Das kleine Klavier groß in Szene setzen: ISABEL ETTENAUER im mica-Porträt

Eine Pianistin, die nicht mit den späten Beethoven-Sonaten, Schubert, Chopin oder Liszt auf sich aufmerksam macht? Ungewöhnlich in einer nach Startum ausgerichteten Musikwelt. Ein Klavierstar ist ISABEL ETTENAUER nicht minder und ringsum bejubelt ebenso. Christian Heindl porträtiert die Virtuosin des Toy Pianos.

Zugegeben, vor rund 20 Jahren wäre sie wohl vor allem belächelt worden. Das Toy Piano, also im Prinzip nichts anderes als die Spielzeugversion eines „richtigen“ Klaviers, war denn auch schon seit dem späten 19. Jahrhundert genau das: ein Instrument für Kinder, auf dem diese es den Großen gleichtun und munter mehr oder minder wohlklingend Töne erzeugen konnten. Als eine Art Wendepunkt in der Historie lässt sich die Komposition der „Suite for Toy Piano“ von John Cage festmachen. 1948 entstanden, wurde damit erstmals das Spielzeugklavier in die Welt der Musik der Erwachsenen, der Kunstmusik, der Neuen Musik (jener mit dem großen „N“) eingeführt und entsprechend dem Ruf des musikalischen Bürgerschrecks aus den USA von allen Traditionalisten mit Skepsis, bestenfalls mit Humor betrachtet.

Vom Kinderzimmer in den Konzertsaal

Ein Boom an Kompositionen für Toy Piano setzte jedenfalls vorerst nicht ein. Erst ab den 1980er Jahren entstanden mit gewisser Regelmäßigkeit Stücke. Auflistungen verzeichnen als Komponisten (oft in Personalunion auch als Interpreten) Namen wie Bernd Wiesemann, Francisco Estévez, Wendy Mae Chambers, Carlos Cruz de Castro, Joachim Herbold, Louis Andriessen, Andreas Kunstein, Ratko Delorko, Christian Banasik, Moritz Eggert, Michael Denhoff, Henry Brant, Stephen Montague, Aaron Jay Kernis, Tom Johnson und als derzeit wohl fruchtbarsten Schöpfer von Partituren für das Toy Piano Karlheinz Essl.

Anders als der kleine Schroeder in der Comicserie „Peanuts“, der auf dem Mini-Klavier mit unverdrossener Leidenschaft seinen Beethoven spielte, anstatt als Vorkämpfer zeitgenössischer Töne aufzutreten, erschloss sich die Niederösterreicherin Isabel Ettenauer ganz gezielt das Toy Piano als künstlerisches Ausdrucksmittel für aktuelle Musik. 1972 in St. Pölten geboren, gilt sie als DIE österreichische Virtuosin auf dem Instrument schlechthin. Damit kein Missverständnis entsteht: Dieser speziellen Zuwendung ging ein reguläres Klavierstudium auf dem erwachsenen Klavier voraus – in Wien bei Noel Flores und Adrian Cox, in der Schweiz bei Emmy Henz-Diémand und in London bei Peter Feuchtwanger und Philip Mead. Zudem ermöglichten ihr Stipendien der renommierten Dartington International Summer School weitere Studien in Großbritannien bei Joanna MacGregor und Rolf Hind.

Konkurrentin von „Peanuts“-Schroeder

Auf durchaus offene Türen stieß sie in der Folge bei Veranstaltern mit ihren Programmen mit verschiedensten Varianten des Miniklaviers. In London gab sie bei der BMIC Cutting Edge Series ihr Toy Piano-Debüt, das prompt in den Medien zum „Pick of the week“ (Tipp der Woche) erklärt wurde. Nach zweijähriger Vorbereitung gab es 2009 gleich 15 Aufführungen von “Circus Lebasi“, einem mit dem französischen Zirkuskünstler Jérôme Thomas entwickelten Auftragswerk der damaligen europäischen Kulturhauptstadt Linz, in dem neben der Pianistin auch Zirkusmusiker und Artisten sowie 100 Metronome mit György Ligetis legendärem „Poème Symphonique“ von 1962 Platz fanden.

Ettenauer-Auftritte sind auch hinsichtlich der dabei genutzten Ausrüstung ein Erlebnis: „Wenn die österreichische Pianistin Isabel Ettenauer die Konzertbühne betritt, hat sie oft ein halbes Dutzend Toy Pianos und einen Laptop dabei, mit dem sie die Töne manipulieren, überlagern, verdichten, verfremden kann. Neuste digitale Elektronik geht bei ihr wunderbar mit den glockenhellen Tönen der Toy Pianos zusammen.“ (Christoph Wagner in: WOZ, Nr. 35/2012 vom 30. August 2012, www.woz.ch/1235/das-toy-piano/mysterioese-klangschachteln)

Spielfeld für Komponisten

Ein neues Instrument, eine neue Formation bzw. spezifisch für neue Werke aufgeschlossene Musiker ziehen fast immer rasch auch entsprechende Neukompositionen nach sich. Im Fall Isabel Ettenauers war dies nicht minder der Fall. Allein für ihr Projekt „The Joy of Toy“ entstanden mehr als 40 neue Stücke, u. a. von Stephen Montague, Henry Brant, Manuela Kerer, Karlheinz Essl, Tom Johnson, Otto Lechner, Tomi Räisänen und Franz Danksagmüller. Für ihre gleichnamige Debüt-CD (edition eirelav 001, 2005) mit neun der für sie komponierten Stücke erhielt sie 2006 den „Pasticcio“-Preis des ORF/Ö1. Eine weitere CD mit Werken für Spielzeuginstrumente und Elektronik des leidenschaftlich von den Möglichkeiten dieser Kombinationen angetanen Karlheinz Essl erschien im Vorjahr („whatever shall be“, edition eirelav 002, 2013).

Großes Interesse finden Ettenauers Workshops, die sie zunächst für Komponistinnen und Komponisten anbot, 2012 bei der Internationalen Sommerakademie der Wiener Musikuniversität erstmals auch für junge Pianistinnen und Pianisten. Für jene war es weniger das Instrument selbst, als manche der progressiv-experimentellen Partituren, die zunächst eine Hemmschwelle bildeten und die es rasch abzubauen galt. Dass auch eine künstlerisch-pädagogische Tätigkeit in der Arbeit mit Kindern Ausdruck findet, versteht sich – war Ettenauer selbst doch schon in jüngsten Jahren vom Toy Piano begeistert, noch ehe sie das „richtige“ Konzertinstrument erlernte.

Einer ihrer letzten Auftritte 2014 führte Isabel Ettenauer nach Hamburg, wo sich Ende September Toypianisten, Komponisten und eine interessierte Zuhörerschaft im Rahmen der Veranstaltung „Non-Piano/Toy Piano Weekend“ zu Vorträgen rund um das Toy Piano trafen und sich mit bereits bewährten wie völlig neuen Stücken auseinandersetzten.

Christian Heindl

Foto: Christine Ettenauer

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