Corona und die Folgen für die Freie Szene – Fragen und Antworten zu COVID-19 Maßnahmen im Kontext der Kunst- und Kulturförderung

Die österreichischen Kunst- und Kultur-Interessenvertretungen haben sich zu einer gemeinsamen Plattform zusammengefunden, um die dringendsten Fragen im Umgang mit Subventionen und andere öffentlichen Vorgaben zu klären. In diesem Sinne haben sie der Kunst- und Kulturverwaltung des Bundes, dem Vizekanzler und Bundesminister Mag. Werner Kogler und der Staatssekretärin für Kunst und Kultur Mag.a Ulrike Lunacek, einen Fragenkatalog übermittelt. Weitere Fragenkataloge an die Kunst- und Kulturverwaltungen der Länder und Landeshauptstädte folgen.

Der Fragenkatalog wurde gemeinsam von den Interessenvertretungen Kunst Kultur (ASSITEJ Austria, BV bildender Künstler, Dachverband der Filmschaffenden, IG Autorinnen Autoren, IG Bildende Kunst, IG Freie Theaterarbeit, IG Kultur Österreich, IG Übersetzerinnen Übersetzer, Kulturrat Österreich, mica – music information center austria, Österreichischer Musikrat, Dachverband Salzburger Kulturstätten, IG KiKK – IG der Kulturinitiativen in Kärnten/Koroška, IG Kultur Burgenland, IG Kultur Steiermark, IG Kultur Vorarlberg, IG Kultur Wien, KUPF – Kulturplattform Oberösterreich und TKI – Tiroler Kulturinitiativen erarbeitet.

1. Meldepflicht

Laut Allgemeinen Rahmenrichtlinien und Förderrichtlinien für Kunstförderungen des Bundes besteht eine unverzügliche, schriftliche Meldepflicht auf Initiative der Fördernehmerinnen und Fördernehmer, wenn Aktivitäten abgesagt, verschoben oder redimensioniert werden müssen. Gilt diese Meldepflicht auch in der derzeitigen Situation? Und wenn

1.1.   Welche Fristen sind bei den Meldungen einzuhalten?

1.2.   Welche Informationen müssen übermittelt werden?

Antwort: Für die Kontaktaufnahme ist keine Frist vorgesehen, für uns ist eine rasche Kontaktaufnahme wichtig, sobald die Auswirkungen auf das geförderte Vorhaben annähernd abschätzbar sind.  Die wesentlichsten Parameter sind eine Änderung des Zeitpunktes und des Kostenrahmens, weitere Informationen sind je nach Vorhaben natürlich hilfreich.

2. Absagen bei geförderten Projekten

Fördernehmerinnen und Fördernehmer sind laut Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport dazu aufgefordert, schadenminimierende Maßnahmen zu setzen, um die Kosten so gering wie möglich zu halten: „Leistungen und Vorhaben, die nicht mehr durchgeführt werden (können), können bis zum Ausmaß der bereits entstandenen Verpflichtungen im Rahmen der bereits zugesagten Förderung anerkannt werden. Ein schriftlicher Kostennachweis ist dafür erforderlich. Die darüberhinausgehende Fördersumme muss zurückgezahlt werden.“ Wie ist die Formulierung „bis zum Ausmaß der bereits entstandenen Verpflichtungen“ zu verstehen?

2.1.   Allfällige Stornogebühren, Abschlagszahlungen, laufende Fixkosten für Infrastruktur und angestelltes Personal (zeitlich nicht sinnvoll kündbar) sind in diesem Fall somit förderbaren Kosten, die abgerechnet werden können?

2.2.   Bei bestehenden Anstellung ist die Dienstfreistellung bei vollen Bezügen (sobald Mehrstunden aufgebraucht sind bzw. keine Tätigkeit möglich ist) mit förderbaren Kosten abrechenbar?

2.3.   Können vereinbarte Gagen und Honorare, für künstlerische / organisatorische Leistungen, die nun nicht realisiert werden können, in voller Höhe ausbezahlt werden?

2.4.   Oder müssen sämtliche Verträge, bei denen noch keine Vorleistung erbracht wurde, rückabgewickelt werden?

2.5.   In vielen Fällen wurden bereits Vorleistungen erbracht (z.B. Konzepterstellungen, künstlerische Werke, etc.), die noch nicht abgenommen wurden. Können die dafür vereinbarten Gagen / Honorare in voller Höhe ausbezahlt werden? Sollte dies nicht möglich sein, können Gagen / Honorare aliquote ausbezahlt werden und als förderbare Kosten abgerechnet werden? Welche Nachweise sind in diesem Fall erforderlich?

2.6.   Müssen Anzahlungen / Akontozahlungen zurückgezahlt werden?

Eine weitere Entwicklung die sich bereits abzeichnet, ist, dass beteiligte Künster*innen (auch ohne Attest) Vorstellungen nicht spielen wollen. Ersatz ist in der Regel keine Option. Wenn eine Verschiebung nicht möglich ist (Terminfindung mit Künstler*innen/Spielstätten ist nicht möglich) sind Veranstalter*in gezwungen, die Veranstaltung abzusagen.

2.7.   Wenn Künstler*innen (auch ohne ärztliches Attest) Vorstellungen nicht spielen wollen, können diese Vorstellungen dann sanktionslos abgesagt werden? Auch wenn der/die Veranstalter*in die Künstler*innen anweisen könnten, die Vorstellung zu spielen?

Ebenso sind viele Projekte anlass- bzw. kontextbezogen. Sie beziehen sich konzeptuell auf nun nicht stattfindende andere Ereignisse oder werden für diese eigens produziert. Die Förderung bezieht sich auf die künstlerische Produktion bzw. Produktions­kostenzuschüsse, deren Realisierung theoretisch möglich wäre.

2.8.   Wie ist mit Förderungen für Produktionen umzugehen, die wegen Absagen nun nicht verwirklicht werden können (z.B. Produktionen für Kunstmessen) oder wenn Verschiebungen nicht sinnvoll möglich sind, weil der Bezugspunkt / Aktualität nicht mehr gegeben ist?

2.9.   Was, wenn Projektförderung für ein (Klein-)Projekte, die nun nicht realisiert werden können, nicht zurückgezahlt werden können, weil das Geld schon für andere Aktivitäten verbraucht wurde?

Antwort: Leistungen und Vorhaben, die nicht mehr durchgeführt werden (können), können bis zum Ausmaß der bereits entstandenen Verpflichtungen im Rahmen der bereits zugesagten Förderung anerkannt werden. Ein schriftlicher Kostennachweis ist dafür erforderlich. Wesentlich ist dabei, dass der entstandene Schaden minimiert werden muss. Das heißt, nicht erbrachte Leistungen können nicht voll ausbezahlt werden, aber bis zur Höhe bereits erbrachter Vorleistungen, Stornokosten, Abschlagszahlungen etc. Eine Rückabwicklung wird nicht verlangt, wenn bereits Leistungen erbracht worden sind. Kommt es durch eine Verschiebung eines Projekts zu zusätzlichen Kosten, muss darüber im Einzelfall entschieden werden, da eine budgetäre Bedeckung der Mehrkosten erforderlich ist. Betreffend die Vorgangsweise bei mehreren Fördergebern sind wir in Abstimmung mit den Ländern.

3. Re-Dimensionierung von Projekten

Einige Veranstaltungen könnten theoretisch auf die unter 100-Personen-Grenze beschränkt werden. Angesichts der bisherigen Erfahrungen geht die Zahl der Besucher*inne derzeit massiv zurück (z.B. Diskussionsveranstaltung mit 7 Teilnehmer*innen). Sind Veranstalter*innen auf Ticketerlöse angewiesen, rentiert sich die Durchführung der Veranstaltung nicht und wird zum Minusgeschäft. Dies betrifft vielfach auch Projekte die grundsätzlich auf unter 100 Personen angelegt werden. Welchen Spielraum haben Veranstalter*innen?

3.1.   Können und sollen geförderte Aktivitäten, die auf 100 Personen re-dimensionierbar sind, durchgeführt werden? Und wenn, unter welchen Bedingungen muss eine Re-Dimensionierung auf 100 Personen vorgenommen werden?

3.2.   Müssen alle geförderten Projekte, die auf unter 100 Personen angelegt waren, auch tatsächlich durchgeführt werden sollen (auch wenn das Publikum ausbleibt bzw. seitens der Bundesregierung empfohlen wird, soziale Kontakte auf das unbedingt notwendige Minimum zu beschränken)?

3.3.  Müssen Kulturveranstalter*innen, die geförderte Veranstaltungen / Projekte / Vorhaben angesichts der Lage (soziale Verantwortung, kein Publikum) bereits abgesagt haben, obwohl sie diese durchführen hätten können, mit Rückförderungen rechnen wenn sie die Veranstaltung nicht zu einem späteren Zeitpunkt nachholen können?

Antwort: Auf Grund der über das Wochenende getroffenen behördlichen Anordnungen ist die Frage nach der Redimensionierung von Veranstaltungen gegenstandlos. Wir arbeiten daran, dass Veranstalter durch den neu geschaffenen COVID-19-Krisenbewältigungsfonds zumindest für einen Teil ihrer entfallenen Einnahmen entschädigt werden können.

4. Veränderung / Verschiebung von Projekten

Für manche Projekte ist eine Verschiebung möglich bzw. denkbar – vielfach fallen dafür jedoch Zusatzkosten anfallen (z.B. neue Drucksorten, zusätzliche Infrastrukturkosten, Reisekosten zusätzlich zu Stornokosten, etc.). Ebenso verhält es sich bei Veränderungen von Projekten, auch hier können Zusatzkosten anfallen (z.B. Überarbeitung Konzept, Kosten für alternative Veröffentlichungen, etc. ). Was ist dabei zu bedenken?

4.1.  Gibt es allgemein Richtlinien, unter welchen Bedingungen Zusatzkosten, die durch Adaptionen bzw. Verschiebungen von Projekte entstehen, übernommen werden oder ist dies immer eine Einzelfallentscheidung?

4.2.   Welche Abstimmungsmodalitäten sind hier bei Förderungen zwischen verschiedenen Gebietskörperschaften vorgehen?

Siehe Antwort 2

5. Liquiditätsprobleme und fehlende Planungssicherheit führen zu drohender Kündigungs- und Konkurswellen

Der Ausfall von Einnahmen bringt Kulturveranstalter*innen, Kulturvereine, Companien und Künstler*innnen in die Situation drohender Zahlungsunfähigkeit. Da aktuell nicht absehbar ist, ob bzw. bis wann die Maßnahme verlängert wird, wirft dies relevante Haftungsfragen für auf. Sind Liquiditätsprobleme absehbar, müssen die jeweiligen Finanzverantwortlichen im Sinne ihrer Sorgfaltspflicht (bzw. um nicht grob fahrlässig zu handeln) angestellte Mitarbeiter*innen kündigen sowie weitere Konsequenzen ziehen (z.B. Mietverträge beenden). Aus der Praxis wissen wir, dass viele Kündigungen bereits ausgesprochen wurden bzw. im Raum stehen. Wie sollen Kulturveranstalter*innen hier vorgehen?

5.1.   Was empfiehlt das Bundesministerium den Betroffenen grundsätzlich, die nun Kündigungen aussprechen müss(t)en?

5.2.   Wird das Bundesministerium die Auszahlung von gewährten Förderungen unverändert weiterführen, auch wenn für viele Fördernehmer*innen aktuell nicht absehbar ist, wie bzw. wann in welchem Umfang die Aktivitäten durchgeführt werden können?

5.3.   Wird das Bundesministerium die Möglichkeit schaffen, bei bereits bewilligten Förderungen die Auszahlung von Fördertranchen vorziehen, um drohende Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden?

Antwort: Eine Vorziehung von Fördertranchen zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit ist in begründeten Einzelfällen möglich, würde aber bei zu vielen Fällen zu einem zu hohen Verwaltungsaufwand und damit wieder zu Verzögerungen führen. Durch die Anerkennung von Lohnkosten bei geförderten Projekten versuchen wir, einen wesentlichen Beitrag dazu zu leisten, dass keine Kündigungen ausgesprochen werden müssen.

6. Haftungsfragen

Vollkommene Unklarheit besteht weiters darin:

6.1.   Wenn Veranstalter*innen Vorstellungen durchführen und sich Künstler*innen  bzw. Zuschauer*innen anstecken, inwiefern kann die Veranstalter*in haftbar gemacht werden? Was sind die Konsequenzen?

6.2.   Wie sollen sich Veranstalter*innen diesbezüglich verhalten?

Siehe Antwort 3

7. Förderungen für Aktivitäten ab 3. April 2020, 12:00 Uhr

Einer der größten Unsicherheitsfaktoren aktuell ist die Frage, wie mit Veranstaltungen ab 3. April 2020, 12:00 Uhr, umzugehen ist. Nachvollziehbar ist, dass momentan niemand vorhersagen kann, ob das Veranstaltungsverbot verlängert wird oder nicht. Gleichzeitig müssen aber jetzt Entscheidungen getroffen werden, Vorbereitungen getroffen werden, für die neue Zahlungsverpflichtungen eingegangen werden bzw. zum jetzigen Zeitpunkt die finanziellen Verluste verringert werden könnten (z.B. geringere Stornogebühren).

Die generelle Frage lautet:

7.1.   Um sich nicht förderwidrig zu verhalten, müssen Kulturveranstalter*innen, Vereine, Künstler*innen, Companien mit der Vorbereitung und Planung geförderte Aktivitäten ab 3.4.2020 in unverändertem Umfang fortsetzen?

Siehe Antwort 8

8. Konsequenzen für laufende bzw. zukünftigen Fördereinreichung

Die aktuellen Entwicklungen sind geeignet, sich auch auf die Behandlung der laufenden Fördereinreichungen bzw. nächsten Förderfristen auszuwirken. Während für etliche in Kunst und Kultur Tätigen entscheidend ist, dass es zu keinen Verzögerungen kommt, Förderanträge regulär rasch bearbeitet werden, kommende Fristen eingehalten werden, sind andere mit der Situation konfrontiert, dass sie z.B. durch Kinderbetreuungspflichten nicht ausreichend Ressourcen haben, fristgerecht einzureichen.

8.1.   Sind Verzögerungen in der Behandlung von Fördereinreichungen bzw. Förderentscheidungen absehbar (z.B. Verschiebung von Beiratsterminen und Jurysitzungen), auf die sich Antragsteller*innen einstellen sollen?

8.2.   Ist eine Kulanz bei den aktuellen Einreichfristen in begründeten Fällen denkbar (z.B. Nachreichfrist von 2-Wochen)?

Antwort: Es ist nicht nötig, Planungen ab 3.4. in unverändertem Umfang fortzuführen. Im Gegenteil scheint es derzeit angezeigt, mit einer länger dauernden Störung des öffentlichen Lebens zu rechnen. Wir werden versuchen, im Einzelfall praktikable Lösungen zu finden. Wir versuchen, die feststehenden Einreichfristen aufrecht zu halten – die Nachreichung von Unterlagen wird aber zulässig sein. Beiratssitzungen sollen online oder telefonisch abgehalten werden.

9. Weiterer Informationsaustausch

Es ist davon auszugehen, dass im Laufe der Zeit zahlreiche weitere Fragen auftreten werden. Woran ist von Seiten des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport gedacht?

9.1.   Wird es eine zentrale Anlaufstelle für Fragen der Kunst- und Kulturförderung geben?

9.2.   Wird es ein ständiges Arbeitsformat geben, dass einen kontinuierlichen Austausch zwischen den Interessensvertretungen (die nun täglich zahlreiche Anfragen erhalten) und der Kunst- und Kultursektion geben, beispielsweise Krisensitzungen alle zwei Wochen?

Antwort: Wir haben eine neue Mailadresse kunstkultur@bmkoes.gv.at eingerichtet, darüber hinaus steht die Sektion Kunst und Kultur für alle Anliegen zur Verfügung. Wie ein zukünftiges Arbeitsformat aussehen kann, ist derzeit seriös nicht zu beantworten.

Zur Resolution vom Sonntag: Fonds von „4 Mrd“: wir klären diese Fragen gerade ab. Wir sind natürlich bemüht, dass dieser Fonds auch den Kunst- und Kulturschaffenden bzw. deren Einrichtungen zur Verfügung stehen muss.

Die Fragen wurden am 16.3.2020 durch das Staatssekretariat für Kunst und Kultur beantwortet. 


Links:
www.bmkoes.gv.at