Hinter MIEUX verbergen sich die beiden in Wien stationierten Musiker Christoph Prager und Felix Wolfersberger. Das seit 2012 aktive Duo legt mit seinem gerade erschienenen Album „Rulers“ ein buntes Album vor, das quer durch die Genres und die Instrumentenbank wandert, und dabei vielschichtige Texturen und bunte Klangfarben mit versierten rhythmischen Elementen zu einem poppigen Amalgam vermengt. Shilla Strelka traf die beiden Produzenten zu einem Interview.
Ihr seid beide eigentlich mit Hip-Hop sozialisiert. Finden sich noch Einflüsse dieses Genres in eurer aktuellen Arbeit?
Christoph Prager: Absolut! Wir sind da aber keine Nostalgiker, wir lassen auch viele moderne Produktionstechniken aus dem Hip-Hop einfließen – sofern man das heutzutage noch so klar trennen kann.
Felix Wolfersberger: Ja, meine ersten Produktionen waren im Grunde Hip-Hop-Produktionen. Gewisse Produktionstechniken sind daher auch geblieben.
Könntet ihr das näher ausführen?
Christoph Prager: Ich glaube, das was früher als Hip-Hop oder elektronische Produktionsweise gegolten hat, ist heute eine ziemlich universelle Herangehensweise. Ich würde das eher als Aufhebung der Trennung von Songwriting und Produktion sehen. Bei uns geschieht das immer gleichzeitig, weil ja viel Songwriting durch Sound passiert. Diese Herangehensweise kommt, soweit ich es beurteilen kann, aus dem Hip-Hop und den elektronischen Genres, deswegen der Bezug darauf.
Habt ihr eigentlich eine klassische musikalische Ausbildung hinter euch?
Christoph Prager: Nein, nicht wirklich. Bis auf ein paar Bass-Stunden und der Musikschule während dem Gymnasium, habe ich keine klassische Ausbildung.
Felix Wolfersberger: Ich habe meine musikalischen Basics als Kind auf Blockflöten und Klavier gelernt.
Solo-Produktionen finden sich in der elektronischen Musik am häufigsten, Duo-Konstellationen sind da eher selten. Wie ist es zu zweit zu arbeiten? Ausschließlich inspirierend, oder bringt das auch Probleme mit sich?
Christoph Prager: Ich habe in Mieux meinen musikalischen Happy-Place gefunden. Man könnte sagen, “we keep each other honest”, ohne uns gegenseitig zu beschränken, und das schätzen wir aneinander.
Felix Wolfersberger: Ja, ich finde es auch weitestgehend inspirierend, weil wir beide beim Musikmachen recht unterschiedlich denken, uns daher recht gut ergänzen und uns gegenseitig anstoßen.
Seid ihr noch solo aktiv?
Christoph Prager: Nope.
Felix Wolfersberger: Ich bin solo auch nicht mehr aktiv, aber ab und zu in anderen Konstellationen.
„Wir hatten in der Vergangenheit manchmal eine Tendenz zu Darkness“
Der Release hat eine ziemlich euphorische Note. Aber inwiefern reflektiert er auch auf die Gegenwart? Oder geht es da nur um persönliche Emotionen, die ihr übersetzt?
Christoph Prager: Das ist extrem schön zu hören, dass das so ankommt. Wir hatten in der Vergangenheit manchmal eine Tendenz zu Darkness, auch weil es kompositorisch manchmal schneller ging, an einen bestimmten Vibe oder eine gewisse Deepness ranzukommen. Wir kommen da heute, glaube ich, zu interessanten Stimmungen, ohne an Tiefe zu verlieren. Dass du das als euphorisch wahrnimmst, finde ich interessant.
Ich habe das Gefühl, dass zahlreiche Tools bei euch zum Einsatz kommen, auf jeden Fall ist eure Soundauswahl sehr heterogen. Könnt ihr vielleicht ausführen, mit was ihr arbeitet?
Felix Wolfersberger: Das freut mich, dass es als heterogen empfunden wird. Es war uns auch sehr wichtig, alles zu einer Soundwelt zu verschmelzen, in die man auch auf Albumlänge eintauchen kann. Es sind nicht besonders viele Tools, es hat viel mehr mit der Soundauswahl zu tun und mit dem Einsatz der Sounds. Wir haben z.B. viel E-Bass von Christoph aufgenommen, der aber immer in ganz unterschiedlicher Form auftritt. Manchmal als Rhythmusinstrument, manchmal als E-Bass oder auch als Harmonie und auch immer anders effektiert, um ihn in die Soundwelt zu integrieren.
„Wenn man dann auf experimentelle Spielarten von Jazz stößt, ist man auch mit Polyrhythmik konfrontiert.“
Woher leitet ihr eigentlich eure hörbare Begeisterung für Polyrhythmik ab?
Christoph Prager: Das kommt vielfach durch ein “offenes” Musikhören. Wenn man dann auf experimentelle Spielarten von Jazz stößt, ist man auch mit Polyrhythmik konfrontiert. Ich glaube, eine Begeisterung dafür ist dann essentiell, um sich mit so einer Art von Musik weiter beschäftigen zu wollen. Diese Begeisterung im Kontext des eigenen Musikmachens dann weiterzuführen, ist für mich nur logisch, ohne da je bewusst darüber nachgedacht zu haben.
Felix Wolfersberger: Bei mir kommt die Begeisterung vom Hören und dem Verinnerlichen. Es ist etwas, das sich sehr analytisch wahrnehmen lässt, gleichzeitig kannst du es auch einfach auf dich wirken lassen, und es ist beides sehr schön – auch die Reibung, die dadurch entsteht.
In eurem Pressetext steht, dass ihr vom Afrofuturismus von Sun Ra beeinflusst seid. Inwiefern schlägt sich das nieder?
Christoph Prager: Ja, bin ich Fan! Da gibt es einige Dinge, die bei uns hineinspielen: dass der Sound immer eine gewisse Offenheit transportiert. Von Sun Ra gibt es ja selten ganz klare Aussagen. Aber auch die Entfremdung von bestimmten Instrumenten spielt bei ihm eine Rolle. Da gibt es diese Nummer, die auch Africa Hitech gesampelt haben – Sun Ra Quartet featuring John Gilmore: „The Sky Is A Sea Of Darkness When There Is No Sun To Light The Way“. Da spielt er Klavier und Bass. Ich habe eine Ewigkeit gedacht, da spielt ein Bassist und soliert so cool, dann bin ich irgendwann draufgekommen, dass Sun Ra da am Synthie Bass spielt. So haben wir mit der Rollen-Treue von Instrumenten auch auf „Rulers” oft gebrochen.
Ihr behauptet dann jedoch auch, dass ihr euch möglichst von Referenzen lösen wollt, um euch einen quasi naiven Raum der Kreativität zu schaffen. Ist euch das gelungen? Lässt sich bewusst naiv sein?
Christoph Prager: Dieses Spannungsfeld wollten wir genau mit dem Titel „Rulers“ abdecken. Auf der einen Seite „Rulers“ im Sinne von Herrschern in Form unserer persönlichen Vorbilder und musikalischen Einflüsse. Auf der anderen Seite „Rulers“ als Werkzeug zum Vermessen. Das heißt, ständig unsere Position zu diesen Autoritäten hinterfragen und neu vermessen. Als ich vor ein paar Wochen eine neue Nummer gemacht habe, dachte ich mir, die klingt ziemlich nach Mieux 2015 – insofern nimmt das dann auch kein Ende, auch nicht vor dem ganz persönlich erzeugten Referenzrahmen.
Das ist jetzt euer erstes Album auf Affine Records. Warum der Labelwechsel und wie fühlt ihr euch da aufgehoben? Ihr seid ja durchaus in guter Gesellschaft.
Christoph Prager: Es war ja nicht wirklich ein Labelwechsel, da wir bis auf einige Ausnahmen unsere Musik hauptsächlich selbst released haben. Jemand dritten, in dem Fall Jamal von Affine Records, mit ins Boot zu nehmen, fand ich extrem befruchtend. Das hat uns sehr geholfen – musikalisch und darüber hinaus.
Felix Wolfersberger: Ja, wir waren bis auf ein paar Ausnahmen auf uns selbst gestellt und hatten uns zu zweit da auch ganz gut organisiert. Bei diesem Release hat es sich aber sehr gut ergeben, mit einem Label zusammenzuarbeiten. Jamal hilft uns vieles nochmal anders durchzudenken.
Wie beeinflusst seid ihr von Labelkollegen wie Dorian Concept? Der positive Vibe in euren Produktionen erinnert mich irgendwie auch an ihn.
Christoph Prager: Ich bin Dorian Concept Fan, definitiv – ganz unabhängig von Label Zugehörigkeiten.
Felix Wolfersberger: Ich habe Oliver [Thomas Johnson; Anm.] über MySpace kennengelernt, das zu der Zeit eine Plattform für viele junge Leute war, die sich musikalisch ausprobiert haben. Da ist so eine Art Movement entstanden. Man hat sich dort ausgetauscht, gemeinsam Skype-Musikproduktionssessions über den ganzen Globus hinweg ausgemacht. Das hat sich dann aber auch lokal niedergeschlagen – es wurden Parties organisiert und man hat sich gegenseitig gebucht. Ich erinnere mich noch sehr gut an Abende beim Elektrofachadel in Salzburg – Shoutout für Jakob und alle, die da mitgemacht haben -, wo Dorian Concept auch regelmäßig gespielt hat. Die Zeit hat mich sehr inspiriert und diese Neugier und das Experimentieren von damals trägt mich immer noch.
Ihr verschmelzt in euren teils sehr unterschiedlichen Nummern zahlreiche Genres – Pop spielt definitiv eine Rolle, weiters Spielarten aus dem Bass-Spektrum, Techno und House, Disco und Grime. Hört ihr privat auch querbeet?
Christoph Prager: Absolut querbeet – ich finde es eigentlich weird, wenn jemand sagt, ich höre nur XYZ.
Felix Wolfersberger: Ich höre auch sehr viel unterschiedliche Musik und das hat bestimmt auch sehr viel meinem jugendlichen Interesse an Hip-Hop zu tun. Das war die erste Musik, mit der ich mich intensiver auseinandergesetzt habe und verstehen wollte, wie man so etwas macht. Von dort aus gab es viele Verzweigungen – Stichwort Sampling – in unterschiedliche Genres, die man dann entdeckt hat.
Auf eurem Album treten auch zwei Gastmusiker*innen auf. Wie habt ihr Laura Groves und Cadell gefunden?
Christoph Prager: Mit Laura Groves wollten wir eigentlich schon seit Jahren kollaborieren. Bei dem Instrumental war uns dann schnell klar, dass da jemand drüber singen muss, und es war uns auch sofort klar, dass sie das sein muss. Das alles hat auch dann sehr gut geklappt. Bei Cadell haben wir uns durch eine Liste an Young Grime Talents gehört, die Jamal sich von Salute geholt hat. Jamal meinte, er fände, das Instrumental würde sich gut für Vocals eignen. Wir haben dann, jeder einzeln, so Top-Lists angefertigt und Cadell war da bei uns allen auf Platz 1.
Vielen Dank für das Gespräch!
Shilla Strelka
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