Der Versuch, wieder die Musik in den Mittelpunkt zu rücken – Bernhard Breuer von Elektro Guzzi im Interview

Bernhard Breuer, seines Zeichens ein Drittel der Mensch-Maschinen Techno-Band Elektro Guzzi, über die gewollte Abkehr vom bisherigen Erfolgsrezept, die lange Suche nach einem neuen Sound und den Einfluss der Rootsmusik auf das neue Album „Observatory“. Das Interview führte Michael Ternai.

Weg von alten Mustern

Elektro Guzzi (c) Klaus Pichler

Mir ist beim Durchhören des neuen Albums sofort aufgefallen, dass der Sound im Vergleich zu den bisherigen Veröffentlichungen viel organischer zu sein scheint. Wo früher strikter Minimalismus geherrscht hat,  öffnen sich jetzt plötzlich weite Räume. Liege ich mit dieser Einschätzung halbwegs richtig?

Bernhard Breuer: Ja, durchaus. Unsere Intention war schon, es dieses Mal wieder organischer klingen zu lassen. Auf unserem letzten Album „Parquett“ lag der Fokus noch darauf, diese spezielle Minimal Club-Energie, die wir bei unseren vielen Konzerten erlebt haben, so unmittelbar wie möglich einzufangen und wiederzugeben. Jetzt wollten wir wieder weggehen von diesem absolut minimalistischen und technoiden Sound, hin zu einem wieder etwas größeren und ausproduzierteren. Und ja, dazu gehört eben auch, dass wieder eine Gitarre erkennbar ist und auch große Flächen hörbar sind.
Nicht ganz unerwähnt sollte bleiben, dass genau zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns überlegt haben, in welche Richtung wir unseren Sound entwickeln wollen, das Album „The Inheritors“ von der Minimal Techno-Legende James Holden erschienen ist. Was uns wirklich schwer beeindruckt hat, war, wie James Holden mit dem Techno gebrochen hat. Er hat in seinen Stücken auf einmal auch Saxophone erklingen lassen, genauso wie absurde Analog Synths. Auch hat er Freejazz- und Krautrock-Elemente in den Sound einfließen lassen. Das sind alles Dinge, die man auf einem klassischen Techno-Album sonst nicht zu hören bekommt. Und genau dort wollten wir auch hin. Dieses Album hat uns in gewisser Weise darin bestärkt und ermutigt, von unserem bisherigen Stil etwas abzugehen.

Wie schwer oder leicht war es, von den alten Mustern wegzukommen?

Bernhard Breuer: Schon schwer. Die Band gibt es ja mittlerweile seit zehn Jahren und da hat sich natürlich auch über die Zeit eine bestimmte Spielweise entwickelt und verfestigt. Von dieser wegzukommen und eine neue zu erfinden, war dann natürlich nicht so einfach. Daher hat es doch etwas länger gedauert, bis wir zu dem Ergebnis gelangt sind, mit dem jeder von uns gleich zufrieden war. Bislang hatten wir im Vorfeld immer eine klare Vorstellung davon, wo wir hin wollen. Bei diesem Album hat es schon auch manche Diskussionen gegeben..
Aber das Schöne an der Sache war, dass wir die Möglichkeit hatten, uns der Musik einmal aus einer anderen Perspektive anzunähern. Wir haben viel herumexperimentiert und das in alle Richtungen.

Dieses Mal in Eigenregie

Dieses Mal sind auch leichte Ansätze von Melodien zu vernehmen.

Bernhard Breuer: Ja, diese Idee steckte tatsächlich auch ein wenig dahinter:  wir wollten uns vor Dingen wie Melodien nicht mehr scheuen. Bernie (Bernhard Hammer, Anm.) hat ja schon auf „Parquet“ hin und wieder Melodien gespielt. Nur war das Drumherum ganz anders. Der Bass zum Beispiel klang eigentlich die meiste Zeit eher wie ein düsteres, monotones, mit der Bassdrum gekoppeltes rhythmisches Pumpen. Auf „Observatory“ ist es nun zum ersten Mal so, dass Jakob auch melodiösere und flächigere Bassläufe spielt. Ich finde das super, weil du dich als Band beim Spielen plötzlich ganz anders wahrnimmst.

Der Sound klingt sehr warm…

Bernhard Breuer: Das war auch unser expliziter Wunsch. Wir haben im Sommer vor ein oder zwei Jahren mit Musikern aus Kuba zusammengearbeitet und uns daraufhin intensiv vor allem mit der kubanischen und afrikanischen Rootsmusik beschäftigt. Die Idee, diese beiden unterschiedlichen musikalischen Stile Techno und Rootsmusik zu verbinden, hat uns schon sehr gefallen. Wobei der Unterschied zwischen beiden Richtungen eigentlich gar nicht einmal so groß ist. Die Afromusik zum Beispiel hat ja im Grunde genommen, wie der Techno auch, eine hypnotische und sogmäßige Wirkung. Das passt also schon irgendwie zusammen.

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Wie lange habt ihr eigentlich für das Album gebraucht?

Bernhard Breuer: Weil wir nicht bei Patrick Pulsinger waren, sondern die Nummern selber in unserem eigenen kleinen Studio aufgenommen haben, hatten wir viel mehr Zeit, um an den Sachen zu feilen. Wir haben ungefähr ein Jahr gebraucht, um den Sound zu entwickeln. Konkret an die Ausarbeitung der Tracks herangegangen sind wir vor etwa einem halben Jahr.

Ihr seid also vielmehr in die Tiefe gegangen.

Bernhard Breuer: Auf jeden Fall. Und ich glaube, dass wir auf unserem neuen Album unserem Sound so nahe gekommen sind, wie noch nie zuvor. Im Studio eines anderen bist du immer irgendwie abhängig von Technikern und anderen Leuten. Im eigenen Studio kannst du ohne Druck an den Sachen so lange herumbasteln, bis sie für dich passen. Diese Möglichkeit birgt natürlich auch die Gefahr, dass man nie zu einem Ende kommt.

Inwieweit besteht eigentlich die Gefahr, dass man beim Versuch, neue Akzente in die Musik hineinzubringen, über das Ziel hinausschießt?

Bernhard Breuer: Da wir eigentlich alle drei sehr kritisch sind und auch immer alles hinterfragen, glaube ich nicht, dass wir es musikalisch je zu pompös oder verspielt werden lassen würden. Vielmehr verhält es sich oftmals so, dass wir zu konkret und zu analytisch werden. Aber dieses Mal haben wir uns bewusst zurückgenommen und den Dingen freien Lauf gelassen.

Allen Erwartungshaltungen trotzen

Elektro Guzzi hat eine Art Pionierrolle und euch wird inzwischen eine hohe Erwartungshaltung entgegengebracht. Inwieweit verspürt ihr Druck, etwas nach dem bisherigen Erfolgsrezept abliefern zu müssen?

Bernhard Breuer: Eigentlich gar nicht. Die einzige Prämisse war: Wenn wir ein Album machen, muss es musikalisch woanders hingehen. Man kann schon sagen, dass der Slogan „Techno mit echten Instrumenten spielen“ unser großer Aufhänger war. Wobei es sich hierbei auch zugleich um ein recht blödes Etikett handelt. Für mich ist das eine verstaubte Sicht auf die Dinge: Ein Synthesizer ist ja kein unechteres Instrument als zum Beispiel ein Schlagzeug. Eine Gitarre mit Effektgeräten ist im Grunde genommen auch nichts anderes als ein analoger Synthesizer.
Aber natürlich, auf der Bühne eine Band zu sehen, die Techno spielt, das hat schon etwas Besonderes. Und ich glaube, das war auch ein Grund dafür, dass es international auch so gut funktioniert hat.

Elektro Guzzi (c) Klaus Pichler

Wart ihr überrascht, dass ihr so gut ankommt?

Bernhard Breuer. Ja, eigentlich schon, denn so richtig auf der Rechnung haben wir diese Entwicklung nicht gehabt. Wirklich ins Rollen gekommen sind die Dinge ja damals  nach dem Sonar Festival 2012. Danach erhielten wir plötzlich Anfragen von überall her und flogen von heute auf morgen in der ganzen Welt herum. Irgendwann sind wir dann schon draufgekommen, warum das so abgelaufen ist. Dass nämlich genau ein solcher Aufhänger eine Band für Festivals, Clubs und Veranstalter einfach interessant macht. Wir haben in gewisser Weise etwas Neues geboten, und so etwas weckt eben Neugier. Darum sind wir jetzt auch nicht wirklich böse, dass uns dieses Etikett umgehängt worden ist. Aber eigentlich messen wir diesem mittlerweile nur mehr wenig Bedeutung zu.
Was wir mit unserem neuen Album definitiv aber vorhaben, ist diese spezielle Zuschreibung loszuwerden. Wir wollen alleine unsere Musik in den Mittelpunkt stellen. Über sie soll gesprochen werden. Die Information, wer jetzt welche Instrumente spielt, findet sich auf dem Album daher jetzt nicht mehr. Wir haben einfach keine große Lust mehr darauf, Rezensionen zu lesen, in denen es heißt: „Eh okay, aber man muss bedenken, dass alles mit Schlagzeug, Bass und Gitarre eingespielt worden und genau deswegen super ist“.

Danke für das Interview

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