Der Vorarberger Komponist Gerold Amann in Gespräch

“Jeder singt auf seine Weise – der eine laut, der andre leise”.Gerold Amann realisiert nahe Hannover sein neuestes Musiktheater „Die Vögel“. Der Schlinser Komponist Gerold Amann ist weithin als origineller und kritischer Zeitgenosse bekannt. Seit jeher dienen ihm die Natur und die Umwelt sowie sein persönliches Umfeld als wichtige Inspirationsquellen. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte hat sich Gerold Amanns Kompositionsart in mehren Richtungen entwickelt. Vieles was jedoch von Beginn an wichtig war, ist auch jetzt noch Grundlage seiner Arbeit.

In letzter Zeit ist der Komponist Gerold Amann in Vorarlberg wenig präsent, doch im Ausland findet er immer wieder spannende und reizvolle Betätigungsfelder. Derzeit ist Gerold Amann in der Nähe von Hannover beschäftigt, denn Ende Mai wird dort sein neuestes Musiktheaterprojekt „Die Vögel“ nach Aristophanes zur Uraufführung gebracht. Weiters ist im Herbst die Aufführung der Musikposse „Eirene“ in Sardinien geplant. Im Rahmen des Walserherbstes wird das Projekt „Water music“ realisiert. Dabei findet eine Percussionsaufführung mit und im Wasser statt, wie sie auf dem Inselstaat Vanuata im Südpazifik praktiziert wird.

Im Gespräch mit Silvia Thurner erzählt Gerold Amann von seinem Zugang zur Musik und was ihn an griechischen Komödien von Aristophanes fasziniert. Er berichtet über das Musiktheater „Die Vögel“ und seine derzeitige Arbeit in Deutschland. Überdies stellt er seine Sicht auf die derzeitige Rezeption der Neuen Musik dar.

Bereits in den 70-er Jahren hast du mit Aufzeichnungen von Vogelgesängen gearbeitet, diese verlangsamt und für traditionelle Instrumente transkribiert. Nun bist du wieder bei den Vögeln gelandet, nämlich bei Aristophanes’ Komödie, namens „Die Vögel“. Wo liegen deine Wurzeln?

Das erste Stück, das ich mit 20 Jahren nach einem Text von Matthias Claudius gemacht habe, trägt den Titel, „Wir Vögel singen alle egal, der eine laut, der andere leise, ein jeder hat so seine Weise.“ Ich bin während des zweiten Weltkrieges in Schnifis aufgewachsen in einer großen Familie aufgewachsen. Musik waren für mich Alltagsgeräusche und Tierlaute und das ist heute noch Musik für mich. Ich war immer bemüht, Volksmusik, das heißt der Natur des Menschen entsprechende Musik zu machen.

Musik aus der Natur

Die Beschäftigung mit Schallaufzeichnungen aus der Natur hat dich auch zu den Gibbonaffen geführt. Von diesen hast du vor allem in den vergangenen Jahren viel über Einwürfe und Verzögerungslaute, sogenannte Interjektionen, gelernt. Was meinst du damit?

Auch die Gibbongesänge haben mein Interesse auf die Frage gelenkt, wie Kommunikation und Sprache im Grenzbereich zwischen Mensch und Tier verstanden werden kann. Wir verwenden viele Interjektionen, um bestimmte Dinge auszudrücken, z.B. ‚mhm’ für Zustimmung oder ‚hm?’ als Frage usw.

Ein komödiantischer Spötter

Sowohl im Musiktheater „Die Vögel“ als auch im Werk „Eirene“ hast du als Grundlage Texte von Aristophanes verwendet. Aus welchem Grund sprechen dich seine Texte besonders an?

Aristophanes hat viele gesellschaftspolitische Beobachtungen verarbeitet, der Mensch und die Lächerlichkeit stehen bei ihm im Vordergrund. Aristophanes weiß genau, dass er nichts verbessern kann, aber er kann am Hochmut und der Eitelkeit der Mächtigen kratzen, das tut er und das würde ich auch gerne tun. Besonders mit dem Stück „Die Vögel“ hat Aristophanes vor zweieinhalbtausend Jahren ein Kabarett verfasst, das auf die Zeitverhältnisse Bezug nimmt. Es ist heutzutage eigentlich unaufführbar, da die Adressaten inzwischen unbekannt sind. Doch mir ist meine Arbeit mit den Interjektionen zugute gekommen. Das hat mich auch an dieses Thema heran geführt und mich bei deren Umsetzung fasziniert.

Eine verhängnisvolle Liaison

Worum geht es in der Geschichte „Die Vögel“?

Ich habe das Grundgerüst der Geschichte übernommen. Weil die Athener dem Hauptprotagonisten Piros zu viel streiten, will er auswandern. Er wendet sich an seinen Freund Tereus, der in einen Vogel verwandelt worden ist. Piros meint, dass Tereus aus der Vogelperspektive eigentlich wissen müsste, wo man gut leben kann. Tereus sagt, bei den Vögeln lebt es sich ganz gut. Eine Vogelversammlung wird einberufen, doch der gute Piros ist ein Schlitzohr. Er redet den Vögeln ein, ihr lebt in der Luft, über euch im Olymp sitzen die Göttern, unter euch auf der Erde leben die Menschen. Wenn ihr dazwischen einen eigenen Staat bildet, dann seid ihr die Chefs, dann habt ihr beide in der Hand. Ein Staat wird gegründet. Die Menschen suchen kleinkariert ihren Vorteil und schleimen sich ein und die Götter versagen. Der eine ist ein Fresssack und Poseidon gibt letztlich doch nach. Verraten werden sie durch den Giganten Prometheus, er bringt  Basilea ins Spiel, die die Braut des Piros wird. Zunächst scheint alles in Ordnung, doch schließlich stellt sich heraus, dass Piros Vogelfleisch liebt. Er frisst seine eigenen Leute auf.

Menschen, Vögel und Götter

Wie hast du das Musiktheater angelegt?

Die Götter singen Fragmente aus dem griechischen Originaltext, die Menschen reden mit vielen Sprachmelodien, Gemütsbewegungen und Gesten. Die Vögel verständigen sich mit Interjektionen. Im Stück läuft alles über Sprachlaute und nonverbale Kommunikation. Mit anderen Worten bedeutet das aber auch, dass jeder das Stück auf seine individuelle Art und Weise versteht. Es ist für Zentraleuropa absolut gleichgültig welche Sprache er spricht.

Erfahrung mit Laienspielen

Du hast schon öfters mit dem Kulturverein „Hermannshof“ nahe Hannover zusammen gearbeitet und große Projekte realisiert. Dabei kommen dir sicher deine Erfahrungen, die du bei den Aufführungen in der Burgruine Jagdberg gesammelt hast, zugute.

Ich möchte Laientheater so machen, dass es nicht einfach ein schlechteres Profitheater ist. Gruppenleistungen können Laien hervorragend ausführen.  Selbstverständlich muss das Stück den Bedingungen entsprechen, während den Proben kristallisiert sich viel heraus. Vorsprachliche Lautbildungen und Interjektionen kennt jeder und wenn man den Mitwirkenden erklärt, was sie zum Ausdruck bringen sollen, funktioniert das auch gut. Die Hauptrolle, Piros, ist mit einem Profischauspieler besetzt, das ist ohnedies natürlich wichtig und vorteilhaft. Selbstverständlich profitiere ich von meinen Erfahrungen, die ich bei den Burgspielen in Schlins im Laufe der Jahre gemacht habe.

Zukünftiges


Welche Vorhaben hast du für die nächste Zeit?

Auf Sardinien wird im Herbst die Musikposse „Eirene“ in einer inszenierten Form mit Tanz und anschließendem Friedensfest zu sehen sein. Im Rahmen des Walserherbstes wird eine „water music“ nach den Vorbildern von Tänzerinnen auf dem südpazifischen Inselstaat „Vanuatu“ realisiert. Für einen Chor in Norddeutschland erarbeite ich „Hallsätze“ und überdies möchte ich gerne eine Art „Geburtsmusik“ zur Aufführung bringen. Damit würde eine Facette des Schaffens eines älteren Gerold Amanns erlebbar, der inzwischen ziemlich weit abseits des herkömmlichen Musikbetriebes steht.

Der Wandel der Zeit


Wie erlebst du die Rezeption der sogenannten zeitgenössischen Musik?

Im Vergleich mit anderen Kunstgattungen gibt es einen entscheidenden Unterschied. In der bildenden Kunst wurde die Fotografie erfunden und die Künstler mussten sich Ausdrucksformen einfallen lassen, die sich davon unterscheiden. Die Literaten selbst müssen zwar einen Verlag finden, aber es gibt darüber hinaus viele Möglichkeiten Texte zu publizieren. Mit der Erfindung der Tonspeicherung hat sich für die Musik viel verändert. Die etablierte Musik wurde millionenfach vervielfältigt. Alles was neu ist, ist kein Geschäft. Dazu kommt, dass der Komponist selbst keine Musik macht. Er schreibt nur die Noten und bis diese Klingen ist viel Geld im Spiel. Die Musik hatte durch die technische Entwicklung ganz einfach Pech. Die viel zitierte ‚Postmoderne’ ist kein neuer Musikstil, sondern eine Programmphilosophie der Medien und Konzertveranstalter. Musiker haben da wenig, Komponisten nichts mitzureden.

Danke für das Gespräch.

Dieses Interview ist zuerst in der Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft im Mai 2012 erschienen.