Der multiinstrumentale Song-Nerd – Christoph Richter im mica-Interview

Mit “Audioexile” debütiert der junge St. Pöltner Multiinstrumentalist Christoph Richter in Longplayerform auf Couch Records. Einst Tastenmann bei Vickerl Adams Hallucination Company, hat Richters Tonträger mit besagter Combo in etwa gar nichts gemein. Geprägt von einer unglaublichen Bandbreite zwischen Singer/Songwritertum, Frenchpop und knackigem Funk, erscheint Audioexile dennoch aus einem Guss. Johannes Luxner hat nachgefragt.

Hört man sich “Audioexile” an, ist ein gewisser Bruch mit dem bisherigen Repertoire von Couch Records feststellbar. Wer hat hier wen gesucht? Das Label dich oder du dir das Label?

Christoph Richter: Der Weg zu Couch Records war eigentlich ein eher unspektakulärer und klassischer. Ich hab einfach ein Demo mit fünf Nummern produziert und hab die auch nur an drei österreichische Labels geschickt: G-Stone, Sunshine und Couch Records. Letztere haben sich am schnellsten zurück gemeldet. Witzigerweise hab ich mein Demo mitten im Juli losgeschickt, wann eigentlich jeder Urlaub macht. Und hab zu dem Zeitpunkt eigentlich noch gar keine Email-Adresse gehabt, das ist jetzt fünf Jahre her. Couch Records hat dann zurück geschrieben, es gefällt ihnen sehr gut, aber ich soll mich im Herbst wieder melden wenn alle wieder da sind. Das war der Weg zu Couch Records.

Du hast ja bereits zwei Singles am Label veröffentlicht …

Christoph Richter: Die zwei Singles die ich bis jetzt auf Couch Records rausgebracht hab, sind schon elektronische, tanzbare Musik, die eher dem Label entsprechen. Relativ lange Tracks, sehr Beat betont, sehr Bass lastig. Mit dem Album das jetzt rauskommt möchte ich mich zwar nicht von der Elektronik verabschieden, aber sie eher hinten anstellen, weil mir in CD Länge vor allem das Songelement extrem wichtig ist. Dass es so etwas gibt wie eine Strophe, einen Refrain oder vielleicht einen dritten Teil – dass die Nummern nicht zu lange dauern. Ich bewundere Sechziger- Siebzigerjahremusik, wo die Nummer – bei den Beatles etwa – nach zwei Minuten aus ist, aber damit auch schon alles gesagt ist. Das ist für mich eigentlich die große Kunst.

Der Promowaschzettel besagt, dass du Geschichten erzählen willst. Siehst du dich in einer gewissen Singer/Songwritertradition?

Christoph Richter: Mehr oder weniger. Aber nicht klassisch mit Westerngitarre, sondern mit dem Synthesizer. Ich glaub das trifft es eh am besten.

“David Bowie ist einer meiner Götter”

Am Album sind unglaublich viele Stile vertreten, klingt aber dennoch wie aus einem Guss: War das der große ursprüngliche Masterplan oder hat sich das im Lauf der Arbeit einfach so ergeben?

Christoph Richter: Ich würde sagen, sowohl als auch. Mir war es schon wichtig einen Stilmix auf die Platte zu bringen, weil ich mich auch nicht wirklich festlegen mag. Auf der anderen Seite ist es natürlich auch schwer mich zu kategorisieren: Da sind sehr wohl düstere melodische Popsongs drauf, dann gibt’s wieder wirkliche Funk-Disco-Four-to-the-Floor-Klassiker. Es ist mir persönlich sehr wichtig weil ich auch als Musiker in verschiedenen Stilrichtungen beheimatet fühle. Und es ist mir wichtig nicht zu viele ähnliche Sachen zu machen. Das ist auch ein Ding, das ich an Künstlern die mir persönlich sehr gut gefallen schätze: David Bowie ist einer meiner Götter. Da klingt kein Album so wie das vorherige. Das bewundere ich sehr stark und möchte diese Tradition so gut es mir möglich ist natürlich fortführen.

Bei so vielen Stilen: Wo siehst du deine musikalischen Grenzen?

Christoph Richter: Ich tu mir mit der Definition von Grenzen schwer. Eine Grenze die mir vielleicht irgendwann mal gesetzt wird, sind vielleicht kommerzielle Grenzen. Wenn das Label nicht mehr mitgehen will. Wenn ich zu sehr experimentelle oder unkommerzielle Dinge produziere. Oder lass es uns so formulieren: Das Stück Little E, bei dieser Nummer hab ich am meisten Bauchweh gehabt: Absolut kein Beat, sehr elegische Synthesizerflächen und ich war gespannt was das Label dazu sagt. Ich war mir gar nicht sicher ob die das überhaupt auf die Platte raufbringen wollen. Und witzigerweise war die Nummer lange Zeit der Lieblingstrack von Vlado (Dzihan Anm.). Insofern: Grenzen möchte ich mir keine setzen. Wenn dann kann es sein – muss es aber nicht – dass Grenzen vom kommerziellen Sektor auf mich zukommen.

Du hast bereits Bowie und Beatles als deine musikalische Sozialisation bezeichnet. Wie sahs diesbezüglich mit der elektronischen Musik aus?

Christoph Richter: Mich hat immer schon Musik fasziniert bei der Elektronik zumindest einen Teil ausgemacht hat. Also keine reine Folk-Musik sondern Bands wie Pink Floyd, wo Elektronik nicht nur als Stilmittel, sondern bereits ins Arrangement rein greift. Dass die Nummer quasi mit der Elektronik wächst und aufgebaut wird – dass das nicht nur ein Instrument ist, das dazu gespielt wird, sondern sich die Nummer auch an der Elektronik anhält und anlehnt. Das war mir immer schon wichtig und ist auch das was ich auf der Platte verbinden wollte: Klassische Songstruktur mit Elektronik, aber dass die Elektronik nicht überhand nimmt und zu Synthesizer-lastig wird. Die erste Berührung mit Elektronik hab ich als Volksschüler aus der Plattensammlung meiner Eltern erfahren: Sgt. Pepper von den Beatles oder Platten wie Dark Side of the Moon. Diese Verknüpfung mit Songs hat mich schon damals fasziniert. Meinen ersten Synthesizer hab ich dann mit zehn Jahren bekommen, das war ein alter Roland Synthesizer. Und dann ist es weiter gegangen mit Joe Zawinul, bei dem mir sehr gut gefällt wie er den Synthesizer einsetzt. Er war einer der Ersten der erkannt hat, dass man einen Synthesizer nicht so spielt wie ein Klavier. Sondern, dass man sich von der Spielweise her immer dem Sound anpassen muss, den man am Instrument ausgewählt hat. Er hat das wirklich als erster verstanden und kunstvoll umgesetzt. Ich würd sagen, dass das auch ein großer Einfluss für mich als Keyboarder ist.

Bist du ein Nerd, was deine Instrumente betrifft?

Christoph Richter: Absolut. Man läuft aber immer Gefahr, dass man Sklave seines Equipments wird. Der Plan ist es, für die zweite LP einfach das ganze Equipment, das ich für die erste Platte verwendet habe, auszutauschen. Weil man läuft Gefahr, dass man ähnliche Sounds nimmt, in ähnliche Spielweisen zurückfällt und da möchte ich mich selber auch davor bewahren. Also, dass ich die Instrumentierung komplett umdreh. Mal schauen obs mir gelingt, weil das natürlich auch ein finanzieller Aufwand ist. Aber es stimmt schon. Ich bin ein ziemlicher Jäger und Sammler. Egal ob Ebay oder andere Internetauktionen, es ist ja relativ einfach an gut erhaltene analoge Keyboards heranzukommen. Wie gesagt, man muss aber aufpassen, dass man nicht alles wo Moog draufsteht super findet.

Du hast auf deiner Platte alle Instrument selbst eingespielt …

Christoph Richter: Es ist Segen und Fluch. Segen insofern, weil man eigentlich nur sich selber Rechenschaft schuldig ist, warum das jetzt so klingt. Sprich: Ich muss mich jetzt nicht, wie in einer Band, behaupten und sagen “machen wir das so” und dann kommt womöglich die ewig lange Diskussion. Ich finde es ist ein ganz schnelles Arbeiten. Und ein sehr konzentriertes Arbeiten. Fluch insofern, weil man natürlich keinen Austausch hat. Man sitzt Stunden, Tage, Wochen und Monate lang an einer Nummer, in mühsamer Kleinarbeit verändert man auch noch das Arrangement und hat dann nach einer gewissen Zeit keine frischen Ohren mehr. Zwangsläufig wird man dann auch – zumindest geht’s mir so – ein bisschen wunderlich. Wenn man isoliert im Studio Stunden lang sitzt und herumschraubt. Und man hört eine Nummer Millionen Mal. Deswegen auch der Albumtitel Audioexile. Das ist für mich eine selbst gewählte Isolation bzw. ein selbst gewähltes Exil, bis ich alle Instrumente selbst eingespielt hab. Es ist auch so, dass ich Instrumentalisten wie Prince oder Lenny Kravitz sehr sehr gut finde, die ja ähnlich Musik machen und wo’s auch ganze Alben gibt, auf denen die zwei Herren alles selber eingespielt haben.

Wie wird dann die Live-Umsetzung aussehen?

Christoph Richter: Live wird das ganze mit Band stattfinden. Und zwar mit einem Schlagzeugerund einem Bassisten. Die sind mal fix. Und ich möchte gern switchen:Dass ich bei einer Nummer Keyboard und Synthesizer spiele, vielleichtauch Percussion – eine andere Nummer dann an der E-Gitarre. Also, dassman das auch Live mitverfolgen kann, dass ich Multiinstrumentalist binund das auch Live so umsetzen und präsentieren mag. Was auf jeden Fallauch stattfinden wird ist, dass die Nummern Live anders klingen als aufPlatte, weil’s eben andere Musiker präsentieren werden. Außerdem findeich, dass bei Studiomusik ganz andere Gesetze gelten, als bei einerLive-Geschichte. Das möchte ich mit den Mitmusikern erreichen: Dass esnoch lebendiger, noch homogener wird.

Link:
Couch Records