Wenn das heute startende Donaufestival eines ist, dann genreübergreifend. Ob das, was in Krems und Korneuburg auf uns zukommt, nun E oder U zugeordnet wird, ist Intendant Thomas Zierhofer-Kin herzlich egal. Was zählt ist gute Musik, und die gibt es von 20. April bis 6. Mai in Hülle und Fülle. Das mica traf Zierhofer-Kin, um über das Programm, deren Findung, den konservativen Wahnsinn und das Problem der Österreicher mit österreichischer Musik zu plaudern
Schon im Stress?
Thomas Zierhofer-Kin: Eigentlich schon, aber auch nur, weil ich mir herausnehme, relativ viel herumzulaufen und die Leute persönlich zu befoldern. Insofern hab ich halt kaum noch freie Abende. Es gibt aber Schlimmeres.
Neulich habe ich in einer Salzburger Zeitung ein Interview mit Dir gelesen, in dem Du noch ganz anders – nämlich mit Festspielhintergrund und rein auf Basis Deiner E-musikalischen Vergangenheit – rezipiert wurdest, als Du es derzeit in und um Wien wirst. Dort wirst Du viel mehr als Schrittmacher der avancierten Pop- und Rockschiene gesehen.
Thomas Zierhofer-Kin: Die journalistische Welt haben wir mit unserem Festival zwiegespalten. Konservatives Feuilleton und progressive Presse laufen auf einander. Erst neulich habe ich ein anderes Interview bestritten, in dem mir der Journalist gestand, er fände das Programm ja ganz toll, kenne aber persönlich keinen einzigen Act. Die Kulturredaktionen sind oft schon mit der Frage überfordert, wen sie jetzt eigentlich vorbeischicken sollen. Und wenn man es eng sieht, müsste eigentlich eine Zeitung wie der Standard die ganze Kulturredaktion, von Pop über Theater bis hin zur E-Musik, schicken.
Deswegen wollten wir vom mica ursprünglich ja auch zu zweit kommen: Unser Fachreferent für neue Musik und ich als für den Pop Zuständiger.
Thomas Zierhofer-Kin: (lacht) Das wäre toll gewesen.
Mischform hin und her, es gibt im Programm dann aber auch Acts wie Peaches oder Mogwai, die ganz klar Pop sind.
Thomas Zierhofer-Kin: Die sind eigentlich Pop, ja. Für mich stellt sich aber die Frage, was dieses Pop-Ding eigentlich überhaupt ist. In der Kunst leiden wir immer noch stark darunter, dass es nach wie vor diese Trennung in Hochkultur und Nicht-Hochkultur gibt, die eine sehr klassifizierende ist. Für mich ist es im Grunde genommen doch ganz egal, ob ich Peaches nehme oder ein Streichquartett, um eine bestimmte Aussage zu treffen. Was ich aber sehr wohl sehe, ist, dass diejenigen mit Pop-Affinität derzeit eindeutig die interessanteren Resultate erzielen. Im Autoren- und Regietheaterbereich oder in der E-Musikszene gibt es hingegen derzeit nichts, was mich wirklich fesselt. Leute wie die No Name Bluesband oder das Kammerflimmer Kollektiv nehmen das Bandkonzept, um experimentelle bis radikale Botschaften zu transportieren. Das finde ich ungleich spannender, das macht Spaß.
Gefallen sich nicht umgekehrt auch aus der U-Szene stammende Musiker mitunter, im ernsten Kontext rezipiert zu werden?
Thomas Zierhofer-Kin: Natürlich. Blixa Bargeld etwa. Der kommt ursprünglich aus dem Underground, dann hat er kurz Pop-Luft geschnuppert und jetzt sieht er sich grundsätzlich als Künstler, der lieber in Kunst- als in Popkonzept rezipiert wird. Die Tendenz gibt es schon bei einigen. Umgekehrt funktioniert es aber eigentlich nicht mehr wirklich. Ich betrachte das als ein amerikanisches Phänomen: Dort gibt es im Elektronikbereich viele Leute, die Slayer oder andere Wahnsinnigkeiten produzieren und nebenbei experimentelle Sachen basteln und wieder Kunstkontext suchen. Umgekehrt funktioniert das in Österreich bei Leuten, die aus dem subventionierten Kunstbereich kommen, nicht. Es kommt eher vor, dass Elektroniker Kunstnähe suchen. Und zwar aus folgenden Gründen: weil sie auf einem Kunst-Festival ernster genommen werden und nicht die Cash-Cow von irgendwelchen dubiosen Leuten sind. Dälek etwa fanden das toll, dass einmal jemand zu ihnen sagte: “Nehmt euch sechs Wochen Zeit und macht etwas für einen besonderen Anlass!”
War das bei Jim Thirlwell nicht ähnlich?
Thomas Zierhofer-Kin: Genau.
Das ist aber doch auch eine Kostenfrage.
Thomas Zierhofer-Kin: Ganz klar. Da unterscheiden wir uns von einem Klub. Das Fluc z.B. kann einen Thirlwell schon einladen. Aber zu sagen: “Hier hast Du Dein Orchester, probier mal!” ist undenkbar.
Vielfach scheitern große Besetzungen schon im Vorfeld. Die österreichischen Newcomer Thalija etwa lassen sich als 14-köpfiges Kollektiv nur schwer an Veranstalter vermitteln. Der Trend geht auch in Richtung Dualität verschiedener Besetzungen ein und desselben Projekts. Je nach Honorar tourt man dann nur zu zweit (Sänger und DJ) oder mit Band. So gesehen bei Alice Russell und Zeebee.
Thomas Zierhofer-Kin: Das ist ein hartes Thema. Thalija ist ein Format, das sich der Vermarktbarkeit des Pop und dem Mechanismus des Pop allein schon durch seine Besetzung entzieht. Das ist grundsätzlich spannend. Nicht zuletzt deshalb haben wir sie ja auch im letzten Jahr zum Festival eingeladen. Es gibt nur ganz wenige dieser besetzungsstarken Bands, die dann auch gebucht werden. Selbst das Silver Mt. Zion Ochestra verlangt allein aufgrund der Tatsache, dass da so viele Leute mitkommen, rasend moderate Gagen. Thalija wären gut beraten, auch ein marktkompatibles Trio oder Quartett ins Rennen zu schicken. Nebenberuf oder Unterordnung – Leute, die es mit nicht verkäuflichen Formaten schaffen, ihr Leben zu bestreiten, sind rar.
Du kommst eigentlich aus der E-Schiene.
Thomas Zierhofer-Kin: Ich komme eigentlich aus dieser grauenvollen Szene, die ich selbst im Moment nicht mehr leiden kann. Ich habe wirklich einmal mal Komposition studiert.
Wieso “nicht leiden”?
Thomas Zierhofer-Kin: Ich habe deshalb ja auch aufgehört damit. Erst einmal interessiert mich für meine eigenes Arbeit mittlerweile Sprache mehr als Medium. Und dann habe ich die neue Musikszene einfach kennen gelernt – von Grund auf und mit all ihren Schattenseiten. Dabei bin ich für mich drauf gekommen, dass einstige Vorkämpfer wie Stockhausen, der frühe Boulez – Cage hatte aufgrund seines Konnexes zu subkulturellen Phänomen immer schon eine Abseitsposition inne – oder auch Xenakis einmal den Aufbruch von verkrusteten Strukturen zum Ziel hatten. Neue Musik war einmal als Angriff auf ein bürgerlich-konservatives Wertesystem gedacht, als notwendige Auflehnung gegen eine konservative Werteordnung.
Was heute passiert, stellt die Perpetuierung des ursprünglichen klassischen Modells dar, nur dass es elitär, konservativ und rasend bürgerlich geworden ist. Junge Komponisten sind heute wahnsinnig geil darauf, einmal ein Streichquartett aufzuführen oder einen Opernauftrag zu bekommen. Das sind dann Stücke, die alibihalber einmal aufgeführt werden, daraufhin in der Schublade landen und ihren Schöpfern ein halbes Jahr die Unterhaltskosten finanzieren. Nichts dagegen, aber ich habe das Gefühl, dass da nichts mehr dabei raus kommt. Ich empfinde diese Szene als Enklave, die überhaupt nicht mehr darauf reagiert, was heute die Angriffsfläche ist.
Das bürgerliches Modell hat sich selbst ad absurdum geführt. Ich finde es interessant, sich auf das Massenkulturphänomen zu beziehen. Deshalb begebe ich mich auf das Schlachtfeld Pop-Kultur. Wenn man in diese involviert ist, lassen sich viel stärkere und direktere Aussagen, auch Kampfansagen an die Gesellschaft, treffen, als wenn ich mich auf etwas Vergangenes, heute nicht mehr Wichtiges beziehe. Wenn Boulez einmal vor der Oper stand, protestierte und meinte, man solle sie alle niederbrennen, inszeniert er heute mit Schlingensief in Bayreuth den Parsifal. Das verstehe ich nicht mehr so ganz.
Dann ist Dein Weg eigentlich kein Zufall, sondern eine logische Genese?
Thomas Zierhofer-Kin: Ja, meine eigenen Herkunft und Denkweise gebot es, diese Welt zu verlassen, weil sie ganz einfach blutleer geworden ist.
Grenzüberschreitende Kunst: Schlagwort oder konkreter Plan?
Thomas Zierhofer-Kin: Das ist eine ganz konkrete Zielsetzung, denn Grenzüberschreitung ist für mich in mancherlei Hinsicht wichtig. Als intellektuellen Ausgangspunkt für dieses Festival haben wir David Toop gewählt, der in seinem Soundbody-Konzept beschreibt, dass sich die Hörgewohnheiten in den letzten fünfzehn Jahren massiv verändert haben.
Soundbody ist für ihn das soziale Umfeld, in dem Musik erklingt. Diese Umfeld, diese Szene schafft Kontext. Er ist der Meinung, dass das Publikum begonnen hat, genreübergreifend zu hören. Das kann mehrere Gründe haben: Weil durch Runterladen mehr Musik möglich geworden ist, viel Musik aus kleinen Szenen rauswächst und so weiter. Es gibt viele Leute, die experimentelle Elektronik genauso hören wie Post-Rock und Hip Hop. Natürlich gibt es noch immer Kernszenen. Meine Aufgabe ist es aber, innerhalb des Programms Konfrontation zu schaffen, indem man unähnliche Dinge aufeinander prallen lässt, um Aufbruch zu schaffen und mit den Medien einen Mix zustande zu bringen, was nicht mit “Crossover” zu verwechseln ist. “Crossover” war meiner Meinung nach ein reines von Labels und Produzenten geschaffenes Marketing-Schlagwort. Man wollte einen Anreiz zum Kauf schaffen und kombinierte einfach ein paar Dinge miteinander.
Heute entsteht viel mit Leuten, die aus unterschiedlichen Medien kommen und entscheiden, miteinander etwas zu machen, wobei es aber nicht darum geht, eine neue Richtung zu bestimmen oder eine neue Schule zu gründen, sondern eben nur für ein Projekt etwas zu versuchen.
Da sind wir bei zwei Fragen angelangt, die ich stellen wollte. Erstens: Wer ist überhaupt euer Zielpublikum? Ist das für euch eine definierte Größe oder wird sich das mit den Jahren ergeben? Und zweitens: Inwiefern müssen die Medien überhaupt mitspielen? Was erwartest Du Dir von den Medien in der Berichterstattung über das Festival?
Thomas Zierhofer-Kin: Die Fragen hängen auch bei uns sehr stark zusammen. Wir glauben, dass unser Zielpublikum sehr heterogen sein wird. Das heißt: Wir haben kein klar definiertes Publikum, von dem wir sagen: genau das wollen wir. Dazu bieten wir einfach zu viele Möglichkeiten: von hochavancierten Experimenten, die ein absolutes Minderheitenprogramm sind, bis hin zu recht affirmativen poppigen Geschichten wie die von dir bereits genannten Mogwai oder Peaches. Ziel ist es ja, jeden Tag einen großen Namen zu programmieren, um anderes zuzulassen. Peaches ist letztlich auch, aber natürlich nicht nur dazu da, um Terre Thaemlitz ein Podium zu bieten. Unser Zielpublikum wird sich mit den Jahren langsam herausbilden. Es wird Leute geben, die auf die großen Namen abfahren und dann anderes mitnehmen oder Leute, die sich von vorneherein von einer der kleinen Minderheitengeschichten angesprochen fühlen. Die Palette reicht dabei von Kiddies bis zu älteren Herrschaften. Deshalb müssen wir in der Bewerbung des Festivals medienmäßig auch enorm mischen. Mit einem GoTv-Spot erreichen wir ganz andere Leute als mit einer Standardbeilage über Performance.
Da es mir um Inhalte geht und nicht um Namen, ist die Bewerbung um einiges schwieriger als etwa bei einem klassischen Sommerfestival, bei dem ich bloß über die Massenmedien gehen muss. Uns sind ja auch alle eingeladenen Acts gleich wichtig. Vom Programm her gibt es keine Headliner, kommerziell ist das natürlich anders.
Warum erscheint das Festival-Programm eigentlich im neu an den Start gegangenen Magazin “tba”?
Thomas Zierhofer-Kin: Für uns spielte dabei die Überlegung eine Rolle, dass bei Ersterscheinung eines Magazins die entsprechende Aufmerksamkeit der Fachwelt gesichert ist. Natürlich gäbe es auch noch andere Optionen. Aber beim ersten mal drin zu sein, das gefiel uns und gab letztlich den Ausschlag. Inhaltlich bin ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis.
Habt ihr die Kooperation nicht im Vorjahr mit dem Gap gemacht?
Thomas Zierhofer-Kin: Nein. Voriges Jahr haben wir eine derartige Kooperation nicht gehabt. Kleinere Beilagen gab es im Gap und im Standard. Die wird es auch dieses Mal wieder geben. Wir haben letztes Mal gemerkt, dass der Erklärungsbedarf doch sehr groß ist, die reine Ankündigung für ein Festival, wie wir es machen, nicht mehr reicht. Ich finde es ungemein spannend, in Richtung Magazin zu gehen. So kommt noch eine weitere Ebene dazu. Leute, die sich sehr intensive Gedanken zu einzelnen Programmpunkten gemacht haben, werfen ein ganz anderes Licht auf das jeweilige Thema. Uns Veranstaltern ist ja klar, warum wer mit wem., den Außenstehenden aber vielfach nicht.
Wie selbstverständlich ist der Spagat zwischen Kunst und Kommerz. Wie selbstverständlich ist es, dass der Besucher nach dem Melvins-Konzert in die T-Mobile-Lounge wechselt? Ist die Einbeziehung des Mainstreams ein Ding der Notwendigkeit geworden?
Thomas Zierhofer-Kin: Da ist in der Vergangenheit einiges missverstanden worden. T Mobile ist einfach ein Partner, der in der Lounge Musikern, Managern und Publikum einen Platz zum Internet-Surrfen bietet. Das kommt dann natürlich immer protziger rüber als ursprünglich gedacht. Ich habe aber grundsätzlich auch keine Berührungsängste mit der Industrie. Solange die Inhalte stimmen. Erst wenn es aufs Programm Einfluss hätte, wenn ich also auf einmal Tokyo Hotel buchen müsste, um einem Sponsor zu gefallen, wäre das etwas anderes. Das wäre dramatisch!
Wir suchen zusehends Partner, mit denen wir inhaltlich zusammenarbeiten, gemeinsam Stories entwickeln. Im letzten Jahr konnten wir Nokia als Sponsor für ein Fototagebuch über Gob Squad gewinnen. Heuer sind sie einer der Hauptsponsoren, was uns besonders freut, weil es sehr schwierig ist, in diesem Bereich zwischen Kunst und Pop Sponsoren zu finden.
Wie überzeugt man einen Sponsor wie Nokia von der Wichtigkeit eines solchen Projekts?
In vielen, langen Gesprächen. Mitunter muss man da auch ganz neue Formen der Kooperation erfinden. Heute zum Beispiel hab ich mit einem Vertreter des Club Transmediale gesprochen, bei dem Diesel als Sponsor auftritt. Als Diesel eine Modenschau haben wollte, waren die Veranstalter anfänglich vor den Kopf gestoßen. Ohne speziellen Kontext hätte das sicherlich auch lächerlich gewirkt. Man hat aber dann einen Weg gefunden, wie man die Modenschau in einem Kunstprojekt aufgehen ließ. Voila. Dh mitunter muss man sich den Kopf des Sponsors darüber zerbrechen, wie man ihn einbindet, damit er kein Fremdkörper mehr ist.
Die Leute wollen nicht marketingmäßig zugemüllt werden mit Slogans und Namen. Viel besser ist es, dem Publikum Unternehmen als Partner zu präsentieren. Warum das manche Marketing-Menschen manchmal nicht verstehen, ist mir schleierhaft. Da geht’s schlichtweg um Credibility. Gerade bei speziellem Publikum ist das heikel. Wie man als Sponsor subtiler wird, um gleichzeitig auch glaubwürdiger zu werden, ist eine Heidenarbeit.
Wir wurden ja auch gefragt: Ist das jetzt ein T-Mobile-Fest? Zufällig war die C.I.-Farbe nämlich auch die T-Mobile-Farbe. Das war aber nicht geplant.
Ihr werdet immer wieder mit Kritik konfrontiert, der sich alle fördernehmenden Kulturtreibenden ausgesetzt sehen: Ihr bekämt zu viel Geld. Ärgert das?
Thomas Zierhofer-Kin: Das ist ein Automatismus. Sobald man eine Förderung bekommt, mit der man nicht abgespeist wird, gibt es Neider, das kann man nicht ändern. Das Problem dabei ist: Wenn ich das Geld ausschlage, bekommt es deshalb aber noch lange nicht der kleine Kulturverein, der es dringend braucht. Davon wird die Welt nicht besser. Ich kann nur versuchen, das Programm so stark wie möglich zu gestalten und auch einen gewissen bildungsbürgerlichen Auftrag zu wahren, indem ich etwa Sleater Kinney mit Zeitkratzer zusammenspanne und von den 800 für Sleater Kinney Gekommenen ein paar Hundert auch bei Zeitkratzer bleiben, was dann erheblich mehr ist als die 80, die gekommen wären, hätten wir Zeitkratzer alleine spielen lassen.
Eine weitere Tatsache ist, dass sich die Kulturpolitik zusehends darauf konzentriert, Großprojekte zu finanzieren.
Die Wirtschaft doch auch.
Thomas Zierhofer-Kin: Natürlich. Der Wahnsinn ist doch aber, dass wir dann als die Schublade betrachtet werden, die alles Undergroundige abdecken soll. Wir können aber bei weitem nicht alles bedienen. Wir können nicht garantieren, dass die lokalen Szenen belebt werden, dass Austausch stattfindet und und.. Wenn wir das alles übernehmen, gehen wir zugrunde.
Du hast in Deiner “Amtsperiode” für eine Kehrtwende des Donaufestivals gesorgt. Wenn Du zurückschaust und vorausschaust, wo gibt es noch Potential und was sind die Ziele der nächsten Jahre?
Thomas Zierhofer-Kin: Das Ziel ist es, immer weiter zu gehen. Nächstes Jahr wollen wir den Performance-Anteil noch weiter erhöhen. Wir wollen insgesamt noch größer werden. Der Eigenproduktionsanteil wird erhöht. Es macht einfach unwahrscheinlich viel Spaß, unterschiedliche Leute zu beauftragen, etwas eigens für das Festival zu machen. Womit wir im letzten Jahr auf die Nase gefallen sind, war die Einbindung von österreichischen Leuten. Ob Naked Lunch oder I-Wolf: Es kamen viel zu wenige Leute. Woran das liegt, kann ich nicht sagen. An der Qualität sicher nicht. In den kommenden Jahren wird es daher massiv auch darum gehen, Plattformen für Österreicher zu schaffen. Funktionieren kann das nur dann, wenn man heimische Acts mit starken Namen konfrontiert.
So viele große Namen gibt’s aber dann auch nicht, oder?
Thomas Zierhofer-Kin: Das stimmt. Irgendwann ist man durch. Aber nur so kann es funktionieren, indem man sinnvoll kombiniert.
Warum ist das mit österreichischen Acts so ein Problem? Was meinst Du?
Thomas Zierhofer-Kin: Ich halte das für ein allgemeines Phänomen. Man findet es cool, aber kauft es nicht. Offenbar ist die gängige Auffassung die, dass es, wenn es aus Österreich kommt, nicht die nötige Credibility haben kann. Einer solchen Einstellung muss man massiv gegensteuern – auf allen Ebenen. Zuerst müsste man Leute herholen, Kreativ-Pools entstehen klassen, für Austausch sorgen und dadurch gewährleisten, dass Projekte hier entstehen können. Wenn ich mit Engländern oder US-Amerikanern zusammen bin, dann kennen die I-Wolf und finden ihn super.
Welche österreichische Platte hast Du zuletzt gekauft?
Thomas Zierhofer-Kin: Naked Lunch: Songs for the Exhausted. Die hab ich mir wirklich gekauft. “Wirklich gekauft” deshalb, weil ich das meiste, was in Österreich erscheint, sowieso monatelang, bevor es raus kommt, auf den Tisch bekomme – von grauenhaft bis supergut.
Was ist supergut?
Thomas Zierhofer-Kin: Radian. In ihrem Bereich “Experimentelle Elektronik in Bandformat” sind sie sicher einzigartig. I-Wolf fährt seine Schiene. Zeebee hab ich erst unlängst wieder gehört. Kurios und offenkundig erfolgreich ist auch Dienz.
Wäre Dienz nicht etwas gewesen für das heurige Festival?
Thomas Zierhofer-Kin: Ja, durchaus. Da wird auch noch einiges kommen. Wen ich z.B. vom Fleck weg engagiert habe, war der dieb13. Als ich ihn vor zwei Monaten gemeinsam mit Dälek und Zabelka im Rhiz gesehen habe, wollte ich ihn sofort haben.
Wie genau kommt es überhaupt zu einer kuratorischen Entscheidung deinerseits?
Thomas Zierhofer-Kin: Das ist ein wahnsinniges Puzzle. Vieles, was man unbedingt haben will, bekommt man nicht, weil es sich zeitlich oder finanziell nicht ausgeht. Godspeed You Black Emperor etwa. Dafür bekommt man dann eben Silver Mt. Zion und Faust.
Stimmt das, dass ihr auch die Boards of Canada wolltet?
Thomas Zierhofer-Kin: Ja. Bei denen war das Problem, dass sie scheinbar nicht live spielen. Wem ich weiter nachrenne sind Aphex Twin, Chris Cunningham und Squarepusher.
Sind in diesem Zusammenhang Auftragsarbeiten geplant?
Thomas Zierhofer-Kin: Schön wärs. Da muss man sich ganz langsam herantasten. Es gibt manche, die brauchen ihre Ruhe, wieder andere brauchen viele Leute.
Jedenfalls ist das Ganze ein Netzwerk. Die Arbeit funktioniert patchworkartig. Ich werde von meinem Umfeld bemustert. Durch die Stapel höre ich mich dann auf meinen Kremser Autofahrten durch, finde Dinge gut und andere schlecht. Nachdem sich langsam heraus kristallisiert, wer verfügbar ist, kommt das Ganze in Gang.
Wie bist Du z.B an die von mir geschätzten Echo Depth Finder gekommen?
Thomas Zierhofer-Kin: Über mein Netzwerk. Das teure an denen ist halt der Flug aus Novosibirsk.
Unterscheiden sich die Wochen in Krems und Korneuburg von einander?
Thomas Zierhofer-Kin: Ja, in Korneuburg haben wir aufgrund des Umbaus nur eine Halle. Da gibt es nur ein Line-Up in einer Halle mit einer Kapazität von 600-800. Die Halle in Krems hat ein Fassungsvermögen von 1.500 Leuten. In Korneuburg zeichnet sich daher ab, dass alles rappelvoll wird, in Krems wird man sicher zusätzlich noch Leute ankarren müssen. Im Vergleich zum Vorjahr haben wir aber schon zehnmal so viele Karten im Vorverkauf an den Mann und an die Frau gebracht. Die Leute sind heuer auch nicht mehr so vorsichtig. Im ersten Jahr haben viele erst einmal abwartend agiert. Das gilt auch für Managements: Wir haben aufgrund des Erfolgs des Vorjahres heute viel leichter in Verhandlungen.
Warum gibt es so etwas wie das Donaufestival nicht auch in Wien?
Thomas Zierhofer-Kin: Es gibt einiges, was es in Wien geben müsste. Wien hat das Flex und das Fluc. Es wäre aber unglaublich wichtig, ein vergleichbares Festival auch in Wien als Gegengewicht zu installieren. Wien hat viele Defizite. Wien hat zum Beispiel fast keine Performance-Kultur. Burgtheater und Volkstheater, Musikverein und Konzerthaus – wir haben viele Institutionen, die sich inhaltlich kaum voneinander unterscheiden.
Aber wenn man in Berlin ins Theater geht, dann trifft man ein Publikum, das sich vom Fluc-Publikum in Alter und Styling kaum unterscheidet. Geht man hingegen in Wien ins Theater, hat man das Gefühl, da steht der Leichenwagen draußen. Da gibt es unglaublich viel zu tun.
Thomas Zierhofer-Kin, 37, ist seit dem Vorjahr Intendant des Donaufestivals. Als solcher hat er für eine Neupositionierung des Festivals gesorgt. Seit seinem Amtsantritt ist das Programm genre-übergreifend auf der Suche nach der subkulturellen Identität.
Interview: Markus Deisenberger