Rund zwei Jahre nach ihrem letzten Album veröffentlicht die Linzer Band ANNA KATT eine digitale 6-Song-EP: „When it comes to this“. Im Gespräch mit Jürgen Plank geht es um die Verbindungen von ANNA KATT nach Skandinavien, die durch die schwedische Sängerin KRISTINA LINDBERG gegeben sind, und um eine neue Leichtigkeit bei der Arbeit am Songmaterial. Außerdem erzählen ANNA KATT, warum die CD ein aussterbendes Produkt ist, wie sich ihre Arbeitsweise im letzten Jahr geändert hat und sie aktuelle Entwicklungen im Musikbusiness – Stichwort Streaming-Konzerte – sehen.
Wir haben einander im Herbst 2019 im TAG bei der Release-Tour zu eurem letzten Album zum Interview getroffen. Wie ist es seitdem für euch weiter gegangen?
Manu Mitterhuber: Es ist so weiter gegangen: im Jahr 2020 haben wir ein oder zwei Konzerte gespielt, mehr muss ich nicht dazu sagen. Dann ist für mich alles in Scherben gelegen, weil ich von der Musik und dem Studio lebe und nichts mehr gegangen ist. Wir haben aber angefangen, Neues zu machen.
Kristina Lindberg: Wir hätten ein paar Termine in Deutschland gehabt, die haben nicht stattgefunden.
Manu Mitterhuber: Stefan und Kristina haben im Herbst die Idee gehabt, etwas auszuprobieren. Weil es ihnen damals Spaß gemacht hat, jazziger zu spielen. Und weil es keine andere Perspektive gab, haben wir einfach ein paar Aufnahmen gemacht. Das neue Material sollte farbiger, harmonisch abwechslungsreicher werden. Da bin ich schnell aufgesprungen und habe einfach mal über den Sommer ein paar Songs gemacht und den beiden geschickt. Kristina hat gleich getextet und im Herbst haben wir uns im Studio getroffen. Und wir haben Clemens Pichler dazu geholt, der die Elektronik beigesteuert hat, zum Teil mit einem humorvollen Ansatz.
Weil Kristina einen schwedischen Hintergrund hat, gibt es bei euch diese Verbindung zum Norden Europas. Gleich der erste Track „When it comes to this“ hat mich mit seinem mehrstimmigen Chor an skandinavische Volksmusiktraditionen erinnert.
Kristina Lindberg: Wir haben einfach wirklich viel im Studio herum probiert und haben diese Chöre entwickelt. Diese Regel der Reduktion haben wir dieses Mal über Bord geworfen und versucht coole Sachen zu machen. Gerade diesen Chor zu erarbeiten, hat mir Spaß gemacht, der klingt jetzt einfach, ist aber gar nicht so einfach.
Und es ist wieder ein Lied in schwedischer Sprache dabei. Warum sollte das so sein?
Kristina Lindberg: Ich plane eigentlich mehr Lieder in diese Richtung. Wir wollen ja bald noch weitere Songs aufnehmen und da habe ich den Wunsch, mehr Lieder in schwedischer Sprache zu machen. Das sind einfach meine Wurzeln, die Sprache lässt sich gut singen und klingt schön. Meistens haben die Texte in schwedischer Sprache eine Verankerung dort oben, etwa zu den Menschen dort. Das ist auch im Fall von „Söndag Morgon“ so, das bedeutet Sonntagmorgen. Da geht es wirklich um einen Kraftplatz, das ist mein Strand, an dem ich aufgewachsen bin, das Video haben wir auch dort gedreht und das ist für mich etwas ganz Besonderes.
Kristina Lindberg: Immer, wenn ich nach Hause komme, gehe ich dorthin und schnuppere die Meeresluft und stecke die Füße ins kalte Wasser. Dort tanke ich Energie auf und ich habe mir gedacht, dass dieser Platz ein Lied verdient. Wir haben einen guten schwedischen Filmemacher für das Video gefunden, der den Text versteht und sofort gewusst hat, worum es dabei geht.
Ihr habt angedeutet, dass ihr euch musikalisch verändert habt. Greift bitte ein Lied heraus, bei dem man das bemerkt.
Manu Mitterhuber: Bei „Sweet Summer Breeze“ finde ich witzig, weil da Takes drauf sind, die ich bei Sessions mit der Gitarre eingespielt habe. So haben wir bisher nie gearbeitet. Das war bisher immer viel ernsthafter. Dieses Mal sind kleinere Versatzstücke dabei, die entstehen, wenn man die Gitarre schnell mal bei einem Pre-Amp ansteckt und etwas ausprobiert. Diese Dinge sind oft drinnen geblieben und das finde ich sehr angenehm, das hat für mich etwas Leichtes.
Kristina Lindberg: Da stimme ich voll zu. Bei dieser Nummer habe ich auch textlich improvisiert. Ich mag alle Songs! Für mich ist „Night Train“ ein besonderer Song, weil es für mich oft um Dinge wie Meditation und Achtsamkeit geht. Darum, mit dem Leben umzugehen, etwa jemanden los zu lassen. Es geht im Lied um diesen Lebenszug, um die Familie, die einen, die ganze Zeit begleitet. Einige steigen früher aus dem Zug aus, aber hinterlassen ein Gefühl oder ein Erziehungsmuster oder alles, was man so in sein eigenes Leben mitnimmt. Es gibt die, die kurz dabei sind und eine Leere hinterlassen. Es geht um diesen Zug des Lebens, ich mag diese Nummer sehr.
Die 6 Lieder werden nur digital veröffentlicht, wie kam denn diese Entscheidung zustande?
Manu Mitterhuber: Vorerst digital, würde ich sagen. Es ist eine Timing-Frage, wir haben diese 6 Lieder fertig und wollten die einfach mal veröffentlichen, damit man wieder mal etwas von uns hört. Wir machen jetzt weiter und wenn es ein Album gibt, werden wir das wahrscheinlich wieder auf Vinyl pressen lassen.
Kristina Lindberg: Genau. Der Plan ist, im Jahr 2022 ein Album auf Vinyl heraus zu bringen.
„Unserer Meinung nach ist die CD ein aussterbendes Produkt“
Dennoch hat sich der Musikmarkt inzwischen verändert, im Jahr 2020 wurde zum ersten Mal mehr mit Streaming umgesetzt als mit physischen Tonträgern. Habt ihr auch deswegen mal digital veröffentlicht und wie seht ihr diese Gemengelage?
Kristina Lindberg: Unserer Meinung nach ist die CD ein aussterbendes Produkt. Das ist auch die Meinung vieler anderer Musikerinnen und Musiker. Vinyl ist ein wunderschönes Format und hat wieder seinen Platz gefunden. Das ist auch vom Hörerlebnis her besser als ein MP3, denke ich mir. Mittlerweile sind die digitalen Streams natürlich sehr gut, aber ich finde es schön, haptisch etwas in der Hand zu haben. Die CD hat auch in Bezug auf Nachhaltigkeit nicht so viel Platz, weil da viel Plastik dabei ist.
Manu Mitterhuber: Rein aus wirtschaftlicher Sicht macht es keinen Sinn Vinyl zu produzieren. Aber es ist ein Erinnerungsstück an die eigene Arbeit und ich lege privat gerne eine Platte auf, das ist auch vom Artwort her schön. Vom Verkaufsgedanken her, muss man unterscheiden: Wenn die Streamings die Tonträger überholt haben, dann spielen da natürlich die großen Acts eine Rolle. Bei uns als kleinem Act ist es ja so, dass wir mit den Streamings fast nichts und durch die Tonträger zumindest ein bisschen Geld verdienen.
„Ich hasse Streaming-Konzerte“
Durch Corona haben sich neue Formate entwickelt, es gab etwa Streaming-Konzert, die zumindest einen Vorteil haben: Menschen auf der ganzen Welt sind potenziell erreichbar. Wie steht ihr zu solchen Formaten?
Manu Mitterhuber: Ich habe mir bisher kein einziges Streaming-Konzert angeschaut, mir taugt das überhaupt nicht. Ich hasse Streaming-Konzerte. Es gehen so viele Ebenen verloren, wir müssen es wieder hinkriegen mit Live-Publikum zu spielen. Ich habe schon mitgekriegt, dass das für manche recht gut funktioniert hat, das Porgy & Bess hat da eine ganz erfolgreiche Konzertreihe hingelegt. Mein Ding ist das überhaupt nicht, ich will das auch eigentlich nicht mehr machen. Den Musikmarkt wirbelt es gerade durcheinander, es gibt zum Beispiel wieder eher kleinere Konzerte. Das ist für mich gut, ich gehe lieber auf Konzerte, bei denen maximal 200 Leute oder noch weniger sind und spiele gerne in so einem Rahmen. Vielleicht sollte man solche Formate noch mehr ins Auge fassen. Da sind einige Kanäle während eines Konzertes offen: Weil man hört, was im Raum passiert und darauf reagieren kann.
Kristina Lindberg: Die Pandemie hat die Menschen ein bisschen wachgerüttelt: was ist alles möglich? Das mag ich. Ich mag nicht, dass man starr bleibt. Aber ein Live-Video kann nie ein Live-Konzert ersetzen. Auch das Spielen miteinander ist mit 200 Leuten im Raum ganz anders. Wir haben ein Streaming-Konzert gemacht, aber da spielt man wie im Proberaum.
Ihr wollt ohnehin bald wieder mehr live spielen, was habt ihr für 2022 vor?
Kristina Lindberg: Ich war heuer im Sommer für rund 3 Wochen in Schweden und habe mir einige Locations angeschaut. Etwa einen alten, umgebauten Bauernhof mit lässigen Konzerten. Ich habe auch mit schwedischen Journalistinnen und Journalisten Kontakt aufgenommen und da wird es demnächst auch eine Geschichte geben. Und es gibt in Nord-Schweden das so genannte Urkult-Festival, das mir auch taugt. Die haben ein buntes Programm, zu dem wir gut passen würden. Schauen wir Mal, wie wir nächstes Jahr eine Tour in Skandinavien machen können.
Herzlichen Dank für das Interview.
Jürgen Plank
++++
Links:
Anna Katt
Anna Katt (Facebook)
Anna Katt (Instagram)
Anna Katt (Soundcloud)