„Deshalb waren wir dann der neue Scheiß.“ – Lex Lugner (Silk Mob) im Interview

SILK MOB spinnt den feinen Faden fort, den BILDERBUCH mit „Feinste Seide“ ausgelegt haben. Die rhythmische Textur hier ist Südstaaten-Rap. Statt in der Maschin chillt man im Bademantel.

Der Silk Mob ist im Fernwarenhandel mit Musik tätig. Er importiert Ware aus Memphis und dem Dirty South, schneidert sie um für eine mitteleuropäische Kundschaft, die an Deutschrap und Downtempo vertraut ist und versieht sie mit epikureischen Texten. Der Song „Bademantel“ bringt die Essenz aus süßem Nichtstun zum Klingen und wird im Frühjahr 2020 zu einer heimlichen Hymne des ersten Lockdowns. Einige Sessions später folgt vergangenen Dezember dann das erste komplette Album. Der Silk Mob geht zurück auf das deutsche Splash Festival. Dort lernt der Salzburger Hit-Produzent Lex Lugner den Rapper Optimane kennen, der in Berlin mit Donvtello zusammenwohnt. Die beiden Letzteren spielen im Mai 2019 live in Wien, Lex Lugner lädt sie ins Studio von Fid Mella ein und mit dem Innsbrucker MC Jamin ist der seidige Mob komplett. Lex Lugner im Gespräch über seine Anfänge, den Hanuschplatzflow, Streaming und Deutschrap-Metoo.

Gab es für den Silk Mob ein – sorry – Schnittmuster?

Lex Lugner: Ich wusste, wir alle sind große Südstaaten-Rap-Fans. Gleichzeitig wollten wir etwas Neues machen, wir haben Vintage Synthesizer aus den Achtzigern verwendet, unsere Arrangements sind anders.

Wie läuft die Arbeitsteilung ab?

Lex Lugner: Wir nehmen bei Fid Mella auf, deshalb kümmert er sich um die klassischen Producer- und Engineer-Arbeiten. Ich finde es angenehm, mich an den Synths auf Harmonien und Melodien zu konzentrieren. Wir alle feiern gesungene Hooks, die Jamin meistens macht, weil er cool singen kann. Bei einer der ersten Sessions hat er einfach etwas über einen Bademantel gesungen.

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Es gibt diese These, dass die Leute in den Corona-Lockdowns viel langsame Musik – wie beispielsweise Afrobeats und Amapiano – gehört haben.

Lex Lugner: Thematisch hat das gepasst, zuhause einsperren, im Bademantel chillen, vielleicht konnten sich die Menschen damit identifizieren. Unser erstes Tape passt überhaupt gut ins Zuhause.

Wie intensiv habt ihr dann am ersten Album gearbeitet?

Lex Lugner: Wir haben uns über zwei Jahre hinweg für drei oder vier Sessions getroffen. Das Producing, das Mixing und die Förderanträge haben dann am längsten gedauert. Optimane und Fid Mella haben die meiste Arbeit übernommen, nochmal Danke an dieser Stelle dafür. Wir wollten es dann einfach raushauen, das haben wir dann Mitte Dezember gemacht.

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Warum habt ihr keinen Merch aus Seide? Ähm, Fail?

Lex Lugner: [lacht] „Bademantel“ haben wir als 7 Inch veröffentlicht und das Vinyl in Hüllen aus echter Seide gewickelt. Ein ganzer Bademantel aus Seide wäre ziemlich teuer geworden.

Na gut. Wie bist du zur Musik gekommen? 

Lex Lugner: Ich habe mit 16 angefangen, mit Fruity Loops bzw. FL Studio und später mit einer MPC Beats zu produzieren. Das war ein Hobby. Wir haben in Salzburg schon jahrelang viel Hip Hop aus Huntsville gehört, aus Atlanta, aus Houston oder aus der Bay Area. In Europa wurde die goldene Ära romantisiert, man musste bestimmten Regeln entsprechen, aber damals ist das alles aufgebrochen. Und wir dachten, wir machen eine Art von Musik, die im deutschsprachigen Raum so nicht existiert und dass sie interessant sein könnte. Deshalb waren wir dann der neue Scheiß. 

Ihr, das ist Hanuschplatzflow

Lex Lugner: Die ersten Releases mit Hanuschplatzflow sind zustande gekommen, weil wir Leute ohne einen Vertrieb oder ein Label erreichen konnten. Das hat das Internet damals ermöglicht. Außerdem waren wir technisch nicht sonderlich versiert, dieser Dilettantismus hat zu viel Kreativität geführt. Ich bin schon 2009 von Salzburg nach Wien in eine WG mit Ernst Palicek gezogen, weil in Salzburg einfach nichts geht, was Subkultur betrifft. Hier haben sich die meisten von Hanuschplatzflow dann wieder getroffen.

War das Cloud Rap?

Lex Lugner: Natürlich setzt sich niemand ran und sagt, ich mache jetzt dieses Genre oder jenes. Wenn man das nachher beschreiben will, dann ist das halt so. Ich höre sehr viel unterschiedliche Musik und mache auch elektronische Musik. Mein Sound hat sich verändert, gleichzeitig gibt es sicher Elemente, die gleichgeblieben sind, vielleicht aus Gewohnheit oder weil sich das einfach eingebrannt hat.

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Ist „Blackout” mit Rin dein erfolgreichster Track?

Lex Lugner: Einer der erfolgreichsten. Kommt darauf an, woran du das misst. Dafür habe ich eine Auszeichnung bekommen. Für „Bianco“ [mit Rin und Yung Hurn, Anm.] habe ich nichts bekommen.

Wie kam es zu „Bianco“?

Lex Lugner: Ich war immer wieder in Berlin und habe bei Elias [Hermann, Anm.] von meinem Label Live From Earth geschlafen. Dort haben wir Rin kennengelernt, ich hatte ein paar Instrumentals auf dem Laptop dabei, die haben wir durchgehört, Rin und Yung Hurn haben sich den Beat ausgesucht und den Track am Tag vor oder im Studio geschrieben.

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Rin hat das Label gewechselt, Hurn ist nach Berlin gezogen.

Lex Lugner: Stimmt. Seitdem ist weniger von mir rausgekommen. Mit Rin habe ich einige Tracks gemacht, die nie veröffentlicht wurden, weil er und Live From Earth sich getrennt haben. Es gab keine Verträge, alles war mit Handschlag.

Die Leute, mit denen du zusammenarbeitest, willst du persönlich kennen, richtig?

Lex Lugner: Wenn ich Beats nur verschicke, bin ich mit dem, was zurückkommt, meistens nicht zufrieden. Ich lerne die Künstler lieber kennen und baue eine persönliche Beziehung auf, ich kann so einfach bessere Musik machen. Das geht über Social Media schwer. Mir fehlen ein bisschen die musikalischen Partner – auch weil die Kultur so schnelllebig ist, junge Rapper kennen mich oder mein Material nicht unbedingt noch. Deshalb liegt relativ viel Musik, beispielsweise auch Filmmusik, bei mir herum.

Wolltest du mal aus Wien weg?

Lex Lugner: Ich bin in Wien sehr sehr glücklich, auch wenn ich alleine in meinem Zimmer Musik mache. Ich brauche nicht jeden Tag eine neue Session mit einem neuen Künstler. Es funktioniert auch so, dass ich von meiner Musik lebe. 

Magst du Deutschrap?

Lex Lugner: Im Großen und Ganzen ist Deutschrap wirklich schwierig für mich. Der deutschsprachige Raum ist sehr langsam dabei, Trends und neue Sachen zu adaptieren. 

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Hat der Markt diese kreativ-anarchische Szene aus Salzburg irgendwann verschluckt? 

Lex Lugner: Die Avantgarde wird immer wieder von der Musikwirtschaft aufgesogen und kopiert, bis sie nicht mehr originell ist. Und Jüngere machen dann wieder Musik, die wieder frisch klingt. Das beginnt immer wieder von vorne. Persönlich habe ich keine Beats gehört, von denen ich dachte, dass sie ein Lex Lugner Bite sind. Das sind eher einzelne Elemente, die dann einfließen.

Hat Metoo die Szene verändert?

Lex Lugner: Sicher. Die HPF Sachen würden wir heute so nicht mehr machen. Das war schon eine andere Zeit, eine bisschen ignorantere Zeit, da waren wir auf jeden Fall nicht so reflektiert. Wir haben schon früher die Einstellung gehabt, dass gewisse Sachen nicht gehen. Gleichzeitig dachten wir, gewisse Rollen spielen zu können, die wir nicht sind, und halt Dada zu machen. Und Metoo hat sehr viel in der ganzen Rap Landschaft geändert. Ich weiß nur nicht, ob das eine nachhaltige Veränderung war. Ich bekomme z.B. nichts mit von weiblichen Producerinnen oder weiblichen Enigneers. Es ist wichtig, dass das auf allen Ebenen passiert. Die Rap-Landschaft ist leider noch sehr männlich.

Ist HPF vorbei?

Lex Lugner: Ich sage mal so, Hanuschplatzflow ist lange schon tot. Ich verbinde damit die Zeit von 2011 bis 2014, die Post-Swag-Ära, in der wir diese Dada Tapes veröffentlicht haben [lacht]. Ich bin mit dem Großteil der Leute nach wie vor sehr gut befreundet. Wir sind eben erwachsen geworden. Was die Musik betrifft, die hat eine ganz wichtige Rolle in unserem Leben gespielt, diese Dynamik ist mit der Zeit verloren gegangen. 

Streaming hat wieder Geld in die Musik gespült. Wie hat sich das auf lokale Szenen ausgewirkt?

Lex Lugner: Das Streaming-Business hat viel kaputt gemacht, was cool an der frühen Internet-Zeit war. Natürlich spielen da auch Algorithmen und Bezahldienste mit, die Social Media Plattformen eingeführt haben. Heute haben die Major Labels wieder dieselbe Macht wie in der Zeit des Radios. Du musst gewisse Leute kennen, um in bestimmte Playlists reinzukommen und garantiert eine Million Plays zu erreichen. Ich finde das problematisch, das gehört ein wenig reguliert, weil es nicht sehr demokratisch ist, so wie das passiert.

Stefan Niederwieser

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