Corona Notizen #8: Drahthaus

Covid-19 lässt den Festivalsommer 2020 versiegen. Der Großteil der Clubs und Konzerträume hat trotz voranschreitenden Lockerungen geschlossen. Konzerte sind derzeit vorwiegend – wenn überhaupt – im digitalen Raum zu finden. Neben den großen Pop- und Jazz-Festivals, wurden zahlreiche internationale Touren und Gigs abgesagt, Release-Termine verschoben. Wie Österreichs Musikschaffende mit der Situation umgehen, was sie beschäftigt und wie sie ihre Zeit verbringen, erfragen wir in der Serie Corona Notizen”.

Wo seid ihr gerade?

Drahthaus: Wir sind in Wien.

Wo wärt ihr gern?

Drahthaus: Ohne Corona wären wir gerade auf Tour in Osteuropa, da wären wir jetzt auch gerne.

Wie stark seid ihr von Konzertausfällen betroffen?

Drahthaus: Wir haben lange an Live-Terminen gearbeitet und nun mussten wir, zu unserem großen Bedauern, alle absagen. Für einige haben wir zum Glück Ersatztermine im Herbst gefunden, aber auch bei diesen müssen wir noch hoffen, dass keine weiteren Einschränkungen dazwischenkommen.

Wie geht ihr mit der Situation um?

Drahthaus: Wir sind froh, dass niemand in unserem direkten Umfeld (gesundheitlich) von Covid-19 betroffen ist. Aber finanziell wird es für uns alle sehr schwierig.
Wir versuchen das Beste aus der Situation zu machen und Stagnation so gut wie möglich zu vermeiden.

Drahthaus (c) Mila Zytka
Drahthaus (c) Mila Zytka

Habt ihr die Zeit bislang genutzt, um Musik zu machen?

Drahthaus: Ja, wir haben gemeinsam einen Remix für Ulrich Drechsler gemacht, eine neue Lichtshow für unser Live-Set programmiert, generell Ideen gesammelt, wie es weitergehen soll und gejammt. Auch abseits von Drahthaus hat jeder an eigener Musik gearbeitet.

Wie geht ihr mit der Probensituation um?

Drahthaus: Da es bei unserer Musik sehr viel um Produktion geht, haben wir uns Projektdateien hin und her gesendet und separat daran gearbeitet. Seit es wieder erlaubt ist, proben wir wieder gemeinsam im Proberaum.

Hättet ihr einen Release geplant, der entweder in den letzten Monaten erschienen wäre oder in den nächsten Monaten erscheinen wird? 

Drahthaus: Wir haben am 24. April unser Debüt-Album veröffentlicht. Wir wollten den Release nicht mehr verschieben, also haben wir es einfach durchgezogen. Es ist natürlich sehr ungünstig dann nicht damit auf Tour gehen zu können. Dafür hatten wir aber mehr Zeit um Promo zu machen.

Wie bewertet ihr Live-Streams?

Drahthaus: Wir haben uns bisher davon fern gehalten, waren jetzt aber für die „Loft Night Show“ eingeladen und haben uns sehr darauf gefreut. Es ist ganz nett im Internet einen kurzen Einblick in die Live-Umsetzung so vieler Acts zu bekommen. Allerdings präsentieren sich viele zu oft und zu unspektakulär.
Auch die Frage nach der Vergütung ist wichtig.

Drahthaus at The Loft (c) Mila Zytka
Drahthaus at The Loft (c) Mila Zytka

Habt ihr Lust ein Online-Konzert zu spielen? Unter welchen Voraussetzungen?

Drahthaus: Ja, wenn es in einer passenden Location ist und entweder finanziell, über eine Gage, Spenden, oder promotechnisch über größere Partner*innen, Sinn macht.

Welche Musik hört ihr zurzeit?  

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Wie ist eure Perspektive für die Zukunft?  

Drahthaus: Wir sind beeindruckt davon was zurzeit passiert. In jedem Sinne.
Die Auflösung und Neustrukturierung der Polizei von Minneapolis, die weltweiten Demonstrationen und die Sichtbarkeit der Tatsache, dass Veränderung, wenn gewollt, möglich ist, sind Hoffnungsschimmer in der trüben Suppe schlechter Nachrichten, die 2020 mit sich gebracht hat.
Wie es weitergeht werden wir nun hoffnungsvoll und gespannt verfolgen.
Wir hoffen, dass für die Probleme, die durch die aktuellen Krisen sichtbar wurden, Lösungen erarbeitet und nicht nur Symptome bekämpft werden.

Was wird sich verändern?

Drahthaus: Früher oder später alles. In welcher Geschwindigkeit, ist eine andere Frage.

Ist es euch wichtig, mit euren „Fans“ verbunden zu bleiben in dieser Zeit?

Drahthaus: Ja.

Wie bewertet ihr die Rolle von Social Media? Wie geht ihr damit um?

Drahthaus: Wir haben in den letzten Wochen sehr viel gepostet. Wir denken das war schon wichtig und hat die Aufmerksamkeit aufs Album gelenkt. Social Media ist aber eine tückische Sache: Man ist präsent, aber einen wirklich tiefen Eindruck hinterlässt man auch nicht. Und sehr gesund für die Psyche ist es auch nicht, wenn man zu lange scrollt. Also ist es genauso wichtig für uns, zwischenzeitlich auch wieder Abstand davon zu nehmen.

Drahthaus (c) Mila Zytka
Drahthaus (c) Mila Zytka

Was bräuchte es jetzt? Welche konkreten Hilfestellungen wären nötig?

Drahthaus: Wir sehen es so: Corona, Klimakrise, Soziale Ungleichheit… Es hängt alles irgendwie zusammen.
Eine innovative Lösung, die möglicherweise ein richtungsweisender Schritt sein könnte, ist das Bedingungslose Grundeinkommen.
Viele fordern derzeit klare Ansagen und konkrete Hilfeleistungen von der Politik. Sich das zu wünschen ist schön und gut. Allerdings haben wir es hier mit einem Phänomen zu tun, für das es wenig (politische) Erfahrung gibt. Wie kann die Politik also garantieren, dass z.B. ab Herbst alles wieder beim Alten ist? Und wenn es das dann doch nicht so ist? Wird dann die Wirtschaft auf Kosten von Menschenleben gerettet?
Das Bedingungslose Grundeinkommen würde der schockartigen gesellschaftlichen Entschleunigung (durch Corona) mit einer systemischen gesellschaftlichen Entschleunigung entgegenwirken und dafür sorgen, dass sich Politik, Wirtschaft und Menschen einigermaßen harmonisch zueinander verhalten können.
Wenigstens einen Versuch wäre es wert.

 

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