„Die Herausforderung liegt bei so einem Projekt natürlich auf mehreren Ebenen.“ – RALPH MOTHWURF im mica-Interview

Seit September ist das RALPH MOTHWURF ORCHESTER die Stageband des Wiener Jazzclubs PORGY & BESS. Das von dem österreichischen Komponisten und Musiker RALPH MOTHWURF gegründete und geleitete Orchester präsentiert an zehn Konzertabenden brandneue Musik aus der Feder des gebürtigen Oberösterreichers sowie spannende Kollaborationen mit ausgewählten Stars der österreichischen Kulturszene, wie BIRGIT MINICHMAYR, ELIAS HIRSCHL und MIRA LU KOVACS. Im Interview mit Michael Ternai spricht RALPH MOTHWURF über die große Ehre, Stageband des Porgy & Bess zu sein, die vielen Herausforderungen, die ein solches Orchester mit sich bringt, und die Notwendigkeit, neue Wege der Förderung zu finden.

Das Ralph Mothwurf Orchester ist derzeit die Stageband des Porgy & Bess. Empfindest du es als eine Art Ritterschlag, diese Rolle in dieser Saison übernehmen zu dürfen?

Ralph Mothwurf: Natürlich ist es eine große Ehre die Stageband im Porgy & Bess zu stellen. Es ist die Verwirklichung eines großen Karrieretraums von mir, den ich seit meiner Anfangszeit in Wien und seit meiner Ausbildung hege. Das Interessante an der Umsetzung solcher Projekte aber ist, dass viele Ziele, die man sich setzt, sich in der Verwirklichung letztlich dann schon ein bisschen anders anfühlen. Die Erkenntnis, die ich für die Zukunft mitnehme, ist auf jeden Fall, dass schon der Weg auch irgendwie das Ziel ist.

Was meinst du mit, dass sich solche Projekte letztlich etwas anders anfühlen?

Ralph Mothwurf:  Es ist einfach so, dass sich Dinge, wenn man sie umsetzt, gleichzeitig auf eine gewisse Art entmystifizieren. Sie sehen nach außen immer ein wenig anders aus, als in Wirklichkeit sind. Als ich das Orchester gründete, war mir im Vorhinein nicht klar, wie aufwendig und prekär das Ganze auf einer strukturellen und finanziellen Ebene ist. Das ist auf jeden Fall etwas, das ich gerade lerne, dass Dinge von außen betrachtet glänzen, groß ausschauen und Erfolg ausstrahlen, in der Umsetzung aber – zumindest hier in der österreichischen Kulturszene – für die Protagonist:innen oft ein großes finanzielles Risiko und eine große Selbstaufgabe bedeuten. Es ist so eine Art innerer Raubbau, der hier in der Kulturszene stattfindet. Aber dem kommt man eigentlich nicht aus. Wenn man was machen will, muss man selber sehr viel an eigenen Ressourcen investieren.

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Ich kann mir vorstellen, dass die Arbeit mit dem Orchester sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Speziell jetzt in diesem Jahr als Stageband des Porgy. Ich nehme an, du fokussierts dich während dieser Zeit hauptsächlich auf diese Tätigkeit.

Ralph Mothwurf: Dem ist nicht so. Das Orchester ist ja nicht mein gesamtes berufliches Leben. Ich muss schon schauen, dass meine anderen Projekte weiterlaufen. Wobei ich schon versuche, so wenig Projekte wie möglich daneben zu realisieren. Aktuell arbeite ich an kleinen Filmprojekten und auch mit Yasmo und der Klangkantine stehen einige Konzerte an. Aber darüber hinaus versuche ich, da etwas kürzer zu treten. Daher ja, der Hauptfokus liegt in den kommenden Monaten auf dem Stageband-Projekt.

Etwas, das das Orchester ausmacht, ist die stilistische Breite, die es abdeckt. Inwieweit spiegelt die Musik des Orchesters auch deine musikalische Breite wider?

Ralph Mothwurf: Meine persönliche Breite ergibt sich eigentlich recht simpel aus meiner eigenen musikalischen Identität. Ich bin jemand, der sehr offen an Musik herangeht, und ich interessiere mich für sehr, sehr viel unterschiedliche Musik. Ich verstehe natürlich den Willen mancher, Musik aus verschiedenen Gründen in Kategorien und Genres einteilen zu müssen. Man kann es mit Sicherheit auch logisch herleiten, warum man etwas so oder so benennt. Für mich spielt das aber keine Rolle. Ich bin nicht gezwungen, mit dem Orchester zum Beispiel Jazz, Pop oder zeitgenössische Moderne zu machen. Ich kann das machen, was aus mir herauskommt. Und das spielt mich soweit frei, dass ich meine Einflüsse aus allen möglichen Welten beziehe.

Musik ist für mich eine Universalsprache, die – zumindest in ihrer Umsetzung – keine Grenzen kennt. Und das finde ich in meiner künstlerischen Arbeit ganz wesentlich. Alles andere würde mich auch unglücklich machen.

In dem Orchester spielen an die 20 Musiker:innen. Und in den meisten Fällen kennt man deren Namen aus anderen Projekten. Wie herausfordernd ist es, alles zusammenzuhalten und diese Leute zu motivieren, doch für länger Teil des Orchesters zu sein.

Bild Ralph Mothwurf
Ralph Mothwurf (c) Fekry Helal

Ralph Mothwurf: Die Herausforderung liegt bei so einem Projekt natürlich auf mehreren Ebenen. Das, was für mich ganz wesentlich ist und was in einem professionellen Kontext eigentlich auch als selbstverständlich erachtet werden sollte, ist, dass man die Leute versucht, so gut wie möglich zu bezahlen. Dadurch, dass es ein großes Projekt aus der freien Szene ist, ist das sehr schwierig und aufwendig. Aber den Weg gehe ich und das sehen die Leute auch. Darüber hinaus ist es mir sehr wichtig, dass die Arbeitsumstände passen. Die Leute werden bei den Konzerten und Proben von mir verpflegt. Ich versuche schon, immer ein entsprechendes Service anzubieten. Das ist für mich auch selbstverständlich, da ich damit auch zeigen will, welche Wertschätzung ich für meine Kolleg:innen empfinde.
Ein weiterer Punkt ist mit Sicherheit auch, dass sich die Leute, die ich frage, mitzutun, mit meiner Musik und mit der Art und Weise, wie ich Musik denke und wie ich sie praktiziere, identifizieren können.

Auf jeden Fall mache ich die Erfahrung, dass wenn diejenigen, die einmal für mich spielen, tendenziell auch länger dabeibleiben wollen, weil das Projekt, glaube ich, künstlerisch für sie ein interessantes ist.

„Über einen normalen Weg, ist ein Ensemble dieser Größe nicht umsetzbar.“

Du hast bereits den finanziellen Aspekt deines Projekts angesprochen. Wo liegen da die großen Herausforderungen? Wie schwer ist es an gut bezahlte Gigs ranzukommen?

Ralph Mothwurf: Gut bezahlte Gigs sind für so ein großes Orchester rar. Über einen normalen Weg, ist ein Ensemble dieser Größe nicht umsetzbar. Dass man irgendwo spielt und der Veranstalter bezahlt das Ensemble, kommt eigentlich nicht vor. Es geht also nicht ohne Förderung. In meinem Fall erhalte ich Förderungen vom Land Oberösterreich, dem Bund, der MA7 und der SKE. Und ich bin auch froh, dass diese Institutionen mein Projekt fördern. Es ist nur so, dass es sich trotz all dieser Förderungen in den meisten Fällen nicht ausgeht. Die finanzielle Realität des Projektes sieht also so aus, dass immer wieder auch Geld von mir selber hineinfließen muss, damit es weiterlaufen kann.

Bild Ralph Mothwurf Orchestra
Bild (c) Ralph Mothwurf Orchestra

Daher glaube ich nicht, dass die Zukunft alleine in staatlicher Förderung, sondern in privater. Ich denke, es würde der freien Szene bzw. der gesamten österreichischen Kulturszene im gesamten Diskurs guttun, wenn man die Privatwirtschaft kritisch gesehen in die Pflicht nimmt oder positiv gesehen einbindet, weil Kunst ein gesellschaftliches Ereignis ist. Wenn man so denkt, dass die Bündelung an Kapital auch eine gesellschaftliche Verantwortung mit sich führt, würde ich mir natürlich wünschen, dass man da private Konzerne oder Firmen einbinden kann. Da könnte man sicher einiges machen.

Wir haben auch versucht, private Förderer zu gewinnen, nur sind wir bislang daran kläglich gescheitert. Wir haben unzählige Firmen angebohrt, um diese Konzertreihe fördern zu lassen, mit wenig Erfolg. Ich habe das Gefühl, dass diese Art von Förderung nur über persönliche Kontakte läuft oder man sie erhält, wenn das Projekt eine große Strahlkraft hat. Und die hat so eine subversive Kraut-und-Rüben-Geschichte wie ein zeitgenössisches Jazzensemble vermutlich weniger.

Dennoch hast du für die Konzertreihe im Porgy einige wirklich namhafte Leute gewinnen können – wie etwa Elias Hirschl, Birgit Minichmayr, Mira Lu Kovacs oder Eva Klampfer aka Lylit – mit denen du jeweils einen Abend gestaltest. Schreibst du für jede Person ein eigenes Programm.

Ralph Mothwurf: Genau genommen ein halbes Programm. Ich erarbeite eine halbe Stunde Programm mit den Gästen und der Rest des Abends ist Musik des Orchesters. Die erste Zusammenarbeit mit Eva Klampfer vor wenigen Wochenklappte auf jeden Fall schon ganz wunderbar. Und die Kooperationen sind auch jedes Mal ganz unterschiedlich. Was jetzt ansteht, ist das „Bodenbelag“-Musical. Das basiert auf einem Libretto, das der Autor Elias Hirschl geschrieben hat. Und das wird wieder etwas ganz anderes sein, was wir mit Birgit Minichmayr machen werden.

Die Gestaltung, wenn ich jetzt einlade, war eher ein intuitiver Prozess. Die Grundregel war, dass es Leute sein mussten, die mich in irgendeiner Art und Weise interessieren, und bei denen ich mir dachte, dass eine Zusammenarbeit zu interessanten Ergebnissen führen.

Die Entscheidung mit Lylit zusammenzuarbeiten war in dem Sinn eine naheliegendere, weil ich sie musikalisch und persönlich ja schon länger kenne und über meine Arbeit mit der Klangkantine mit ihr stilistisch schon artverwandte Sachen realisiert habe. Die Zusammenarbeit jetzt war auf jeden Fall sehr befruchtend, aber mehr in meiner Comfortzone angesiedelt.

Mir war daher auch wichtig, Leute einzuladen, mit denen ich in Gefilde reingehe, die ich noch nie bearbeitet habe. Wie zum Beispiel mit dem Elias Hirschl oder der Birgit Minichmayr.

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Wie sehr denkst du dieses Projekt als Stageband eigentlich weiter. Ist es für dich vielleicht vorstellbar, dass du für diese Konzertreihe geschriebene Sachen irgendwann auch als Album veröffentlichst?

Ralph Mothwurf: Ich plane grundsätzlich schon ein neues Album mit dem Orchester, nur will ich mir vorerst noch offenhalten, was ich musikalisch mache. Eigentlich birgt jeder Abend, den wir machen, das Potential für eine größere Weiterentwicklung. Zum Beispiel diese Form von Musical, die ich jetzt mit Elias Hirschl mache. Da stellt sich die Frage, ob man dies nicht vielleicht an ein bestehendes Haus anbindet oder an ein Festival ankoppelt, für das man es dann abendfüllend ausarbeitet. Es ist auch denkbar, Birgit Minichmayr, Mira Lu Kovacs und Eva Klampfer an einem Abend gebündelt in einem größeren Rahmen zu präsentieren.

Es sind schon Ideen da, wie man das machen könnte. Es ist aber auch eine Frage meiner persönlichen Kapazitäten, weil jeder Schritt weiter mit diesem Projekt mit wahnsinnig viel Arbeit verbunden ist.

Mein Plan sieht jetzt auf jeden Fall einmal so aus, dass ich nach diesem Projekt für ein paar Monate einmal nichts tun will. [lacht] Wenn es sich ausgeht, will ich einmal ein bisserl die Welt bereisen und weniger arbeiten. Und alles, was danach künstlerisch kommt, mache ich davon abhängig, wie es mir in den nächsten Monaten geht. Meine letzten 15 Jahre waren sehr stark durchgeplant und zielorientiert und ich merke, dass ich jetzt nach diesem Wahnsinn, Raum für andere Perspektiven brauche.

Herzlichen Dank für das Interview.

Michael Ternai

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Kommende Livetermine
30.11. Porgy, Wien, RMO feat. Elias Hirschl
17.12. Brucknerhaus, Linz, RMO feat. Birgit Minichmayr
18.12. Porgy, Wien, RMO feat. Birgit Minichmayr
16.01. Porgy, Wien, RMO feat. Mira Lu Kovacs

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