Die Orchesterminiaturen – 40 Jahre ORF Radio-Symphonieorchester Wien / Vorschau auf den Sommer und die Saison 2010/11

Freitag, 25. Juni 2010 gab es im RadioKulturhaus ein Gala-Konzert, in dem das RSO Wien in voller Orchesterbesetzung unter Gottfried Rabl, (als Gast Gerhard Rühm) und ca. 60 Komponisten Österreichs miteinander ein „Familienfest“ feierten, das es in dieser Konstellation wohl auf der ganzen Welt noch nie gegeben hat! Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien brachte anlässlich seines 40jährigen Bestehens ein glitzerndes Mosaik aus Orchesterminiaturen zu Gehör, die ihm von österreichischen Komponistinnen und Komponisten zum Geburtstag geschenkt wurden. Das RSO, wie Moderatorin Mirjam Jessa und der Cheferfinder des Projekts Christian Scheib betonen konnten, ist jetzt per Gesetz in seinem Bestand gesichert. Unten auch eine Vorschau auf das Kommende.

Die Sammlung von Orchesterminiaturen war ab Oktober 2009 in Ö1 zu hören und war Teil des Fernsehbeitrages zu 40 Jahre RSO Wien “Radioaktiv”, nunmehr krönender Abschluss dieser Saison. Noch nie gab es eine derart umfassende Sammlung österreichischer komponierender Stimmen von A bis Z, von Peter Ablinger bis Mia Zabelka, für einen Klangkörper dieser Größenordnung. Dirigent des dramaturgisch klug und kreuz und quer zusammengestellten Abends (mit 55 Kompositionen in fünf „Blöcken“) war Gottfried Rabl. Es begann mit dem Tarzanschrei für das RSO Wien. Gottfried Rabl (siehe auch mica-Interview) hat das Projekt über die Saison hinweg betreut und mit viel Vorbereitungs- und Hintergrundarbeit ermöglicht. Ihm zur Seite hatte die Aufnahmeleitung Erich Hofmann inne, das Notenarchiv wurde und wird betreut von Winnie Hörl und Hannes Heher.

Die Miniaturen samt Kommentaren der Komponisten kann man auch online abhören, man sollte aber besser die gerade erschienene Doppel-CD kaufen und besitzen.  102 Meisterwerke im Miniaturformat – nach dem Motto 40 Sekunden zum 40. Geburtstag. Superman und Kühe, “Momente” von Friedrich Cerha sind ebenso vertreten wie der “Tarzanschrei für Orchester”, ein “Wutmarsch” und ein “Glühender Stern”, aus der jazznahen Mode kommt ein “Model” ebenso wie aus einer reichlich artifiziellen Natur “fette und schnelle kühe”, gepaart mit “cows caused chaos”, dabei sind auch der “Superman” aus “Frankenstein” und sogar ein klitzekleines, aber quicklebendiges “lovely monster” von immerhin 30 Sekunden Lebensdauer und last but not least auch Olga Neuwirths “only an end”.

Christian Scheib (auch mit ihm gibt es ein mica-Interview) hatte schon erzählt, dass  man einen unerwartet großen ,Response’ erhalten hat, es sind mehr Stücke eingelangt, als man geglaubt hat. Alle haben sich gemeldet- jaja, schreib’ ich was, mach’ ich was.

Gottfried Rabl sagte im Interview: „Am Anfang waren ja nur 40 Stücke und Komponisten geplant, also 40 Jahre Jubiläum, je 40 Sekunden von 40 Komponisten; dann hat man gefunden, 40 ist ein bisschen ungerecht – da gibt es doch auch andere Namen, die man auch nehmen soll . Dann sind es halt auf einmal glaub ich 85 geworden, vielleicht haben etwas mehr als 10 nicht geantwortet oder waren zu beschäftigt. Es sind dann für diese erste Aufnahmetranche 72 Komponisten gewesen, und dann hat man schon wieder herausgefunden, 72 ist auch ungerecht, denn da war der oder die nicht dabei.

Christian Scheib im Booklet dieser ersten CD “40 Jahre ORF Radio Symphonieorchester Wien”: „Das Radio Symphonieorchester hat sich seit seiner Gründung den Erkundungen der jeweilige Gegenwart und einer möglichen Zukunft verschreiben, Auch anlässlich des Jubiläums inszeniert es Ausblicke in eine der Kunst der Gegenwart angelegte Zukunft. Das RSO Wien tut dies mit einem glitzernden Mosaik aus Orchesterminiaturen von österreichischen Komponistinnen und Komponisten (…) Fragmente aus früheren Aufbrüchen treffen auf neue komponierte Gegenwartskonzentrate ebenso wie auf Versuche zu Klängen aus der Zukunft: Dieses Panoptikum – im alten Sinn des Wortes eben eine Sammlung von seltsamen, aber bemerkenswerten Petitessen. Noch nie hat  es eine derart umfassende, bunte und heterogene Sammlung österreichischer Stimmen des Zeitgenössischen für einen Klangkörper von dieser Größenordnung gegeben. Und dennoch war das erst der Beginn dieses Projekts: das RSO Wien wird in seiner Jubiläumssaison viele weitere Miniaturenproduktionen einspielen und präsentieren.“

Hat es. Und 55 davon wurde bei der Panoptikum-Gala, die eigentlich ein Familienfest war, auch aufgeführt. Mirjam Jessa hat es wunderbar moderiert, auch Christian Scheib hat allen – voran dem Orchester selbst und den über 100 Komponisten mit guten Worten gedankt. Anschließend an das (gar nicht zu lange Konzert) und auch währen der beiden Pausen gab es umsonst Bier für alle, gesponsert von Ottakringer. Es gab viele Hallos und genauso viele gute Gespräche kreuz und quer durcheinander. In der Liste unten werden alle Komponistinnen und Komponisten der jetzt 102 aufgenommenen Miniaturen angeführt und zu Fleiß nicht, welche 55 in der klugen Damaturgie des Galakonzerts letztlich gespielt wurden.

Sie können ja Zuordnungen versuchen, was von wem war und ist: Da gab es wie gesagt vom RSO gespielte Tarzanschreie, Jingle(s), Happy Returns, bloß ein Ende [noch lange nicht], Farbspiele, Klippen, little dream machines, Mouthpieces, Superschwärmen, Klangsplitter, Undinen, Morganas, was aus der Symphonie Nr.9 (Die Ägyptische), instant music, ein Steckenpferd, Sirius, in nuce, Pulsen, Monadologien, Frakturen, 40 gezählte Paukenschläge in 40 Sekunden, entwendete Taler, Wanderer, eine Symphonia hat einer geschrieben, Taktfrequenzen, Frakturen, Eresos, Verdammnis für jeden, der dieses Orchester auflöst, ein Konzeptstück Nr. 40, eine Phantasie über mich, mögen Sie meinen Stock oder mein Kapital jetzt?, noch eine Symphonie (Nr) 3000 in C-Dur, Moloche, glühende Sterne, Handyklingeln namens RING, ein liebliches Monsterchen von einem Monster, Gegenwartsplitter, den letzten (?) Abschied von Tschernobyl, das Trommelorchester X, gestreutes Licht an den bebenden Rändern, ein Stück LAND und seine Hymne, ein Überraschungsküchlein, veRSO (was das wieder für eine Richtung sein soll), Ausschnitte aus Multiphonien, Radio-Symphonie-Orchester-Stücke, ein Vorspiel mit c, eine Ecke aus einem Polygon, tja, und Herrn Supermann aus Frankenstein. Alles klar? – Wer alle auf einmal errät ohne nachzuschauen, erhält einen warmen Eislutschker!

Es waren sicher mehr als 55 Komponisten im Saal anwesend (leider entzieht sich die Anzahl der Quadratmeter des Großen Sendesaals meiner Recherche) und um die Dramaturgie komplett und völlig zufällig (na ja nicht ganz) zu machen, sei hier noch angemerkt, mit welchen von ihnen der Verfasser dieses mica-Berichtes just an diesem Abend plaudern konnte: Burkhard Stangl, Michael Amann, Maja Ojsonik, Gerald Resch, Gerd Kühr, Alexander Stankovski, Manon-Liu Winter, Peter Jakober, Jorge Sanchez-Chiong,  Katharina Klement, Alexander Wagendristel, Elisabeth Harnik, Oskar Aichinger, Hannes Heher, Erich Urbanner, Gottfried Rabl, Elisabeth Schimana, Kurt Schwertsik wurde auch gesichtet, es sind wahrscheinlich nicht alle. Am Ende hat er mit Andrea Sodomka (Partnerin und Beiträgerin beim Projekt des mica und des Außenministeriums „Musik aus Österreich“ 1997) geredet, sie um ein mica-Interview in Bälde gebeten und ihr und Elisabeth Schimana versprochen, am 3. und 4. Juli in die Kulturfabrik Hainburg zum Fest IMA 05 zu kommen (Bericht folgt) und dann — er trank auch noch 4/8 Wein nach den Bieren, war er betrunken (hr).

Hier alle bisher publizierten Kompositionen der Miniaturen von A bis Z

A
Peter Ablinger, Klaus Ager, Oskar Aichinger, Luna Alcalay, alien productions, Michael Amann, Thomas Amann, Peter Androsch

B
Rainer Bischof, Francis Burt

C
Christoph Cech, Friedrich Cerha, Chaya Czernowin

D
Dirk D’Ase, Renald Deppe, Christian Diendorfer, Christof Dienz, Johanna Doderer, Richard Dünser

E
Paul Engel, Iván Eröd, Karlheinz Essl

F
Christian Fennesz, Roland Freisitzer, Reinhard Fuchs, Beat Furrer, Paul Walter Fürst

G
Clemens Gadenstätter, Bernhard Gander, Heinrich Gattermeyer, Erin Gee, Heinz Karl Gruber

H
Georg Friedrich Haas, Elisabeth Harnik, Hannes Heher, Thomas Heinisch, Paul Hertel

J
Peter Jakober, Robert Jelinek, Rudolf Jungwirth

K
Alexandra Karastoyanova-Hermentin, Dieter Kaufmann, Manuela Kerer, Katharina Klement,
Franz Koglmann, Matthias Kranebitter, Johannes Kretz, Gerd Kühr

L
Bernhard Lang, Klaus Lang, Thomas Larcher, Herbert Lauermann, Martin Lichtfuss, Wolfgang Liebhart

M
Radu Malfatti, Wolfgang Mitterer, Christian Mühlbacher, Christian Muthspiel, Bertl Mütter

N
Gösta Neuwirth, Olga Neuwirth, Hermann Nitsch, Georg Nussbaumer

O
Christian Ofenbauer, Maja Osojnik

P
Thomas Pernes, Alfred Peschek, Gabriele Proy, Julia Purgina,

R
Michael Radanovics, Werner Raditschnig, Konrad Rennert, Gerald Resch, Hans-Joachim Roedelius, Gerhard Rühm

S
Jorge Sanchez-Chiong, Axel Seidelmann, Elisabeth Schimana, Thomas Daniel Schlee, Wolfgang Schlögl, Gunter Schneider, Kurt Schwertsik, Wolfgang Seierl, Shih, Andrea Sodomka, René Staar, Burkhard Stangl, Alexander Stankovski, Johannes Maria Staud, Bruno Strobl, Balduin Sulzer, Wolfgang Suppan

T
German Toro-Peréz

U
Erich Urbanner

V
Nancy Van de Vate

W
Alexander Wagendristel, Wolfram Wagner, Herbert Willi, Gerhard E. Winkler, Manon-Liu Winter, Joanna Wozny

Z
Mia Zabelka

Vorschau auf Konzerte und Opernaufführungen des RSO Wien im Sommer und 2010/11:

Anscheinend kennt das RSO keine große Sommerpause. Bereits am 15. Juli bestreitet es im Theater an der Wien bis zum 8. August unter dem designierten Chefdirigenten Cornelius Meister 10 Vorstellungen der neuen „Fledermaus“ von Johann Strauß im Theater an der Wien, am 24.7. auch ein Benefizkonzert im Odeon anlässlich der Aids Konferenz, auf dem Programm „Hommage à Klaus Nomi“ (Songs für Countertenor 1998) von Olga Neuwirth, mit Jochen Kowalski. Im RadioKulturhaus dann  FM4 Radio Session mit Kinderzimmer Productions unter Gottfried Rabl (6. und 7.8.), sowie bei den Salzburger Festspielen Honeggers „Jeanne d´Arc au Bûcher“in der Felsenreitschule (12.8.)

Im Theater an der Wien 2010/11 R. Strauss – Ariadne auf Naxos (Inszenierung Harry Kupfer) im Oktober unter de Billy sowie das Songspiel „Mahagonny“ und „Die sieben Todsünden“ von Kurt Weill (Dirgent. Walter Kobéra), im April wiederum unter de Billy Poulenc’ „Dialogues des Carmélites“ (Inszenierung Robert Carsen).

Wiener Konzerthaus:

29.10.2010
Wien Modern
J. M. Staud EA | G. F. Haas EA | M. Andre EA
M. Weiss
P. Eötvös

10.12.2010
L. Janáček | F. Chopin | J. Wozny UA | B. Martinů
R. Blechacz | C. Meister

Fr, 28. Jänner 2011
S. Rachmaninow | O. Respighi | I. Strawinsky
A. Volodin | X. Zhang

So, 20. Februar 2011
S. Prokofjew – Romeo und Julia
Per Poc | M. Glaenzel | G. Rabl

Fr, 25. Februar 2011
L. Alcalay | K. Saariaho EA | F. Liszt
K. Kriikku | Wr. Singakademie | C. Meister

Fr, 25. März 2011
Siegerwerk des ÖKB-Kompositionswettwerbs UA | E. Bloch | G. Mahler
H. Schiff | C. Meister

Fr, 06. Mai 2011
S. Barber – Vanessa
Ch. Barker | K. Goeldner | R. MacPherson | J. Castle | J. Mannov | | Wr. Singakademie
C. Meister

Do, 09. Juni 2011
R. Wagner | B. Britten | J. Harvey EA | Z. Kodály
M. Padmore | R. Vlatkovic | P. Eötvös

Musikverein

Do, 21. Oktober 2010
E. Wellesz | HK Gruber | B. Bartók
M. Grubinger | C. Meister

Fr, 26. November 2010
R. Bischof UA | G. von Einem | D. Schostakowitsch
K. Lifschitz | C. Meister

So, 16. Jänner 2011
O. Messiaen | D. Schostakowitsch
A. Kotscherga | Wr. Singverein | I. Metzmacher

Fr, 04. März 2011
Z. Kodály | P. Eötvös | G. Kurtág EA | B. Bartók
N. Zagorinskaya | C. Widmann | P. Eötvös

Mo, 04. April 2011
J. Jongen | L. Janáček
L. Orgonášová | I. Vermillion | M. Schade | R. Holl | O. Latry
Wr. Singverein | C. Meister

 

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