Verkauf durch Klang: Internationale Automobilhersteller setzen auf Max Kickinger ebenso wie ein russischer Babywindelhersteller, der Kristallkonzern Swarovksi oder eine große österreichische Optikkette. Max Kickinger ist seit fünf Jahren hauptberuflich in Sachen Soundbrandings tätig. Mit Johannes Luxner sprach der 28-Jährige gebürtige Bayer mit Wohnsitz Wien über die intuitive Erfassbarkeit von Marken, das Ende des Loudness War und Musik als Erinnerungsmaschine.
Soundbranding wird zwar immer bedeutender, gilt aber nichtsdestotrotz noch als Nische. Wie und mit welchem Hintergrund verschlägt es einen in dieses Segment?
Max Kickinger: Wenn man anhand des Professionalisierungsgrades misst, nimmt Soundbranding, also der Markenaufbau mit Musik, erst in den letzten fünf Jahren konkrete Formen an. Einen genauen Grund warum es mich als Musiker in die Werbung und dabei in so etwas Spezielles wie Soundbranding gezogen hat, gibt es nicht wirklich. Ursprünglich komme ich als Gitarrist aus der instrumentalen Ecke und habe das auch immer als Vehikel betrachtet um mein Leben zu finanzieren, auch wenn es dabei ebenso darum geht Spaß zu haben und hin und wieder einen Gig zu spielen. Ich habe etwa als Sideman in Kommerzbands gespielt und dabei irrsinnig viel gelernt. Und da sind wir schon beim Kern: Als professioneller Anbieter muss man vom eigenen Geschmack zurücktreten können, um die Musik in den Dienst des Kunden zu stellen. Das fällt mir leicht. Wenn du im Soundbranding tätig bist, bist du eben ein Komponist, der auch für eine Marke strategisch denken kann. Schließlich muss der Kunde mit meinem Produkt etwas verkaufen. Eine Marke verkauft zwar nie über die Musik alleine, doch sie ist Teil davon. Je mehr ich mit meinem Soundbranding im Dienst der Unternehmung handle, desto mehr profitiert die Marke davon.
Inwiefern hat die eigene musikalische Prägung einen Einfluss auf die Tätigkeit?
Max Kickinger: Lediglich über Umwege: Ich bin ein Kind der frühen 1990er: Guns ’n’ Roses und Konsorten. Damals war ja Metal und insbesondere diese Fiedlerecke angesagt. Es ging um Virtuosität auf der Gitarre: Metallica, Extreme oder etwa Dream Theater. Ich habe mir das letztens wieder mal angehört, und mittlerweile verstehe ich die Leute die damals meinten, das sei Musikermusik. Ich versteh die Dinge zwar noch, die ich damals gehört habe und finde das nach wie vor beeindruckend. Heute berührt mich diese Musik weniger als damals. Aber es ist auf jeden Fall eine Erinnerung an eine Lebensphase da. Und das ist etwas, das auch für eine Marke interessant ist: Erinnerungen zu schaffen, Dinge im Episodengedächtnis hervorzurufen. Wenn meine Zielgruppe heute 40-jährige sind, ist es in Sachen Soundbranding interessant zu hinterfragen was die wohl mit Anfang Zwanzig gehört haben. Eine von vielen Überlegungen, die man bei Soundbrandings anstellen kann.
Nun ist die Gitarre eine tendenziell vernachlässigbare Größe was Soundbrandings anbelangt. Welcher Produktionsmittel bedient man sich und inwiefern steckt in deinem Fall eine einschlägige Ausbildung dahinter?
Max Kickinger: Ich habe Multimedia-Art bei Gianni Stilleto in Salzburg studiert. Das war eine großartige, sehr experimentelle Zeit. Damals bin ich mit einem stark vordefinierten Bild von Musikproduktion in das Studium gegangen. Plötzlich habe ich Dinge wie „Synthese“ oder Begriffe wie „autogenerative Musik“ kennengelernt. Vieles davon war mir zunächst ein Rätsel, doch im Endeffekt eine umso wertvollere Horizonterweiterung. Natürlich geht mittlerweile hinsichtlich der Produktionsmittel vieles über den Rechner. Doch wenn ich einen eigenständigen Sound erzeugen will, dann brauche ich auch Elemente außerhalb dieser Klangwelten. Eine Library kann schließlich jeder kaufen. Doch es kommt darauf an, in welcher Kombination ich die Sounds einsetze, damit das Ergebnis so klingt wie es klingen soll: unverwechselbar. Man muss eine gewisse Eigenständigkeit finden.
Wie macht man nun eine Profession daraus und auf was kommt es an?
Max Kickinger: Ich bin aus dem Studium rausgegangen und habe mir die klassische Frage gestellt: So, was jetzt? Und ich musste bemerken: Hey, da draußen wartet niemand auf mich.
In einem künstlerisch ausgerichteten Studium lernt man allerdings nur peripher sich die richtigen geschäftlichen Fragen zu stellen. Zunächst wollte ich mit einem Freund in Richtung Filmproduktion gehen. Wir dachten da in Kategorien wie: Welche Kamera, wie viele Festplatten und mit welchem Programm schneiden wir? Das alles ist auch sehr wichtig. Doch die erste Frage muss lauten: Wo bekomme ich meine Kunden her? Wie kriege ich die Kunden dazu, das gut zu finden, was ich mache bzw. wie schaffe ich das Bedürfnis nach meinem Produkt? Und: wie viel Wert kann ich mit meinem Produkt schaffen, dass es dir andere auch abnehmen. Bevor du das nicht weißt, brauchst du nicht beginnen Rechner und Ausrüstung zu kaufen. Ich musste erst lernen, dass das Geschäftliche eine Beziehung darstellt. So wie ich die musikalischen Tools lernen musste, musste ich auch das Business von Grund auf lernen.
Soundbranding unterliegt gewissen Rahmenbedingungen. Wie groß ist der kreative Spielraum tatsächlich?
Max Kickinger: Fast jede Marke gibt in der Gestaltung einiges vor. Ich würde zum Beispiel für Kaffeewerbung nicht unbedingt Heavy Metal nehmen. Das Schöne an diesem Feld ist jedoch, dass es von Kundenseite meistens kaum konkrete Vorstellungen gibt was eine Musikstrategie ist. Das liegt sicher auch daran, dass Soundbranding eine recht neue Sache ist. Dafür herrscht meistens viel Erklärungsbedarf. Oftmals bin ich in der Situation, dass es sich bei meinem Beruf ausschließlich um Soundtracks zu Werbefilmen handelt. Dass die Musik an sich eine Strategie zum Aufbau der Marke sein kann, muss man oft erst vermitteln. Deshalb findet das Experimentieren meistens in einer sehr frühen Phase des Soundbrandingprozesses statt, später wird es immer fokussierter. Mit einem Soundbranding-Prozess ist das Ziel wegzugehen von reinen Geschmacksdiskussionen: man legt vier Musiken vor und dann geht’s los: „Ich mag keine Trompeten, Klavier erinnert mich an Künstler XY, den mag ich nicht …” Doch wenn du jedoch vorher versuchst die Probleme des Kunden zu verstehen, und die Strategie des Soundbrandings so ausrichtest, dass der Kunde davon einen Mehrwert hat, dann bist auch du von Mehrwert für den Kunden. Wie eingangs erwähnt: Du musst sowohl Komponist als auch strategischer Berater sein.
Bei soviel strategischem Denken: Kann man dabei überhaupt noch die Leidenschaft für die Musik bewahren? Besonders im Privaten?
Max Kickinger: Leidenschaft ist für mich auch in der Berufswelt eine zentrale Sache, die man sich trotz all dem Strategischen bewahren kann. Die gefühlte Qual, wenn man zunächst überhaupt nicht weiß, wohin es nun musikalisch gehen soll, ist durchaus als leidenschaftlicher Prozess zu sehen, weil es in mir viel Leiden schafft (lacht). Das lässt mich innerlich durchaus unruhig werden. Doch das Gefühl gibt’s in kreativen Sparten überall. Ich höre in letzter Zeit erstaunlich viel klassische Musik, um eine starken Gegenpol zum meist popmusikalischen Kontext der Soundbrandings zu haben. In der Werbung hört man ja meistens New Age artige Sachen und keine wirkliche Klassik. Was meine musikalische Leidenschaft betrifft, mag ich Gabriel Fauré als Komponisten wahnsinnig gerne. Fauré war jemand dem vorgeworfen wurde für die damalige Zeit sehr einfache Stücke geschrieben zu haben. Eines meiner Lieblingsstücke ist sein Requiem. Da wird eine Orgel mit einem Chor geführt, und die Streicher werden von der Orgel aufgefangen und umgekehrt. Musikalische Ideen rein in der Struktur der Musik zu suchen, ist etwas das mir wahnsinnig viel Spaß macht – doch so grotesk es klingen mag: das ist eher als Hobby von mir zu betrachten, das mache ich leidenschaftlich gerne. Im Beruf ist es aber immer ein auf und ab: Manchmal zerbricht man sich den Kopf mehr, dann wieder weniger, und dann gibt es wieder einen richtigen Flow.
Stichwort Loudness War: Inwiefern ist die Diskussion um Lautheitspegel bzw. Schalldruckpegel für dich im Soundbranding ein Thema? Vordergründig ohrenschmeichelnde Kompressorsounds sind ja längst von der Werbe- auf die Musikindustrie übergeschwappt …
Max Kickinger: Es ist mittlerweile in beiden Bereichen ganz extrem geworden. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir durch die Bank einen Dynamikbereich von -6 dB RMS erreicht haben. Was heißt, dass hier de facto keine Dynamik mehr drinnen ist – wir haben also eine relative Skala absolut ausgereizt. Deshalb muss man sich fragen, wie man den Konsumenten abseits von Lautheitspegeln von einer musikalischen Sache überzeugt? Wie bringe ich den Leuten nahe, dass sie Musik in bestmöglicher Umgebung hören? Und was die Werbung angeht, muss man sich die Frage stellen, warum die Leute ein Produkt tatsächlich kaufen. Es geht nicht mehr darum, der Lauteste zu sein. Das wird sich aber nicht von heute auf morgen ändern.
Ich habe unlängst eine Studie zum Thema MP3 vs. Losless Codec gelesen. Es wird ja einer jungen Generation nachgesagt, dass sie den MP3-Sound besser findet als jenen von hochaufgelösten CDs, weil MP3s verzerren und gewisse Frequenzen auslassen, was eben den Ohren schmeichelt. Doch diese Studie besagt wiederum, dass je besser ich ein Stereofeld abbilden kann, desto größer die positive Valenz zu dieser Musik ist. Die Studie behauptet also genau das Gegenteil: Es gefällt den Leuten besser, wenn sie höher aufgelöste Musik in einer guten Umgebung hören. Das ist ja logisch. Wenn man ein Stück, das man gerne hat, z.B. im Konzerthaus anhört, dann hört man andere Dinge als auf einer Aufnahme. Es berühren einen andere Dinge und andere Phrasen, die auf einmal viel weiter vorne stehen. Es gibt eine Tiefenstaffelung, die es so auf einer CD nie geben kann. Genauso ist es mit dem Verhältnis von MP3 zu AIF oder mit Musik von Vinyl: Da geht es sehr stark um Wahrnehmungspsychologie.
Was macht ein Soundbranding nun zum guten Soundbranding?
Max Kickinger: Ein gutes Soundbranding muss im Dienst einer Marke stehen, es muss musikalisch flexibel sein. Es geht darum, sicher zu stellen, dass die Marke erkannt wird, wenn ich sie höre. Dafür gibt es verschiedene Techniken und Tools. Das beginnt bei ganz kurzen Soundlogos, die jetzt immer mehr Firmen verwenden. Es gilt auch: Je einfacher ich arbeite, desto besser ist es. Wobei man sich vor Augen halt muss, dass ein Soundlogo nie und nimmer alle Firmenwerte abbilden kann. Ein gutes Beispiel für ein gelungenes Soundlogo ist die Telekom mit ihrem knappen, prägnanten Morsesignal.
Ein Logo ist ein Link zu einer Firma. Beim Lacoste Logo z.B. denke ich nicht an Zoo oder Wildnis, sondern an die Marke. Dabei bildet das Krokodil keinen Markenwert von Lacoste direkt ab. Genau so muss ein Soundlogo funktionieren. Je mehr ein Logo die Firmenwerte abbildet, umso besser ist das natürlich. Alles reinzupacken geht aber nicht. Auch muss ein Soundlogo in vielen verschiedenen Kanälen wiedererkennbar bleiben und es darf keine Firmenwerte untergraben. Dann habe ich bereits viel erreicht.
Gibt es so etwas wie eine Soundbranding-Community? Inwiefern ist diese Nische vernetzt?
Max Kickinger: Die Geburtsstätte ist auf jeden Fall Deutschland. Das meiste zentriert sich rund um Hamburg, weil dort die Urväter zuhause sind. Es gibt dort auch die Audiobranding-Acadamy, die ABA, die ein jährliches Treffen in Form einer Konferenz veranstaltet, das zwei Mal in Hamburg und zuletzt in New York stattgefunden hat. In Österreich ist die Szene noch überschaubar, doch jene Firmen die strategisches Soundbranding anbieten, werden auch hier immer mehr.
Foto Max Kickinger: Christian Salic