Die Sehnsucht des Punk – THOMAS MULITZER im mica-Interview

THOMAS MULITZER ist Sänger und Gitarrist der Salzburger Mundart-Punkband GLUE CREW und Schriftsteller. Sein letztes Buch heißt “Pop ist tot”, und es geht darin um eine fiktionale Punk-Band, deren in die Jahre gekommenen Mitglieder es noch einmal wissen wollen und sich zu einer Revival-Tour zusammenraufen. Heraus kommt eine äußerst unterhaltsame Reise zwischen Nostalgie, Rausch und Ernüchterung. Ein Interview, das um die Fragen kreist: Ist Punk mehr als nur schnelle, laute Musik? Und: Darf ein Punk einfach so “9 to 5” in einer Werbeagentur arbeiten?

Warum hast Du dieses Buch über Punk geschrieben? Die Protagonisten sind älter als Du, sind bereits in ihren 40ern. Du aber bist erst in deinen 30ern.

Thomas Mulitzer: In meinem letzten Roman “Tau” ging es um Thomas Bernhard. Das Buch ist eine Anspielung auf seinen Debütroman “Frost” und zum Teil in dieser dunklen Bernhardschen Sprachwelt verhangen. Deshalb wollte ich dieses Mal etwas Lustiges schreiben, was leichter von der Hand geht. Etwas, worüber ich Bescheid weiß, und da kam ich auf das Punk-Thema. Dass die Protagonisten vierzig sind, obwohl ich selbst erst Anfang dreißig bin, war Absicht, damit ich nicht zu nahe an ihnen dran bin. Ich wollte ja nicht über mein eigenes Leben schreiben, sondern eine fiktive Geschichte erzählen, in die ich als Musiker zwar eigene Themen reinbringe, die aber nicht meine Lebensgeschichte aufarbeitet. Der Altersunterschied hilft.

Für Punknostalgie bist Du noch zu jung, oder?

Thomas Mulitzer: Ich habe selbst in einer Punkband gespielt, die sich vor circa zehn Jahren aufgelöst hat. Von dem her kann ich die Nostalgie zuweilen schon nachvollziehen. Viele Freunde, die ein bisschen älter sind als ich und jetzt nicht mehr in Bands spielen, schwärmen oft von der guten alten Zeit, in der sie noch unterwegs waren. Das klingt oft sehr wehmütig – auch ein Grund, warum ich das Buch geschrieben habe. Ich bekomm das bei einigen Freunden mit, diese Sehnsucht einerseits und das Gefangensein in einem 9to5-Job andererseits, der sie das Punkdasein nicht mehr so ausleben lässt, wie sie das vielleicht gerne hätten.

Lass uns über die angebliche Unvereinbarkeit von Punk als einer Art Lebenseinstellung und einem bürgerlichen Beruf sprechen. Früher oder später braucht es nun einmal den Job, der die Miete zahlt. Du berichtest im Buch sehr pointiert vom Agenturalltag, der aus Pseudo-Hipstern, schrägen Feministinnen und allerhand Erniedrigendem besteht. So muss Dein Protagonist einmal im Dirndl Flyer verteilen. Du arbeitest im Broterwerb auch in einer Agentur. Ist es tatsächlich so schlimm?

Thomas Mulitzer: [lacht] Nein, ganz so schlimm ist es nicht, aber einige Erlebnisse sind schon in die Handlung miteingeflossen.

Was genau machst Du?

Thomas Mulitzer: Ich arbeite als Teamleader in einer Werbeagentur. Wir machen Websites, Filme etc. Ohne Brotberuf geht’s halt doch nicht. Aber ich arbeite nicht Vollzeit, damit Zeit fürs Schreiben und für die Musik bleibt.

Was ich sehr spannend fand in Deinem Buch war dieses ständige Austarieren der Figuren. Der Protagonist, aber auch die anderen Bandmitglieder setzen ihr Leben in ein Referenzsystem, gleichen es mit den Leben der anderen Bandmitglieder ab, um sich und ihr Tun zu rechtfertigen. Nach dem Motto: Mein Gott, der ist spießiger als ich, aber lässt es mehr krachen. Das Ergebnis schwankt dann je nachdem zwischen Genugtuung oder Reue bzw. schlechtem Gewissen. Das ist ein ständiger Abgleich. Wie viel von dieser Lebenseinstellung Punk ist noch übrig? Wie viel davon fließt noch durch meine Adern?

Bild Thomas Mulitzer live
Thomas Mulitzer (c) Ludwig Seidl

Thomas Mulitzer: Eine wichtige Frage ist doch: Kann man Punk sein, wenn man vierzig Stunden arbeitet und seine Lebenszeit an eine Firma verkauft? Reicht es, wenn man es am Wochenende krachen lässt oder verkauft man seine Seele? Was würde mein jüngeres Ich sagen, wenn es mich heute sehen würde? Würde es mich cool finden oder als Spießer abstempeln? War ich überhaupt jemals Punk?

Das waren jetzt viele Fragen. Gibt es auch eine Antwort? Darf man Wochenend-Punk sein?

Thomas Mulitzer: Klar, besser am Wochenende rebellieren als gar nicht. Aber es geht natürlich schon drum, ob man sich in seinem 9to5-Job zu sehr verkauft. Ob man da noch ein bisschen Raum für Selbstbestimmung und Subversion hat oder voll aufgegangen ist in der Arbeit und nur noch für die Firma lebt.

Schön war ja die Terminfindung für dieses Gespräch heute. Meinen ersten Vorschlag hast Du abgelehnt, weil da bei Dir der Boden verlegt wird. Ein Teil von mir hat da gemeint: Moment. Das darf ein Punk doch nicht sagen. Der andere Teil hat dieses Klischee gleich wieder vom Tisch gefegt. Im Buch gibt es die wunderbare Szene, als er mitten im Gespräch mit seiner Chefin, die will, dass er die Tour abbricht und zurück in die Agentur kommt, einfach auflegt und danach stolz auf sich ist, weil es das Punkigste war, was er in letzter Zeit getan hat. Die Frage ist: Wie ernst muss Punk sein? Wie weit geht der Ernst?

Thomas Mulitzer: Die Welt ist schon ernst genug. Ich glaube ohne Humor haben wir keine Chance. Wenn man sich selbst zu ernst nimmt, steht man sich selbst im Weg. Am Anfang von Punk stand ja auch der Spaß am Krach machen, am Sprengen der Grenzen. Der Ernst kam erst später. Und der Boden, der verlegt wurde, liegt in einer Mietwohnung. Eigentlich bräuchten wir gar keinen neuen, aber wenn die Vermieterin darauf besteht, lassen wir sie halt machen.

Das Klischee suggeriert, dass Punk viel mehr sei als laute, schnelle Musik. Eine Art Lebenseinstellung, die befreien, die aber auch einschränken kann? Ist es tatsächlich mehr als Musik?

Buckcover Pop ist tot
„Pop ist tot“ von Thomas Mulitzerist bei Kremayr & Scheriau erschienen.

Thomas Mulitzer: Ich finde, bei Punk geht es weniger um laute Musik mit verzerrten Gitarren oder darum, grüne Haare zu haben und am Straßenrand Dosenbier zu trinken. Für mich geht es mehr um Selbstermächtigung: Dass man Dinge selbst in die Hand nimmt, Musik macht, obwohl man nur ein paar Akkorde beherrscht, ein Buch schreibt, auch wenn man nicht weiß, ob man das überhaupt kann. Dass man sich traut, etwas zu tun, ohne dafür ausgebildet zu sein. Auch wenn andere meinen, das könne man nicht. Dass man sich den Regeln und Neinsagern widersetzt und Dinge tut, weil sie einem Spaß machen, ohne daran zu denken, wie die Wertung durch die Öffentlichkeit ausschauen könnte.

Du bist in Goldegg im Pongau aufgewachsen, einem Ort, der nicht gerade für seine Punk-Szene berühmt ist. Wie kommt man da zur Musik? Wie sozialisiert man sich mit Punk? Wo geht man hin und wo spielt man? Wo trifft man Gleichgesinnte?

Thomas Mulitzer: Musikalisch fing es mit den Ärzten an. Da war ich vielleicht elf, zwölf Jahre alt. Dann kam der Pop-Punk von Bands wie The Offspring und Blink 182. Und dann recherchiert man, von welchen Bands die beeinflusst wurden, taucht immer weiter ein und entdeckt ältere Bands, Pennywise, Bad Religion, Descendents und so weiter. Zuerst habe ich lange selbst Musik gemacht oder mit Freunden geprobt, ohne je einen Auftritt zu haben. Irgendwann bin ich in die Band Killing Oma aus Radstadt als Gitarrist eingestiegen. So bin ich reingewachsen, habe mitgekriegt, wie es ist, Konzerte zu spielen, ein Album aufzunehmen etc. Die anderen waren älter als ich und kannten sich aus. Die Band löste sich später zwar auf, aber sie war die Basis für meinen Weg als Musiker und auch für das Buch.

Du schreibst auch über die Zeltfeste und Turnsäle, durch die man sich anfangs spielt, weil man über jede Auftrittsmöglichkeit froh ist. Ich selbst hab´ mal mit dem Tenorsaxophon “Seek and Destroy” in einer Hauptschule in Thalgau gespielt. Kannst Du das toppen?

Thomas Mulitzer: [lacht] Das ist gut. Bei mir waren auch ein paar schräge Auftritte dabei. Wir haben auf Krampusläufen gespielt oder auf Kulturveranstaltungen, wo man eigentlich nichts anders macht als seine Songs zu spielen, sich anhand der schockierten Gesichter der Menschen in der ersten Reihe aber bald fragt, ob man die Setlist nicht doch vielleicht ein wenig anpassen hätte sollen. Wenn man merkt, dass man absolut am falschen Ort ist, bleibt einem trotzdem nichts anderes übrig, als sein Ding durchzuziehen.

Formate wie DSDS und Starmania gaukeln einem eine glamouröse Welt des Pop vor. Der Touralltag schaut dann anders aus. War es so wie im Buch beschrieben? Ein kleiner, fast auseinanderfallender Bus, den man mehr in den nächsten Ort beten als fahren muss?

Thomas Mulitzer: Meistens war es ein Auto, einen Bus muss man sich erstmal leisten können. Und dieses Auto ist bis obenhin mit Gitarren und Verstärkern vollgestopft, man hat eine Snare am Schoß, es ist heiß und die Klimaanlage hat schon lange den Geist aufgegeben. Man fährt irgendwohin, um lange zu warten, Soundcheck zu machen und weiter zu warten. Dann der Auftritt. Wenn man Glück hat, sind mehr Zuschauer da als Musiker. Danach schläft man irgendwo, ein Sofa ist super, im Schlafsack am Boden ist auch okay. Am nächsten Tag ist man verkatert und das Ganze beginnt wieder von vorne. Glamourös ist das keinesfalls, aber lustig schon. Wenn man dreißig wird, nutzt sich das allerdings irgendwann ab. Da kann man das nicht mehr so zelebrieren wie mit Anfang zwanzig. Mit der Glue Crew schlafen wir nicht mehr am Boden.

Im Buch gibt es auch jede Menge Salzburg-Kritik. David Lynch habe einmal nach seinem Highschool-Abschluss kurz in Salzburg gelebt, um bei Oskar Kokoschka zu lernen. Aber auch ihm habe es schnell gereicht, heißt es da. Die Stadt sei “zu klein für eine U-Bahn, zu feig für ein zeitgemäßes Verkehrskonzept”. Ein andermal lässt Du den Protagonisten durch ein Geschäftsviertel gehen, „wo Wohnraum entweder leer steht oder kurzzeitig an Urlauber vermietet wird.” Du und Salzburg, das klingt nach einer zwiespältigen Beziehung. Ist es eine Hassliebe?

Thomas Mulitzer: Hassliebe trifft es ganz gut. Generell wohne ich gern in Salzburg. Wenn ich das nicht täte, wäre ich nicht hier. Aber man merkt schon, dass viele junge Leute nach Wien oder Graz gehen, wo sie mehr Möglichkeiten zur Entfaltung haben. Wenn das alle jungen Kreativen machen, bleibt irgendwann nichts mehr übrig außer dem, was wir eh schon kennen. Wien ist super, aber es wäre schon schade, wenn das der Wasserkopf ist, in dem sich alles abspielt, und rundherum nichts mehr passiert. Von dem her ist es wichtig, dass einige bleiben und versuchen, eine Stadt, ein Dorf cooler zu machen als es ist. Es gibt in Salzburg und Umgebung einige coole Bands, Konzertveranstalter, die es immer noch versuchen, Locations, die lokale Künstler:innen unterstützen. Aber der Brain Drain ist spürbar. Ich bin nach wie vor gerne da. In Wien gehst du als Band halt auch mal schnell unter in der großen Masse. Und Salzburg ist eh schön. Eh.

Bild Glue Crew
Glue Crew (c) Ludwig Seidl

Alt-Punk Günther legst Du im Buch den Satz in den Mund: „Hier ist die Vergangenheit so mächtig, dass sie alles andere in den Schatten stellt.” Das Gefühl kennt man als hier Aufgewachsener ganz gut. Ist das etwas, das man als junger Musiker besonders spürt? Dass es wenig bis keinen Raum zur eigenen Entfaltung gibt, weil der Raum für anderes benötigt wird?

Thomas Mulitzer: Ja, und gerade deshalb finde ich es wichtig, dass es abseits der Salzburger Festspiele Raum für anderes gibt, für Literatur, Musik, Kunst, die vielleicht näher dran ist an der Lebensrealität der Salzburger:innen. Als junge Band hat man es nicht leicht, aber wenn man sich engagiert und nicht lockerlässt, findet man seinen Weg. Vom Narrencastl übers Mark und Shakespeare bis hin zum Rockhouse gibt es in Salzburg einige Locations, die Angebote schaffen Ohne selber aktiv zu sein geht es nicht, aber das ist überall so.

Es gab vor sechs, sieben Jahren eine ganz starke Phase in der Salzburger Musiklandschaft. Da poppte zeitlich sehr eng beieinander eine ganze Schar an jungen, spannenden Bands auf, allen voran die Steaming Satellites, die international für Furore sorgten und viele andere Bands durch ihren Erfolg dazu ermutigten, es auch zu probieren. Was hat sich seitdem verändert? Ist danach Positives passiert?

Thomas Mulitzer: Ich finde, dass generell wenig Bands nachkommen und junge Menschen heute lieber Rapper:in oder DJ werden wollen, als ein Instrument in die Hand zu nehmen. Bei den Konzerten liegt der Altersdurchschnitt auch eher bei Mitte zwanzig, dreißig. Mit der Glue Crew sind wir beim Linzer Label Sbäm Records unter Vertrag, das einmal im Jahr das Sbäm Fest veranstaltet – bei freiem Eintritt für Unter-Achtzehnjährige. Trotzdem liegt der Altersdurchschnitt eher bei 30, 40. In Salzburg fehlen Lokale wie das Denkmal, das vor einigen Jahren geschlossen wurde. Da fanden drei, vier Shows pro Woche statt und man konnte auch selber unkompliziert Konzerte veranstalten. Das war sehr prägend für mich. Viele Bands, die früher auf ihrer Europatour im Denkmal gespielt hätten, machen heute einen Bogen um Salzburg. Da muss man schon nach Linz, Wien oder München fahren, um die zu sehen.

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Du hast im Vorfeld zu mir gesagt, Dein Glücksort sei die Bühne. Wieso?

Thomas Mulitzer:
Auf der Bühne fühle ich mich frei, trete aus dem Alltag heraus und kann meine Gefühle hinausschreien und somit eine Verbindung zum Publikum aufbauen. Das ist das Schöne am Unterwegssein: Man kommt eine andere Stadt, singt seine Lieder vor Menschen, die man nicht kennt, und dann sieht man Leute, die mitsingen. Das ist viel mehr wert als Klickzahlen auf Spotify oder Likes für irgendwelche Postings.

Im Buch gibt es diesen einen Abend, an dem man in einem versifften Keller im Osten vor einer Hand voll Leuten spielt. Gerade da wird deutlich, dass es nicht nur um die Musik, sondern das gemeinsame Erleben geht.

Thomas Mulitzer: Die Szene beruht auf einer realen Geschichte. Wir waren in Ungarn, betreten eine hippe Bar, sollten aber im versifften Keller spielen, in den sich kaum jemand verirrt, es ist grauslich und saukalt. Trotzdem macht man das. Man fährt fünf Stunden und den paar Leuten, die da sind, taugt´s. Man hat Spaß und später eine Geschichte zu erzählen.

„Leute über 30 wirkten damals auf gequälte Weise ernst, irgendwie ruiniert” sinniert Dein Protagonist mal. Und dann ist man plötzlich selbst so, wie man sich einmal sah. Tragisch?

Thomas Mulitzer: Die Figuren im Buch sind zu alt, um jung zu sterben. Dann muss man´s durchziehen und das Beste draus machen. Die alte Energie wiederaufleben zu lassen, gelingt nur teilweise. Insofern ist es schon tragisch, aber der Versuch zählt, das kurze Aufflackern der Jugend, das Festhalten an alten Idealen.

Die Erkenntnis hört sich im Buch so an: Früher habe man sich auf den Bahnen eines Untergrundnetzwerkes bewegt, dessen Knoten Jugendzentren waren, Skateparks und besetzte Häuser. „Heute sind es einsame Inseln, die wir ansteuern, ausgehungerte Enklaven oder irrtümliche Anlegeplätze.” Das klingt verdammt bitter.

Thomas Mulitzer: [lacht] Ja, aber es ist so. Die Szene hat sich verändert, die ganze Jugendkultur hat sich verändert. Ich hab´ das Gefühl, dass heutige Jugendkultur eher online stattfindet, weniger im echten Leben. Wir haben auch Streaming-Shows gespielt, aber es ist schon etwas anderes, wenn man Likes und Herzchen aufpoppen sieht, als wenn man die Nähe eines Publikums spürt und die Reaktionen unmittelbar mitbekommt. Der Blick zurück macht einen schon wehmütig. Andererseits: Wenn die 1980er ein Revival erleben, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Punk wiederauflebt.

Eigentlich hätte sich Punk selbst zerstören und dabei alles mit ins Jenseits reißen müssen, schreibst Du. Stattdessen ist Punkt alt geworden und hat seine Gefährlichkeit eingebüßt Warum macht man dann weiter? Ist es das Prinzip Hoffnung? Oder mehr die Scheiß-drauf-Mentalität?

Thomas Mulitzer: Ziel ist es, das Freiheitsgefühl in sein normales Leben zu integrieren und sich die Rohheit zu erhalten. Mit der Glue Crew machen wir nicht reinen Punk, wir singen auf Mundart und sind musikalisch flexibel, können auf Punk-Festeln genauso spielen wie auf regionalen Kulturveranstaltungen oder Festivals. Vielleicht können wir so das Gefühl dafür, was Punkrock auslöst, in andere Kontexte übertragen.

Und wieso Mundart?

Thomas Mulitzer: Das ist die Sprache, die ich rede und in der ich denke. Da ist es naheliegend, auch so zu singen. Ich glaube, wir können dem Publikum so viel näher sein, als wenn wir englische Phrasen runtersingen würden. Wir wollen uns nicht verstellen oder vorgeben, jemand zu sein, der wir nicht sind, sondern authentisch sein. Meine Gefühle und Gedanken kann ich in keiner anderen Sprache besser ausdrücken.

Die Flexibilität find ich interessant. „Für die Majorlabels und die Masse waren wir praktisch nicht existent” heißt es mal retrospektiv im Buch. Diese klare Abgrenzung, wonach da der böse Mainstream und dort die gute Welt ist, in der nur Wahrhaftigkeit zählt und alle Üble und Korrupte keinen Zutritt haben, kenne ich noch aus den 1980er Jahren. Heute ist das generell flexibler, schon. Aber so flexibel?

Thomas Mulitzer: Die Grenze ist schon lange aufgeweicht. Es gibt auch nicht mehr diese klar voneinander getrennten Szenen, also wandert der Blick schon über die Grenzen der typischen Zielgruppen hinaus. Klar gibt es vielleicht die böse Schlagerindustrie. Aber zu sagen, die eigene Kunst würde nicht ausreichend verstanden, weil die Welt durch den Mainstream korrumpiert sei, greift zu kurz. Ein guter Song ist ein guter Song. Und wenn er gut ist, wird es auch Leute geben, die sich das anhören wollen. Da macht man sich´s als Punk- oder Metal-Band oft zu leicht. Zumindest darf man sich nicht beschweren, wenn’s nicht mehr so läuft wie früher. Klar hat man´s schwerer, ein Publikum zu finden, aber wenn man dranbleibt und sich vor allem treu bleibt, ist man auf die eine oder andere Art auch erfolgreich. Dieser Erfolg muss ja nicht darin bestehen, dass man die Masse anspricht, sondern zum Beispiel von der Bühne aus jemanden aus ganzem Herzen mitsingen sieht.

Vielen Dank für das Gespräch

Markus Deisenberger

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Links:
Kremayr & Scheriau
Glue Crew