Unter dem Namen HACKLERBERRY ‘PI’ & DIE FAULEN KOMPROMISSE sind bereits zwei Alben erschienen. Den Song „Alter brauner Schuh” von dem Debütalbum „ein Lieferwagen voller Mausefallen” aus dem Jahr 2012 werden die geneigten FM4 Hörer noch in den Ohren haben. Der Mixtur aus 50ies Rock n’ Roll und punkiger Indie Attitüde, bleibt die Band am neuen Album „Treibholz” (31.03.2023 / Preiser Records) großteils treu. Wann ist ein Song ein Song? Und was kann man von Hip Hop lernen? Dominik Beyer spricht mit HACKLERBERRY ‘PI‘, dem Kopf der Bande DIE FAULEN KOMPROMISSE über Einflüsse und Prozesse die das neue Album prägen.
Was ist an den Abenteuern des Huck Finn heutzutage noch bemerkenswert?
Hacklerberry ‚Pi‘: Du spielst jetzt auf die Romanvorlage an?
Ja, ich nehme an, dass der Bandname in Anlehnung an die Romanfigur gewählt worden ist.
Hacklerberry ‚Pi‘: Hacklerberry ‚Pi‘ ist mein Künstlername. Die Band heißt Die faulen Kompromisse. Bislang war das noch getrennt. Aber wir sind mittlerweile zusammengewachsen. Jetzt nennen wir uns zusammen nur noch Die faulen Kompromisse.
Aber ja, ich bin schon sowas wie der Frontman. Ich reise umher und erlebe meine Abenteuer. Und die schreib ich in Form von Liedern auf. Gerade in den letzten vier Jahren habe ich mich viel rumgetrieben. Daher der Titel „Treibholz“. Der Titel kommt auch daher, weil die Songs sehr lange liegen geblieben sind. In diesem Fluss der Musik. Nochmal verstärkt durch Covid. Irgendwann haben wir sie wieder aus dem Fluss rausgefischt und nochmal etwas verändert. In diesem Sinne wurden die Abenteuer schon verarbeitet. Das letzte Album hieß „Feuerholz”. Somit ist das ein guter Name für eine Fortsetzung.
Wann merkst du, dass ein Thema zu einem Song verarbeitet wird?
Hacklerberry ‚Pi‘: Manchmal habe ich eine Idee über Jahre im Kopf. Nur ein paar Zeilen. Das liegt wieder ein paar Jahre und wird durch andere Songideen verdrängt. Nach einer Weile passt wieder eine Zeile dazu. Irgendwann hat man genug zusammen. Es sind Erfahrungen, die ich machen muss, damit sie in den Song gepackt werden können. Rückblickend merke ich dann, dass ich zur Zeit des Aufkommens der Idee darüber einfach noch nicht genug erlebt und nachgedacht habe, um einen ganzen Song mit Inhalt zu füllen. Es gibt schon einen Klick, den ich aber nicht beschreiben kann. Das ist eine Gefühlsache. Irgendwas treibt einen dann an, den Song fertig zu schreiben.
„Obwohl ich ein politischer Mensch bin, tu ich mir sehr schwer das in Songs zu verarbeiten.”
Es ist euer drittes Album. Eignen sich manche Themen besser für Songs als andere? Gibt es dafür Kategorien für dich?
Hacklerberry ‚Pi‘: In der Pandemie habe ich wenig geschrieben, weil ich wenig erlebt habe. Das war halt Covid geschuldet. Da meine Texte ja immer Erfahrungen brauchen oder Beziehungen und Freundschaften. Nachdem dies im Lockdown alles ausgeblieben ist, blieb wenig Content. Einen 08/15 Lockdown Song, wie ihn viele geschrieben haben, konnte ich mir recht bald nicht mehr anhören. Weil er nur jammert. Das hatte für den Moment vielleicht Relevanz. Danach aber nicht mehr. Obwohl ich ein politischer Mensch bin, tue ich mir sehr schwer das in Songs zu verarbeiten. Das ist zu schnell wieder gestrig. Zeitlosigkeit ist für mich also schon ein Kriterium, das erfüllt werden sollte.
Was möchten deine Songs bezwecken? Gibt es da eine Erwartungshaltung?
Hacklerberry ‚Pi‘: Das ist schwer zu sagen. Zuerst muss er mal meinen eigenen Ansprüchen gerecht werden. Das ist unser drittes Album. Wir machen das nicht seit gestern. Wenn da vereinzelt kleine Lebensweisheiten durchblitzen, ist es schön. Wobei Weisheit sehr hochgestochen klingt. Erfahrung ist das passendere Wort. Wenn jemand diese Erfahrung teilt, oder sich in Folge sogar damit identifizieren kann, dann hat der Song wohl seine Daseinsberechtigung.
Wir erleben eine Zeitenwende. Zehn Jahre liegen zwischen dem ersten und jetzigen Album. Hat sich die Sicht der Dinge für dich geändert mittlerweile? Falls ja, inwiefern?
Hacklerberry ‚Pi‘: Einerseits wird man erwachsener. Wir sind mittlerweile in unseren Dreißigern. Früher war ich öfter fort und hatte mehr Energie. Inzwischen bin ich Fremdenführer/Tour Guide in Österreich und Norwegen geworden. Ich lese andere Literatur und bin von anderen Filmen beeinflusst. Und natürlich hat sich die politische Situation geändert. Und die Sprache ist sicher gewählter. Das muss man nicht mitmachen, aber man ist ja auch ein Produkt seiner Zeit.
Wenn man aber alte Platten anhört, klingt schon eine gewisse Naivität heraus. Das macht auch Spaß. Das ist etwas, das man verloren hat. Die kann man nicht mehr künstlich herstellen. Das wäre Fake.
Wie wirkt sich die Sensibilisierung der Sprache auf deine Texte aus?
Hacklerberry ‚Pi‘: Das Wort ‚Baby‘ zum Beispiel, als universelle Metapher für einen Menschen, den man liebt, wirkt für viele schon sehr altmodisch. Ich benutze es aber trotzdem, weil ich noch nichts Geeigneteres gefunden habe. Aber klar reflektiert man das eine oder andere heute mehr als damals.
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Deine Texte sind nicht provokativ. Huckleberry Finn entzieht sich auch seiner bürgerlichen Zuordnung, indem er lieber auf Reisen geht und somit dem Konflikt im Dorf entgeht, anstatt in den Kampf zu ziehen. Er ist also kein Aktivist in dem Sinn.
Hacklerberry ‚Pi‘: Ja, das stimmt. Damit kann ich mich schon identifizieren. Auf dem „Treibholz“ Album geht’s auch viel um das Ablegen gesellschaftlicher Zwänge, um dadurch mehr Freiheit zu gewinnen. „Mutter Naturs Kinder“ ist der letzte Song auf dem Album, und in dem geht es auch darum, seine Abenteuer abseits des Bürgerlichen zu finden.
Mit welcher individuell interpretierbaren „Wahrheit“, mit der du erzogen worden bist, hast du aufräumen müssen? Oder anders formuliert, gibt es Paradigmen, die vielen anerzogen wurden, aber heutzutage vielleicht mehr passen?
Hacklerberry ‚Pi‘: Dass die Sicherheit wichtiger sein sollte als die Freiheit zum Beispiel. Dagegen habe ich schon als Teenager rebelliert. Ich mag es nicht von Regeln und Zwängen eingenommen zu werden. So ein geregelter 40 Stunden Job und die Einzahlung in die Rentenkasse ist nichts für mich. Grundsätzlich also der Ausbruch aus dem Bürgerlichen.
Wie spiegelt sich das in deinen Texten wider?
Hacklerberry ‚Pi‘: In „Zieh zu mir“ steht die Kaiserin Sisi metaphorisch für dieses Korsett aus Regeln und Zwängen – bzw. die Etikette des Hofes. Ich biete ihr an, zu mir zu ziehen. Es gibt also einen Ausweg für sie – aus diesem Possenspiel. In „Mutter Naturs Kinder“ geht es um eine natürliche Art des Lebens, die nicht viel Materielles braucht. In „Schwarze Mamba“ mit Sicherheit auch.
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Wofür steht die Schwarze Mamba?
Hacklerberry ‚Pi‘: Man kann hinein interpretieren, was man will. Ein Abenteuer, eine Frau oder einen Kontinent. Zugegeben auch ein wenig Exotismus schwingt mit. Ich habe damals ein paar Monate in Uganda gelebt, und da kam mir die Idee.
„Nachtbus nach Triest“ sticht ein wenig raus. Das klingt sehr trap-ig. Gespielt von einem Schlagzeug. Nicht wie üblich von einem Drumcomputer. Welche modernen Zeitgenossen beeinflussen dich?
Hacklerberry ‚Pi‘: Ich hör neben vielen alten Sachen auch hier und da deutschen und amerikanischen Rap und Trap. Auf „Nachtbus nach Triest“ haben wir so einen Trap Rhythmus am Schlagzeug imitiert. Unser Drummer July Skone hat das dann einfach so eingespielt. Der kann das.
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Deutschrap ist aber schon ein anderes Kapitel. Was gefällt dir daran?
Hacklerberry ‚Pi‘: Ja, ich hör das schon auch eher aus Interesse an den technischen Fertigkeiten, als wegen der Inhalte. Das ist sehr innovativ. Da tut sich so viel innerhalb eines Jahres. Gerade was den Flow betrifft. Aber es gibt schon auch Rapper, die was zu sagen haben. Zum Beispiel Kendrick Lamar oder Fatoni. So bekommt man mit, wie auf der Straße gesprochen wird. Das mag jetzt Klischeehaft klingen, aber man muss sich schon auch damit auseinandersetzen.
Findet das dann auch Platz in deinen Texten?
Hacklerberry ‚Pi‘: Ich spitze meine Ohren. Manche Wörter sollten besser auf dem Schulhof bleiben und müssen meiner Meinung nach nicht ins Vokabular eines Thirthysomethings Eingang finden. Andere wiederum gefallen mir aber und die verwende ich dann auch. Sprache verändert sich immer. Am Schulhof fängt es oft an.
Wo lernt man Lyrics zu schreiben? Ist das was, dass man sich am besten selbst beibringt, indem man es einfach tut?
Hacklerberry ‚Pi‘: Ich höre natürlich immer Musik. Es gibt die großen Meister wie Bob Dylan oder Lou Reed, die man als Songwriter vermutlich eh studiert hat. Irgendwann emanzipiert man sich von seinen Vorbildern. Je mehr Einflüsse man zulässt, umso besser kann man diese Inspirationen zu einer eigenständigen Form vermischen. Denn aus dem Nichts, erfindet niemand etwas. Man muss interessiert bleiben, und somit entsteht Neues.
Vielen Dank für das Gespräch
Dominik Beyer
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Die faulen Komppromisse live:
31.03 Release Show im Rhiz
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