CORONA NOTIZEN #3: ELENA SHIRIN

Covid-19 lässt den Festivalsommer 2020 versiegen. Der Großteil der Clubs und Konzerträume hat trotz voranschreitenden Lockerungen geschlossen. Konzerte sind derzeit vorwiegend – wenn überhaupt – im digitalen Raum zu finden. Neben den großen Pop- und Jazz-Festivals, wurden zahlreiche internationale Touren und Gigs abgesagt, Release-Termine verschoben. Wie Österreichs Musikschaffende mit der Situation umgehen, was sie beschäftigt und wie sie ihre Zeit verbringen, erfragen wir in der Serie Corona Notizen”

 

Wo seid ihr gerade?

Elena Shirin: Im Dschungel von Shingletown, Nordkalifornien.

Wo wärt ihr gern?

Elena Shirin: Eigentlich genau da, meine Freunde und Familie würde ich allerdings gerne herbeamen.

Elena Shirin (c) Wenzl McGowen
Elena Shirin (c) Wenzl McGowen

Wie stark seid ihr von Konzertausfällen betroffen?

Elena Shirin: Meine Album Release Tour in Europa hat sich von Sommer auf Winter verschoben. Es waren allerdings erst drei Gigs confirmed, also haben wir nun mehr Zeit zum Vorbereiten, was nie schlecht ist.

Wie geht ihr mit der Situation um?

Elena Shirin: Ich hatte online eine kleine Album Release Show, gehostet vom kalifornischem Radiosender Hella Radio und danach vom österreichischen Miss Magazin. Ein transkontinentaler Album Release ist gar nicht so schlecht! Darüber hinaus mache ich Coaching-Workshops mit Musiker*innen und Künstler*innen und betreibe meine Patron Seite mit exklusivem Content.

Habt ihr die Zeit bislang genutzt, um Musik zu machen?

Elena Shirin: Oh ja. Wann, wenn nicht jetzt! Darüber hinaus viel Gartenarbeit, Brotbäckerei, Kaffeegeröste, Yoga, Meditation und Ausflüge in die Natur.

Elena Shirin (c) Wenzl McGowen
Elena Shirin (c) Wenzl McGowen

Wie geht ihr mit der Probensituation um?

Elena Shirin: Wir bauen gerade unser Future Mobile Studio in das Hinterteil eines LKWs und ich hab mir dort u.a. mein Live-Set-Up aufgebaut. Es ist die beste Zeit um zu kreieren und ‘rein zu nerden’.

Hättet ihr einen Release geplant, der entweder in den letzten Monaten erschienen wäre oder in den nächsten Monaten erscheinen wird? Falls ja, wie geht ihr damit um?

Elena Shirin: Ich hatte am 15. Mai meinen Solo-Album Release mit dem Berliner Label Motor Entertainment, und das während ich in den Staaten war. Man kann es sich auf jeden Fall einfacher gestalten, funktioniert hat’s jedoch wahnsinnig gut, muss ich sagen! Trotz konstantem Touren und Reisen in den USA, war die Kommunikation mit dem Produzenten und Musiker David Furrer bezüglich dem Mix des Albums möglich – selbst über den Atlantik. Hoch lebe das 21. Jahrhundert!

Wie bewertet ihr Live-Streams?

Elena Shirin: Ich finde es schön in Zeiten wie diesen zusammen zu kommen, sei das durch Musik oder etwas anderes. Wir haben die Möglichkeit jederzeit online zu gehen und unsere Erlebnisse oder Home-Alone-Sessions mit anderen zu teilen. Und das ist großartig. Dabei geht es dann nur um den Umgang damit, und eine gewisse Authentizität, die dabei um so wichtiger wird. Wir wohnen so off-grid, dass Live-Streams für uns gar nicht möglich sind. Das Internet ist leider eine Katastrophe. Aufnehmen geht aber genauso.

Habt ihr Lust ein Online-Konzert zu spielen? Unter welchen Voraussetzungen?

Elena Shirin: Ja! Gute Internetverbindung, ein ungestörter Ort und Möglichkeit zur Interaktion mit den Zuhörer*innen.

Welche Musik hört ihr zurzeit?

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Wie ist eure Perspektive für die Zukunft?

Elena Shirin: Ein nachhaltiges Bewusstsein für das, was wir wirklich brauchen und auf was wir verzichten können, damit es unserem Planeten besser geht. Und ein Bewusstsein dafür zu haben, woher die Dinge kommen, die wir kaufen, essen, konsumieren. Pflanzliche Ernährung – hier ist wieso:

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Was wird sich verändern?

Elena Shirin: Unsere Achtsamkeit gegenüber unserem Umfeld, ein bewussterer Umgang und ein kritischeres Denken im Alltag.

Ist es euch wichtig, mit euren „Fans“ verbunden zu bleiben in dieser Zeit?

Elena Shirin: Sehr. Gerade wenn man, wie wir, so abseits leben, spielt die Beziehung zu den Fans eine riesige Rolle. Es ist unglaublich einen Album Release in Zeiten wie diesen zu zelebrieren, wo wir alle eine gemeinsame Erfahrung teilen. Und dann Nachrichten von Leuten aus den USA, Indien und Armenien zu bekommen, die ihre tiefe Berührung mit deinem Album reflektieren, ist einfach das Allerärgste! So wahnsinnig schön und intim. Das brauchen wir gerade alle, glaube ich. Das Gefühl von Verbundenheit.

Wie bewertet ihr die Rolle von Social Media? Wie geht ihr damit um?

Elena Shirin: Einerseits bietet es ein Riesen-Potential für die Zusammenkunft und Zusammenarbeit von Individuen, die Aufklärung, wie auch Diskussion über aktuelle Themen. Gleichzeitig finden wir darin abstumpfende Unterhaltung und das Zumüllen mit Werbung. Aber auch Social Media als eine Realitätsflucht und eine Plattform für Hilfeschreie vieler Menschen. Wie auch im “echten” Leben muss man da gut unterscheiden können. Ich probiere Social Media so bewusst wie möglich zu verwenden, falle aber auch manchmal in das wohl bekannte Loch. Oft ist man in der Situation unterscheiden zu müssen, was jetzt wichtiger ist: das Video zum Posten fertig zu machen oder sich im Studio einzusperren und sich dem puren Musik machen zu widmen. Erfolgreiche*r Musiker*in oder Künstler*in zu sein heißt mittlerweile so viel mehr als nur die Musik drauf zu haben. Wir leben in einer Zeit in der Marketing mindestens genau so wichtig ist, wie die Musik oder die Kunst selbst. Für manche ist die Marketingstrategie sogar wichtiger als der Content, der vermarktet wird…. Die Kunst ist es, eine Balance zu halten und seiner Arbeit gegenüber eine klare und wertschätzende Haltung zu haben, um zu erkennen, wann es Zeit ist, in die Kreation zu gehen und wann es Zeit ist, Promo-Arbeit zu machen.

Was bräuchte es jetzt? Welche konkreten Hilfestellungen wären nötig?

Elena Shirin: Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre in dieser Zeit auf jeden Fall eine wahnsinnig gute Hilfestellung. Für alle. Für die Weiterentwicklung unseres Systems. Darüber hinaus können wir uns gegenseitig auf dieses Neuland der Realität stützen, unterstützen und füreinander da sein. Da liegt es an UNS diesen Umgang, diese Form von Mitdenken zu kultivieren und andere dadurch zu inspirieren. Gestern habe ich den Standard Artikel “Kunst zu ignorieren hat bei Österreichs Obrigkeit Tradition” von Hosea Ratschilla gelesen. Der hat mich über Folgendes nachdenken lassen: wir in Österreich und Europa sind so wahnsinnig verwöhnt davon dass, um Kunst zu schaffen, immer Möglichkeit für Geld von “Oben” besteht, was auch notwendig ist, um wirklich gut arbeiten zu können. Ja, natürlich fühlt es sich gut an, seine Musiker*innen und Produzent*innen angemessen bezahlen zu können, aber das ist nur ein Weg von vielen, die zum Ziel führen. In Amerika gibt es ZERO staatliche Unterstützung für Kunst und Kultur. Alle Fonds und Stiftungen sind privatisiert und wenn du hier Künstler*in bist, ist es am Besten, du findest eine reiche Lady oder einen reichen Gentleman, die/der dich super findet und sponsert. Der Rest findet auf der Straße und im Internet statt. Ein riesiger Unterschied zwischen diesen beiden Kulturen ist, dass der Großteil der Österreicher*innen irgendwie glaubt, die Straße sei nur zum gehen, fahren und Kaffee trinken da. Dabei ist dieses Pflaster die weiße Leinwand für unsere Farbe! Es gibt keinen Grund an diesem alten Denken oder Verhalten der vornehmen Kaiserzeit festzuhalten und die in uns entstehende Lust zum Aus-uns-heraus-gehen zu zähmen oder gar abzuhalten. Ich denke es braucht mehr Eier zum Selbstausdruck, auch in der Öffentlichkeit und mehr Leichtigkeit im Sein.

 

Nächsten Termine:
21. Juni – Flex, Wien
18. Juli – Brimbamborium Festival, München
14. August – Poolbar Festival, Feldkirch

 

Links:
Elena Shirin (Website)
Elena Shirin (Facebook)