„DAMIT LADEN WIR INFORMATIONEN MIT WERT AUF“ – FRÄNK ZIMMER (SOUNDING FUTURE) im mica-Interview

„Nicht so schlecht“, findet FRÄNK ZIMMER den Output seiner neuen Online-Plattform SOUNDING FUTURE. Der Medienkünstler und musikprotokoll-Kurator meint damit: fast 50 Artikel in Feature-Länge, die seit Anfang des Jahres erschienen sind. Musiker:innen wie Electric Indigo, Christof Ressi oder Katarina Gryvul haben Texte geschrieben. Man findet solche über das elektroakustische Handwerk, verschiedene Hörübungen oder 3D-Audio und Gaming. Außerdem ist SOUNDING FUTURE eine Informationsdrehscheibe für Open Calls, Tutorials und den Kanon der Klangkunst. Was aus der Plattform weiter werden könnte und was es dafür braucht, hat FRÄNK ZIMMER erklärt.

Sounding Future: Ist das klingende oder klangvolle Zukunft?

Fränk Zimmer: Na ja, einige Leute haben mich auch schon darauf hingewiesen, dass man es gar nicht in der Einzahl formulieren dürfte. Schließlich könne man nicht nur von einer Zukunft sprechen – egal wie sie klinge. Der Begriff future soll aber ein Trigger sein: Es geht hier um etwas, das über das hinausgeht, was wir jeden Tag konsumieren.

Weil Sound Zukunft sein soll?

Fränk Zimmer: 2024 ist jedenfalls der richtige Zeitpunkt, sich dieser Frage über eine Plattform wie Sounding Future zu nähern. Dazu muss man wissen: In meinem zweiten Leben arbeite ich für das ORF musikprotokoll. Ich setze also Ideen anderer Menschen um. Das künstlerische Experiment und der Weg zu einem musikalischen Ergebnis steht dabei im Vordergrund – auch wenn sich die Vorzeichen ändern: Es mag Änderungen von zeitgenössischer Musik hin zur Clubmusik, experimenteller Elektronik und technischen Neuerungen wie 3D-Audio geben. Immer geht es darum, wie man mit Musik arbeiten und ihre Potenziale entwickeln kann. Sounding Future ist deshalb eine Plattform …

… auf der Menschen schreiben, die sonst produzieren.

Fränk Zimmer: Ja, weil der Prozess hinter einem Konzert mindestens so interessant ist wie das Konzert. Bei der bildenden Kunst ist es selbstverständlich, dass man meist zuerst den Begleittext liest. Bei der Musik ist das nicht der Fall. Dabei geht es um dieselben Fragen: Wie ist man zum Ergebnis gekommen? Und welche Tools hat man genutzt? Heute sitzt nämlich kaum mehr jemand Notationen schreibend am Schreibtisch. Man benutzt Technologie – egal ob man Max-Patches programmiert, eigene Synthesizer lötet oder im Schlafzimmer mit Presets produziert. 

Das zeigt schon, wie breit du diese Future denkst – auf der Plattformgibt es viele Kategorien wie Radio Art, Game Audio, Field Recordings oder Music Aesthetic.

Fränk Zimmer: Innovation und Erfindung passiert selten dann, wenn man sich nur mit Ideen auseinandersetzt, die man selbst bereits gehabt hat. Für einen zeitgenössischen Komponisten mag es zwar interessant sein, sich mit dem Harmoniezugang eines anderen zeitgenössischen Komponisten auseinanderzusetzen. Ich habe aber oft die Erfahrung gemacht, dass Inspiration für Innovation aus anderen Bereichen kommt. Bereiche, die nicht zu weit, allerdings auch nicht zu nah an meinen eigenen sind. Deshalb beschäftigt sich die Plattform nicht nur mit 3D-Audio, sondern auch Sound Art, Künstlicher Intelligenz und so weiter. 

„breathing space“ von Clara Oppel
„breathing space“ von Clara Oppel

Von welchen Innovationen sprechen wir?

Fränk Zimmer: Etwas Neues im installativen Bereich war zum Beispiel: mit dem Handy GPS-gesteuert an bestimmten Locations Events auszulösen. Das hat es nie in den Klangkunst-Mainstream geschafft, allerdings gab es einige schöne Projekte: Man konnte durch eine Straße gehen und plötzlich einen Sound hören; weitergehen und einen anderen hören. Spannend ist auch die Veränderung innerhalb der Komposition, beispielsweise durch „Max4Live“. Producer aus dem Techno arbeiten damit ebenso wie Komponist:innen zeitgenössischer Musik. Dadurch verändert sich der Zugang. Waren elektroakustische Musiker:innen vor einigen Jahren noch beschränkt auf akademische Zirkel, reißt die Blase – es kommen Leute dazu, die andere Hintergründe und Ideen mitbringen. 

Du hast vorhin auch KI erwähnt.

Fränk Zimmer: Ja, wir stecken da mittendrin. Und zwar in unterschiedlichsten Bereichen. Michael Wagner hat beispielsweise über Plattformen geschrieben, die den Kompositionsprozess nicht nur unterstützen, sondern ersetzen. Man liefert der KI einen Prompt – wie soll das Stück klingen? – und sie setzt es um. Was bleibt, sind die persönlichen Filter und Präferenzen. Man schreibt den Prompt schließlich immer noch selbst.

Der Zugang dazu führt nicht über ein akademisches Paper, sondern in unserem Fall: Sounding Future.

Fränk Zimmer: Das ist der Anspruch der Plattform. Und er schließt alle ein. Natürlich würden wir fünfseitige Abhandlungen über die Rolling Stones eher nicht veröffentlichen, aber: Jedes Thema zu Innovation in Musik und Audio ist willkommen, solange man sich als Autor:in an ein paar formale Kriterien hält.

Bisher haben fast 50 Musiker:innen wie Karlheinz Essl, Natasha Barrett oder Félix Blume veröffentlicht. Wie erreichst du Autor:innen?

Fränk Zimmer: Am Anfang steht der direkte Kontakt. Manches entsteht aber auch durch zufällige Entdeckungen. Aktuell unterliegt das noch stärker meiner, ich sage mal, spezifischen Kuration. Allerdings ändert es sich bereits, weil mehr Künstler:innen, Wissenschaftler:innen und Komponist:innen auf die Plattform aufmerksam werden. Und sich bei uns mit neuen Themen melden.

„Los Grillos del Sueño“ von Felix Blume
„Los Grillos del Sueño“ von Felix Blume

Kurz zum Zaster: Auf welchen Beinen steht Sounding Future?

Fränk Zimmer: Es gab von Stadt-Land-Bund eine Anschubförderung. Ohne sie wäre die Idee schwer umzusetzen gewesen. Schließlich ist es relativ einfach, Leute vom Mitmachen zu überzeugen, wenn man ihnen etwas bezahlt. Allerdings habe ich zu Beginn auch erwähnt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, eine Plattform aufzubauen. Inzwischen ist es möglich, zweisprachig mit Übersetzungstools, authentischem Text-to-Speech und Korrekturautomatisierungen zu arbeiten.

Die KI arbeitet also konsequenterweise mit.

Fränk Zimmer: Sonst wäre Sounding Future nicht möglich, ja. Die Masse an Text wäre zu groß. Wir setzen nämlich keine Limits für Anzahl und Umfang. Deshalb ist die KI eine Redaktionshilfe, die wir nutzen – ergänzend zum menschlichen Lektorat. 

Du hast vorhin die Bezahlung erwähnt.

Fränk Zimmer: Jede:r Autor:in hat bislang 150 Euro bekommen, finanziert durch die Anschubförderung. Das Problem für Sounding Future ist aktuell aber: Wir passen nicht in Kulturförderungen, weil wir kein Kunstwerk sind. Wir sind aber auch nicht Ziel klassischer Investitionszwecke, weil die Plattform keine Cashcow ist. Damit stehen wir zwischen den Stühlen. 

Und damit auch im Idealismus der Liebhaberei?

Fränk Zimmer: Die Zukunft der Plattform hängt davon ab, wie viele Leute sie annehmen. Vielleicht erreichen wir irgendwann eine kritische Menge, um Inserate zu generieren. Die Artikel sollen jedenfalls free access bleiben. Wir wollen das Projekt lange weiterführen – und auch als Streaming-Plattform etablieren.

man-with-smartphone (AI generated  by Sounding Future)
man-with-smartphone (AI generated by Sounding Future)

Als Streaming-Plattform?

Fränk Zimmer: Wir wollen kein zweites Spotify aufmachen, sondern eine freie Anwendung für 3D-Audio made in Graz ermöglichen. Diese Anwendung würde handson, im Browser und zu Hause mit vorhandenen Home-Office-Tools funktionieren. Das Problem ist bislang aber auch hier die Position zwischen den Förderstühlen und damit: das Geld. Ich bin aber zuversichtlich, weil das Projekt Potenzial hat. Schließlich hören mehr Leute Musik, als darüber zu lesen. Außerdem verbinden wir die Stärken der Plattform mit dem künstlerischen Output: Man hört und bekommt gleichzeitig Infos zu Ursprung und Entstehung. Damit laden wir Informationen mit Wert auf. Deshalb sind wir seit Ende Juni aktiv auf der Suche nach Sponsoren für unseren 3Daudiospace

Danke für das Gespräch!

Christoph Benkeser

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