Dialoge in Salzburg (28.11. – 2.12.): Musik Bilder

Dialoge in Salzburg (28.11. – 2.12.): Musik BilderDie “Dialoge” der Stiftung Mozarteum nehmen dieses lange Wochenende das “Ganze” in den Blick. Eine Geschichte der Musik des 20. Jahrhunderts – eine mögliche Geschichte in fünf “Doku-Konzerten”, von Frank Scheffer und Berno Odo Polzer für die “Dialoge” entwickelt. In den fünf Konzerten, drei davon mit dem OENM,  stehen fünf Komponisten im Zentrum: Gustav Mahler, Arnold Schönberg, Luciano Berio, Edgard Varèse und John Cage. In den Konzerten erklingen ihre Werke, kombiniert, montiert, verschränkt, verbunden mit Material aus Frank Scheffers Filmen.

“Musik ist der beste Transmitter”, sagt der Filmemacher Frank Scheffer. Seit 25 Jahren dreht der Niederländer Filme über Musik, mit Musik, über Musiker, mit Musikern und transformiert das Prinzip der Musik in seine eigene Kunstform, den Film. Die “Dialoge” verbinden in einem über den klassischen Rahmen hinausgehenden Konzertformat Sequenzen aus Scheffer-Filmen mit live gespielter Musik – eine neue Erzählform von Musik. Scheffers Bildpartituren übernehmen die Strukturen, die Methode und den Stil der Musikstücke.

Scheffer, bestens bekannt auch in Wien durch die beeindruckende Retrospektive seiner Filme  bei Wien Modern 2007 (2008 sah man noch einmal seine Doku über Stockhausens “Helicopter Quartet” mit dem Komponisten und dem Arditti-Quartett), visualisiert Musik nicht, er spürt vielmehr ihrem Kern und ihrer Seele nach. Er durchlebt die Musik in seinen Filmen, wie sie die Komponisten in ihren Werken durchlebt haben. Über ein Vierteljahrhundert hindurch hat Scheffer Filme über Musik des 20. Jahrhunderts gedreht: über Aufführungen und Erkundungen der Musik von Gustav Mahler und Arnold Schönberg über Edgard Varèse bis zu Elliott Carter und John Cage, mit bedeutenden Interpreten wie Pierre Boulez, Riccardo Chailly, Michael Gielen und Simon Rattle. Musik und Film im Wechsel, als Montage, als Interpolation, als Gemeinschaftskomposition und als Meditation.

“Vibrationen übertragen sich über Klang und über Licht. Das Auge wandelt sie um und führt sie der Verarbeitung im Gehirn zu. Der Klang aber geht durch das Ohr ohne Umwege direkt in das Herz”, so Frank Scheffer. Mit seinen Filmen und mit Live-Konzerten verschmelzen bei den “Dialogen” die visuellen und akustischen Vibrationen.

 

 

Das Programm

beginnt heute, Freitag, mit Schönberg (“Fünf Orchesterstücke”, op. 16) und Gustav Mahlers “Lied von der Erde”. Es spielt die Camerata Salzburg unter Gerd Albrecht, Solisten in Schönbergs Kammerorchesterfassung von Mahler sind Birgit Remmert und Klaus Florian Vogt. Am Sonntag spielt man – wieder unter Albrecht – Mahlers “Kindertotenlieder” sowie Mozarts Requiem mit ausgesuchten Gesangssolisten und dem Salzburger Bachchor.

Elliot Carter

Stravinsky, Schönberg, Varèse – diese musikalischen Welten des 20. Jahrhunderts hörte der junge Elliott Carter schon während seiner Jugendzeit, persönlich angeleitet vom Komponisten Charles Ives. Am 11. Dezember 2008 feiert Elliott Carter seinen 100. Geburtstag – und gehört mit seinen Werken zu den Klassikern des 20. und 21. Jahrhunderts. Nach frühen Erfolgen mit neoklassischen Kompositionen in den 30er Jahren geht er in die innere Wüste – und schreibt sein für ihn epochemachendes erstes Streichquartett, das am Beginn seines ganz eigenen Weges zu einer der prägendsten Komponistengestalten unserer Zeit stand. Höchst komplex sind seine Werke, geprägt von rhythmischen Verschiebungen, parallelen Klanggeschehen, fließenden und wechselnden Zeitmaßen, die in seinen Spätwerken zu unübertroffener Klarheit finden. Der Filmemacher Frank Scheffer hat Elliott Carter persönlich über viele Jahre seines Lebens und Komponierens filmisch begleitet – entstanden ist ein umfangreiches Filmarchiv, aus dessen Material Frank Scheffer eigens für dieses Konzert zusammen mit Elliott Carter Film-Sequenzen zusammengestellt hat,

Sa, 29.11., 19.00 Uhr, Mozarteum
OENM . OESTERREICHISCHES ENSEMBLE FÜR NEUE MUSIK
Leitung: Johannes KALITZKE
Andreas Schablas (Klarinette), Anna Maria Pammer (Sopran)

ELLIOT CARTER:
A MIRROR ON WHICH TO DWELL (1975) FÜR SOPRAN UND ENSEMBLE
CLARINET CONCERTO (1996) FÜR KLARINETTE UND KLEINES ORCHESTER

 

 

Edgard Varèse und John Cage

Sowohl Edgard Varèse als auch John Cage stehen exemplarisch für das weitere Aufsprengen von Traditionen – ja für eine völlige Neudefinition der Musik und des Komponierens überhaupt. “Ich weigere mich, mich schon bekannten Klängen zu unterwerfen”, schreibt Edgard Varèse, und löst sich von bisherigen Tonsystemen: In den 30er Jahren experimentiert er mit Vierteltönen, in den 60ern schließlich mit den neuen Mitteln der Elektronik. John Cage geht noch deutlich weiter: Für ihn sind Fragen der Harmonielehre nicht mehr zentral (und das trennt ihn von seinem kurzzeitigen Lehrer Schönberg); vielmehr bestimmt er das Verständnis von Musik und Komposition grundlegend neu: Die Partituren vieler seiner Stücke sind völlig flexibel, ganz oder in Teilen aufführbar, in allen denkbaren Besetzungen, in jeder denkbaren Länge, ganz den Interpreten überlassen. Der Komponist definiert nur noch Elemente für mögliche Konstellationen, der Zufall wird einer der bestimmenden Faktoren – ein nachhaltiger Einschnitt in die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts, eine radikale Öffnung für die Zukunft. Das OENM spielt abermals unter Johannes Kalitzke.

Am Dienstag steht John Cages Werk “Ryoanji” im Mittelpunkt. Cage hat es nach dem berühmten Zen-Garten des im 15. Jahrhundert erbauten Tempels in der Nähe des japanischen Kyoto benannt. Der Garten beherbergt Gruppen von Steinen, die inmitten geharkten, in Ordnung gebrachten, weißen Sandes liegen. Cage nimmt die Ordnung der Steine und die Linien des Sandes zum Ausgangspunkt seines konzentrierten, stillen Stückes für Solisten und Ensemble; die Solisten stehen für die Steine des Gartens, das Ensemble für den in Linien geharkten umgebenden Sand. Und Cage gibt mit diesem Stück die Definition der Klänge ganz in die Hände der Interpreten: Die Partitur besteht aus Zeichungen, den Steinen und den Sandlinien folgend, die die Musiker in Klänge umsetzen. Verwoben werden die Klänge mit Bildern, die Frank Scheffer – er hat sich beiden Komponisten ausführlich gewidmet – mit John Cage zusammen aufgezeichnet hat, in Gesprächen und Fragen. Das OENM wird geleitet von Beat Furrer.
(Texte: dialoge-festival & hr).

Mo., 1.12., 19.00 Uhr, Mozarteum
OENM

Leitung: Johannes KALITZKE
EDGARD VARÈSE:
UN GRAND SOMMEIL NOIR
OFFRANDES
OCTANDRE
POEME ELECTRONIQUE
DESERTS

Di., 2.12, 19.00 Uhr,  Mozarteum
OENM

Leitung: Beat FURRER / Mike Svoboda (Posaune)

JOHN CAGE:
RYONAJI (1983-85). FASSUNG FÜR SOLO UND ENSEMBLE Di. 02.12.2008

Internationale Stiftung Mozarteum
Tickets und Informationen:
Kartenbüro der Internationalen Stiftung Mozarteum
Theatergasse 2, 5020 Salzburg
Tel. 0662 – 87 31 54, Fax 87 44 54
tickets@mozarteum.at
www.dialoge-festival.at
Kartenpreise:
28.11. ? 30,- / 20,- / 10,-
30.11. ? 40,- / 30,- 20,-
20.11. sowie 1. und 2.12. ? 20,-
Studentenkarten: ? 8,-

Fotos:
1) Frank Scheffer © Wien Modern
2) Frank Scheffer, Eliott Carter © soundtime.files.wordpress.com (Cover)
3) Frank Scheffer und John Cage (COVER) © www.amazon.de