„jazzambach“ heißt ein neues Jazz-Festival, das vom 26. Februar bis 2. März 2025 in Götzis/Vorarlberg stattfinden wird. Fünf Tage lang werden nicht nur Konzerte, sondern auch Workshops geboten. Erklärtes Ziel ist es, dabei den Austausch zwischen lokalen und internationalen Künstler:innen zu fördern. Aus der Taufe gehoben hat es der bekannte, aus dem Nachbarort stammende Jazzpianist David Helbock, der auch als künstlerischer Leiter fungiert. Über dieses „Heimspiel“, die Motivation dafür und darüber, wie das Festival den „C.I.A.-Gedanken“ von Peter Madsen weitertragen soll, sprach er mit Markus Deisenberger.
Wenn man einen derart vollen Konzertkalender hat wie du – ich habe aktuell an die 90 bestätigte Gigs auf deiner Homepage gezählt – ist es alles andere als selbstverständlich, dass man zusätzlich dazu auch noch als Kurator eines Festivals auftritt. Genau das machst du aber beim neuen Jazzfestival „jazzambach“ in Götzis. Wieso tust du dir das an?
David Helbock: (lacht) Das ist eine gute Frage. Ich kann dir erzählen, wie das Ganze entstanden ist: Peter Madsen war zehn Jahre lang mein Lehrer. Er zog um 2000 herum aus New York nach Vorarlberg und wurde dann mein Mentor und Lehrer. Ich war damals noch jung, sechzehn, siebzehn Jahre alt. Schon bald nach seiner Ankunft hat er dann ein Angebot aus Graz bekommen, um dort an der Uni zu unterrichten. Es war also schnell klar, dass er wieder gehen wird. Viele Musiker:innen wurden daraufhin nervös, weil Madsen mit ihnen gespielt oder sie unterrichtet hatte. Und so ist eine Gruppe von Musiker:innen beim Land Vorarlberg vorstellig geworden und hat dort angefragt, ob man da nicht etwas machen könnte. Daraufhin hat man für ihn so etwas wie eine eigene Unterrichtsstelle eingerichtet. Damals wurde auch das C.I.A. gegründet – das Collective of Improvising Artists – sein Ensemble, aus dem später mehrere Ensembles wurden. Er gab auch Workshops.
Wo in Vorarlberg war das?
David Helbock: Das war gar nicht so ortsgebunden. Er hat in Dornbirn unterrichtet und dort auch Workshops gegeben, er hat auch ein Stummfilm-Ensemble gegründet, bei dem ich später mitgespielt habe, aber auch kleinere Ensembles mit Streichern, alles Mögliche über die Jahre. Jetzt ging er diesen September in Pension, aber die Stelle braucht es weiterhin. Madsen hat mich deshalb gefragt, ob ich das C.I.A. übernehmen wolle, weil ich sein erfolgreichster Schüler bin und wir über die Jahre immer in Kontakt geblieben sind. Wir haben auch beim Austrian Syndicate gemeinsam gespielt. Mir war allerdings schnell klar, dass ich das so nicht machen kann, weil er wöchentlich seine Workshops gegeben hat und viel vor Ort war.
D.h. das war kaum mit deiner intensiven Konzerttätigkeit vereinbar?
David Helbock: Genau. Ich bin nicht mehr so viel in Vorarlberg, mehr in Berlin und Wien, insgesamt einfach zu wenig vor Ort. Trotzdem hat mich das Thema nicht mehr losgelassen. Und wenn so eine Förderung mal weg ist, ist sie weg. Ich habe also weiter überlegt, und da ist mir die Idee gekommen, dass man Workshops und Konzerte ja auf eine Woche bündeln könnte. Mit dieser ersten Idee für ein Festival ging ich zum Land Vorarlberg, und die fanden es grundsätzlich einmal ganz cool, dass etwas irgendwann weitergehen soll.
War der Ort gleich klar?
David Helbock: Nein, wir haben erst einmal geredet. Durch Zufall hatte ich ein paar Monate vorher aber in Götzis in der Kulturbühne Ambach gespielt, im Duo mit Camille Bertault, und dort Hannes Jochum, den neuen Leiter, kennengelernt. Das Konzert war erfolgreich, aber dort wurde grundsätzlich nicht so viel Jazz veranstaltet. Einmal im Jahr hat der Bigbandclub Dornbirn ein Weihnachtskonzert gespielt, sonst lief dort eher Theater, Kabarett und es wurden klassische Konzerte veranstaltet, aber relativ wenig Jazz, was schade ist, denn das ist ein sehr schöner Saal, in dem es einen tollen Flügel gibt. Ich komme aus dem Nachbarort, dem etwa zwei Minuten entfernten Koblach. Dort bin ich aufgewachsen. Zuerst gab es Überlegungen, das Festival am Spielboden in Dornbirn zu veranstalten, aber da gab es schon Jazz, und wir dachten, dass es doch besser wäre, es an einem Ort zu machen, an dem es noch nichts gibt. Da ist mir Hannes Jochum eingefallen, wir haben gesprochen und einen Verein gegründet. So hat es angefangen: Indem Hannes Jochum und ich begonnen haben, das gemeinsam zu entwickeln.
War von Anfang an klar, dass es nicht „nur“ Konzerte, sondern auch Workshops geben soll?
David Helbock: Das wollte ich weiterführen, ja, diesen C.I.A.-Gedanken von Peter Madsen. Und was mir auch wichtig war: Es gibt in Vorarlberg mehrere solche Jazz-Ensembles, das C.I.A., und das von Martin Eberle und Martin Franz gegründete Jazzorchester Vorarlberg. Und die gingen von Anfang an getrennte Wege, was ich ein wenig schade fand. Mir war wichtig, dass ich, wenn ich so ein Festival mache, zumindest versuche, die vielen unterschiedlichen Szenen an einen Tisch zu bringen. Daraus entstand die Idee, dass man die Hälfte mit Künstler:Innen mit Vorarlberg-Bezug bestreitet und die andere Hälfte mit internationalen Acts, wobei die internationalen dann untertags Workshops geben, bei denen sich alle kennenlernen.
D.h. du kannst einerseits deine durch Tourneetätigkeiten entstandenen internationalen Kontakte nutzen, andererseits sollen die Kräfte vor Ort im Ländle gebündelt werden.
Folgerichtig spielt daher auch Peter Madsen.
David Helbock: Dass er das Festival eröffnen wird, war schnell klar, ja. Er wird mit ehemaligen C.I.A.-Mitgliedern zu Charlie Chaplins Film „The Circus“ improvisieren. Das ist die Eröffnung. Im Anschluss spielt das Jazzorchester Vorarlberg. Ich selbst spiele mit zwei Projekten: Einmal mit Iiro Rantala, wir beide jeweils am Flügel. Da haben wir auch eine tolle Kooperation mit Bösendorfer…
Wie kam es dazu?
David Helbock: Mit Iiro habe ich schon öfter gespielt. Er war auch zu meinem Geburtstagsfestival im Porgy. Den wollte ich unbedingt einmal in Vorarlberg vorstellen, weil ich mit ihm dort noch nie gespielt habe. Er wird auch einen Klavierworkshop geben. Das zweite Projekt ist mein lang jähriges Trio Random/Control, zu dem ich die Sängerin Fola Dada eingeladen habe. Da haben wir Gedichte vertont.
Welche Gedichte sind das?
David Helbock: Alles Mögliche, von Erich Fried über Emily Dickinson bis hin zu William Blake.
Du hast die Gedichte dafür bearbeitet?
David Helbock: Genau, das Trio gibt es jetzt seit siebzehn Jahren. Andreas Broger (Saxofon, Klarinette und Flöte, Anm.) hat die bearbeiteten Gedichte anfangs ein bisschen gesungen, wir haben aber schnell gemerkt, dass es cool wäre, wenn das eine richtige Sängerin machen würde. Fola Dada kommt aus Stuttgart. Man kennt sie auch als DSDS-Vocal-Coach. Wir haben gemeinsam eine Live-Session in den Little Big Studios in Liechtenstein aufgenommen, die auch als Album (als Vinyl und als CD) rausgekommen ist.
Es gibt einen Vorarlberger:innen-Schwerpunkt und ein Kontrabass-Special, habe ich gesehen.
David Helbock: Ja, mein Anspruch ist zwar nicht, dass alle Vorarlberger Jazzmusiker:innen bei jazzambach spielen, aber wenn es weitergeht, was geplant ist, kommen sicher alle mal zum Zug. Und es gibt noch viele andere Specials, aber u.a. eben auch ein Kontrabass-Special. Tobias Vedovelli (in Wien lebender und international arbeitender E- und Kontrabassist, Komponist und Arrangeur, Anm.), der mit seinem Ensemble onQ spielen wird, hat mir erzählt, dass er mit Peter Herbert, dem wichtigsten Vorarlberger Jazzexport der älteren Generation, bei dem er seinen Master gemacht hat und mit dem ich ihn zusammenspannen wollte, ohnedies ständig in Kontakt ist und die beiden sowieso etwas gemeinsam machen wollten. Das passte also perfekt. Einer der wichtigsten jungen Bassisten wird also mit einem der wichtigsten älteren Bassisten gemeinsam spielen. Und es gibt auch noch ein Artist in Residence-Programm. Dafür habe ich die deutsche Saxophonistin Nicole Johänntgen eingeladen. Die Idee war, dass sie die ganze Woche anwesend ist, bei unterschiedlichen Projekten mitwirkt (u.a. beim Stummfilm-Konzert gleich am Anfang) und auch komponiert. Ihre künstlerische Arbeit gipfelt dann in einer Uraufführung dessen, was sie während der Tage erarbeitet hat: Mit ihrem Trio wird sie das Abschlusskonzert in der Kapelle St. Arbogast bestreiten. Dann gibt es noch Latenight Jazz im Foyer, Jam-Sessions und Folgekonzerte…
Wie groß ist der Saal, wie intim die Atmosphäre vor Ort?
David Helbock: Das ist weniger intim, sondern eher groß. Die Kulturbühne Ambach ist ein richtiger, von einem guten Akustiker gemachter Gemeindesaal. Er klingt wirklich gut, sowohl für akustische als auch verstärkte Musik. Reinpassen würden 600 Leute, aber mit dem rechnen wir am Anfang natürlich noch nicht. Man kann die Bühne aber ein bisschen vorziehen und den Saal dadurch ein wenig verkleinern bzw. intimer machen.
Du hast schon gesagt, dass das Festival nicht nur einmalig, sondern auch für die Folgejahre angedacht ist?
David Helbock: Naja, es ist zunächst einmal als Pilot-Projekt geplant. Wir müssen erst einmal schauen, wie es läuft und wie es angenommen wird. Aber mittlerweile gibt es einen Verein mit sieben, acht Vorstandsmitgliedern, die alle sehr enthusiastisch sind. Ich bin schon sehr zuversichtlich, dass es weitergeht.
Du kommst, wie du bereits erzählt hast, von dort, d.h. du bist in Koblach aufgewachsen. Wie war das so als junger Musiker? Bist du gefördert worden?
David Helbock: Mein Vater ist selber Musiker, hat in Feldkirch klassische Gitarre unterrichtet, spielt aber seit jeher auch Jazzsaxophon in unterschiedlichen Bigbands, hatte auch immer eine riesige Plattensammlung in den Genres Jazz, World Music und Klassik. Es ist also immer gute Musik gelaufen zuhause. Meine Mutter war beruflich zwar Zeichen- und Deutschlehrerin, aber auch ein großer Jazzfan. So war ich als Ungeborenes schon beim Jazzfestival Saalfelden, im Mutterbauch, und habe dort zur Musik von Cecil Taylor getanzt. Ich komme also aus einer sehr musikalischen Familie und bin immer gefördert worden. Ich würde sogar sagen, dass ich den Traum meines Vaters von einer klassischen Konzertkarriere ein wenig weiterlebe. Er hat sich damals für meine Mutter, für eine Familie und gegen eine klassische Karriere entschieden. Schon allein deshalb wurde ich total unterstützt.
Aber gab es vor Ort eine Szene für junge Jazzmusiker:innen oder musstest du in den größeren Städten wie Bregenz oder Dornbirn andocken?
David Helbock: In Koblach gibt es sonst nichts, nein, da bin ich wahrscheinlich der Einzige, der sich dem Jazz widmet. Das ist ein kleines Dorf. Es ist aber auch Vorarlberg klein, d.h. es gibt keine große Szene. Ich ging deshalb zuerst nach Feldkirch ans Musikgymnasium und danach ans Konservatorium. Und dann hat Peter Madsen wirklich viel bewirkt. Wegen ihm bin ich auch relativ lang geblieben und erst als 35-jähriger nach Wien gezogen.
Und jetzt bewegst du viel.
David Helbock: Ich hoffe es.
Aber trotz kleiner Szene tut sich schon einiges in Vorarlberg. Es gibt das Poolbar Festival, Bezau Beats…
David Helbock: Stimmt. Der Gründer von Bezau Beatz, Alfred Vogel, ist ein weiterer wichtiger Akteur, der auch in Götzis spielen wird. Er war auch unter denen, die damals mit zum Land gegangen sind, um Peter Madsen in Vorarlberg zu halten, eines der Gründungsmitglieder des C.I.A.-Ensembles.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit dem Festival!
Markus Deisenberger
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jazzambach
26. Februar bis 2. März 2025
Kulturbühne Ambach
Am Bach 10, 6840 Götzis
Weitere Infos und die Möglichkeit zur Ticketbuchung finden sich unter www.jazzambach.at
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Links:
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David Helbock (mica-Datenbank)