist zwar poppigere Musik, aber es ist auf jeden Fall die Musik, die wir machen wollten. Wir machen die Musik in erster Linie nicht, damit sie besser funktioniert. Nach wie vor ist es auch so, dass das neue Album noch gar nicht so gut funktioniert, FM4 traut sich da nicht drüber, weil es ihnen anscheinend doch ein bisschen zu schräg ist. Natürlich wird man als Instrumentalband schwierig gespielt, aber trotzdem bin ich der Meinung, dass das auf jeden Fall funktionieren kann. Es gibt viele Beispiele, wo Instrumentalbands auf Popfestivals spielen und riesigen Anklang finden. 

Patrick Pillichshammer: Beim Start der Band wollten wir immer die Jazzband auf einem Popfestival sein, und die Popband auf einem Jazzfestival. Aber eigentlich ist man dann weder Fisch noch Fleisch und bewegt sich in einer komischen Grauzone. Aus dem haben wir uns ganz organisch raus entwickelt, zu dem, was das Album jetzt ist. Rein FM4 sollte keine Motivation sein, dass man ein Album macht.

Andreas Holler: Es fühlt sich bei uns eigentlich alles sehr organisch an. Also die Musik, die dann am Album landet, ist genau die Musik, die wir wollen. Von außen wirkt es vom ersten zum zweiten Album wahrscheinlich wie ein viel größerer musikalischer Sprung, als es sich für uns eigentlich anfühlt. Wenn wir einen Song vor drei Jahren aufgenommen haben, und der fühlt sich jetzt anders an und ist nicht so, wie wir ihn eigentlich haben wollen, dann wird er halt nochmal aufgenommen. 

„DER VIBE WAR IMMER VIEL WICHTIGER ALS DER PERFEKTE TAKE“

Wie demokratisch geht ihr bei solchen Entscheidungen vor?

Andreas Holler: Sehr demokratisch. Es soll für jeden passen und bei Kompromisslösungen ist immer irgendwer nicht zufrieden. Das heißt, wir schauen eigentlich immer, dass wirklich was rauskommt, das für niemanden nur ein Kompromiss ist, sondern wo jeder sagt “Da stehe ich zu 100 Prozent dahinter”

Patrick Pillichshammer: Genau. Wir haben das Album ja live recorded, und wenn nach einem Take, den wir gespielt haben, der Vibe gepasst hat, war uns klar, das haben jetzt alle gefühlt, der kommt aufs Album.

Andreas Holler: Die Album-Takes sind immer die, wo danach irgendwer “Yeah!” auf der Aufnahme geschrien hat. Der Vibe war immer viel wichtiger als der perfekte Take. Das muss sich von vorne bis hinten wirklich durchziehen.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Hinweis: Mit dem Abspielen des Videos laden sich sämtliche Cookies von YouTube.

Eine letzte Frage angesichts der Tatsache, dass ihr bald Release-Shows in Wien und in Linz spielt: Wie lange ist euer letztes Konzert her?

Tobias Wöhrer: Puh. Da müss’ ma schon nachschauen. 

Philipp Wohofsky: Wir haben im Aufnahmeprozess vom zweiten Album doch einige Konzerte mit dem ersten Album gespielt. Wir haben da die neuen Songs zum Teil schon gehabt und wollten die eigentlich unbedingt schon spielen. Das war aber dann blöd, weil das neue Album noch nicht draußen war. Da haben wir irgendwann entschieden, wir spielen das alte Album nicht mehr und konzentrieren uns wirklich aufs neue Album – und dann spielen wir erst wieder Shows. Deswegen ist das letzte Konzert sicher schon zwei, drei Jahre her.

Tobias Wöhrer: Ich habe gerade nachgeschaut, 4. März 2023 haben wir ein Konzert gespielt.

Also ist das jetzt wieder eine richtige Premiere für euch.

Tobias Wöhrer: Ja voll. Wir haben einfach gemerkt, dass alles an dem Album lange dauert, daher haben wir diesen Konzert-Stopp relativ bewusst gesetzt, damit dieses Album fertig wird. Jetzt haben wir eh schon einige Proben gehabt für die Live-Konzerte, und das wird super. Wir hatten sehr viel Spaß bei der Ausarbeitung der Songs. 

Andreas Holler: Die Songs entwickeln sich live auch einfach extrem weiter. Die erste und die letzte Show vom alten Album, das war so weit auseinander. Das ist irgendwann ganz weit weg vom Ursprung und das ist auch gut so.

Patrick Pillichshammer: Es hat einmal im Aufnahmeprozess vom zweiten Album eine Situation gegeben, wo irgendwer gemeint hat “He, probieren wir doch mal, dass zwei von uns viel schneller spielen als die anderen zwei”. Und dann hat der Tobi gesagt “Aber das machen wir doch eh ständig, oder?”. [lacht] Das beschreibt glaube ich ganz gut, wie unsere Live-Konzerte gegen Ende hin waren.

Danke fürs Gespräch!

Katharina Reiffenstuhl

++++

Termine:
19.4.2024, Chelsea, Wien
20.4.2024, stwst, Linz

++++

Links:
Schmack
Schmack (Facebook)
Schmack (Instagram)