Crossroads zwischen Salzburg und Litauen

Vor zwei Jahren gründete die Studentin Silvija Čiuladytė das Festival Crossroads, das am 16.11.2016 in seine dritte Runde geht und MusikerInnen aus Litauen, Österreich und anderen Ländern zusammenbringt. Philip Röggla sprach mit ihr darüber, wie es ist ein Kleinfestival zu organisieren, über die Früchte der internationalen Kooperation und den Wert privaten Engagements.

Ein Festival zu gründen – warum tut man sich das an? Aus welchem Bedürfnis heraus haben Sie sich an das Wagnis herangetraut?

Silvija Čiuladytė: Es ist in der Tat eine Menge Arbeit, und da ich es meist allein mache, nur mit einiger Hilfe von Freunden und Kollegen, ist es eine Herausforderung, die Zeit zu verwalten, während ich noch für meinen Bachelor studiere.

Alles begann im ersten Studienjahr: Ich wollte ein Stück von einem sehr guten Freund von mir aufführen, dem Komponisten Dominykas Digimas, und so fingen wir an zu reden, wie das möglich wäre, da er in Vilnius ist und ich in Salzburg. Wir entwickelten ein Konzept von einem Konzert in Salzburg, wo neben den Kompositionen der Mozarteum-StudentInnen auch sein Päckchen aufgeführt werden konnte. Das war aufregend, weil ich sein Stück ausführen konnte und er Gelegenheit hatte, hierher zu kommen und andere Komponisten und Interpreten zu treffen.

Bild von Silvija Čiuladytė
Silvija Čiuladytė (c) Janko Rašeta

Mit Hilfe des Komponisten Matthias Leboucher, der schon lange vor mir studierte und mit allen Verantwortlichen für Neue Musik-Veranstaltungen bekannt war, konnte ich ein Konzert veranstalten, in dem wir vier Stücke, darunter das Trio Dominykas, vorführten. Das war ein Erfolg und alle Beteiligten des Projektes waren sehr glücklich über das Ergebnis (auch weil die jungen Komponisten nicht so viele Möglichkeiten haben in Salzburg aufgeführt zu werden) und da ich die unerwartete neue Rolle als Veranstalter wirklich genossen habe.

Ein junges Festival als Gelegenheit für junge MusikerInnen

Wir entschieden uns also weiterzumachen. Im darauffolgenden Jahr konnten wir schon einige Sponsoren für uns gewinnen und so ein Ensemble aus Litauen – Synaesthesis – nach Salzburg zu bringen. Und so hatte ich dieses Jahr den Eindruck, dass wir das Projekt noch darüber hinaus noch weiter entwickeln könnten.

Ich denke, es ist großartig, wenn sich durch das Projekt auch eine Gelegenheit für die KomponistInnen ergibt und eine Chance auf interessante Erfahrungen und neue Verbindungen zum Ensemble.

Es ist ja nicht ganz einfach Sponsoren zu lukrieren. Wer sind Eure Sponsoren und wie haben Sie sie überzeugen können?

Silvija Čiuladytė: Ja, es ist extrem schwierig Sponsoren zu finden. Zum Glück erhielt ich eine große Hilfe von der Lithuanian Concert Promoters Asociation. Sie halfen mir, ein Projektantrag an den litauischen Kulturrat zu richten, der für EU-Fördermittel zuständig ist. Wir haben uns für ein Programm namens Global Lithuania beworben, das sich auf Projekte zur Förderung der litauischen Kultur im Ausland konzentriert. Wir hatten das Glück viel Unterstützung von ihnen zu bekommen und konnten so die größten Unkosten –Reisekosten und Unterkunft -abdeckten.

Der zweite Förderer ist das Institut für Neue Musik der Universität Mozarteum, dank des sehr enthusiastischen Leiters des Instituts – Professor Achim Bornhöft, der bereit war zu helfen, als ich ihm von meiner Initiative erzählte. Da das Festival stark an die Universität angebunden und dort auch Kompositions-SchülerInnen involviert sind, gelang es ihm, den Vorstand der Universität zu überzeugen, eine Zusammenarbeit mit dem Jazzit:Musik:Club (die das erste Mal stattfand) und das Festival im Allgemeinen zu unterstützen.

Ein Festival braucht Unterstützung

Außerdem haben wir noch unseren privaten Sponsor: ein Schweizer Musikliebhaber, dem Maestro Graziano Mandozzi. Ich fand ihn dank des Dirigenten Martin Fuchsberger, der ihm letztes Jahr mein Projekt empfohlen hat und da er damit 2015 sehr zufrieden war, sponsert er uns auch dieses Jahr. Es ist unglaublich toll von ihm und ich bin sehr glücklich, dass es Leute gibt, die bereit sind, ihr eigenes Geld für die Unterstützung junger MusikerInnen und ihre Initiative zu verwenden!

Und dann gibt es die Unterstützung für die Werbung des Festivals: Wir erhielten Hilfe von Progress Salzburg und natürlich dem mica – musicaustria.
Trotz aller finanziellen Mittel ist das Budget des Festivals noch sehr begrenzt: Das Ensemble ist leider unterbezahlt –  ich möchte mich bei ihnen für ihr Verständnis und den Wunsch bedanken, das Festival zu unterstützen. Auch dort gibt es viele FreundInnen und KollegInnen, die mir in vielerlei Hinsicht helfen ohne etwas dafür zu verlangen –  dank ihnen auch!

Ihr versucht die internationale Zusammenarbeit zwischen litauischen und österreichischen Kompositions-StudentInnen zu vertiefen. Wie darf man sich das vorstellen?

Silvija Čiuladytė: Die Zusammenarbeit ist eigentlich nicht nur zwischen KomponistInnen, sondern auch zwischen InterpretInnen. Die KomponistInnen vom Mozarteum arbeiten mit dem litauischen zeitgenössischen Musikensemble Synaesthesis zusammen, das begeistert ist Werke einer jungen KomponistInnen-Generation uraufzuführen, und lernen gleichzeitig litauische Kompositions-SchülerInnen und deren Stücke kennen. Diese Begegnungen fördern Diskussionen, den Austausch unterschiedlicher Erfahrungen und Kenntnisse. In einigen sehr guten Fällen entstehen auch neue Projekte. Die Zusammenarbeit entwickelte sich in diesem Jahr besonders stark: Das neue Kunst- und Musik-Ensemble Salzburg NAMES führt Stücke litauischer Komponisten beim internationalen zeitgenössischen Musikfestival “Druskomanija in Vilnius aufzuführen. Synaesthesis entschied sich für das diesjährige Gaida-Festival von Matthias Leboucher, das als die bedeutendste Neue Musik-Festival in den baltischen Staaten gilt. In diesen Kooperationen geht es darum, voneinander zu lernen, zusammenzuarbeiten und Verbindungen und Leistungsmöglichkeiten zwischen uns zu knüpfen.

Ensemble Synaesthesis
Ensemble Synaesthesis (c) Arti Photography

Das Festival findet neben dem Mozarteum auch im Jazzit:Music:Club in Salzburg statt. Meint Crossroads nicht nur geografische Grenzen sondern auch stilistische?

Silvija Čiuladytė: Wir haben uns für das Jazzit entschieden, da wir in diesem Jahr ein breiteres Publikum erreichen wollen – nicht nur das akademische an der Universität. Dieser ungewöhnliche Raum verleiht dem Ensemble mehr Freiheit und bringt zeitgenössische Musik näher an verschiedene Arten von Leuten heran: diejenigen, die normalerweise niemals in solch einem Konzert kommen würden, oder im Gegenteil, jene die ungewöhnliche Projekte in ungewöhnlichen Räumen lieben. Ich halte es für wichtig, zeitgenössische Musik in verschiedenen Teilen der Gesellschaft zu fördern. Also ja, in gewisser Weise könnte es auch so verstanden werden, das stilistischen Linien überquert werden.

Können Sie uns etwas über die KomponistInnen des Programmes und ihre Werke erzählen?

Silvija Čiuladytė: Die diesjährigen Premieren hängen stark mit Litauen, seiner Kultur und seinen Traditionen zusammen: Die Komponisten hatten die Aufgabe über das Land und seine Kultur zu recherchieren und die musikalischen Ideen ihrer Stücke damit zu verbinden. Für die litauischen Komponisten – Dominykas Digimas und Karolina Kapustaitė – ist es eine Chance, ihr Land aus neuen oder unerwarteten Winkeln zu sehen, für Matthias Leboucher, Shahriyar Farshid und Ben Lunn – eine Gelegenheit, mehr über das Land und seine Kultur zu erfahren. Ich denke, das wird eine sehr interessante Erfahrung sein, denn jeder Komponist hatte einen ganz anderen Ansatz für die Aufgabe.

Die Konzerte bei Crossroads

Bild von Dominykas Digimas
Dominykas Digimas (c) Arti Photography

Mit Dominykas Digimas (Litauen) haben wir die Idee zu Crossroads im Jahr 2014 begonnen. Er ist Kurator und Performer im Zeitgenössischen Musik-Ensemble Synaesthesis, einer der führenden Persönlichkeiten des elektronischen und elektroakustischen Musikfestivals “Ahead” (Vilnius), Konzertveranstalter für Kompositionsabteilung in LMTA und Organisator des internationalen zeitgenössischen Musikfestivals Druskomanija (Vilnius, Druskininkai).
Das Stück wurde von litauischen Sodai – einer Art dreidimensionales Stroh-Mandala –  inspiriert. Die heidnischen Litauer glaubten, dass Sodai ein Modell des Universums seien – Erde und Himmel, wie ein Medium zwischen geistlichem und täglichem Leben. Die Form des Stückes basiert auf sieben Stufen, die auf Spiritualität, Konzeption von Bewusstsein, Kommunikation, Liebe, Weisheit, Vertrauen und Beziehung von Sexualität und Kreativität beruhen. Das ganze Stück ist wie ein siebenstöckiges räumliches Stroh-Mandala, in der jeder von seinem eigenen geistigen Weltbild auf die Gemeinsamkeit geht.
Während des kreativen Prozesses von sieben Schritten von oben wurden Interviews mit Jugendlichen aus Litauen aufgenommen. Dynamik und Texturen des Stückes wurden durch die Geschichten über ihre Verbindung mit diesen sieben Geist-Sets gebildet.

 

Ben Lunn (United Kingdom) ist ein preisgekrönter Komponist, der mit Weltklasse-Musikern auf der ganzen Welt zusammengearbeitet hat. Ben ist auch ein Dirigent und musikalischer Kommentator. Derzeit studiert er in Litauen und schreibt das Blog Baltic Music Gems, wo er neue und alte Werke der baltischen Komponisten diskutiert. Er präsentiert die Künstler aus Litauen am 17. November in der Universität Mozarteum.
Im Konzert hören Sie Ben’s Premiere von ‘In Nomine’ für gemischtes Ensemble. Das Stück zitiert die litauische Volksmelodie „Aš padainuosiu“ (ich singe), die Struktur des Stückes ist vom 16.-17. Jahrhundert “Im Nomine” -Format übernommen, wo das Zitat zu einen langen Cantus firmus augmentiert mit dem die anderen Stimmen der Musik interagierten.
Karolina Kapustaitė (Litauen) arbeitet derzeit im Centro Ricerche Musicali Forschungszentrum in Rom.

Musik der fundamentalen Naturphänomene

Karolina Kapustaitė ist eine Künstlerin, die den Klang ihrer Kreationen weiterentwickelt.
Im abschließenden Konzert von Crossroads wird Karolinas Stück “White light” für Ensemble – eine Musikkomposition, die auf den Eigenschaften einer der fundamentalen Naturphänomene – Licht -basiert. Da weißes Licht eine Kombination von Lichtern unterschiedlicher Wellenlängen im sichtbaren Spektrum ist, wird in der Zusammensetzung jede dieser Komponenten, nachdem sie in Klänge übersetzt sind, nach der Isolierung wieder in ein weißes Licht wieder vereinigt. Die zeitliche Organisation der Komposition bezieht sich auf einen zyklischen Zeitbegriff innerhalb der litauischen alten Folklore-Manifestation.

Matthias Leboucher (Frankreich) gehört zu den Mitgliedern des Organisationsteams Crossroads. Er ist auch einer der Schöpfer des Neuen Kunst- und Musik Ensembles Salzburg NAMES und ein aktiver Klassiker, Zeitgenosse und Jazzpianist.
“Underwards II“ – das Stück wurde zunächst für ein Ensemble von traditionellen chinesischen Instrumenten geschrieben und im September 2016 in Shanghai aufgeführt. Die neue Version mit Band ist für das zeitgenössische Musik-Ensemble Synaesthesis geschrieben und ihm gewidmet.
Der Titel des Stückes ist eine Kombination aus zwei englischen Begriffen: Präfix und Suffix bilden eine Bewegung des Zurückgehens in Richtung eines unbekannten und verborgenen „unter“. Ein Satyr der Welt von heute durch die Augen von Medias. Die Struktur des Stückes folgt dieser Idee: Die Musik kommt regelmäßig wieder auf sich selbst zurück, bevor sie weitermachen kann.

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Vielen Dank für das Gespräch

Das Festival findet vom 16. – 18.11. in Salzburg statt.

Das Festival auf Facebook: https://www.facebook.com/crossroadsmusicfestival/

 

PROGRAMM

 

16.11. (Mi) 20 Uhr

Posh Underground Workers

Ensemble für zeitgenössische Musik Synaesthesis (Litauen)

Programm: David Lang, Louis Andriessen

Bösendorfersaal, Universität Mozarteum (Mirabellplatz 1)

 

17.11. (Do) 19 Uhr

Litauische Künstler

Presentation

Raum 4006, Universität Mozarteum (Mirabellplatz 1)

 

18.11. (Fr) 20 Uhr

CROSSROADS – Abschlusskonzert

Ensemble für zeitgenössische Musik Synaesthesis (LT)

Uraufführungen von Karolina Kapustaitė (LT), Shahriyar Farshid (IR), Matthias Leboucher (FR), Dominykas Digimas (LT) und Ben Lunn (UK).

Jazzit:Music:Club Salzburg (Elisabethstr. 11)

 

22 Uhr

Afterparty

DJ swarbehaviour

Jazzit:Music:Club Salzburg (Elisabethstr. 11)