„Die meisten kennen uns als reinen Techno-Live-Act“- AUSTRIAN APPAREL im mica-Interview

Das Wiener Techno-Duo AUSTRIAN APPAREL hat nach einigen Jahren mit Fokus auf Live-Konzerte nun doch sein Debütalbum veröffentlicht. „AAplus” (AA+ Records) erzählt die Geschichte von Anfang an, vereint dabei Aspekte der Unmittelbarkeit aus der klassischen Clubkultur mit jenen der Zurückhaltung, die auch außerhalb des physischen Clubs funktionieren. Ada Karlbauer sprach mit AUSTRIAN APPAREL über das Debüt, „Star Wars“ als Inspiration, Trance und Ekstase durch Zugänglichkeit, den Vorteil eines Haufens Equipment sowie über positive und negative Berührung durch Musik.

„Wir feilen an dem Album schon seit fast acht Jahren.“

Mit „AAplus” erschien kürzlich euer Debütalbum, eine Summe eurer musikalischen Entwicklung seit eurem Beginn 2012. Wie kam es zu der Entscheidung, an diesem Punkt ein Album zu veröffentlichen?

Austrian Apparel: Die Entscheidung war eigentlich eine Aneinanderreihung von Albumankündigungen, die wir immer wieder, seit es uns gibt, verlautbart, aber nie eingelöst haben. Irgendwie hatten wir immer mehr den Live-Aspekt im Fokus und haben nie aufgehört, an den Tracks weiterzuarbeiten. Wir feilen an dem Album schon seit fast acht Jahren. Es sind darauf auch Arbeiten zu hören, die bereits 2012 entstanden sind, die wir aber mit unserem heutigen Stand des technischen und musikalischen Status quo finalisierten. Ende letzten Jahres schmetterten wir die Fäuste auf den Tisch und sagten: „Jetzt wird‘s!“ 

Das Album „AAplus“ skizziert zwei Seiten: „light“ und „dark“. Wie spiegeln sich diese Stimmungen konkret in der Musik wider?

Austrian Apparel: Die Seite „light” zeigt unseren musikalischen Output, der abseits des Techno der Four-to-the-Floor-Kickdrum-Rhythmus-Ebene passiert. Die meisten kennen uns als reinen Techno-Live-Act, da wir bis auf einige wenige Ausnahmen nur Techno-Gigs in Clubs oder auf Festivals spielen. In diesem Setting haben ruhigere, nicht technoide Stücke oft keinen Platz, manchmal dann „nur“ als Intro oder Outro. Diese andere Seite existiert aber und wir haben deshalb entschieden, ihr einen gleichwertigen Teil auf der Veröffentlichung zu geben.
Die „dark“-Seite begibt sich dann schlüssig in den Bereich des Nachtlebens und ist eindeutig der Clubmusik mit all ihren Facetten und Verwerfungen verschrieben. Alle Tracks dieser Seite haben wir 2019 bei einer Recording-Session auf der leeren Tanzfläche der Grellen Forelle aufgenommen, wo auch unser Video zu „Whimper“ entstand. Irgendwie ironisch allerdings, dass genau zum Veröffentlichungsdatum alle Clubs geschlossen bleiben mussten.

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light“ und „dark“ werden gewissermaßen auch räumlich reflektiert. In welchem Verhältnis stehen Bühne und Studio hinsichtlich eures Arbeitsverlaufs?

Austrian Apparel: Die technoiden Tracks der „dark“-Seite wurden alle entweder auf der Bühne oder im Proberaum geschrieben und stellen unsere Verbundenheit mit dem Livespielen dar. Bei diesen Tracks haben wir zum Teil nach der Aufnahme gar nichts mehr geändert, da sie immer mit maximal vier Stereo-Spuren über den DJ-Mixer aufgenommen wurden. Die haben wir dann direkt in der Grellen Forelle eingespielt. Das hat einen immensen Charakter für uns, allein die Vorstellung, dass es eine Verbindung mit diesem realen Ereignis gibt. Die anderen Tracks auf der „light“-Seite sind alle im Studio entstanden, wir haben die dann hin- und hergeschickt, circa tausendmal, und schließlich gemeinsam im Studio finalisiert. Hier standen eher das Sounddesign und der konzeptuelle Gedanke im Vordergrund und wir haben viel mit dem Arrangement und generell mit verschiedenen Studio- bzw. Aufnahme-Techniken experimentiert.

Bereits auf der EP „Search Your Feelings“ wurde mit dem Verhältnis zwischen Helligkeit und Dunkelheit gearbeitet, das titelgebende Zitat stammte hier aus „Star Wars“. Woher kommt eigentlich das Interesse an diesem Narrativ?

Austrian Apparel: Bei der Hingebung zur dunklen Seite der Macht ist es generell so, dass es einfacher ist, sich diesen Gefühlen hinzugeben, weil das die Heilung aller Probleme und Schmerzen verspricht und man dort sofort aufgenommen und integriert wird. In Hinblick auf die beiden Seiten der „Force“ ist es so, dass die light side Glück, Freude, Liebe und Wohlwollen oder alternativ einfach Ruhe symbolisiert, von der man glaubt, dass sie die light side nährt und Einblick in ihre ethischen Verwendungen gibt. Die dark side konzentriert sich auf individuelle Leidenschaft und Stärke. In „Star Wars“ wird auch erwähnt, dass es bei der light side darum geht, den Status quo aufrechtzuerhalten, während es bei der dunklen Seite um Veränderung und Evolution geht. Hier sehen wir eine ganz starke Verbindung der dark side zur Clubmusik, weil man allein, aber auch gemeinsam ist, eine individuelle Leidenschaft auslebt und sich durch die Musik stark fühlt. Die beschriebene Veränderung und Ausdehnung ist die Progression, die im Techno passiert, der Sound wird ständig moduliert und wirkt unendlich veränderbar.

„Berühren bedeutet aber auch immer ein negatives Berühren.“

„Das Wichtigste ist, dass wir berühren“, habt ihr vor einiger Zeit in einem Interview gesagt. In welcher Weise haben die seit Kurzem zurückliegende, aber immer noch herrschende Pandemie und Isolation euren Alltag und Output beeinflusst?

Austrian Apparel: Wir glauben, dass jede Künstlerin und jeder Künstler auf eine gewisse Weise berühren, ihr bzw. sein Innerstes preisgeben und von ihren bzw. seinen Fans – bestenfalls von allen anderen – verstanden und akzeptiert werden will. Berühren bedeutet aber auch immer, ein negatives Berühren. Wir bemerken immer mehr, dass immer mehr Menschen auftauchen, die wir anscheinend auch negativ berühren, je präsenter wir in unserer Szene sind. Das trifft uns und wir würden manchmal gern verstehen, woher das kommt. Auch in Gesprächen mit anderen Acts, die schon länger dabei sind, hat sich herausgestellt, dass niemand davor gefeit ist, irgendwann in Kontakt mit Menschen zu kommen, die einem ihre negative Einstellung zum eigenen künstlerischen Output mitteilen wollen.
In Bezug auf den Output haben wir uns jetzt hauptsächlich auf den Release konzentriert und erst gegen Ende der Promo-Phase wieder angefangen zu komponieren. Da wir wahrscheinlich den Urlaub dieses Jahr auslassen werden, können wir uns vorstellen, eine Woche irgendwo hinzufahren und nur Sound zu machen, um gleich mal an den Release-Flow anzuknüpfen.

Bild Austrian Apparel
Austrian Apparel (c) Lukas Gansterer

Was sind eure Gedanken zu Zugänglichkeit und Abstraktion in Bezug auf euren Sound?

Austrian Apparel: Der Begriff der Zugänglichkeit ist im Bereich des Melodic Techno natürlich ein wichtiger. Wir wollen eine Stimmung erzeugen, durch die die Zuhörerinnen und Zuhörer in eine Art Trance und Ekstase gelangen können. Damit das gelingt, muss man den Sound eben zugänglich und behutsam gestalten. Es darf schon manchmal experimentell sein, aber da muss man die Leute erst mal hinführen.
Wir würden insgesamt sagen, dass unsere Musik mehr programmatisch als abstrakt ist. Wir haben meist intensive Bilder und Geschichten zu unseren Songs, die wir bei der Entstehung der Tracks visuell zu Hilfe nehmen. Wir reden oft mehr über irgendwelche epischen Begebenheiten, die zu einer musikalischen Idee passen, als uns wirklich im konventionellen Sinne über Musik zu unterhalten. Manchmal bleibt es auch nur bei diesem gegenseitigen Geschichtenerzählen, ohne dass dabei auch nur eine einzige Sekunde Musik entsteht. Oft dauert es nur einen Moment und ein beinahe oder ganz fertiger Song steht auf einmal da.

„Ob das jetzt ein Fetisch ist, können wir nicht beurteilen.“

In eurem Pressetext heißt es: „Lieber einen Bandscheibenvorfall riskieren, als sich mit einem schnöden Laptop zufriedengeben.“ Wie viel Technik-Fetisch steckt dahinter?

Austrian Apparel: Mittlerweile haben wir schon etwas abgespeckt und es sind nicht mehr die riesigen flight cases, dennoch haben wir immer einen Haufen Equipment dabei. Uns gefällt einfach der unmittelbare Ansatz zur Musik und den Zugriff auf die Klangelemente, den die Geräte einem bieten. Da wir keine DJs sind und auch immer fanden, dass es etwas einschränkend ist in den musikalischen Möglichkeiten, die es einem bietet, bleibt das Livespielen für uns noch immer die beste Variante. Ob das jetzt ein Fetisch ist, können wir nicht beurteilen. Wir kaufen im Moment nicht wirklich neues Equipment und kennen jetzt noch lange nicht jede einzelne Funktion von jedem Gerät.
Es geht uns vor allem auch um die Haptik, die eine andere Art des musikalischen Zugangs ermöglicht. Das Musik mit Händen anstatt nur durch visuelles Feedback zu machen, ist einfach etwas, was der Menschheit schon so lange inne ist. Wir sind auf keinen Fall Analog-Puristen, wir nutzen und lieben die Vorteile und Möglichkeiten einer modernen digitalen Audio-Workstation genauso. Für uns macht es eben oft aus, die beiden Welten, das Digitale und das Analoge, in unserm Sound zu kombinieren.

Wie wichtig sind Club und Dancefloor für das Verständnis eures Sounds?

Albumcover AA+
Albumcover “AA+”

Austrian Apparel: Am Anfang haben wir oft in Bars oder kleinen Clubs gespielt, wo die Anlage nicht ausreichend war und sich unser Sound echt mies angehört hat. Da wir live spielen und das Ganze nicht gemastert ist, brauchen wir natürlich eine Anlage, die man auch mehr ausreizen kann, um den rohen Sound rüberzubringen. Gerade die ersten paar Gigs waren übersteuert und hörten sich grauenhaft an. Teilweise kamen auch Leute und haben gemeint: „Cooler 8-Bit-Sound.“ Irgendwann kam der Entschluss, dass wir nur spielen, wenn die Soundanlage auch für unsere Art Musik ausreicht.

Die österreichische Musikszene leidet aktuell in vielen Aspekten durch die beschränkten Möglichkeiten von Live-Gigs. Was sind eure Erfahrungen mit diesen Regulationen?

Austrian Apparel: Das ist natürlich eine absolute Katastrophe und alle Musikerinnen und Musiker sind gleichsam davon betroffen. Wir können uns gar nicht ausdenken, was es bedeuten muss, wenn man eine komplette Tour über viele Monate plant und dann alles den Bach runtergeht. Die staatliche Unterstützung ist zwar da und sichert in vielen, aber nicht allen Fällen das Auskommen, aber der Schaden und der verursachte Stress wiegen wahrscheinlich genauso schwer. Es wird einige Zeit brauchen, bis man wieder Vertrauen in sein eigenes Wirken haben kann. Die Musiklandschaft wird sich ändern und wahrscheinlich nicht nur in eine gute Richtung. Wir hoffen aber, dass die Szene zusammenhält und sich trotz aller Prognosen eine fruchtende Zukunft einstellen wird.

 

Der Album-Release von „AAplus“ fand am 3. Juli in der Grellen Forelle statt.Austrian Apparel: Die Grelle Forelle war schon immer offen für Experimente und begleitet uns auch schon sehr lange. Wir sind ihnen unendlich dankbar, dass sie uns die Möglichkeit gegeben haben, in so einer schwierigen Zeit für eine kleine Menge an Menschen unser Album zu präsentieren. Es war ja nur logisch, dass wir unser Debütalbum an dem Ort, wo die Hälfte davon aufgenommen wurde, das erste Mal einem etwas größeren Publikum präsentieren. Es hat alles gut funktioniert und alle haben das Sicherheitskonzept der Grellen Forelle respektiert.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Ada Karlbauer

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