Früher war sie in der Band WOSISIG aktiv, inzwischen ist SIGRID HORN solo unterwegs und holt sich für Konzerte manchmal befreundete Musiker auf die Bühne. Vor Kurzem hat sie ihr Debütalbum „sog i bin weg“ (Bader Molden Recordings) veröffentlicht. Jürgen Plank führte mit der Musikerin ein Gespräch, in dem es auch um Musik aus Südamerika, KEN SARO-WIWA, ein Kirchenfresko und eine rosarote Ukulele ging.
Wie hat Ihr Musikmachen begonnen?
Sigrid Horn: Das war immer schon ein Teil von mir. Wenn mich als Kind etwas beschäftigt hat, habe ich einfach darüber gesungen. Über die Sachen, die in meinem Kopf waren. Das machen, glaube ich, viele Kinder, nur habe ich nie damit aufgehört.
Worüber haben Sie gesungen?
Sigrid Horn: Das erste Lied, das ich wirklich geschrieben habe, war über Ken Saro-Wiwa, der hingerichtet wurde. Ich habe das mitbekommen, weil meine Eltern darüber gesprochen haben. Mich hat das so erschüttert, dass ich ein Lied darüber geschrieben habe.
Ken Saro-Wiwa war ein Autor und Aktivist in Nigeria, der sich gegen die Erdölkonzerne gewandt hat. Kennen Sie noch eine Textzeile aus diesem allerersten Lied und gab es dazu auch Musik?
Sigrid Horn: Der Text war: „Ken Saro-Wiwa, er war ein guter Mensch | er hat gegen Öl gekämpft | er war sicher nett, aber jetzt ist er tot.“ Ich bin auf der Schaukel gesessen und habe das vor mich hin gesungen, aber ich habe die Melodie noch im Kopf.
„Da die Musik so extrem reduziert ist, liegt der Fokus noch viel mehr auf dem Text.“
Wann ging es dann mit den ersten eigenen Liedern weiter?
Sigrid Horn: Das war im Alter von 15 Jahren. Im Alter von 16 Jahren entstanden auch die ersten Dialektlieder mit Klavierbegleitung. Es ist ziemlich bald ein Lied entstanden, das ich „Das einzige Lied“ genannt habe. Das habe ich mit einer Freundin gespielt und mein Bruder hat gemeint, das sollten wir zum Protestsongcontest schicken. Da waren noch zwei Freunde dabei und schon waren wir eine Band und wurden als eine der besten 25 Bands eingeladen. Und seitdem mache ich auf Bühnen Musik, das war sicher eine Initiationserfahrung im Haus der Begegnung in Wien. Das war aufregend und hat eine wichtige Rolle gespielt.
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Das war mit Wosisig. Warum gibt es die Band nicht mehr?
Sigrid Horn: Wir sind von vier verschiedenen Musikrichtungen gekommen und waren vier verschiedene Charaktere, aber das ist natürlich klar. Wir haben es immer als am spannendsten angesehen, dass wir so unterschiedlich waren und teilweise in ganz andere Richtungen gehen wollten. Und das war vermutlich auch unsere größte Schwäche. Ein richtiger Bandsound, den man als Band braucht, ist dadurch nur manchmal entstanden und nicht durchgängig.
Nun sind Sie solo unterwegs. Welche Unterschiede erkennen Sie?
Sigrid Horn: Da die Musik so extrem reduziert ist, liegt der Fokus noch viel mehr auf dem Text. Die Musik ist jetzt sehr minimalistisch arrangiert, dadurch kann ich mich sehr auf die Stimme konzentrieren und darauf, was ich mit der Stimme und mit den Worten mache. Auch die Musik ist jetzt kompromissloser.
Was machen Sie mit der Stimme? Welche Herangehensweise haben Sie im Hinblick auf Stimme und Worte entwickelt?
Sigrid Horn: Mit der Stimme gehe ich gerne überall hin – ich gehe gerne ganz hinauf und hinunter. Ich bin gerne laut, ich bin gerne leise, daher ist es super, dass ich in einem fast schon akustischen Soloprojekt so viel Platz habe, in dem die Stimme all das auch machen darf. Je nach Rahmen gibt es verschiedene Konstellationen. Wenn ich solo spiele, nehme ich – ich fange mit dem kleinsten Instrument an – nur die Ukulele mit. Ich kann auch noch das Klavier mitnehmen. Oder es kommen noch meine Mitmusikerin und mein Mitmusiker Sarah Metzler und Bernhard Scheiblauer mit. Das ist die Sigrid-Horn-Pyramide.
„In diesem Moment war die Ukulele meine Rettung.“
Wie sind Sie zur Ukulele gekommen?
Sigrid Horn: Kurz gesagt: Die Ukulele ist unglaublich praktisch, weil man sie überallhin mitnehmen kann. Länger ausgeführt: Ich habe ein halbes Jahr in Spanien gelebt und war unglaublich traurig und ich habe nicht gewusst, warum. Ich bin in ein Musikgeschäft gegangen und ich durfte mich an ein Klavier setzen und auf einmal war da eine Erleichterung und ich wusste, was mir gefehlt hat. Es war eigentlich offensichtlich: In der Wohnung, in der ich gelebt habe, hat es keine Instrumente gegeben. Das einzige Instrument, das ich dort kaufen und mitnehmen konnte, war eine kleine rosarote Plastik-Ukulele um 30 Euro. In diesem Moment war die Ukulele meine Rettung. Ich habe sie auch auf allen Reisen mitgehabt, auch am Fahrrad am Gepäckträger, die Ukulele war immer mit und dadurch sind viele Lieder auf der Ukulele entstanden.
Beim Eröffnungsstück „Woiza“ habe ich mir gedacht, dass es wie ein Fado mit österreichischem Dialektgesang klingt. War das so gewollt?
Sigrid Horn: Ich finde, das ist ein total schöner Vergleich, aber ich habe tatsächlich ganz stark an Wien gedacht, als ich das Lied geschrieben habe.
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Zwischen Wien und Lissabon gibt es in puncto Melancholie durchaus eine Querverbindung in der Musik.
Sigrid Horn: Das kann sein, ich mag Fado auch sehr gerne, bin aber keine Expertin auf diesem Gebiet. Und ich war auch noch nie in Portugal, würde da aber gerne hin. Ein Einfluss, der bei meinem Gesang zu hören ist, ist die südamerikanische Folklore, mit der ich mich doch immer wieder beschäftigt habe.
„Der Text ‚Huankind‘ hat mich so in Mark und Bein erschüttert, dass ich gewusst habe, dass ich unbedingt Musik dazu machen möchte.“
Mit welchen Richtungen haben Sie sich da auseinandergesetzt?
Sigrid Horn: Mit Sängerinnen und Sänger aus Chile, zum Beispiel mit Victor Jara und Violeta Parra. Auch mit aktuelleren, da gibt es die Gruppe Femina, die ich ganz toll finde. Ich mag auch Chavela Vargas.
Ein Text stammt nicht von Ihnen, „Huankind“ wurde von Anna Schrems geschrieben. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Sigrid Horn: Die Arbeit mit dem Text von Anna war ein unglaublich wichtiger Moment für mich. Ich habe Anna bei einem Poetry-Slam gesehen und sie ist wirklich eine Erscheinung. Sie hat diesen Text gelesen und ich habe sofort gewusst, dass ich den vertonen muss. Der Text „Huankind“ hat mich so in Mark und Bein erschüttert, dass ich gewusst habe, dass ich unbedingt Musik dazu machen möchte. Ich habe mich ans Klavier gesetzt und das Lied ist einfach passiert, das hat so sein sollen. Durch die intensive Beschäftigung mit dem Text habe ich noch einen anderen Blick auf Dialektlyrik bekommen.
Welchen Blick haben Sie bekommen?
Sigrid Horn: Die Bilder, die sie verwendet, sind sehr stark. Das ist auch das älteste Lied am Album, aus dem Jahr 2014. Durch die Beschäftigung mit dem Text hat sich für mich eine neue Welt aufgetan. Alle Lieder danach sind auf irgendeine Art und Weise davon beeinflusst. Das hört man einfach, dieses Lied war eine Zäsur. Die Melodie und die Akkorde dazu sind ganz von selbst gekommen.
„Es geht oft um eine Stimmung oder eine Idee, die ich mit mir herumtrage und die dann in einem gewissen Moment freigesetzt wird.“
Gibt es einen besonderen Moment, in dem ein Lied des Albums entstanden ist?
Sigrid Horn: Diesen besonderen Moment gibt es bei fast jedem Lied. Es geht oft um eine Stimmung oder eine Idee, die ich mit mir herumtrage und die dann in einem gewissen Moment freigesetzt wird. Ein spannender Moment war sicher ein Spaziergang im 16. Bezirk in Wien, da gibt es eine Kirche mit einem einfachen Fresko, das mich total irritiert hat. Ich habe nicht gewusst, was das Fresko darstellen soll.
Was hat es gezeigt?
Sigrid Horn: Es war ein Bild von der Jungfrau Maria. Für mich hat es so ausgesehen, als ob sie mit einem Maschinengewehr auf mich zielen würde – es war aber eine vereinfachte Darstellung vom Jesus-Kind. Ich bin dann noch an ein paar Rotlichtlokalen vorbeigegangen und viele Themen durften dann im Lied „Maria“ heraus.
Das neue Album ist zwar ein Soloprojekt, aber Sie werden von anderen Musikern unterstützt.
Sigrid Horn: Genau, bei etwa der Hälfte der Lieder sind Sarah Metzler an der Harfe und Bernhard Scheiblauer dabei. Bernhard ist ein Multiinstrumentalist, er spielt Ukulele, Klavier und Konzertina. Die beiden sind quasi die Sigrid-Horn-Band. Zusätzlich gibt es aber noch ein anderes Projekt, bei dem wir die Lieder von Bernhard spielen. Da bin ich in einer privilegierten Position: Wenn die beiden mit einem Song fertig sind, komme ich dazu und singe einfach eine Stimme, die dazu passt.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Jürgen Plank
Link:
Sigrid Horn (Website)
Bader Molden Recordings (Website)