„Das Schöne ist, dass alle Unterschiedliches mitbringen. “ – LEA‘S APARTMENT im mica Interview

Eine Kurzgeschichte über die Liebesbeziehung dreier Menschen, erzählt in farbenfrohen, tanzbaren und zugleich berührenden Nummern, genau eine solche findet sich auf „What are you doing in Belgrade?” (WERK Music), dem Debüt des Musiker*innen-Kollektivs LEA‘S APARTMENT. Der Sound, den die Band in ihren Songs zu Gehör bringt, ist geprägt von einer ausgesprochen großen musikalischen Vielfalt, die sich zu wunderbaren Spannungsbögen formt und wirklich viel Stimmung in sich trägt. Im Interview mit Michael Ternai erzählten CHILI TOMASSON, JUKA und JAKOB WAGNER über die Idee zu diesem Projekt, ihre offene musikalische Ausrichtung und das Aufregende an der Arbeit im Kollektiv.

Wie ist das Projekt Lea‘s Apartment eigentlich entstanden? Auf welcher Idee basiert diese Band?

Juka: Vor allem auf einer gemeinsamen. Wir haben immer wieder darüber gesprochen,in welchem Rahmen man zusammen Kunst bzw. Musik machen kann. Wir haben überlegt, wie man sich dabei gegenseitig unterstützen kann und wie es wäre, kollektiv zu arbeiten. Lange Zeit waren das abstrakte Gedanken, die in unseren Köpfen herumgeschwirrt sind. Irgendwann im Frühjahr dieses Jahres saßen wir gemeinsam im Park und Chili hat uns gefragt, ob wir nicht ein Konzert mit ihm spielen möchten. Das führte dazu, dass unsere Idee recht spontan und sehr plötzlich konkret wurde. Zwei Monate später standen wir dann schon gemeinsam auf der Bühne. Dieser Konzertabend hat dann das Projekt Lea’s Apartment sozusagen besiegelt.

Das heißt, das Album ist im letzten halben Jahr entstanden? Das ist aber schon recht flott.

Chili Tomasson: Das stimmt zum Teil. An dem Grundkonzept des Albums und der Geschichte die erzählt wird, habe ich weitaus länger geschrieben. Aber die letztendliche Umsetzung ist sehr, sehr schnell passiert. Wir hatten das Studio für eine Handvoll Tage gebucht, ich hatte jede Menge Zettel und Skizzen und ein Chaos im Kopf. Dann kamen all diese wunderbaren Musiker*innen und wir haben begonnen Ideen umzusetzen.

Jakob Wagner: Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass Chili, Juka und ich eigentlich schon etwas länger zusammenarbeiten. Nicht in der Form, wie wir es jetzt tun, aber das gemeinsame Interesse an Kunst war von Anfang an da.

Chili Tomasson: Wahrscheinlich beginnt unsere Geschichte insofern doch etwas früher und nicht alles ging so flott, wie es auf den ersten Blick erscheint. Julia Gradl, Jakob Weinhäupl und Jakob Willner haben mit mir schon in mehreren Formationen und Projekten gespielt. Fabian hat Stevo mitgebracht; woher ich Fabian kenne, kann ich wirklich nicht mehr sagen. Matthias Wetzelhütter war zufällig zu Beginn der Aufnahmesessions im Studio – aus ganz anderen Gründen eigentlich – aber er hatte Zeit und ist bis zum Ende der Sessions geblieben. Letztendlich hat er dann nahezu die komplette Gitarrenarbeit des Albums übernommen.

Jakob Wagner: Juka und ich haben Chili auf einer Lesung kennengelernt, und begannen sehr bald, gemeinsam an Arrangements zu arbeiten. Ich habe damals vorwiegend für Orchester komponiert, meine Musik war bis dahin eher in der Klassik verortet. Unter anderem habe ich mit Herbert Pixner zusammengearbeitet und Orchester-Arrangements für die Symphonic Alps Tour geschrieben.

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Damit erklärt sich für mich ein wenig der Sound, der durch den Einsatz von Bläser*innen auch etwas leicht Orchestrales entfaltet. War die Ausrichtung im Sound immer schon klar?

Chili Tomasson: Nein. Vieles wurde während des Arbeitsprozesses entschieden. Ich hatte eine vage Idee, aber vorerst keine konkrete Vision. Juka, Fabian, Jakob und ich haben vor den Aufnahmen viel über Ausrichtungen und Rahmen gesprochen. Es war relativ schnell klar, was wir nicht wollten. Streichinstrumente zum Beispiel. Dafür aber Blechbläser*innen. Bei den ersten Aufnahmen der Rhythmusgruppe wurde viel improvisiert. Wir haben um die Songs herumgespielt und probiert. Alle Musiker*innen kamen mit viel Input. Das war bestimmt auch sehr prägend für den Sound des Albums. Also diese gewisse Spontanität im Spiel.

Jakob Wagner: Die Bläser-Sections wurden aber über sehr weite Strecken ausnotiert. Das war notwendig und hat auch vieles erleichtert. Bei den Sessions waren auch immer wieder Musiker*innen anwesend, die sich davor noch nie gesehen hatten. Trotzdem waren sie mehr als Session-Musiker*innen. Der Kollektivgedanke ist unter anderem auch aus diesem Umstand heraus entstanden. Es ermöglicht auch, dass wir bezüglich der Besetzungen flexibel bleiben. So bleibt es immer spannend, wo es die Band musikalisch hinträgt und welche neuen Möglichkeiten sich daraus ergeben. Weg von der Idee einer Band im engeren Sinne, wo sich alles doch in einer geschlossenen Struktur abspielt, hin zu einem offenen Ansatz. Im Moment ist es so, dass es eine Kerngruppe an Menschen gibt, die besonders in den letzten Monaten sehr eng zusammengearbeitet haben. Gleichzeitig gibt es auch Personen, die zwar nicht unmittelbar in der Kerngruppe arbeiten – also quasi die Orga-Arbeit und Konzeptionen nicht miterarbeiten – aber zu anderen Zeitpunkten und an anderen Stellen sehr intensiv an sehr essentiellen Elementen unglaublich viel beitragen.

Bild Lea`s Apartment
Lea`s Apartment (c) Barbara Rohringer

Ihr habt erwähnt, dass ihr alle vor Lea‘s Apartment eigentlich noch nie zusammengespielt habt. War es leicht zusammenzufinden?

Juka: Ja, erstaunlicherweise sehr schnell sogar. Ob es wirklich klappen würde, konnten wir im Vorhinein nicht wissen. Mit Chili, Fabian und Jakob bin ich schon über Jahre hinweg befreundet, also lange vor dem Projekt. Das gemeinsame Musikspielen stand bis zu diesem Album nie im Vordergrund. Es war bereits eine Basis vorhanden, was die Vorstellungen von Kommunikation untereinander betrifft, und wir teilen ähnliche Betrachtungen von Kunst und ihrem Stellenwert. Aber das garantiert natürlich trotzdem nicht, dass auch das gemeinsame Musikmachen funktionieren würde. Umso schöner war es dann, als wir die ersten Proben im April hatten – Stevo habe ich zum Beispiel erst hier kennengelernt – und wir immens schnell zusammengefunden haben.

„Unsere Konstellation befördert bei allen Stärken und Interessen zu Tage, die bisher teilweise unentdeckt geblieben sind.“

Haben bei Lea‘s Apartment alle dieselben Möglichkeiten, sich mit Ideen einzubringen?

Jakob Wagner: Ja, definitiv. Das Schöne ist, dass alle Unterschiedliches mitbringen. Manche bringen Lieder, manche Rhythmen und manche Bass-Lines. Die Positionen und auch die Erfahrungen und Skillsets sind verschieden. Teile der Band haben jahrelange Konzerterfahrung. Das hat uns vor allem bei unseren ersten Proben sehr geholfen.
Ich komme ja eher vom Schreiben und habe daher die meiste Zeit bei meinen Konzerten im Publikum verbracht. Meine Performance bestand darin, nach dem Konzert aufzustehen und mich zu verbeugen. Aber gerade diese verschiedenen Skillsets, die sich auf Menschen verteilen, auf die man sich verlassen kann und die ihre Positionen gut ausfüllen, funktionieren gemeinsam überraschend gut. Dass ich jetzt auch auf der Bühne stehen kann, finde ich großartig.

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Juka: Unsere Konstellation befördert bei allen Stärken und Interessen zu Tage, die bisher teilweise unentdeckt geblieben sind. Dass zum Beispiel die Bühne ein total schöner Ort für mich ist, das habe ich mir vor Lea’s Apartment nicht vorstellen können.Wenn jemand etwas ausprobieren will, dann ist dafür der Raum da und alle versuchen, sich dabei so gut wie möglich gegenseitig zu unterstützen.

Chili Tomasson: Ich denke auch, dass ein zentrales Element – quasi ein Schlüssel dieses Projekts – der Umstand ist, dass alle Musiker*innen immer etwas mitbringen. Sie tragen verschiedene Zugänge, Erfahrungen, Fähigkeiten in einen Arbeitskontext. Und alle haben ihre Qualitäten, brillieren in irgendetwas. Ich denke, das Wichtigste ist, die Überschneidungspunkte der einzelnen Perspektiven auf Kunst bzw. Musik zu finden. Wenn du diese Überschneidungen gefunden hast, dann funktioniert’s. Dann entstehen schöne Momente – und aus manchen dieser Momente werden vielleicht auch Alben.

Den Eindruck, den ich beim Durchhören der Lieder auch gewonnen habe, ist, dass sie sehr viel Freude, eine optimistische Schwingung transportieren. Auch wenn es textlich vielleicht auch mal trauriger wird. Es wirkt auch so, dass ihr beim Spielen der Songs von einer echten Leichtigkeit beseelt seid.

Jakob Wagner: Was unser Spiel betrifft, habe ich den Eindruck, dass hier Menschen zusammengekommen sind, die irrsinnig gut miteinander funktionieren. Das ist etwas sehr Wertvolles und Besonderes und wahrscheinlich kommt daher auch diese Leichtigkeit. Ich habe schon oft erlebt, dass – selbst wenn Leute technisch brillant sind und handwerklich auf dem höchsten Level spielen – es an Kommunikation im Spiel mangelt. Es fehlt das Gemeinsame. Aber genau das haben wir. Insofern denke ich, sind wir wirklich auf einem sehr, sehr guten Weg. Das ist absolutes Glück.

Chili Tomasson: Wir wollten auch kein schweres Album machen. Wir wollten keine großen Probleme thematisieren. Wir wollten Musik machen, die nicht bedrückt. Etwas Kleines, Geschichten die sich als Geschichten genügen – Lieder, die in vielen Räumen und Rahmen spielbar sind: Aufgrößeren Bühnen, im Theater, auf Festivals und in kleinen Clubs. Außerdem sollte es schon auch Rock`N`Roll sein. Ich denke hierher kommt die Leichtigkeit. Inhaltlich erzählen die Lieder Alltagsmomente von drei Personen, die ihre Liebesbeziehung zueinander verhandeln. Und das hat Höhen und Tiefen. Diese Höhen und Tiefen werden auch musikalisch verhandeln.

Juka: Das Schöne an diesem Intimen und Kleinen, das verhandelt wird, ist, dass dann trotzdem diese großen Themen – seien es politische oder gesellschaftliche – in diesem Privaten gespiegelt werden, ohne, dass wir uns explizit auf aktuelle Geschehnisse beziehen. Das führt ja doch auch manchmal zu einem eigenartigen Pathos. Den wollten wir auf jeden Fall vermeiden. Ich denke, dass uns das auf diese Weise gelungen ist.

Bild Lea`s Apartment
Lea`s Apartment (c) Barbara Rohringer / Das Werk Wien

Ihr versteht Lea‘s Apartment ja auch als ein kunstspartenübergreifendes Projekt. Wie kann man sich das vorstellen?

Chili Tomasson: Ich denke das Projekt Lea’s Apartment bietet auf jeden Fall Raum, nicht ausschließlich musikalisch zu arbeiten. Alles steht noch sehr am Anfang. Wir wissen noch nicht, wohin das alles führt, aber wir haben viel vor.

Juka: Erst kürzlich ist ein neues Musikvideo zu “Sunburned Windows to a late July”, zum letzten Song vom Album, erschienen. Daran habe ich die letzten Wochen mit Herzblut gearbeitet. Eigentlich komme ich von der Fotografie, das Medium Film hat mich aber schon jahrelang sehr interessiert; der Respekt davor war jedoch immer zu groß, ich konnte keinen passenden Rahmen finden. Jetzt habe ich hier den Raum bekommen, um mich auszuprobieren, und habe bemerkt, dass mir dieses Medium sehr große Freude bereitet, auch wenn es wirklich viel Arbeit bedeutet – aber genau das ist es, worum es auch bei Lea’s Apartment geht: das Probieren, dabei Unterstützung erhalten und in einen Dialog mit den Anderen treten zu können. Was daraus entstehen kann, ist immer offen. 

Wie sehr ist Lea‘s Apartment als ein langfristiges Projekt angelegt?

Chili Tomasson: Sehr. Also es ist definitiv als langfristiges Projekt gedacht. Seit längerer Zeit arbeiten wir auch bereits an der Fertigstellung eines weiteren Konzeptalbums. Also im Prinzip seit Jahren – aber ich möchte hier noch nicht allzu viel verraten. „What are you doing in Belgrade?“ ist uns eigentlich so ein bisschen dazwischen gekommen. Es ist passiert. Manchmal passieren Dinge einfach und es ist schön.

Jakob Wagner: Ich würde auch sagen, Lea’s Apartment und die Idee dahinter bilden das Fundament für unsere zukünftigen Projekte. Kommenden Herbst spielen wir im Zuge des Releases von „What are you doing in Belgrade?“ einige Konzerte – dann kommt der Frühling und auch da haben wir jetzt schon vieles vor, worauf wir uns freuen!

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Michael Ternai

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Lea`s Apartment live
30.09. Jazzit, Salzburg, Album Release Show
14.10. Das Werk, Wien, Album Release Show

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