Das Mindeste zum Überleben – DER VCC BLOG

Während die Salzburger Festspiele fröhlich das Sterben des reichen Mannes spielen, dürfen Clubs nichts spielen und arm sterben.

Im Jänner dachten wir, Clubkultur wird in Wien ein neues Level erreichen, wo es das Pilotprojekt Vienna Club Commission gibt. Durch Covid-19 ist das illusorisch. Noch nie war sie und all seine Akteur*innen derart in Bedrängnis. Und das nicht nur in Wien. Aus der ganzen Welt erreichen uns Meldungen, dass es um diese Orte schlecht bestellt ist, wo Menschen miteinander ausgelassen sind. Clubs trifft diese Krise am härtesten. Über Jahre wurden viele dieser Orte mühsam erkämpft, denn nur eine Handvoll haben Investoren im Hintergrund. Sie bluten derzeit aus. Sie können auch nicht einfach ersetzt, das angesammelte Know How nicht einfach wieder erlernt und die Netzwerke im Hintergrund nicht einfach wieder neu gesponnen werden. Das wird Jahre dauern.

Bundesregierung

Es braucht 100% Fixkostenzuschuss. Das ist viel weniger, als etwa Fluglinien und große Museen für sich fordern. Das ist das Mindeste, um überleben zu können. Das bedeutet nur, dass die Schulden nicht größer werden. Dass diese Maßnahme notwendig ist, diesen Appell haben wir an verschiedenste Stellen der Bundesregierung seit Anfang Juni gerichtet. Zwei Monate sind vergangen. Bisher ist außer Worte und Warten wenig passiert. Eigentlich gar nix.

Berghain

Deshalb haben wir kurzfristig eine Pressekonferenz angesetzt. Die Stimmung kippt, Betreiber*innen reden von Insolvenz, von Verschleppung, davon, dass sie sich ohne Schuld bald strafbar machen, Veranstalter*innen überlegen, sich umschulen zu lassen. Arbeitnehmer*innen sind ohnehin schon lange hoffnungslos. Der Andrang zur Pressekonferenz hat uns selbst überrascht. Fast alle relevanten Medien waren vertreten. Einzelne Akteur*innen aus der Clubkultur konnten über die aktuelle Lage berichten. Die darauffolgenden Tage gab es so viele Berichte über dieses Thema wie noch nie zuvor. Die Pandemie gefährdet nicht nur die Clubkultur, sondern rückt sie auch ins Rampenlicht. Wobei viele auf beides verzichten könnten. Clubkultur ist nicht fürs Rampenlicht gemacht. Sei es das Berghain, die Fusion, die Grelle Forelle oder illegale Raves, viele sind kamerascheu. Es gibt Ausnahmen, und zwar dann, wenn man sich nicht mehr anders zu helfen weiß. (Laurent Koepp)

Beyoncé

Innerhalb von drei Tagen haben wir die Pressekonferenz aufgestellt. Warten war keine Option mehr. Diese hat zu über 25 Berichten geführt, in Print, Online, im Radio und im Fernsehen. Einmal mehr wurde deutlich, dass der Club- Veranstaltungs- und Musikbereich ein männerdominierender ist. Das ist leider nichts Neues. The Gap hat dazu mal österreichische Festivals analysiert und kam zum Ergebnis, dass sieben von elf eine Frauenquote von unter 20% in ihrem Line-up haben. Uff, warum? Hannah Christ hat 2016 im PWMagazine die traurig, erkenntnisreiche Analyse aufgestellt, dass ausgewählte Wiener Club-Veranstalter*innen nur 9,3% weiblich identifizierte Künstlerinnen buchten, davon 1,6% als Main Act. Auch Female:Pressure gibt zum Thema regelmäßig sehr lehrreiche und umfassende Berichte heraus. In den letzten zehn Jahren hat sich einiges getan, aber nach wie vor mit sehr viel Luft nach oben. Oder um es mit Beyoncé zu sagen: “She walked in the club like nobody’s business/ She works for the money/ From the start to the finish/ And she worth every dollar“. Und damit verabschiede ich mich in meinen ersten Urlaub des Jahres. (Martina Brunner)

Babenberger Passage

Ein pralles Adressbuch war schon immer ein guter Weg, um erfolgreiche Parties zu machen. Ohne Netzwerk geht im Clubleben nichts. Das gilt nicht nur für illustre Gäste. Man braucht auch Leute, die eine Open-Air-Bühne aufstellen können, die Schallmessungen machen, die wissen, wo es in Wien Räume gibt, und Leute, die sich mit Nachhaltigkeit oder Awareness auskennen. Ein Adressbuch zu pflegen ist äußerst langweilig, aber essenziell. Wer auch immer in der Zeit nach dem Pilotprojekt in der Vienna Club Commission arbeiten wird, wird darauf zurückgreifen können. Kontakte zur Babenberger Passage: 2. Expertisen zu Nachhaltigkeit: 4. Expertisen zu Betriebsanlagen: 7. Expertisen in feministischer Clubkultur: 9. Kontakte in der Wiener Verwaltung: 32. Pressekontakte: 67. Veranstaltungsstätten: 323. Und mit den meisten von ihnen gab es direkten Austausch. (Stefan Niederwieser)

Im VCC Blog berichtet die Vienna Club Commission wöchentlich über ihre Arbeit, die damit nachvollziehbarer werden soll. Mehr zur Aufgabe und Arbeit des Pilotprojekts, das durch mica – music austria koordiniert und durch die Stadt Wien Kultur finanziert wird, findet sich hier.