„DER ORT, AN DEM ICH WAR, IST NICHT DER, AN DEM ICH BLEIBEN KANN” – GLORIA AMESBAUER (GLAM) UND ANTO SOPHIA MANHARTSBERGER (AUTO SOPHIA) IM MICA-INTERVIEW

Manche Lieder tragen ihre eigene Geschichte in sich – und wachsen mit jeder Berührung weiter. „Embryo“, ursprünglich auf „The Color, The Dark“ von GLORIA AMESBAUER (GLAM) erschienen, hat nun eine neue Form angenommen: ANTO SOPHIA MANHARTSBERGER (AUTO SOPHIA) hat den Song behutsam auseinandergenommen, neu zusammengesetzt – und ihm eine andere Richtung gegeben, ohne ihm das ursprüngliche Gefühl zu nehmen. Im Gespräch mit Ania Gleich erzählen AMESBAUER und MANHARTSBERGER, wie aus Freund:innenschaft ein musikalischer Resonanzraum wurde – ein Raum, in dem sich Stimmen, Spuren und Haltungen überlagern dürfen. Es geht um künstlerisches Vertrauen und um das Arbeiten mit dem, was da ist. Aber auch darum, wie tief patriarchale Leistungslogiken in unsere Körper eingeschrieben sind, wie sie sich im Kunstbetrieb zeigen, und warum es manchmal ein harter Job sein kann, sich selbst zu glauben.

Wie ist es zu eurer Zusammenarbeit gekommen? Und was hat euch dazu inspiriert, diesen Remix rauszubringen?

Gloria Amesbauer: Ich fang jetzt einfach mal irgendwo an. Bei meiner eigenen Musik bin ich oft sehr perfektionistisch – wobei es gar nicht immer Perfektionismus ist, sondern ich einfach  eine starke Vorstellung davon habe, wie etwas klingen soll. Ich kann da auch ziemlich detailverliebt sein. Und wenn ich damit fertig bin, liebe ich es sehr, das Ganze loslassen zu können. Ich mag den Gedanken, dass die Geschichte dann weitergeht und aus anderen Perspektiven betrachtet wird. Nachdem das Debut Album („The Color, The Dark“) vor zwei Jahren rausgekommen ist, habe ich dann bestimmte Menschen gefragt, die ich musikalisch und menschlich inspirierend finde, ob sie Lust haben, sich mit einzelnen Songs auseinanderzusetzen. Anto kannte interessanterweise bereits eine uralte Vorversion von „Embryo. Wir hatten das Gespräch über einen Remix ja irgendwie schon vor Jahren mal, oder?

Anto Sophia Manhartsberger: Ja, ich erinnere mich. Den Song gibt es ja wirklich schon ziemlich lange.

Porträtbild der Musikerin Glam
Glam © Viktoria Hofmarcher

Gloria Amesbauer: Genau – „Embryo“ hat selbst schon eine kleine Geschichte. Der Song ist in sich schon eine Art Remix. Es gab sicher zwei, drei Versionen, bevor er dann in der Album Version mit Markus, Aras und dem Bläserarrangement erschienen ist. Durch die Vorgeschichte des Songs und die unserer Freund:innenschaft, war es für mich dann sehr passend, dass Anto „Embryo“ ausgewählt hat. Manchmal fügen sich Dinge einfach intuitiv zusammen.

Anto Sophia Manhartsberger: Ich habe mich auf jeden Fall sofort wohl gefühlt mit „Embryo“. Am Anfang hatte ich ganz andere Vorstellungen, wie ich damit umgehe. Und es hat sich dann über die Zeit total verändert. Irgendwann habe ich die Einzelspuren bekommen und den Song mal komplett auseinandergenommen – ohne Struktur, einfach nur die einzelnen Bestandteile.

Und dann hab ich mir daraus einzelne Teile rausgesucht. Das war fast wie ein Abwesend-Machen von dem, was es schon gibt, um Platz zu machen für meine eigene ästhetische Wahrnehmung. Ich habe dann auch wirklich lang daran gearbeitet – immer wieder überarbeitet und verdichtet. Von etwas sehr Großem und Weitem hin zu etwas Kompaktem. Obwohl der Remix eigentlich nicht kurz ist, ist er jetzt trotzdem sehr fokussiert. 

Gloria Amesbauer: Schon als du mir die erste Version vom Remix geschickt hast, hat es sich so angefühlt, als wäre das die logische, chronologische Weiterentwicklung von dem Song und seiner Geschichte. Er war immer noch in derselben Familie, weißt du? Obwohl er stilistisch ganz anders ist, war das Gefühl noch da. 

Wie lange kennt ihr euch eigentlich – und wo habt ihr euch kennengelernt?

Anto Sophia Manhartsberger: Also wir haben uns damals auf einem Musikseminar besser kennengelernt, wo wir beide waren. Aber gesehen haben wir uns schon vorher ab und zu. Ich glaube, das war so… vor 10, 15 Jahren?

Gloria Amesbauer: Ja, das kommt hin. 2012 vielleicht. Fühlt sich auf jeden Fall ewig her an. Und dann haben wir eine Zeit lang gemeinsam in Graz Computermusik studiert. Jedenfalls kenn ich dich schon lange und schätze dich sehr – auch in vielen unterschiedlichen Lebensphasen – und jetzt haben wir endlich mal offiziell zusammengearbeitet.

„DER SONG HAT KEIN KLARES, LINEARES NARRATIV, SONDERN FUNKTIONIERT WIE EINE ÜBERLAGERUNG VON VERSCHIEDENEN EBENEN, DIE ORGANISCH INEINANDER WACHSEN. ”

Aber wenn du sagst, der Remix war eine logische Weiterentwicklung – wie würdest du das beschreiben? Was genau ist diese Weiterentwicklung für dich?

Gloria Amesbauer: Ich finde, die Grundstimmung des Songs ist irgendwo geblieben – obwohl sich der Remix stilistisch ganz woanders hin bewegt. Es gibt ja total unterschiedliche Arten, wie man Remixe angehen kann: Man kann sagen, „Ich mach einen Club-Remix“ oder „Ich mach was total Abstraktes, wo man das Original gar nicht mehr erkennt“. Aber bei uns war das alles total offen. Wir haben vorher gar nichts ausgemacht. Und was dann rauskam, war auf eine gewisse Art härter – aber gleichzeitig sehr offen, mit viel Raum und Platz. Es ist verdichtet, aber trägt das ursprüngliche Gefühl noch in sich. Anto hat offensichtlich mit sehr viel Feingefühl, Empathie und Wertschätzung dem Material gegenüber gearbeitet, und ich finde das hört man. Gleichzeitig hat Anto es auch geschafft, etwas komplett Neues und Einzigartiges daraus zu machen. Womöglich ist der Song dadurch ein bisschen erwachsen geworden.

Was war für dich die Geschichte, die du mit dem Remix weitererzählen wolltest, Anto?

Anto Sophia Manhartsberger: Ich liebe Glorias Stimme einfach unglaublich. Live, aber auch auf den Aufnahmen – sie geht für mich total tief. Es ist diese Mischung aus Präsenz und Verletzlichkeit, die total zugänglich ist. Und das trägt „Embryo“ auch in sich, finde ich. Der Song hat kein klares, lineares Narrativ, sondern funktioniert wie eine Überlagerung von verschiedenen Ebenen, die organisch ineinander wachsen. Das hat mir beim Arrangieren sehr geholfen – weil es nie so klang, als wäre jetzt alles auseinandergerissen. Er lässt diese Formbarkeit zu. Gleichzeitig formt der Song sich irgendwie auch selbst. Der Text ist ja sehr reduziert, fast nur ein Satz. Und genau deshalb konnte sich das so in alle Richtungen entwickeln. Es ist wie eben auch das Bild des Embryos, das man mit großer Behutsamkeit behandeln will, weil es so offen und verletzlich ist – aber auch stark und in ständiger Transformation begriffen. Und ich glaube, ich habe versucht, mit größtmöglicher Wertschätzung ranzugehen. Trotzdem wollte ich mir alle Freiheiten nehmen, neue Formen reinzubringen. Und das Vertrauen war auch da – dass du, Gloria, das nicht als gewaltsame Veränderung siehst, sondern spürst, dass ich wirklich liebevoll mit dem Material umgehe. Man verbringt ja viele Stunden damit, so einen Song in Einzelteilen durchzuhören. Und irgendwann kennt man ihn so gut von innen heraus, dass man fast wieder von innen nach außen damit arbeitet. Vielleicht ist das genau das, was dann im Remix hörbar wird.

In dem Song – und auch in eurer Arbeit daran – steckt für mich so eine Haltung, Dinge zu recyceln, weiterzuführen, statt ständig Neues zu produzieren. Das steht ja total im Kontrast zu dem Tempo, das gerade in der Musikszene oft herrscht: Fünf EPs pro Jahr, jedes Jahr ein Album – dieser ständige Outputdruck. Wie steht ihr dazu? Ist dieses Weiterschreiben für euch auch eine Art Gegenimpuls?

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Anto Sophia Manhartsberger: Diese Tendenz ist ja auch eine sehr neoliberale – dieses ständige Neues-Machen-Müssen. Ich kenne das auch als eigenen Gedanken. Früher habe ich oft gespürt: Wenn Leute immer das Gleiche machen, dann wirkt das faul oder unkreativ. Vielleicht hat mich das sogar persönlich getroffen, weil ich dachte, ich müsste mich auch dauernd verändern, um im Rennen zu bleiben. Es hat bei mir in mancher Hinsicht wirklich gedauert, bis ich aktiv hinterfragt habe, was da eigentlich für Haltungen in mir drin sind und woher sie kommen.

Du meinst Meinungen, die man sich aneignet, ohne sie zu wollen?

Anto Sophia Manhartsberger: Genau. Und das beginnt bei ganz banalen Dingen. In einem patriarchalen Umfeld hat man viel mit Vorurteilen zu kämpfen und oft übernimmt man diese ungewollt. Man denkt: Wer mit neuer Technologie nicht klarkommt, ist stehen geblieben. Wer nichts Neues macht, ist faul. Das ist total absurd – aber tief verankert. Es wird suggeriert, man wäre in einem ständigen Konkurrenzverhältnis, in dem die individuelle Leistung zählt. Und obwohl ich mich viel mit Institutionskritik beschäftigt habe, musste ich trotzdem selbst noch vieles zerlegen, um überhaupt herauszufinden, was davon zu mir gehört. Und manchmal heißt das eben auch: Der Ort, an dem ich war, ist nicht der, an dem ich bleiben kann.

Wie erlebst du, Gloria, diese Spannung in deiner musikalischen Praxis?

Gloria Amesbauer: Ich denke da oft drüber nach. Gerade beim Einstieg in die elektronische Musik – du hast ja nicht wie bei einem herkömmlichen Instrument einfach etwas, das du dir einmal kaufst und dann 20 Jahre übst. Es gibt so viel Equipment, das du dir theoretisch holen könntest, und ich bin da natürlich auch anfällig. Ich denke dann oft: Wenn ich das noch hätte, könnte ich diese und jene Idee umsetzen. Ich musste mir richtig beibringen, mit dem zu arbeiten, was ich habe, und auf das zu vertrauen, was ja bereits da und in mir vorhanden ist. Also mit meinen eigenen Skills, mit den Mitteln, die gerade verfügbar sind. Und dann vielleicht punktuell mal etwas vertiefen – ein Programm, ein Instrument, was auch immer. Aber die Möglichkeiten zu reduzieren, war für mich ein wichtiger Schritt. 

Neulich habe ich gelernt, wie man Socken stopft – und ich habe ein riesiges Loch in meiner Lieblingshose geflickt. Das war so ein gutes Gefühl! Ich habe tagelang über nichts anderes geredet. Diese Hose hatte ich jahrelang geliebt, und dann war sie gerissen – und plötzlich hatte ich sie zurück, ein bisschen verändert, aber wieder tragbar. Es war, als hätte ich eine neue Superkraft und den Kapitalismus besiegt. Und genau das will ich auch in meiner musikalischen Arbeit kultivieren: mit dem arbeiten, was da ist. Wir alle haben ein Handy, auf dem man sich irgendeine Synth-App laden kann. Und daraus kann man einen Spielplatz machen. Etwas, das Spaß macht. Und dann frage ich mich: Warum mache ich das eigentlich? Warum produziere ich Musik? Mit welcher Haltung?

„MIT DER ZEIT HABE ICH GEMERKT, DASS ES DEN WENIGSTEN ERNSTHAFT DARUM GEHT, DIE STRUKTUR ZU VERÄNDERN, SONDERN DARUM, ALLE MÖGLICHST GUT IN DER STRUKTUR EINZUFÜGEN.”

Diese Frage finde ich zentral – warum mache ich Musik? Nicht: Wie komme ich weiter? Sondern: Was macht es mit mir?

Gloria Amesbauer: Ich möchte mich nicht mehr von kapitalistischen Erwartungen leiten lassen, die dann zu generativen und faden Ergebnissen führen. Von diesen absurden Anforderungen des Musikbusiness. Wie du sagst – der Teufel Spotify erwartet, dass du jede Woche eine neue Single raushaust. Und wenn du das nicht machst? „Tja, selber schuld, wenn du nichts verdienst.“ Und dabei geht dann sämtliche Kreativität und Tiefe verloren. Sich davon zu lösen, ist so wichtig. Ich will Kunst machen, weil ich Lust darauf habe. Weil ich spüren will, dass da etwas Echtes entsteht. Vielleicht will ich etwas sagen, vielleicht auch gar nicht immer  – aber ich will, dass die Praxis und der Weg dorthin bewusst passieren und Sinn ergeben. Und dass ich selbst Gänsehaut dabei kriege.

Ihr unterrichtet ja auch beide – verändert das den Blick auf diese Themen?

Anto Sophia Manhartsberger: Ja, sehr. Das Unterrichten hat mich stark damit konfrontiert, wie sehr bestimmte Strukturen wirken – vor allem eben auch in künstlerischen Kontexten. Gleichzeitig hat es mir gezeigt, wie wichtig es ist, die eigenen Erfahrungen diesbezüglich weiterzugeben und Räume für andere Perspektiven zu öffnen, wie etwa das Kollektive zu betonen oder individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen. Als ich selbst studiert habe, war die Uni anfangs ein großes Geschenk: Wir hatten Zugang zu Studios und Technik, konnten sie  einfach verwenden, wann wir wollten  – das war ein riesiges Privileg. Die Ideen und Vorstellungen, die diskutiert wurden, haben sich progressiv angefühlt. Aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es  den wenigsten ernsthaft darum geht, die Struktur zu verändern, sondern eher darum, alle möglichst gut in die Struktur einzufügen. Und oft  wird genau das, was eigentlich als kritische Haltung gedacht ist, dafür vereinnahmt – Diese Ambivalenz beschäftigt mich sehr, sie begegnet uns vielerorts. 

Bild der Künstlerin Auto Sophia
Auto Sophia © Helena Manhartsberger

Ich finde auch, das sind keine rein politischen Fragen im Sinne von „Welchen großen Impact hat meine Arbeit?“ – sondern ganz persönliche Fragen. Fragen, wie man sich als Person zur eigenen Arbeit verhält.

Anto Sophia Manhartsberger: Eben. Dieser Bezug zum Selbst geht so oft verloren. Und das ist ja eigentlich das Ironische: Kunst soll etwas nach außen kehren – etwas Politisches, etwas Persönliches – und oft wird durch die Institutionalisierung der Kunst und künstlerischen Bildung  genau dieser Prozess blockiert. Oder unterbrochen.

Ich finde es schön, dass du das so direkt deinen Studierenden mitgibst.

Anto Sophia Manhartsberger: Um das genauer zu formulieren: Dieses ganze System der  leistungsorientierten Kunstproduktion – zielt eigentlich darauf ab, eine entkörperlichte Figur zu schaffen, vor allem in der digitalen Kunst. Als erstrebenswertes Ideal. Und alles, was an echten Bedürfnissen, Emotionen und Verletzlichkeit da ist, wird ausgeklammert. Du sollst zwölf Stunden durcharbeiten können, funktionieren, produzieren. Wenn du das schaffst, hast du dich im Game bewiesen. Aber das ist eigentlich die banalste Form von Manipulation. Diese Logik ist nichts anderes als systematisches Gaslighting: Dir wird eingeredet, dass deine Bedürfnisse nicht real sind, sondern ein Mangel an Disziplin. Dieser Mechanismus, diese Rhetorik dient der Erhaltung struktureller Diskriminierung.   

Gloria Amesbauer: Das zeigt sich auf so vielen gesellschaftlichen Ebenen. Als Person mit ME/CFS, einer chronischen, aber unsichtbaren Krankheit, ist man ja auch ständig mit der Legitimation der eigenen Bedürfnisse beschäftigt. Und eine der größten Herausforderungen daran ist, dass nicht nur andere einem nicht glauben, sondern man beginnt selbst, sich nicht mehr zu glauben.

„ES IST EIN HARTER JOB, SICH SELBST ZU GLAUBEN.”

Gloria Amesbauer: Sich selbst zu gaslighten. Quasi: „Gestern hattest du doch eine Probe, zwei Treffen – wieso kannst du heute nicht aufstehen? Du musst wohl faul oder dumm oder wasauchimmer sein“ 

Ich habe neulich ein Video geteilt von einer Ärztin, die selbst CFS hat. Sie spricht darin über den medizinischen Begriff von „Heilung“ – und was er eben nicht bedeutet. Sie sagt: Die Aufgabe der Medizin wäre es, den Zustand vor der Erkrankung wiederherzustellen. Aber bei vielen chronischen Krankheiten, steht die Schulmedizin an und spricht von „Unheilbarkeit“. Man lernt nur, sich anzupassen und wird mit der Verantwortung komplett allein gelassen. Eine Person hat mir daraufhin geschrieben, dass das auch für sie so ein starkes Thema ist – dieses “Nicht-gehört-werden”. Ich erlebe das bei jedem einzelnen Arztbesuch. Auch wenn die Menschen nett sind, gehe ich raus und habe das Gefühl: Ich wurde eigentlich nicht wirklich ernst genommen. Und das führt dazu, dass ich mir selbst auch nicht mehr glaube. Meiner Meinung nach ist es kein Zufall, dass so viele FLINTA*s, Migras oder POCs chronische Krankheiten haben. Weil das ja alles Personengruppen sind, die quasi einen Doktorabschluss darin haben, sich selbst nicht zu glauben. Es gibt ja mittlerweile sogar Studien, die zeigen: Viele dieser chronischen Nervensystemerkrankungen stehen in direktem Zusammenhang mit Trauma. Das Nervensystem rebelliert nicht „einfach so“. Es ist ein harter Job, sich selbst zu glauben. Immer wieder.

Vielleicht ist das ja die nächste Track-Idee.

Anto Sophia Manhartsberger: Ja, gern! Und ganz unabhängig davon: Ich will auf jeden Fall weiter mit dir arbeiten, Gloria, gern auch wieder ein Remix.

Gloria Amesbauer: Unbedingt! Ich würde auch gerne selbst mal wieder einen machen. Einfach Spuren bekommen und daraus ein neues Haus bauen.

Deshalb haben wir Lieblingslieder – nicht, weil wir in der Geschichte der Künstler:innen leben, sondern weil sie einen Ton treffen, der mit unserer eigenen Geschichte resoniert.

Anto Sophia Manhartsberger: Total. Auch wenn wir jetzt das Thema ganz schön gesprengt haben …

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Wir haben dem Thema so viel Raum gegeben, wie es braucht – und es gäbe noch viele weitere Ebenen. 

Gloria Amesbauer: Vielleicht nur noch ein Gedanke zum Abschluss dieses Strangs: Für mich hängt das stark mit dem Gefühl zusammen, im eigenen Körper gefangen zu sein. Aus dem eigenen Körper nicht fliehen zu können. Alles wirkt schon vorgegeben – und irgendwann merkt man, dass man sich selbst gar nicht richtig kennt. Obwohl man mit sich selbst ja die meiste Zeit verbringt.

Anto Sophia Manhartsberger: Ja. Absolut. 

Vielleicht kehren wir jetzt wieder zu etwas Ästhetischerem zurück: Ihr habt ja auch ein Musikvideo zum Remix gemacht. Wie kam das zustande?

Gloria Amesbauer: Für mich war das Musikvideo fast wie eine Fortsetzung des Remix-Gedankens. Wir haben mit dem gearbeitet, was da war, haben Assoziationen in einen Topf geworfen – und geschaut, was passiert. Und dabei aufs Spüren geachtet.

Wie habt ihr euch für das Hochformat entschieden?

Anto Sophia Manhartsberger: Das war eher pragmatisch. Wir haben einen Ausflug gemacht, mit ein paar wenigen Requisiten, und alles mit dem Handy gefilmt. Eigentlich war’s ursprünglich als Instagram-Post gedacht, ein kleiner Clip. Gloria hat dann ein bisschen weiter experimentiert – und plötzlich war es ein Musikvideo. Ich war ja zu der Zeit gar nicht in Österreich, sondern in Brasilien. Ich habe dort den ersten Schnitt gemacht, ihn an Gloria geschickt – und Gloria hat weitergearbeitet. Es war fast so ein internationaler Schnitt. Und von Anfang an war da dieses Grundvertrauen: Wir machen das jetzt einfach. Wir müssen nicht die beste Idee der Welt haben – sondern mit dem, was wir haben, etwas Schönes entstehen lassen.

Und wie geht es jetzt weiter? Was hat dieses gemeinsame Projekt mit euch gemacht – getrennt oder zusammen?

Gloria Amesbauer: Ich glaube, in der Musikszene ist es so: Wenn man Leute öfter sehen will, muss man sich mit ihnen Arbeit ausmachen.

Anto Sophia Manhartsberger: Ja, darüber haben wir indirekt eh gesprochen. In diesem Sinn  wäre es noch schöner, wenn wir auch abseits davon mehr Zeit miteinander verbringen.

Gloria Amesbauer: Das machen wir!

Ansonsten: Wir haben mit Glam vor etwa einem Jahr angefangen, an einer EP zu arbeiten – und das war das erste Mal, dass wir zu dritt – gemeinsam mit Aras Levni Seyhan und Markus Schneider – komponiert haben. Normalerweise mache ich ja viel alleine, aber diesmal war es wirklich ein kollektiver Prozess. Und jetzt kommt sie endlich bald raus! Zwei Singles werden noch vorher veröffentlicht, inklusive Videos – die erste schon am 24. April – und im Juni erscheint die EP. Ich freue mich schon sehr, das abzuschließen. Ansonsten komponiere ich derzeit auch noch für ein spannendes Opern-Projekt, das macht sehr viel Spaß. 

„ICH FINDE ES RICHTIG SCHÖN ZU SEHEN, DASS WIR GUT ZUSAMMENARBEITEN KÖNNEN.”

Und was sonst noch so kommt – das bleibt fürs nächste Mal?

Gloria Amesbauer: Genau. Es gibt noch ein paar Dinge im Herbst, aber da ist noch einiges nicht fix. Wie immer halt. 

Und was euch beide betrifft – schön, dass ihr euch gefunden habt.

Gloria Amesbauer: Ich finde es auf jeden Fall voll schön, dass wir durch das Projekt wieder mehr voneinander gehört und gesehen haben. Ich hoffe sehr, dass das so bleibt. Ich schätze unsere Freundschaft total – und ich finde es auch richtig schön zu sehen, dass wir gut zusammenarbeiten können.

Anto Sophia Manhartsberger: Ja, voll! Das hat wirklich Spaß gemacht. Ich würde sofort wieder mit dir zusammenarbeiten – und gerne auch noch mehr direkt im Prozess gemeinsam machen.

Was steht bei dir als Nächstes an, Anto?

Anto Sophia Manhartsberger: Ich bin gerade mit zwei Freunden an einem Projekt namens „Console“. Wir bauen eine mobile solarbetriebene Containerbühne, die diesen Sommer beim Kultursommer Wien zum ersten Mal im Währinger Park zum Einsatz kommen wird.

Oh wow, das klingt richtig spannend!

Anto Sophia Manhartsberger: Außerdem mache ich gerade die Musik für „Orlando“ am Landestheater Innsbruck. Daneben arbeite ich an einem Stück fürs Klangspuren Festival in Tirol. Thematisch geht es um medizinisch-technologische Normierungen: diese Idee, dass Gesundheit, Glück und Funktionalität zur Pflicht werden. Es geht also um die zunehmende Normierung des Körpers und den Druck, zu funktionieren – und wie das eigentlich Ungleichheiten verstärkt, anstatt sie abzubauen. Im Stück soll das dann auch in etwas Absurdes kippen – mit dem Ziel, kreative Wege zu entwickeln, wie man mit Abweichungen umgehen und sie sich selbstbestimmt aneignen kann.

Wollt ihr mir zum Schluss noch sagen, ob ihr auch live spielt demnächst – vielleicht im Rahmen des neuen Releases?

Gloria Amesbauer: Ja, es wird im Juni ein paar Konzerte zum EP-Release geben. Fix sind derzeit der 26. Juni in Graz und der 28. Juni in Wien, worauf wir uns schon sehr freuen. Im August spielen wir dann auch mal in Kärnten beim Mühlenrauschen Festival. Alles Weitere kann man über Social Media erfahren.

Habt ihr noch etwas, das euch gefehlt hat? Irgendwas, das ihr gern noch loswerden wollt?

Anto Sophia Manhartsberger: Nein, eigentlich nicht. Wir haben über viel geredet, womit ich gar nicht gerechnet hätte – das ist alles recht tief gegangen, und das hat mich sehr gefreut.

Gloria Amesbauer: Ja, danke dir, dass du das mit uns gemacht hast. 

Die Standard-Pressefragen kann dann jemand anderes stellen.

Gloria Amesbauer: Stimmt. So Sachen wie: „Warum nennst du dich eigentlich Auto Sophia?“

Ok, jetzt interessiert mich das aber auch …

Anto Sophia Manhartsberger: Das war damals bei diesem Musikseminar, wo wir zusammen waren. Ich habe überall einfach „Anto“ drauf geschrieben, weil das mein Rufname ist – auf Kabel, Laptops, alles. Und irgendwann hat jemand gefragt: Wer ist eigentlich „Auto“? Und das hat sich dann so festgesetzt, dass ich an dem Tag DJ Auto wurde.

Das ist eine gute Geschichte!

Gloria Amesbauer: „Glam“ war übrigens mein Kürzel, als ich beim Roten Kreuz gearbeitet habe. Ich habe die Doppelbedeutung damals gar nicht gecheckt – mein Team hat mich erst darauf aufmerksam gemacht.. Und irgendwann merkte ich: als Projektname passt es eigentlich echt gut!

Ich finde es auch sehr passend! Danke vielmals für die Zeit. 

Gloria Amesbauer: Danke dir! 

Anto Sophia Manhartsberger: Danke euch!

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Ania Gleich

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