KLEZMER RELOADED feiert sein zehnjähriges Bestehen mit der Jubiläums-CD „Transmusikalische Seelenverwandtschaft“. Wie beim Musizieren agiert das Duo auch beim Interview: MACIEJ GOLEBIOWSKI und ALEXANDER SHEVCHENKO spielen sich die Worte gegenseitig zu und ergänzen einander fließend. Im Gespräch mit Isabella Andrlik ließen die beiden Musiker die letzten Jahre Revue passieren und verrieten, wieso sie sich als Energie-Vampire empfinden.
In der heurigen Saison feiert klezmer reloaded zehnjähriges Jubiläum. Wie ist es 2008 zur Gründung gekommen?
Maciej Golebiowski: Die Initialzündung waren eigentlich zwei argentinische Musiker, die mittlerweile zu guten Bekannten geworden sind: das Lerner Moguilevsky Duo. Als wir die beiden zum ersten Mal gehört haben, sind uns die Hosen runtergefallen, so unfassbar gut waren sie. Die beiden haben Klezmer so komplett anders gespielt, als wir das kannten. Da haben wir uns gedacht: Es geht auch anders!
Das heißt, Sie haben zu dieser Zeit schon gemeinsam Klezmer gespielt?
Alexander Shevchenko: Ja, viel eigentlich. Fünf Jahre davor schon bei Leon Pollak im Ensemble Klesmer Wien, dort haben wir beide uns auch kennengelernt.
Maciej Golebiowski: Durch dieses Ensemble bin ich überhaupt erst zu Klezmer gekommen, denn nie zuvor in meinem Leben habe ich diese Musik gespielt.
Alexander Shevchenko: Ich auch nicht.
Maciej Golebiowski: Unsere erste gemeinsame CD war auch sehr inspiriert von der traditionellen Klezmermusik, die wir bei Leon Pollak kennengelernt haben.
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„Spielen wir einfach für uns. Wir zwei. Ich spiele für dich und du spielst für mich!“
Und wie kamen Sie zu dem Entschluss, als Duo aufzutreten?
Alexander Shevchenko: Das ist eine längere Geschichte: In einer Garage in Niederösterreich spielten wir bei einer Ausstellungseröffnung. Es nieselte, war kalt, die Leute haben gegessen und wir sollten die Hintergrundmusik liefern. Mit der Zeit wurde uns langweilig und wir beschlossen: „Spielen wir einfach für uns. Wir zwei. Ich spiele für dich und du spielst für mich!“
Maciej Golebiowski: Und das haben wir dann auch gemacht, ohne auf die Menschen zu achten, die uns engagiert haben.
Alexander Shevchenko: Denn es hat uns sowieso niemand zugehört. Wir haben improvisiert …
Maciej Golebiowski: … wir haben die Stücke sozusagen „reloaded“.
Alexander Shevchenko: Und plötzlich, etwa nach einer Viertelstunde, haben wir gemerkt, dass die Menschen aufgehört haben zu reden, sie saßen einfach da und hörten uns respektvoll zu.
Maciej Golebiowski: Das war überwältigend! Da haben wir realisiert, dass das ein Entwicklungspotenzial hat!
Alexander Shevchenko: Wir haben nicht geprobt, uns nichts ausgemacht und so eine große Aufmerksamkeit von den Menschen erhalten. „Wie wird das erst, wenn wir proben, so richtig proben?“, haben wir uns in diesem Moment gefragt.
Maciej Golebiowski: Dieses Erlebnis hat uns dazu gebracht, es als Duo zu versuchen.
Sie hatten bereits langjährige Erfahrungen beim Spielen im Ensemble. Was macht für Sie den Unterschied zu der Arbeit zu zweit aus?
Maciej Golebiowski: Das Schöne zu zweit ist, dass wir uns sofort aussprechen und Dinge klären können. Wenn mir etwas nicht passt, sage ich es und muss es nicht noch einmal wiederholen.
Alexander Shevchenko: Und in der Musikschule von Maciej haben wir eine ideale Möglichkeit zu proben. Wir müssen nicht erst zehn Leute anrufen und fragen, ob sie können.
Maciej Golebiowski: Organisatorisch ist es viel einfacher zu zweit und wir schätzen den direkten Austausch. Wir treiben uns künstlerisch immer voran und das ist uns sehr wichtig.
Bei Ihren Konzerten ist zu merken, wie gut Sie beide aufeinander eingestimmt sind. Wie würden Sie Ihre Entwicklung in dieser Hinsicht beschreiben?
Maciej Golebiowski: Mit den Jahren haben wir eine besondere Form der Kommunikation entwickelt. Ein Beispiel dafür ist, dass wir uns das Programm nicht ausmachen müssen, sondern wir setzten uns hin und spielen. Wir haben keinen Ablauf, weil wir das Programm am Tag des Konzertes und oft auch noch auf der Bühne ändern. Ganz spontan, meist ist das abhängig von der Stimmung im Publikum.
Alexander Shevchenko: Ich spüre eine Zehntelsekunde im Voraus, was Maciej denkt, was er spielen möchte und wie er es spielen wird, und ich komme sofort mit.
Maciej Golebiowski: Das ist natürlich schön, denn ich muss nicht auf ihn achten.
Alexander Shevchenko: Weil er genau weiß, dass ich ihn unterstütze.
Maciej Golebiowski: Und das hat sich in den zehn Jahren noch verfeinert. Was uns natürlich auch weitergebracht hat, ist die Vielzahl an Stummfilmen, die wir vertont haben. Um Szenenwechsel musikalisch sekundengenau umzusetzen, sind viele Absprachen notwendig und mit der Zeit haben wir eine Methode entwickelt, die uns auch beim Arrangieren und bei Konzerten sehr geholfen hat. Lieben Gruß an Friedl Preisl, der uns immer wieder zum Internationalen Akkordeon Festival und KlezMORE Festival eingeladen hat, um Stummfilme zu begleiten!
Was waren die Meilensteine von klezmer reloaded, wenn Sie die letzten zehn Jahre im Schnellverfahren Revue passieren lassen?
Maciej Golebiowski: Nach drei Jahren haben wir unsere CD „Mahler Reloaded“ CD aufgenommen. Und dann, eigentlich durch Ö1 und Mirjam Jessa, ist Markus Simsa auf uns zugekommen. Mit ihm haben wir ein Kinderprogramm entwickelt, aus dem die CD „Klezmer für Kinder“ hervorgegangen ist.
Alexander Shevchenko: Bei unserer dritten CD „Rebbe hot hot“ haben wir uns ein bisschen weiterentwickelt. Dort haben wir sogar einen berühmten Komponisten namens Richard Wagner „verklezmert“. Und das kommt eigentlich immer gut an, vor allem in Österreich und Deutschland.
Maciej Golebiowski: In dieser Saison bringen wir eine Jubiläums-CD heraus, für die wir aus all unseren bisherigen Programmen zwei Stücke nehmen und auch einige neue hinzufügen, so beispielsweise aus unserem jüngsten Projekt, der Japan Connection. In den letzten Jahren waren wir dreimal in Japan und dort hat sich eine gute Zusammenarbeit mit unseren japanischen Freunden ergeben, von der wir nun auch Audiomaterial veröffentlichen.
Es gibt Sie beide aber nicht nur als Duo, sondern auch als klezmer reloaded extended mit dem Perkussionisten Peter Rosmanith und dem Bassisten Christoph Petschina (Bass). Erzählen Sie, wie diese erweiterte klezmer-reloaded-Besetzung entstanden ist.
Maciej Golebiowski: Für manche Veranstalterinnen und Veranstalter sind wir zu zweit doch zu klein bzw. sie wünschen sich mehrere Leute auf der Bühne und so arbeiten wir seit acht Jahren auch in dieser Viererbesetzung. Gestartet haben wir das Projekt zunächst rein instrumental. Später haben wir mit Wolfram Berger das Programm „Kriminelle Karpfen“ entwickelt und 2015 ist in Zusammenarbeit mit Erwin Steinhauer die Hermann-Leopoldi-CD „Ich bin ein Durchschnittswiener“ entstanden.
Sie haben Projekte mit vielen unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern realisiert. Wie waren Ihre Erfahrungen damit?
Maciej Golebiowski: Wir können sagen, dass wir in den letzten zehn Jahren einfach Glück gehabt haben, auf unserem musikalischen Weg immer auf ehrliche und gute Menschen getroffen zu sein. Das waren großartige Künstlerinnen und Künstler, die uns geschätzt haben und von denen wir auch einiges lernen konnten. Wir haben keine Zusammenarbeit angefangen, bei der sich später herausgestellt hat, dass sie ein Fehler war.
Alexander Shevchenko: Da haben wir wirklich Glück gehabt, denn wir kennen viele Kolleginnen und Kollegen, bei denen das nicht so gut gelaufen ist.
„Ohne Musik wären wir wahrscheinlich nie Freunde geworden.“
Die neue CD wird den Titel „Transmusikalische Seelenverwandtschaft“ tragen. Wie sieht diese besondere Form der Seelenverwandtschaft aus?
Maciej Golebiowski: Wir nennen es transmusikalische Seelenverwandtschaft, weil sie nicht nur musikalisch ist, sondern sich zwei aus doch sehr ähnlichen Regionen stammende Seelen vermischen. Die aber wiederum doch so weit auseinanderliegen und so unterschiedlich sind, dass sie nur aufgrund der Musik miteinander verschmelzen. Ohne Musik wären wir wahrscheinlich nie Freunde geworden. Es ist dieses transmusikalische Verständnis für Gefühl, für Spannung auf der Bühne, fürs Komponieren und Arrangieren, das uns verbindet.
Alexander Shevchenko: Wir haben immer gesagt: „Eine russisch-polnische Freundschaft, das geht eigentlich nicht.“ Bei uns aber funktioniert es einfach!
Maciej Golebiowski: Nur wegen der Musik.
Gab es einen besonderen Moment oder ein unvergessliches Erlebnisse auf der Bühne, an das Sie sich gerne zurückerinnern?
Alexander Shevchenko: Einige! Zum Beispiel ein Auftritt im Theater Akzent in Wien. Das war ziemlich am Anfang unserer sogenannten Karriere, eines unserer ersten Konzerte, bei dem wir bei ausverkauftem Saal einen ganzen Abend gestaltet haben.
Maciej Golebiowski: Unvergesslich war auch unser Konzert in Sendai in Japan. Der Tontechniker hat extra für uns die Decke eingerichtet und dadurch eine unglaublich gute Akustik geschaffen. In einem wunderschönen Ambiente haben wir dann vor 600 Japanern gespielt, die nicht wussten, was auf sie zukommt.
Alexander Shevchenko: Aber es hat funktioniert! [Beide lachen] Wir haben schon in verschiedenen Ländern gespielt und es kommt eigentlich immer gut an. Überall, wo wir sind, egal ob in Deutschland, Österreich, Japan, Russland oder Polen.
Haben Sie eine Erklärung dafür, wieso Ihre Musik überall „funktioniert“ bzw. gut ankommt?
Maciej Golebiowski: Unabhängig vom Stil verbindet uns, dass wir direkt von Herzen spielen. Das klingt vielleicht trivial und banal, aber die Menschen spüren einfach, dass es direkt von da [deutet auf sein Herz] nach außen geht.
Alexander Shevchenko: Sehr wichtig dabei ist, uns nicht nur zu hören, sondern uns auch zu sehen, zu beobachten, wie sich unsere Körper beim Spielen einer bestimmten Passage bewegen. Man muss unsere Augen sehen, sehen, wie wir atmen und leben.
Maciej Golebiowski: Ich glaube auch, dass das bei Livekonzerten eine große Rolle spielt, insbesondere wenn wir vor Menschen spielen, die diese Musik nicht zuordnen können und den Begriff „Klezmer“ noch nie zuvor gehört haben.
Alexander Shevchenko: Darum geht es auch nicht, sie haben Augen und Ohren und das genügt! Ich kann mich kaum an ein Konzert erinnern, bei dem unsere Musik die Leute nicht berührt hat.
Maciej Golebiowski: Manchmal hat es zwei Stücke gedauert, manchmal auch fünf, aber erreicht haben wir die Menschen immer.
„Wir sind ein bisschen wie Vampire, wie Energie-Vampire.“
Wie schaffen Sie es, bei Konzerten immer diese Energie zu versprühen, auch wenn der Tag lang war und Sie gerade auf einer anstrengenden Tournee sind?
Alexander Shevchenko: Wir sind ein bisschen wie Vampire, wie Energie-Vampire. Ganz egal, wie müde wir sind, wie lange wir gefahren sind oder unsere Instrumente geschleppt haben, wenn wir die Energie des Publikums spüren, gibt uns das Kraft. Und wir bekommen diese Energie eigentlich immer!
Maciej Golebiowski: Vampire in dem Sinne, dass wir auch auftanken können.
Alexander Shevchenko: Ein Energieaustausch sozusagen: Die Menschen bekommen unsere Energie und schenken uns ihre.
Was möchten Sie Ihrem Publikum nach zehn Jahren ausrichten? Was darf es von den klezmer-reloaded-Konzerten im Jubiläumsjahr erwarten?
Maciej Golebiowski: Wir haben recht viele treue Fans und das freut uns sehr! Wir können nur sagen: In der nächsten Saison wird es spannend! Ihr bekommt etwas Neues und Feines zu hören, etwas, was ihr vielleicht so nicht von uns erwarten würdet.
Alexander Shevchenko: Und es wird wie immer bei uns: lustig.
Maciej Golebiowski: Das sowieso!
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Isabella Andrlik
Termin:
24. April 2019 – 10 Jahre Klezmer reloaded und Gäste – Gläserner Saal, Musikverein
Link:
klezmer reloaded