Die Einkommenssituation der Musiker_innen in der COVID-19-Pandemie

Eine tiefergehende Auswertung der Daten, die durch die Online-Umfrage zur wirtschaftlichen Lage am österreichischen Musikarbeitsmarkt während der Corona-Krise gewonnen werden konnten, zeigt, dass verschiedene Gruppen von Musiker_innen unterschiedlich stark von Einkommensverlusten betroffen sind. Auffallend ist zum einen, dass Sänger_innen höhere Einbußen hatten als Instrumentalist_innen und zum anderen männliche Befragte massiver verloren haben als Frauen. Der Unterschied zwischen den Musikgenres ist weniger stark ausgeprägt, wenn auch einzelne Genres merklich schlechter abgeschnitten haben als andere.

Die Einkommenssituation der Musiker_innen in der COVID-19-Pandemie

Die Frage „Hatten Sie seit März 2020 durch diverse Absagen oder aufgrund gesetzlicher Verordnungen Einkommensverluste aus musikbezogenen Tätigkeiten“, die insgesamt 1.237 Personen beantwortet haben, wurde von 95% der Musiker_innen bejaht. Am häufigsten waren Sänger_innen (97%) von Einkommensverlusten betroffen, während 94% der Instrumentalist_innen und ein ebenso hoher Anteil der Dirigent_innen Einbußen angegeben haben.

Abbildung 1: Einkommensverluste aus musik-ausübender Tätigkeit

Freischaffende Sänger_innen haben die höchsten Einkommensverluste

Die ausschließlich freischaffenden Musiker_innen haben, verglichen mit jenen, die zumindest ein Anstellungsverhältnis angegeben haben, über alle Tätigkeitsbereiche hinweg höhere Einkommensverluste.

Abbildung 2: Musik-ausübende Tätigkeiten nach Beschäftigungsverhältnis

Sowohl bei den freischaffenden Sänger_innen als auch bei den freischaffenden Dirigent_innen haben die Hälfte der Befragten Einkommensverluste von mehr als EUR 10.000 angegeben. Bei den freischaffenden Instrumentalist_innen ist dieser Anteil mit 44% merklich niedriger. Wird eine zusätzliche Anstellung angegeben, geht der Anteil der Befragten, die mehr als EUR 10.000 Einkommensverlust haben, deutlich zurück. Am höchsten liegt dieser Anteil mit 40% bei den Instrumentalist_innen, am zweihöchsten mit 36% bei den Dirigent_innen und am niedrigsten fällt er mit 33% bei den Sänger_innen aus.

Das bedeutet aber nicht, dass freischaffende Sänger_innen, die zusätzlich eine Anstellung haben, weniger stark von Einkommensverlusten betroffen wären. Ganz im Gegenteil: In der Verlustkategorie von über EUR 20.000 sind freischaffend und angestellte Sänger_innen anteilsmäßig mit 27% noch stärker vertreten als ausschließlich freischaffende Sänger_innen, von denen 24% in die gleiche Verlustkategorie fallen. Ansonsten fallen die Unterschiede zwischen ausschließlich freischaffenden Sänger_innen und jenen, die noch ein Anstellung haben, gering aus. Ähnlich ist die Situation bei den Instrumentalist_innen. Nur in der Verlustkategorie von über EUR 20.000 sind mit 13% ausschließlich freischaffenden Musiker_innen ein wenig mehr vertreten als bei den Freischaffenden, die auch angestellt sind, bei denen der Anteil 9% beträgt.

Abbildung 3: Einkommensverluste von Instrumentalist_innen und Sänger_innen im Vergleich[1]

Insgesamt zeigt sich aber, dass Sänger_innen – egal ob ausschließlich freischaffend oder nicht – jene Gruppe sind, die mit Abstand die höchsten Einkommensverluste zu verkraften haben. Woran liegt das? Eine Auswertung der Begründungen für die Einkommensverluste zeigt, dass die Einbußen vor allem dann sehr hoch ausfallen, wenn Auftritte sowohl im Inland als auch im Ausland abgesagt wurden. Davon waren Sänger_innen wesentlich häufiger betroffen als Instrumentalist_innen. So haben 59% der Sänger_innen angeben, mehr als EUR 10.000 verloren zu haben, wohingegen 49% der befragten Instrumentalist_innen Verluste von mehr als EUR 10.000 hatten. Befragte, die lediglich von Konzertabsagen im Inland betroffen waren, hatten in einem wesentlich geringerem Ausmaß Einkommensverluste. 15% der Instrumentalist_innen und 13% der Sänger_innen hatten Einbußen von mehr als EUR 10.000 aufgrund von abgesagten Auftritten in Österreich. Das lässt den Schluss zu, dass vor allem gut etablierte Musiker_innen, die bereits im Ausland Fuß fassen konnten, von hohen Einkommensverlusten betroffen sind. Die „wirtschaftliche Fallhöhe“ von Sänger_innen scheint dabei stärker ausgeprägt zu sein als jene von Instrumentalist_innen.

Aber es sind nicht nur die Auftrittsabsagen, die für hohe Einkommensverluste verantwortlich sind. Es ist auch die Kombination verschiedener Einnahmequellen, die durch die Pandemie größtenteils oder zur Gänze ausgetrocknet sind. So haben insgesamt 88 Musiker_innen angegeben, neben Auftrittsabsagen im In- und Ausland auch noch Verluste aus dem Entgang von Tantiemen zu haben. Dabei hatten 65% der Sänger_innen und 49% der Instrumentalist_innen Verluste von mehr als EUR 10.000. In 65 Fällen wurden sogar vier Gründe für Einkommensverluste genannt: Absage von Auftritten im In- und Ausland, Tantiemenentgang und Auftragsverluste. Und wieder waren die Sänger_innen überproportional stärker (81%) von hohen Einkommensverlusten (über EUR 10.000) betroffen als Instrumentalist_innen (73%).

Abbildung 4: Gründe für Einkommensverluste bei Sänger_innen und Instrumentalist_innen

Unterschiede zwischen den Geschlechtern

Aber nicht nur die musikausübende Tätigkeit hat einen Einfluss auf die Höhe der Einkommensverluste. Ein Vergleich zwischen den Geschlechtern[2] zeigt, dass männliche Befragte höhere Einbußen hatten als weibliche. Das liegt, wie bereits in einem anderen Zusammenhang gezeigt wurde, daran, dass Männer bereits vor der Pandemie ein höheres Einkommen aus ihrer musikbezogenen Tätigkeit generieren konnten als Frauen. Das bildet sich nun auch in der Detailanalyse der Einkommensverluste von Sänger_innen und Instrumentalist_innen ab. In beiden Gruppen ist der Anteil der Männer in den hohen Verlustkategorien höher als jener der Frauen. So haben 14% der befragten Instrumentalisten Verluste von mehr als EUR 20.000, während 5% der Instrumentalistinnen Einbußen in dieser Höhe hatten. Noch stärker fällt der Einkommensrückgang bei den Sängern aus. 33% der männlichen Befragten hatten Verlusten von mehr als EUR 20.000. Von den befragten Sängerinnen gaben 14% an, mehr als EUR 20.000 verloren zu haben. Im Vergleich zu ihren Kolleginnen, die ein Instrument spielen, sind die Sängerinnen ebenfalls wesentlich stärker von hohen Einkommensverlusten betroffen.

Abbildung 5: Einkommensverluste nach Geschlechtern

Welche Rolle spielen die Musikgenres bei Einkommensverlusten?

Ein Vergleich zwischen der Klassik und allen anderen Musikgenres zeigt zwar die bereits diskutierten Unterschiede zwischen Instrumentalist_innen und Sänger_innen aber keine genrespezifischen Unterschiede, die die Einkommensverluste erklären können.

Abbildung 6: Einkommensverluste für InstrumentalistInnen und SängerInnen nach Genres

Lediglich eine detaillierte Analyse nach Musikgenres jenseits der Klassik, weist auf Besonderheiten bei den Einkommensverlusten hin. Aufgrund der Samplegröße lassen sich nur die Instrumentalist_innen vergleichen. Dabei zeigt sich, dass im Bereich Dance/Hip Hop/Elektronik und bei Schlager/volkstümlicher Musik höhere Einkommensverluste entstanden sind als bei den anderen Musikgenres. 62% der befragten Dance-/Hip Hop-/Elektronik-Künstler_innen gaben an, mehr als EUR 20.000 verloren zu haben. Im Bereich Schlager/volkstümliche Musik hatten 55% der Befragten Verluste in dieser Höhe. Im Vergleich dazu waren die Einkommenseinbußen von mehr als EUR 20.000 bei den Instrumentalist_innen im Jazz/improvisierte Musik (43%), Klassik (40%), Rock/Pop (39%), Volksmusik/Folk/World Music (43%) weniger stark ausgeprägt.

Abbildung 7: Einkommensverluste für Instrumentalist_innen nach Genres

Aufgrund der Größe des Sub-Samples lassen sich nur für die Sänger_innen in den Genres Klassik, Rock/Pop und Schlager/volkstümliche Musik die Unterschiede bei den Einkommensverlusten auswerten. Interessant ist, dass Pop-/Rock-SängerInnen nur leicht höhere Einkommensverluste haben als SängerInnen im Klassik-Bereich. Das unterscheidet die beiden Genres vom Bereich der Schlager- und volkstümlichen Musik. Während 48% der Befragten im Rock/Pop-Genre Verluste und 43% der Klassik-SängerInnen von mehr als EUR 10.000 angegeben haben, waren im Bereich Schlager/volkstümliche Musik 71% von Einbußen von mehr als EUR 10.000 betroffen.

Abbildung 8: Einkommensverluste für Sänger_innen in den Genres Klassik, Pop/Rock und Schlager/volkstümliche Musik

Zusammenfassung

Eine detaillierte Analyse der Einkommensverluste der Musiker_innen zeigt, dass vor allem Sänger_innen und dabei wiederum männliche Befragte die höchsten Einbußen haben, egal ob sie eine freischaffende Tätigkeit mit einem Angestelltenverhältnis kombiniert haben oder nicht. Dabei ist die Kombination von Auftrittsabsagen im In- und Ausland nur ein Grund für die Verluste, die noch höher ausfallen, wenn auch noch ein Tantiemenentgang und Auftragsentfälle damit verknüpft sind. Das belegt einmal mehr, dass der Musiker_innen-Arbeitsmarkt sehr heterogen ist und es nicht das EINE Tätigkeitsprofil gibt, sondern sehr viele verschiedene, was sich wiederum in den unterschiedlichen Einkommensverlusten widerspiegelt.

Männliche Musikausübende haben im Vergleich zu ihren weiblichen Kolleginnen höhere Einbußen, weil sie bereits vor der COVID-19-Pandemie mehr verdient haben. Während das Geschlecht eindeutig einen Einfluss auf die Höhe der Verluste hat, ist das beim Genre nicht ganz so eindeutig. Es gibt zwar Indizien, dass in manchen Genres – Dance/Hip Hop/Elektronik und Schlager/volkstümliche Musik – die MusikerInnen überproportional höhere Verluste haben, da aber die Größe der Samples keine detaillierten Auswertungen zulässt, ist die Aussagekraft begrenzt. Ein Vergleich der Klassik mit allen anderen Genres – insbesondere mit Rock/Pop – weist keine signifikanten Unterschiede auf, d.h. die MusikerInnen sind über alle Genres hinweg in etwa im gleichen Umfang von Verlusten betroffen.

Peter Tschmuck

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Peter Tschmuck ist Professor am Institut für Kulturmanagement und Gender Studies der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst.

Der Artikel ist auf der Seite der Musikwirtschaftsforschung erschienen.

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[1] Aufgrund der zu geringen Samplegröße kann bei den Dirigent_innen keine Auswertung nach differenzierten Verlustkategorien vorgenommen werden.

[2] Die Größe des Sub-Samples der Befragten, die sich als divers bezeichnet haben, ist zu klein, um statistisch relevante Aussagen zu machen.