Für RO BERGMAN war es schon ein aufregendes Jahr bisher: Seit Mitte Februar tourt der in Tirol lebende Künstler mit seiner Musik durch Deutschland, Dänemark und Österreich. Zwischen all den Auftritten ist am 10. März seine dritte EP erschienen. Katharina Reiffenstuhl hat sich vor seinem Tour-Gig im Chelsea mit RO BERGMAN zusammengesetzt und über Glauben, Lampenfieber und die Geschichten hinter seinen Songs und Musikvideos gesprochen.
Wie schauts gerade aus, es sind nur noch ca. 1,5 Stunden bis zum Auftritt, bist du aufgeregt?
Ro Bergman: Lampenfieber ist schon ein Ding. Es ist aber auch ganz gut, aufgeregt zu sein, glaube ich. Es gibt Auftritte, bei denen man gar nicht auf die Bühne will. Da ist es einfach wichtig, dass man sich dem stellt. Daran wächst man. Man ist manchmal so wie ein zarter Tropfen und dann switcht das relativ schnell zu “es ist eh alles wurscht”. Wenn man aufgeregt ist, ist man irgendwo ja auch wach. In Berlin zum Beispiel bin ich direkt nach dem Soundcheck durch die halbe Stadt mit dem Taxi gefahren, habe bei Radio1 zwei Songs gespielt und ein Interview gegeben, dann zack, wieder zurück zur Venue und das Konzert gespielt. Da ist man einfach in der „Zone“ und hat gar keine Möglichkeit, zu aufgeregt zu sein.
Hast du irgendein Ritual oder irgendwelche Gewohnheiten, die dich auf Live-Auftritte vorbereiten?
Ro Bergman: Ich gehe einfach am Vormittag vor der Show die Setlist durch, sodass ich safe bin – und dann versuche ich, nicht mehr zu viel nachzudenken, sondern einfach zu machen.
Und das funktioniert immer?
Ro Bergman: Mal besser, mal schlechter. [lacht] Ich schaue einfach wirklich immer, dass ich wach bin, dass ich nicht zu lethargisch bin. Es ist auch wichtig, dass man sich darauf einlässt, dass man irgendwie vulnerabel ist.
Heißt das, man braucht manchmal einen Kaffee oder ein Red Bull vorm Auftritt?
Ro Bergman: In meinem Fall eher Tee. Das ist zwar nicht sehr rockstar-like. Aber man muss ja doch ein bisschen auf die Stimme achten und ist normalerweise sowieso wach, weil das Herz so schnell schlägt.
Du bist ja gerade mitten in deiner Tour. Wie läuft es bis jetzt, wie waren die letzten Wochen?
Ro Bergman: Es ist wunderbar, live zu spielen. Es ist auch so bizarr, wenn man irgendwo in Dänemark spielt und die Leute kennen die Songs. Bisher ist das eine super Sache gewesen und ich bin sehr froh darüber.
Ich find das sehr spannend, dass du einen Teil deiner Tour in Dänemark gespielt hast. Meistens sind ja so Deutschland, Österreich, Schweiz die typischen Länder, wo man Konzerte spielt. Warum wolltest du Deutschland, Österreich und Dänemark?
Ro Bergman: Dänemark wollte, dass ich dort spiele. [lacht] Booker aus Dänemark haben micham Reeperbahnfestival live gesehen und haben mich nach Dänemark geholt. Ich habe auch von anderen Bands vorab schon gehört, dass Dänemark mitunter der beste Ort ist, um live zu spielen und das hat sich bestätigt. Das Publikum ist sehr aufmerksam, alle sind irrsinnig hilfsbereit und es gibt super Catering.
Ist das deine erste Tour?
Ro Bergman: Ich habe im Herbst 2019 schon in Österreich gespielt. Da war jetzt natürlich eine Pause dazwischen.
„ICH VERSUCHE, JEDEN SONG SO ZU PRODUZIEREN, WIE ER DAHERKOMMT“
Was deine Musik sehr auszeichnet, ist diese Tiefgründigkeit und Ruhe. Würdest du sagen, das spiegelt dich als Person wider?
Ro Bergman: Also klar, die Songs sind sehr aus dem Herzen. Ich versuche, jeden Song so zu produzieren, wie er daherkommt. Manche werden lauter und schneller, manche sind ruhiger. Tendenziell würde ich eher ruhige Lieder schreiben, aber ich will halt auch gerade für Live-Auftritte, dass die Songs schon nach vorne gehen. Bezüglich Texten ist es so, dass manche Wortfetzen da sind, und um diese Wortfetzen herum baue ich dann den Song. Da schreibe ich zum Teil 40 bis 50 Seiten auf, um dann auf die nötigen Zeilen vom Song zu kommen. Man schleppt solche Songs dann eine gewisse Zeit mit sich herum. Aber ich habe es gern, wenn sich Songs quasi selbst schreiben. Das klingt ein bisschen komisch, aber ich habe diesen Song bzw. die Skizze dann mit und schreibe alles auf, was irgendwie in diesen Kontext passt. Da ist es dann ab und zu wirklich verwunderlich, wenn man sich diese Songs später mal wieder anhört, und dann draufkommt, was einem dieser Song damals schon erzählt hat, was man da einfach noch nicht so genau gecheckt hat.
Wenn du sagst du schreibst da teilweise 40 bis 50 Seiten – wie lange ist so ein Musik-Entstehungsprozess bei dir?
Ro Bergman: Unterschiedlich, es gibt Songs, die gehen schnell, und manche, die brauchen länger. Ich will denen aber auch diese Zeit geben. “Wire” zum Beispiel habe ich locker ein Jahr mit mir herumgeschleppt. Vorwiegend, weil ich textlich den Ton vom Song treffen und einfach das schreiben wollte, was der Song braucht. Das hat halt eine gewisse Zeit gedauert, weil da auch viel Lebenserfahrung mit hineinspielt.
Deine Musikvideos sind so gut wie alle draußen irgendwo in der Natur gedreht worden. Da würde ich jetzt mal annehmen, du hast eine große Verbundenheit mit der Natur.
Ro Bergman: Ich komme halt aus den Bergen. Das gehört einfach zu mir. Also warum nicht das nutzen, was da ist? Insofern ergeben sich dann irgendwelche Möglichkeiten und Videos.
Ich habe da gerade das Musikvideo zu “Animal” im Kopf. Das ist irgendwo ganz hoch oben in den Bergen gedreht worden.
Ro Bergman: Ja, in der Axamer Lizum. Das ist eine halbe Stunde von Innsbruck entfernt. Da sind wir während der Corona-Zeit zu zehnt mit einer Zahnradbahn raufgefahren. Ich habe gewusst, ab dem Moment, wo die Tänzer rausgehen, müssen wir wirklich aufpassen, dass ihnen nicht kalt wird. Wir haben das im November gedreht und das waren wirklich super gute Tänzer von der Staatsoper, die ich von früher gekannt habe. Am Schluss, wo eigentlich das schönste Licht war, haben sie eben schon fünfmal ihre Choreografie getanzt, auf 2400 Metern. Da hat dann einer gesagt, er ist am Ende, es geht nicht mehr. Dort spürt man die Höhe natürlich extrem stark. Es war ein Abenteuer.
Klingt auch definitiv danach. Das Video zu „Future“ fällt zum Beispiel ein bisschen aus dem Schema, auf eine sehr spannende Art und Weise. Wie bist du auf dieses Drehkonzept mit den Close-ups gekommen?
Ro Bergman: Das ist auch eine witzige Geschichte. Da gibt es den Arcin Sagdic, der ist aus Berlin und hat schon Videos für Thom Yorke gedreht. Ich habe dem einfach mal geschrieben und gesagt, dass ich seine Arbeit gern mag. Er hat sich daraufhin gemeldet und dann haben wir uns ein Treffen ausgemacht. Da waren nur wir zwei in dem Studio und das Endergebnis ist sehr spannend geworden. Ich wollte einfach mal etwas anderes machen.
„MAN MUSS MANCHMAL AUCH DEN MUT HABEN, DINGE GEHEN ZU LASSEN“
Also du bist zufrieden mit dem, was am Schluss rausgekommen ist?
Ro Bergman: (zögerliches Lächeln). Hmm. Also während dem Videodreh habe ich mir gedacht: “Um Gottes Willen, was wird das”. Ich bin da so vor ihm gekniet und er hat mich gefilmt, mir hat dann irgendwann schon alles wehgetan. In diesem Prozess des Musikmachens lernt man dann schon über die Zeit hinweg, dass es Dinge gibt, bei denen man will, dass diese und jene Qualität haben, aber man will sie durch übertriebenen Perfektionismus auch nicht kaputtmachen. Man muss manchmal auch den Mut haben, Dinge gehen zu lassen. Dinge passieren ja auch so, wie sie passieren sollten. Den Glauben habe ich auf jeden Fall.
Bist du gläubig?
Ro Bergman: Also Glaube an sich ist schon wichtig. In dem Moment, wo man anfängt, an etwas zu glauben, beginnt es zu existieren. Mit der katholischen Kirche hat das jetzt aber nicht viel zu tun. Ich denke, es ist einfach wichtig, dass man an sich selbst glaubt. Wenn man das nicht tut, wer soll denn dann an einen glauben. Das sagt sich natürlich leicht, fällt aber nicht immer leicht.
Ganz frisch draußen ist der Song „Believer“ von dir. Haben den die Leute auf den ersten Konzerten der Tour dann auch schon zu hören bekommen?
Ro Bergman: Ja. Es ist absolut spannend, die Songs, die im Studio finalisiert werden, dann auch live umzusetzen. Man spürt dann direkt, welcher Song Energie hat und leichter von der Hand geht. Bei “Believer” war das wirklich so, dass das auffällig gut funktioniert hat und die Leute bei manchen Konzerten den Song am Schluss auch mitgesungen haben.
Hat das einen Grund, dass du ihn nicht schon vor Beginn der Tour veröffentlicht hast?
Ro Bergman: Wir haben uns gedacht, das ist von der Strategie her unfassbar schlau. [lacht] Es ist einfach gut, wenn es während einer Tour schon neues Material gibt. Man kann das natürlich auch vor der Tour schon veröffentlichen. Für uns waren diese Österreich-Shows sehr wichtig, darum haben wir uns gedacht, jetzt ist ein guter Zeitpunkt, dass wir das zwischen diesen Tour-Slots veröffentlichen.
„MUSIK WAR IMMER MEINE LIEBE“
Ich habe mitbekommen, dass du auch ein begeisterter Skifahrer bist und auch schon als Skilehrer gearbeitet hast. Wieso ist da der Karriereweg an der Piste vorbei in Richtung Musik gegangen?
Ro Bergman: Ich habe Sportwissenschaften studiert, früher war ich Springreiter. Ich habe mein halbes Leben verritten. Als Sportstudent muss man natürlich auch diverse andere Sportarten machen. Ich bin dann vor 12 Jahren nach Kitzbühel gekommen und habe mir gedacht, dass das körperlich eine gute Herausforderung wäre, die staatliche Skilehrerausbildung zu machen. Und es ist wirklich eine Herausforderung, das ist die schwerste Skilehrerausbildung der Welt. Aber Musik war immer meine Liebe. Je älter ich geworden bin, desto mehr habe ich das realisiert. Auch dieses Gefühl, wenn du einen Song spielst, und der einen Menschen berührt. Das ist ein unfassbar schönes Gefühl. Musik ist der unmittelbarste Weg zur Seele der Menschen.
Das heißt, du würdest Musik immer über den Sport stellen?
Ro Bergman: Zu hundert Prozent. Ich habe schon während der Schulzeit meine erste Band gehabt und fand das direkt ziemlich cool. Da wächst man dann irgendwann hinein und spürt, was das bedeutet, Musik zu machen oder Lieder zu schreiben.
Und ein paar Jahre später spielt man seine eigenen Konzerte auf Touren. Wie schön.
Ro Bergman: Ja. Gerade die Musik hat mir bewiesen, dass alles, wovon man träumt und was wichtig genug bleibt, in Erfüllung geht. Wenn es einem wichtig genug ist.
Das ist ein wunderschöner Schlusssatz. Und ich glaube, bei dem belassen wir es auch. Dankeschön für das Interview!
Katharina Reiffenstuhl
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