„DIE BUKOWINA KULTUR- UND SPRACHLANDSCHAFT ALS GRUNDFARBE“ – ALEXANDER KUKELKA IM MICA-INTERVIEW

Der Komponist ALEXANDER KUKELKA erträumt auf seinem soeben erschienenen Doppelalbum „Aufruf zur höchsten Schau“ (Gramola 99325) die versunkene Welt der Bukowina, den Mikrokosmos eines Vielvölkermosaiks mit der Hauptstadt Czernowitz, heute gelegen in der Westukraine. Einst im Einflussbereich der Habsburgermonarchie wurde „Klein-Wien“ oder – wegen der eigenen Universität – auch „Klein-Heidelberg“ mit seiner charakteristischen, multikulturellen Bevölkerung von Ukrainer:innen, Ruthen:innen, Rumän:innen, Ungar:innen, Volksdeutschen und vor allem jüdischen Bürger:innen innerhalb kürzester Zeit zu einem sprichwörtlichen Melting Pot unterschiedlichster Kulturen und Ethnien, die sich in der Miniaturmetropole zwar erfolgreich „zusammenrauften“, aber bis zum mörderischen Einbruch des Nationalsozialismus auch beständig in der Zivilisationsdisziplin der „Inkongruenzkompensationskompetenz“ zu üben hatten. Neben Rose Ausländer, Moritz Rosenkranz und nicht zuletzt Paul Celan als zentrale Czernowitzer Literat:innen weiß auch die Schriftstellerin Ilana Shmueli, weitab nostalgischer Verklärung über lokale Abgründe zu berichten: „Frustrationen, Unsicherheiten, Einengungen. Die vielgerühmte Vielsprachigkeit wurde mir oft zur Sprachlosigkeit. In welcher Sprache liebe ich, fluche ich, träume ich, klage ich und bete ich – in welcher Sprache wird der Tod zu mir kommen?“

ALEXANDER KUKELKA hat sich in diesem Spannungsfeld zu seinem 60. Geburtstag mit einem dialektisch geschickt zwischen Melancholie und „Czernowitzer Witz“ changierendem musikalischen Poesiealbum mit Vokalstücken und Kammermusiken beschenkt, das, inspiriert vom einzigartigen Vielvölkergemisch am Pruth, in doppelter CD-Länge seine ganz eigene kompositorische Vielsprachigkeit entfaltet. Michael Franz Woels hat ihn in seiner Wiener Wohnung, seinem „Komponierstübchen“, wie er es schelmisch nennt, besucht, handgezeichnete Karikaturen des Multitalents bestaunt, über epigenetische Phänomene spekuliert und sich schlicht und einfach dem Zauber der Dinge hingegeben.

Der Titel des Doppel-Albums „Aufruf zur höchsten Schau“ lässt auf lyrischen Inhalt schließen. Sehr zentral für dieses Konzept-Album ist der sogenannte Mythos Czernowitz, oder auch der Czernowitz-Effekt. Was verbirgt sich dahinter?

Alexander Kukelka: Mein Großvater stammte ursprünglich aus der Bukowina, genauer gesagt aus einem Vorort von Czernowitz, aus Neu-Mamajestie. Czernowitz, das war ja bekanntermaßen die legendäre Hauptstadt dieses östlichsten Kronlandes der k. u. k.-Monarchie. Die Hauptstadt einer Landschaft, von der Paul Celan einst postulierte, dass dort „Bücher und Menschen“ wohnten. Eine schöne Formulierung, nicht? Darüber wusste ich schon lange Bescheid und war von dieser einzigartigen Kultur- und Sprachlandschaft fasziniert. Aber konkret ausgelöst wurde die musikalische Spurensuche, oder besser: meine „kompositorische Reise“ in die Bukowina, erst 2002 bzw. 2004 mit der Geburt meiner Tochter Hannah. Das hatte möglicherweise „epigenetische“ Gründe. Davor, schon 2002, bin ich mit meiner lieben Frau zu einer Studienreise gen Czernowitz, 1.000 Kilometer östlich von Wien gelegen, aufgebrochen und habe für mein 4. Musiktheater „Die Reise nach Alt-Mamajestie oder Der Beste Witz ist Czernowitz“ (Neues Wiener MusikTheater, 2004) rund um Buffalo Bills letztes historisch verbürgtes Gastspiel in Europa, auf dem Czernowitzer Borstenviehmarkt, recherchiert. Über meine Familie und konkret über diese pittoreske Buffalo-Bill-Geschichte haben wir dort nichts gefunden. Das ist alles versunken, in alle Winde zerstreut. Außer den uns vertrauten „Gründerzeithäusern“ findet man in Czernowitz fast nichts mehr. Am effektivsten recherchiert man die Geschichte der Kronländer mit ihren Genealogien natürlich in Wien. Da schlummern in den Archiven noch einige Schätze, etwa das Telefonregister, in welchem meine Urgroßeltern noch mit Telefonnummer und Adresse angeführt sind, als wäre es heute. Der Nationalsozialismus und nicht zuletzt der Stalinismus haben dort ganze Arbeit geleistet. Das Interessante aber war, dass sich die Reise selbst zunehmend als zentrales Motiv dieses – als Librettist, Komponist und Regisseur sorgfältig geplanten – Musiktheaters entpuppte. Das war schon sehr eindrucksvoll. Damit hat aber alles erst seinen Anfang genommen und ist in Folge zu einem recht ansehnlichen Werkkatalog rund um den Mythos Czernowitz angewachsen. Teilweise auf dem Doppelalbum nachzuhören sind hier vor allem ausgewählte Textvertonungen der Bukowina Dichtung vor der Shoah, bis hin zum titelgebenden Stück „Aufruf zur höchsten Schau“ nach einem Text des Rabbiners Abraham Isaak Kook. Einer der schönsten Texte, der mir je in die Hände geraten ist. Ein Zufallsfund.

[Alexander Kukelka deutet auf ein holzgerahmtes Bild im Raum.]

Dieses Aquarell ist vom Czernowitzer Maler Oskar Laske, „Czernowitz, Markt auf dem Ringplatz“, entstanden so um 1904. Seine Witwe hat mir den Reprint freundlicherweise kostenfrei für das Cover meiner 2008 veröffentlichten, inzwischen erfolgreich vergriffenen, Gramola-CD „Czernowitzer Skizzen“ überlassen. Den entzückenden Brief von ihr halte ich bis heute in Ehren. Das Bild selbst: Leuchtender, impressionistischer, vielleicht etwas naiver Realismus – einfach großartig. Man taucht ein in das Leben einer fremden und doch so vertrauten Stadt und einer Landschaft, die sich selbst als „Klein-Wien am Pruth“ stilisierte. Man war eben stolz, am östlichsten Rande der Donaumonarchie, dieser kulturell befestigten Grenzregion am Fuße der Karpaten, unter der Hegemonie der Residenzhauptstadt Wien, ein friedvolles bürgerliches Leben führen zu können. Ermöglicht wurde dies übrigens durch ein Toleranzedikt, das erstmals auch der jüdischen Bevölkerung bürgerliche Grundrechte zusicherte. Und siehe da: Innerhalb kürzester Zeit prosperierte dort das kulturelle und wirtschaftliche Leben. Natürlich mit allen bekannten Schattenseiten – Antisemitismus und Pogrome waren durchaus an der Tagesordnung. Ich will das nicht verklären, da kann man wirklich nicht nostalgisch sein. Aber dieses gar nicht so „schlecht und rechte“ Zusammenleben der sechs obengenannten Ethnien generierte ein beispielhaftes harmonisches Miteinander, in welchem sich auch die gegensätzlichsten politischen Haltungen über einen gewissen Zeitraum die Waage hielten. Ein einzigartiges historisches Glücksmoment in der Geschichte, das da vom Nationalsozialismus und anderen raub- und mordsüchtigen Kräften bewusst zerstört wurde. Der Schock war unermesslich: Die Juden und Jüdinnen von Czernowitz empfanden sich ja als deutsche Bürger:innen, die sich zwar durchaus vom Schtetl-Judentum abzugrenzen trachteten, aber nicht erwarteten – oft selbst getauft – nach den „Nürnberger Rassegesetzen“ nun dem Blute nach „Juden“ und keine „Deutschen“ mehr zu sein. Obwohl sie Goethe und Schiller oft besser zu zitieren vermochten, als so manch eingefleischter „Deutscher“.

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In allen mir zur Verfügung stehenden Farben und Techniken wie aus dem Nichts beispielhaft eine kleine Welt erstehen lassen, das war mein Ziel.“

Also könnte man sagen, dass das Modell Czernowitz bei der Konzeption des Albums Pate gestanden hat?

Alexander Kukelka: Ja, absolut. Die Grundidee des musikdramaturgischen Konzepts war ja – man denke nur an die Oskar Laske’sche Farbenpracht des Czernowitzer Ringplatzes –, in einem musikalischen Rundumschlag die scheinbar so gegensätzlichen und widersprüchlichen Farben und Formen, auch die innerhalb meines Oeuvres, in einer breiten kaleidoskopartigen Gesamtschau klug zu arrangieren – in der Hoffnung natürlich, dass sie ein harmonisches Ganzes bilden. Wir finden hier ein viersätziges Panflöten-Konzert mit rumänischen Anklängen genauso wie klagende Klezmermotivik, minimalistische Texturen mit vertrackten rhythmischen Überlagerungen ebenso wie grotesk verzerrte humoristische musikalische Szenen à la „Requiem for a Dead End“. Wir lauschen kontrastreicher, nachdenklicher Vokal- genauso wie schmissiger Instrumentalmusik. In allen mir zur Verfügung stehenden Farben und Techniken wie aus dem Nichts beispielhaft eine kleine Welt erstehen lassen, das war mein Ziel. Das, was die Stücke darüber hinaus noch eint, ist höchstwahrscheinlich die Tatsache, dass sie alle aus einer Feder stammen.

Wie hast du die Texte der Lieder ausgewählt?

Alexander Kukelka: Ich besitze inzwischen schon eine recht umfangreiche Sammlung an Texten der Bukowina Dichtung. Seit meiner Arbeit am Musiktheater „Die Reise nach Alt-Mamajestie“ habe ich mich kontinuierlich damit eingedeckt. Als Komponist ist man ja ständig auf der Suche nach anspruchsvoller und brauchbarer Literatur. Die Theodor Kramer Gesellschaft, aber auch der Rimbaud Verlag haben hier Unglaubliches geleistet – auch der bekannte, so verdienstvolle Czernowitzer Sprachwissenschafter Petro Rychlo sei hier erwähnt. Er hat etwa Paul Celan ins Ukrainische übertragen. Ich möchte gar nicht „übersetzt“ sagen, Celan ist meines Erachtens nicht „übersetzbar“, es handelt sich vielmehr um Nachdichtungen auf höchstem Niveau. Die Texte von Celan, Rose Ausländer und Moritz Rosenkranz haben mich grundsätzlich sehr erschüttert. Sie beschreiben die unbeschreibliche „Ohnmacht des Überlebens nach der Shoah“ und die damit einhergehende Verzweiflung an der Welt. Dazu fällt mir, ehrlich gesagt, keine Musik ein, ich könnte keinen Celan-Text vertonen. Der ist in sich vollendet, der braucht keine Musik. Die würde nur stören und ihm nicht gerecht werden. Dieses Phänomen kennen wir übrigens auch in der Filmkunst. In den wenigsten Fällen funktioniert herkömmliche Filmmusik bei zeitgeschichtlichen Stoffen. Und „Auschwitz“ ist für mich kein fiktionaler „Filmstoff“. Wie soll man das Unbegreifliche, das Unfassbare, das, was tatsächlich geschehen ist, das, was der Mensch dem Menschen tatsächlich angetan hat, realistisch fühlbar machen? Nicht einmal die, die diesen unfassbaren Horror überlebten, konnten diesen den Nachkommenden vermitteln. Aktuell läuft gerade der Film „The Tattooist of Auschwitz“, den ich noch nicht gesehen habe. Es würde mich sehr interessieren, ob bzw. wie hier die nicht unproblematische Koppelung von Zeitgeschichte-Sujet und Filmmusik gelöst wurde. Ich finde übrigens, dass trotz der wunderbaren Musik von John Williams, dies auch bei „Schindlers Liste“ nicht wirklich funktioniert. Durch die Filmmusik gerät der Stoff unwillkürlich auf eine phantastische, fiktionale Ebene, und wird trotz aller Ernsthaftigkeit zum emotionalisierten Kinospektakel. Den Machern war diese Problematik sicher bewusst, denn der erste Musikeinsatz erfolgt erst nach fast einer Stunde. Ich persönlich hätte hier ausschließlich mit diegetischer bzw. On-Musik gearbeitet, es gab ja die auf euphemistisch-zynische Weise „Normalität“ vorgaukelnde Einrichtung eines Lagerorchesters. Der großartige Film „Grauzone“ über den einzigen Aufstand der Sonderkommando-Häftlinge im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau 1944 macht dies in diesem Sinne beispielhaft vor. Ich habe in meiner Textauswahl für den Liederzyklus „Trau noch dem Frühling nicht“ daher vielmehr auf Dichtungen vor der Shoah gesetzt. Sie sind über ihren tiefen poetischen Gehalt hinaus getränkt von beispielhaftem Skeptizismus und boten mir bei der Vertonung den erforderlichen kompositorischen Spielraum. Es ist, so meine ich, um einiges anspruchsvoller und erschütternder, die in den Texten latent gärende Vorahnung der Katastrophe musikalisch anzudeuten und damit fühlbar zu machen, als direkt auszusprechen.

Ich fand zum Beispiel auch den Einstieg mit dem Panflötenkonzert eher ungewöhnlich und mutig, doch nach mehrfachem vorurteilsfreien Hören konnte ich diese verspielte Offenheit immer mehr annehmen.

Alexander Kukelka: Aufruf zur höchsten Schau (Cover)
Alexander Kukelka: Aufruf zur höchsten Schau (Cover) (c) Barbara Palffy

Alexander Kukelka: Wie schon erwähnt, lag mir eine abwechslungs- und kontrastreiche Programmierung des Albums sehr am Herzen. Daher der vorerst „leichte“ und fast folkloristische Einstieg mit dem „Concerto“. Die Sache verdichtet sich mit jedem weiteren Werk ja zunehmend. Wie auf einer imaginären Reise über die rumänischen Karpaten nähern wir uns auch stilistisch unserem eigentlichen Ziel, der Hauptstadt Czernowitz. Die rumänische Nai, die klassische Panflöte, ein archaisches Hirteninstrument, ist möglicherweise eines der ältesten Blasinstrumente überhaupt. Vielleicht hat sie sich gerade deshalb so tief ins Klischeebewusstsein eingegraben, dass man denken könnte, das Instrument kommt da nie wieder raus. Manche Kollegen, denen ich erzählt habe, dass ich an einem Panflötenkonzert schreibe, haben darüber ja eher geschmunzelt. Aber ich behaupte, dass dieses scheinbar so klischeehaft belastete Instrument nach wie vor so einiges hergibt und konnte schließlich die rumänische Solistin Andreea Chira gewinnen, die das auch phantastisch spielt. Ich habe da ja keine eindimensionale Folklore geschrieben, sondern versucht, dem Instrument, gerade im raffiniert rhythmisierten Dialog mit dem Streichquintett, ganz neue Farben abzugewinnen. Ich glaube, so hat man die Nai noch nicht gehört. Vor allem gibt es sehr wenig anspruchsvolle zeitgenössische Originalkompositionen für die Panflöte. Die meisten Instrumentalist:innen der Nai spielen fast ausschließlich Bearbeitungen klassischer Werke. Das „Concerto“ ist übrigens auch für technisch wirklich versierte Instrumentalist:innen extrem schwierig zu realisieren. Ich bin kein Spezialist der rumänischen Folklore, denn das, was da erklingt, ist ja alles „geflunkert“. Ich versuche lediglich, meine, so hoffe ich, anspruchsvollen Texturen in eine Art Volkston zu fassen und ans Publikum zu vermitteln. Ich möchte ja vor allem mit diesem in Dialog treten und liebe es ganz einfach, mich in deren Sprachlichkeit hineinzuversetzen bzw. in ein spezifisches Idiom einzufühlen. Am meisten unterhält es mich selbst, wenn ich das komponiere und schlussendlich dann in lebendigen Interpretationen höre. Das „Concerto für Nai und Streichquintett“ aber ist, wie beschrieben, eben nur der Einstieg in die Gesamtreise des Albums. Nach dem nachdenklichen Liederzyklus „Trau noch dem Frühling nicht“ mit dem Bariton Günter Haumer folgen drei innige Klezmer-Meditationen mit dem Klarinettisten Moritz Weiß. CD 1 klingt schließlich mit dem zentralen und mir so wichtigen Werk „Aufruf zur höchsten Schau“ aus. CD 2 widmet sich dann von Track zu Track immer unbefangener meiner auch humoristisch angelegten Instrumentalmusik, was sich dialektisch teilweise in absurden Stücktiteln, wie „If You Make a Noise, Make it Quietly!“, „Von einem Marsch, der auszog, das Tanzen zu lernen“ oder bei der musikalischen Farce in „Requiem for a Dead End“ widerspiegelt. Wohlgemerkt handelt es sich dabei nicht um vordergründig parodistische Werke, sondern um tragikomische Abrisse einer versunkenen Kultur, die sich einst mit selbstironischem „Witz“, sprichwörtlich „am eigenen Schopf aus dem Schlamassel“ ziehen wollte.

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„Ich versuche mir vielmehr als ‚träumender Realist‘ immer den Funken der Hoffnung auf ein ‚gutes Leben‘ zu bewahren.“

Du hast den Begriff der Epigenetik ins Spiel gebracht. Was hat es damit in Bezug zu deinem CD-Projekt auf sich?

Alexander Kukelka: Nun, die Epigenetik ist eine relativ neue, aber faszinierende Wissenschaft. So, wie durch die Geburt meiner Tochter bei mir auf unglaubliche Weise die „Erinnerung“ an die Bukowina geweckt wurde, an eine Landschaft, in der ich persönlich nie war, um welche ich mich aber zu kümmern hatte, da in meiner Genealogie offensichtlich tief verankert, so verhält es sich mit nicht bewältigten Traumata. Sie können sich fatalerweise im Genmaterial niederschlagen und man gibt sie unwillkürlich an die Nachfolgegeneration weiter. Die Kinder wissen zwar nicht, was sie da spüren, aber sie wissen, dass da irgend etwas ist. Und das kann ganze Generationen belasten. Ich bin überzeugt, dass nichts ohne Wirkung bleibt. Sich selbst kann man ja eine Zeitlang etwas vormachen, nicht aber seinen Kindern. Meine „kompositorische Reise“ in die Bukowina ist in diesem Sinne ein absolut dringliches und persönliches Unternehmen, mich auf künstlerische Art und Weise um essentielle Dinge zu kümmern, um welche meine Familie verabsäumt hat, sich zu kümmern. Ich kann, so gesehen, gar nicht anders. Es verschwindet nicht einfach von allein. Es taucht nur ab. Irgendwann kommt es wieder ans Tageslicht. Entweder als irrational verstörende Gefühls-Lawine, oder als unerschöpfliche Quelle der Inspiration.

Begonnen hat eigentlich alles mit ein paar Melodiefragmenten, die mein Großvater in meiner Kindheit noch auf seiner Geige gezupft hat, viel später habe ich diese dann in meine „Bukowina Tänze“ für das Ensemble Neue Wiener Concert Schrammeln eingearbeitet und so ging es immer weiter.

Ich bin weder unrealistischer Idealist noch Utopist, kein allzu großer Optimist und schon gar kein Pessimist. Das ist mir alles zu einseitig, zu hermetisch. Ich versuche mir vielmehr als „träumender Realist“ immer den Funken der Hoffnung auf ein „gutes Leben“ zu bewahren. Der Text von „Aufruf zur höchsten Schau“ zum Beispiel kam mir da sehr entgegen. Er ist für mich so etwas wie Programm, nämlich nicht die vom Menschen verursachten Verwerfungen, seinen engstirnigen „nackten Überlebenskampf“, sondern die Pracht dieser einzigartigen Schöpfung in den Mittelpunkt meiner musikalischen Erzählung zu rücken. Ich habe mich ganz einfach dafür entschieden, in meiner Musik nicht pessimistisch zu sein, denn die Mutlosigkeit des Pessimismus lässt sozusagen kein Fenster offen. Der naive Optimismus ist für mich auf der anderen Seite ebenfalls keine Option, sondern widerstandslose utopistische Glückseligkeit. Ich behaupte: Auch Widerstände sind im Leben wichtig für eine vernünftige Weiterentwicklung. Ich möchte gerade in meiner Musik daran glauben dürfen, dass der Mensch – trotz aller Skepsis – durchaus fähig ist, eine Gesellschaft, auch jenseits eines unablässig auf allen Ebenen propagierten Krieges „Aller gegen Alle“ zu denken und zu leben. Übrigens, wenn an irgendeine „Wahrheit“ erst „geglaubt“ werden muss, kann etwas mit ihr nicht stimmen, denn die eigentliche Wahrheit ist wie ein Naturgesetz im ganzen Kosmos gültig. So gesehen, ist meine kompositorische Arbeit nichts weniger als epigenetische „Versöhnungsarbeit“, da ich sowohl mit meiner, als auch mit der Geschichte meiner Nachkommen immer in Verbindung bleiben möchte. In den Texten der Apokryphen des Thomas-Evangeliums heißt es: „Verzweifle nicht an der ausgleichenden Gerechtigkeit.“ Das klingt sehr tröstend. Es scheint sich letztendlich alles auszugleichen. Als Nachfolgegeneration war ich vielleicht nicht unmittelbar an den Geschehnissen von 1933 bis 1945 beteiligt, aber ich bin, wenn ich nicht bewusst anders handle, dafür mitverantwortlich.

Ein vielseitiger Neugieriger des Wiener Musiklebens hat, unterstützt vom Zukunftsfonds sein Werk auf einem Doppelalbum herausgebracht. Es ist kein Testament, aber eine runde Werkschau von Alexander Kukelka: Musik, die aus der Verehrung für Klezmer entstand, aus seiner Liebe zum Theater und zum Musiktheater und zur Jugend. Sein Werk zeugt von Spielfreude, von phantasievoller Textauswahl in den Liedern und von seiner Kenntnis der Musik im Film. Exzellente Interpret:innen von Günther Haumer bis zum Koehne Quartett geben der Qualität seiner Musik den adäquaten Rahmen!

Irene Suchy, Ö1

Machen wir einen Zeitsprung, gehen wir nochmals zurück zum Beginn deines Reigens um die Region der Bukowina.

Alexander Kukelka: Wie gesagt, im Jahre 2000 sind wir – übrigens auf der alten Reiseroute von 1910 – über Rumänien und die Karpaten nach Czernowitz gekommen. Mitten im Nichts steht da auf einmal ein Vorort von Wien. Erstaunlich! Die Baulichkeiten sind noch erhalten, zumindest in der Altstadt, aber keine Spur mehr von den ursprünglich in ihnen wohnenden Menschen. Sie wurden im Zuge der Shoah in die transnistrischen Sümpfe getrieben und sind dort elendiglich verreckt. Jetzt leben dort ihrerseits Vertriebene, Entwurzelte, die der Stalinismus aus Irkutsk oder sonst woher dorthin verfrachtet hat. Furchtbare Einzelschicksale. Wie zerstört man am effektivsten Menschen? Wie löscht man ihre Identitäten aus? Indem man sie entwurzelt, sie aus ihren Häusern treibt und ihre Friedhöfe einebnet! Daher habe ich meinen Fokus nicht auf diese Schrecken, sondern vor allem auf die Reste, diese einzigartige Episode einer Multikulturalität in Europa, auf diese kakanische Kultur dort gerichtet – dazu fällt mir übrigens die Dokumentation „Herr Zwilling und Frau Zuckermann“ ein, ein wunderbarer Film über die beiden letzten Holocaust-Überlebenden aus Czernowitz. Frau Zuckermann haben wir übrigens damals in Czernowitz besucht.

Die Schriftstellerin Ilona Shmueli bezeichnete Czernowitz in einem Gedicht einmal als ihren „schwarzen Witz“. Das Ganze ist ein unermesslicher, böser und tragischer Witz. Das Eintauchen in diese tragische, schreckliche Erinnerung ist einfach nur schmerzhaft. Und doch: Das „Spiel“ mit der Sprache, eine typische Czernowitzer Eigenschaft, war und ist erlaubt. Das habe ich mir einfach herausgenommen. In diesem Geist ist das Libretto für mein Musiktheater „Die Reise nach Alt-Mamajestie oder der beste Witz ist Czernowitz“ entstanden. Deshalb habe ich in kleinen Sprachspielen „Bukowina“ auf „Angina“, oder auch „Bukowina“ auf „Buko-Winner“ gereimt. Es war ja auch irgendwie ein „Witz“, zu glauben, dass diese Kultur dort ewig bestehen kann. Die jüdischen Bürger:innen haben lange nicht realisieren wollen, dass ihr „gutes Leben“ in Czernowitz, ein „Leben auf Abruf“ war, irgendwann ganz einfach vorbei sein könnte.

Nochmals zurück zum Plot des Musiktheaters: Buffalo Bill gab sein letztes Gastspiel in Czernowitz. Rund um diese historische Tatsache – ich habe in den Archiven in Wien dazu alte Spielpläne, Plakate und Sujets gefunden – habe ich die tragikomische Geschichte zweier Varieté-Künstler geschmiedet, die vergeblich versuchen, in Czernowitz zu reüssieren. Die beiden sind so etwas wie zwei typische Bukowiner „Holodniks“, auf Wienerisch würde man sagen: Schlingel, und agieren in dieser gesellschaftlichen Grauzone, einer Spiegelung der damaligen Verhältnisse, in der die Herkunft des Einzelnen oft nicht klar war. Mit Witz und Aberwitz versuchen sie sich während ihres Geplänkels immer wieder gegenseitig auszutricksen und erhalten gerade dadurch ihre Freundschaft.

Wir sehen ja nur kleine Ausschnitte dieser Welt, und man muss als Mensch schon verdammt aufpassen, nicht ins Fatalistische zu kippen und den Mut zu verlieren.“

Zuletzt möchte ich gerne auf deine Rolle als Komponist in heutiger Zeit zu sprechen kommen.

Alexander Kukelka: Diese, meine erfundene Bukowina-Fabel, aber auch die Geschichte der Bukowina selbst, lehrt uns, wie wichtig es ist, dass der Beruf des Künstlers, der Künstlerin, respektive des Komponisten und der Komponistin, innerhalb einer Sozietät funktioniert. Das gibt mir als Künstler auch die Berechtigung, weiter zu machen. Die Kunst hatte immer eine immens wichtige gesellschaftliche Funktion. Eine Gesellschaft, die dies nicht mehr gewährleistet, ist am absteigenden Ast, geradezu am Ende. Das Geschichtenerzählen als Modell für eine bessere Welt, wird meiner Einschätzung nach noch viele Generationen weiterbestehen. Und ich will vor allem davon erzählen, welcher Dinge wir – wenn wir nicht sehr aufpassen – Gefahr laufen, unwiderruflich verlustig zu gehen. Für diese Versöhnungsarbeit bin ich nicht zuletzt vom Zukunftsfonds der Republik Österreich gefördert worden. Die philosophische Frage dahinter: Ist die Musik erst da, wenn ich sie komponiert habe, oder besteht sie grundsätzlich in dieser Welt? Sie hat für mich jedenfalls entschieden gegen die aktuell zu konstatierende „Entzauberung“ dieser Welt anzutreten. Musik ist für mich sowohl angewandte Philosophie als auch angewandte Naturwissenschaft, ein phantastisches Fenster in den Kosmos. Die Weisheit der Buchreligionen, die jüdische Kabbala, die theoretische Physik, die Quantentheorie, sie alle nähern sich langsam einander an und treffen sich, wenig überraschend, in der Musik.

Sowohl auf diesem Album als auch beim Orchesterwerk „Vom Zauber der Dinge“ oder meinen „Czernowitzer Skizzen“ geht es mir immer um das Universelle. Wir sehen ja nur kleine Ausschnitte dieser Welt, und man muss als Mensch schon verdammt aufpassen, nicht ins Fatalistische zu kippen und den Mut zu verlieren. Dass es einen Weg aus diesem Dilemma geben könnte, soll auch meine Textauswahl veranschaulichen. Die Welt der Musik bietet da unendlich viele Möglichkeiten. Man würde staunen, wie wenig es braucht, damit sich eine Geschichte komplett und lebendig anfühlt, aber wie viele Nebenstränge, Episoden und kleine Ausflüge auf den unterschiedlichsten Ebenen dafür erkundet werden müssen. Die gute Mischung macht es eben aus. Das lässt sich nur aus der Phänomenologie heraus verstehen: Die Hochzeitskapellen in der Bukowina zum Beispiel – und mein Großvater konnte davon im wahrsten Sinne des Wortes „ein Lied singen“ – bestanden damals oft aus einem jüdischen Geiger, einem ungarischen Tárogató-Spieler, einem rumänischen Kontrabassisten und einem Wiener Akkordeonisten, der allen die Wiener Straßenwalzer beigebracht hat. „Aus jedem Dorf ein Musikant“, könnte man sagen, und doch eine Einheit. Besser als im Verschmelzen dieser Gegensätze lässt sich der „Harmonie“-Begriff nicht beschreiben.

Apropos Tárogató: Der Ausnahme-Klarinettist Moritz Weiß wird mit seinem Styrian Klezmore Orchestra den Reigen rund um den Mythos Czernowitz am 18. Juli in der Helmut List-Halle in Graz mit meinem Aufrtragswerk „Vom Zauber der Dinge – 10 Meditationen für Solo-Klarinette und Klezmore Orchestra“ vorläufig ausklingen lassen. Drei dieser Meditationen sind ja auf der CD in einer Klavier-Violoncello- und Klavier-Bearbeitung zu hören. Auch die „Czernowitzer Skizzen“ sind nach wie vor international gut im Rennen. In Würzburg, übrigens auch eine berühmte „Mozart-Stadt“, wird das Werk am 6. und 7. Juli am Theater an Neunerplatz in einer Musik-Text-Collage mit Texten der Bukowina Dichtung zur Aufführung gebracht.

Noch ein paar Gedanken zu dem die „Neue Musik“ immer noch beherrschenden Kunstdiktat einer absoluten „Fortschrittlichkeit“: Mir persönlich geht es vor allem um inneres Wachstum, um das innere Fortschreiten des musikalischen Bewusstseins. Für mich bedeutet „Fortschritt“ nicht zuletzt, allmählich zu meiner ganz persönlichen Note gefunden zu haben. Ich mache genauso gerne Anleihen bei meinem Musiktheater, wie bei meinen filmisch-visuellen musikalischen Konnotationen. Ich habe immer gerne gezeichnet und auch die Libretti für meine Musiktheaterproduktionen selbst gestaltet und Regie geführt. Ich liebe die Freiheit, mit verschiedenen Strömungen und auch außermusikalischen Ideen frei zu hantieren und erlaube mir genussvoll die freie Assoziation, die „freie Rede“, quer durch alle Felder der Musik. Das Experiment steht dabei stets im Vordergrund. Dieses Album stellt den Versuch dar, in einem eineinhalbstündigen musikalischen Mikrokosmos das Menschliche zu erfassen, und so ein gewaltiger Brocken, das kann ich versichern, belastet nicht nur das Budget. Ob meine Ideen dabei vorrangig modern, postmodern oder avantgardistisch sind, das ist mir nicht so wichtig wie zeitlos-gültige Resonanz. Ich gebe zu, dass mich in der Bewältigung der allgemeinen Lebensproblematik nicht zuletzt auch der jüdische Witz als außermusikalische Inspirationsquelle mit seiner ganz eigenen Qualität der Wahrheitsfindung enorm unterstützt. Außerdem ist er eine weit charmantere Einladung an das Publikum, sich mit meiner Musik zu befassen, als es ausschließlich mit strapaziösen Dissonanzen und sperrigem Material zu strapazieren. Diese Schärfe braucht es gelegentlich natürlich auch. Das aber ist eben eine Frage der Balance. Ich möchte – in der Filmmusik nennt sich das „physiologisch konditionieren“ – die Zuhörenden ja auch manchmal zum Schaudern bringen, ja sie geradezu „frösteln“ lassen. Aber kalte, abstrakte „Informative Musik“ ohne Erzählgehalt, ohne Rückgriffe auf bekannte Formen, das ist nicht ganz meine Welt.

Ich beginne den Tag, wann immer es sich anlässt, mit einer Mozart-Sonate und versuche mit diesen Exerzitien an die „Leichtigkeit“ des Großmeisters anzuschließen. Eine „Leichtigkeit“ übrigens, die bei diesem jederzeit dramatisch ins Gegenteil kippen kann. Mozarts Sonaten, nach wie anspruchsvollste Klavierliteratur, sind in diesem Sinne für mich jedoch so „leicht“, wie es das Leben sein könnte. Wenn künstlerisch jeder Atemzug und jeder Schritt zum Gewaltakt wird, dann allerdings wird es für mich wirklich unerträglich. Mozart macht es uns mit genialisch-kindlichem Gemüt vor. Warum also nicht musikalische Entscheidungen auf dieser Basis treffen?

„Ich persönlich möchte jedenfalls nicht in einer synthetisch-vorprogrammierten ,Meta- bzw. Surrogat-Welt, einer ausweglosen ,Hölle des Gleichen lebendig begraben werden, sondern mein Leben mit allen Sinnen und Konsequenzen leben.“

Nun aber wieder zurück zu meiner Rolle als Komponist in heutiger Zeit und generell: Da das Album auch so etwas wie ein kleines Geburtstagsgeschenk an mich zu meinem 60er ist, erlaube ich mir, auf inzwischen fast 37 Jahre Praxis zurückblickend, als kleines Resümee, dass es mir – wie schon angerissen – immer wichtig war, in Resonanz mit mir, meinem Material, meinem Instrumentarium, meinen Musiker:innen und nicht zuletzt mit meinem Publikum zu geraten. Es fühlt sich recht entspannt an, dass sich dies wie ein roter Faden durch mein Werk zieht. Weder anbiedernde Gefälligkeit, noch ausweglose Kakophonie sind mein Ding, da gibt es genug Spezialist:innen dafür. Kunst hat für mich immer etwas mit dem Körper zu tun. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass, solange der Mensch gegenüber der Natur, also auch gegenüber sich selbst und der Welt, so agiert, wie er es aktuell tut, er – und dies, geschäftstüchtig, wie er ist, bis aufs Messer verteidigt – seinen Körper und damit diese Welt nicht überwunden hat und ihm noch einige „Lehrstücke“ bevorstehen. Weiterhin vom „gleichen Maß“, vom Analogen zu sprechen, erscheint mir daher in meiner Erzählung dringlich. Wenn wir in Ermangelung der großen „Erzählung“ nur noch mit den Fingern „zählend“ – also „digital“ – durchs „virtual Life“ „surfen“, dann kann schnell vieles überhört werden. Ich persönlich möchte jedenfalls nicht in einer synthetisch-vorprogrammierten „Meta- bzw. Surrogat-Welt“, einer ausweglosen „Hölle des Gleichen“ lebendig begraben werden, sondern mein Leben mit allen Sinnen und Konsequenzen leben. Davon spricht meine Musik.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Franz Woels

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Termine:

Czernowitzer Skizzen von Alexander Kukelka
Musik, Texte und Geschichten der Bukowiner Dichtung
Theater an Neunerplatz, Würzburg
Termine: 6. und 7. Juli 2024

Alexander Kukelka: Vom Zauber der Dinge (UA)
10 Meditationen für Solo-Klarinette und Klezmore-Orchestra
staryarte, Helmut List Halle
Termin: 18. Juli 2024

Links:
Neues Wiener MusikTheater (Webseite)
Alexander Kukelka: „Aufruf zur höchsten Schau“ (Gramola)
Rezension „Aufruf zur höchsten Schau“ (Pizzicato)
Alexander Kukelka (music austria Musikdatenbank)
„Mit Alexander Kukelka ins imaginäre Czernowitz“ (Der Standard)

Alexander Kukelka – Komponist, Dirigent, Pianist, Autor, Regisseur. Ein umfangreiches, spartenübergreifendes Werk von 11 Opern- und Musiktheaterproduktionen, mehr als 120 abendfüllenden Bühnen- und Filmmusiken, sowie zahlreichen Instrumental- und Vokalmusiken zeugen von der Vielseitigkeit des passionierten Allrounders.

Er schuf die Musiken zu internationalen Musiktheaterproduktionen (Erlangen, Onyx Hotel), Spielfilmen (Das 10. Jahr, Im Zeichen der Liebe) und preisgekrönten TV-Dokus (Salt, Ants, Termites) ebenso, wie er als Arrangeur, Pianist, musikalischer Leiter (Wiener Lieder) und Music Supervisor (Paganini – The Devils Violinist) seit 1988 im In- und Ausland werkt.

Mit Gründung des Vereins Neues Wiener MusikTheater etablierte sich Kukelka zunehmend mit gesellschaftskritischen und selbstentwickelten Stoffen ab 1999 auch als Regisseur eines Autoren-Musiktheaters eigener Prägung (u. a. chet – ein jazzmusiktheater, Nestroy 2001, Bill oder Die 7 Aspekte der Armut, Kinderoper Das Wasser des Lebens).

Seit 2004 widmet sich Kukelka verstärkt der kompositorischen Auseinandersetzung mit der einzigartigen Sprach- und Kulturlandschaft der ehemaligen Bukowina: u. a. Musiktheater Die Reise nach Alt-Mamajestie, Klarinettenquartett Czernowitzer Skizzen, Bukowina Tänze, Konzert für Schrammelquartett und Streichorchester und Liederzyklus Trau noch dem Frühling nicht, aber auch verstärkt der Instrumental-, Vokal- und Kammermusik.

Mitte März 2024 erschien die aktuelle Doppel-CD Aufruf zur höchsten Schau (Gramola 99325).

Seit 2002 als Lecturer an der mdw–Universität für Musik und darstellende Kunst tätig, erhielt Kukelka für sein vielfältiges kompositorisches Schaffen zahlreiche Stipendien und Förderungen, u. a. ist er Träger der Verdienstmedaille in Gold des Österreichischen Blasmusikverbandes (ÖBV). Er ist gefragter Referent u. a. bei Filmfestspiele Cannes, Wien Modern, Europäisches Forum Alpbach, Creators Conference Brüssel und Jurymitglied bzw. Workshopleiter bei internationalen Kompositionswettbewerben: u. a. DOKFest München, Relais de la Mémoire, Jugend komponiert und KinderUniKunst.

Von 2008 bis 2014 bekleidete Kukelka das Amt des Vizepräsidenten und von 2014 bis 2020 das des Präsidenten des Österreichischen Komponistenbundes (ÖKB). Er gründete und kuratierte in dieser Funktion zahlreiche essentielle (Film-)Musikinitiativen und -Formate: u. a. Fachgruppe Film- und Medienmusik, Composers Day, Wiener Fimmusik Preis und Film Composers Lounge. Kukelka ist Ordentliches Mitglied der AKM/ AUME, INÖK, ÖGZM, der Akademie des Österreichischen Films und mit Neues Wiener MusikTheater Mitglied im Netzwerk der Freien MUSIKTHEATER WIEN. Er lebt und arbeitet in Wien.