„Dafür brauchst du Elefantenohren“ – ELENA KAKALIAGOU im mica-Porträt

Es lässt wohl niemanden kalt, wenn ELENA KAKALIAGOU ins Horn bläst oder berückende Lieder singt. Ersteres war nicht immer so. Sie hatte zunächst Klavier studiert – bis sie mit zwei Studienfreundinnen auf die Idee kam, zum Spaß ein zweites Instrument auszuprobieren. Oboe und Fagott waren sofort vergeben, Bratsche interessierte KAKALIAGOU nicht, also blieb nur mehr das Horn übrig. Und dabei ist sie bis heute geblieben.

Aufgewachsen ist Elena Kakaliagou im griechischen Volos, das etwa in der Mitte zwischen Athen und Saloniki gelegen ist. Ihr Musikstudium absolvierte sie in Athen, ihren Bachelor machte sie in Graz, sie absolvierte Kurse u. a. mit dem Klangforum Wien und dem Berliner Ensemble Modern. Von dort ging der Weg weiter zur Sibelius Akademie in Helsinki. „Da wurde es mir nach drei Jahren zu dunkel“, sagt Kakaliagou. In Berlin, ihrem aktuellen Aufenthaltsort, formierte sie u. a. die Ensembles Rank und Luíss und wurde Teil des Trios Zinc & Copper von Robin Hayward (Tuba und Sinuswellen) und Hilary Jeffery (Posaune). Mikrotonales sei hier die Basis, von da aus arbeite man „mit kleinen Biegungen und erweiterten Techniken. Es geht viel um Klangfarben, alles wird mit Fortdauer der Zeit reicher“. Speziell für Haywards Sinuswellen gelte: „Da brauchst du Elefantenohren!“ Die Sinuswelle symbolisiere die reine Stimmung, anders als die Klaviatur. Ungefähr wie die Naturtonreihe werde sie körperlich wahrgenommen. „Der Körper schwingt mit.“

„Mich interessiert der Klang im Raum. Inklusive der Menschen darin, ihrer Freude und ihres Respekts.“

„Wir sind drei ziemlich unterschiedliche Individualisten“, analysiert Kakaliagou, „passen aber recht gut zusammen.“ Sie selbst spielt häufig zeitgenössische Musik, Robin Hayward ist schon lange Teil der Berliner Echtzeitmusik-Szene, Hilary Jeffery ebenso, ist aber vorwiegend in Gruppierungen improvisierter Musik unterwegs. Ein wenig viel auf einmal, findet Kakaliagou: „Gegenwärtig herrscht ein hohes Tempo in der Musik des 21. Jahrhunderts. Es gibt zu viele Inputs – gute und schlechte.“ Außerdem: „Wir müssen davon wegkommen, nur mit dem Kopf zu hören, hin zum körperlichen Hören von Schwingungen.“ Nonverbale Kommunikation, wenn sie gut funktioniere, sei jedenfalls höher einzustufen als verbale.

Vor dem diesjährigen artacts-Festival in der Alten Gerberei St. Johann/Tirol verbrachte Elena Kakaliagou mit der Klavierspielerin Ingrid Schmoliner vier Wochen als Artist in Residence, um ein gänzlich neues Programm zu erarbeiten. Herausgekommen sei dabei ein Liederzyklus, zwei davon bezogen sich auf griechische Originale, andere auf solche aus Kärnten. „Es ging uns um Volksmusik im weitesten Sinn, um ihren spirituellen und emotionellen Gehalt, um Heimat und den Verlust davon – und selbstverständlich wieder um Klangfarben“, resümiert Kakaliagou. Sie spiele überhaupt viel lieber akustisch, elektronisch unverstärkt. „Mich interessiert der Klang im Raum. Inklusive der Menschen darin, ihrer Freude und ihrem Respekt.“ Zusammen mit Schmoliner und dem Kontrabassisten Thomas Stempkowski bestreitet sie auch das Trio Para. „Hier geht es mehr um instant composing, um Jazz, Kammermusik und Improvisation“, erklärt sie. „Es sind diese schrägen Vögel, mit denen ich am liebsten spiele“, sagt sie, und schließt daraus: „Also muss ich auch ein schräger Vogel sein.“

„Ich bin es gewohnt, komplett auf mich allein gestellt zu sein.“

Berlin empfindet sie als gutes Terrain für ihre Musik, wenn auch als schlecht bezahltes. Immerhin fungiere sie seit Mai dieses Jahres als Aushilfe in Reinhold Friedls Ensemble Zeitkratzer. Das sei gut organisiert, konzertiere auf guten Bühnen und werde ordentlich honoriert. Es sei halt schwierig, von ihrer Musik die Existenz zu bestreiten.  Illusionen macht sich Kakaliagou jedenfalls keine. „Ich komme aus einem Land ohne jede Förderung“, sagt sie. „Ich bin es gewohnt, komplett auf mich allein gestellt zu sein.“ Diesen Zustand könne man halt nur mit einer großen Leidenschaft für die Musik ertragen.

Voriges Jahr schloss Elena Kakaliagou Kontakt zum Multiversal-Kollektiv, einer Gruppe junger Leute, die nach dem DIY-Prinzip Räume organisieren und die Eintrittsgelder untereinander aufteilen. Manche kommen aus der Improvisation, andere aus dem Noise, vieles werde kombiniert, miteinander ausprobiert. Man kooperiere auch international mit Verbündeten vor Ort. So habe man in Athen sowohl Clubs und Galerien als auch besetzte Häuser bespielt. Ähnlich gemischt sei das Publikum zusammengesetzt. „Die Leute spüren den Durst aller Mitwirkenden.“ Die Vielfalt ihrer Musik schlägt sich auch auf die Vielfalt der Auftrittsmöglichkeiten nieder. So sei sie in Kellern ebenso präsent wie auf Festivals. Das eine ist ihr genauso wichtig wie das andere. Kakaliagou: „Wir müssen endlich raus aus dem elitären Denken!“

Alois Sonnleitner

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