Covid-19 lässt den Festivalsommer 2020 versiegen. Der Großteil der Clubs und Konzerträume hat trotz voranschreitenden Lockerungen geschlossen. Konzerte sind derzeit vorwiegend – wenn überhaupt – im digitalen Raum zu finden. Neben den großen Pop- und Jazz-Festivals, wurden zahlreiche internationale Touren und Gigs abgesagt, Release-Termine verschoben. Wie Österreichs Musikschaffende mit der Situation umgehen, was sie beschäftigt und wie sie ihre Zeit verbringen, erfragen wir in der Serie „Corona Notizen”.
Wo seid ihr gerade?
Viktoria Kirner: Im Zug nach Tirol – eine Reise, ich bin ganz aufgeregt.
Dora De Goederen: In meiner Wohnung in Wien oder am Rad unterwegs.
Tamara Leichtfried: Zuhause.
Wo wärt ihr gern?
Viktoria Kirner: Im Zug nach Venedig.
Dora De Goederen: Auf Tour.
Tamara Leichtfried: Irgendwo, wo Leute tanzen und laute Musik spielt
Wie stark seid ihr von Konzertausfällen betroffen?
Dives: Sehr. Uns wäre im Apri/Mai unsere bisher größte Tour bevor gestanden: 17 Tage, 14 Gigs in Ö, D, LUX, F (Paris!), CZ und CH. Alleine bis September mussten wir insgesamt 30 Konzerte absagen.
Wie geht ihr mit der Situation um?
Dives: Die ersten Wochen getrennt voneinander waren hart. Wir sind ja auch von Dezember bis Februar getourt und plötzlich stand alles still. Davon mal runterkommen war gar nicht so einfach. Aber dann haben wir angefangen via Homerecording Songentwürfe hin und her zu schicken. Binnen zwei Wochen haben wir einen neuen Song geschrieben, der jetzt im Juni releast wird. Nicht dauernd unterwegs zu sein hat also auch Vorteile. Wir werden versuchen diese überschüssige Energie jetzt anderweitig zu nutzen, innerhalb der Band. Außerdem ging’s endlich mal mit der Buchhaltung voran!
Wie geht ihr mit der Probensituation um?
Dives: Seit Mitte Mai proben wir wieder. Das macht die Situation erträglicher. Wir sehen uns jetzt wieder regelmäßig.
Hättet ihr einen Release geplant, der entweder in den letzten Monaten erschienen wäre oder in den nächsten Monaten erscheinen wird? Falls ja, wie geht ihr damit um?
Dives: Geplant war der Release eines Songs von unserem Debütalbum „Teenage Years Are Over“. Der Videodreh dazu wurde von April auf Sommer verschoben. Da wir in der Quarantäne überraschenderweise einen super Song geschrieben haben, der auf das Gefühl des Mit-sich-alleine-seins und des Isoliert-seins Bezug nimmt, wird diese Release jetzt im Juni vorgezogen.
Wie bewertet ihr Live-Streams?
Viktoria Kirner: Ich habe mir noch keinen einzigen Live-Stream angesehen. Weder ein Konzert, noch eine Theaterproduktion. Zuhause auf der Couch ist einfach nicht die Art und Weise, wie ich Musik und Kultur konsumieren möchte.
Dora De Goederen: Diese Stay-at-home Konzerte mögen auf den ersten Blick accessible und unterstützend wirken – der Aufwand dahinter wird aber, denke ich, oft unterschätzt. Wie auch bei “herkömmlichen” Konzerten schon viel Arbeit im Hintergrund unsichtbar bleibt, ist auch vielen bei den Live-Streams nicht bewusst, wie viel Equipment, Wissen und Arbeit notwendig sind: die Band muss sich jetzt auch selber aufnehmen, filmen, mischen oder jemanden dafür zahlen können, das Video schneiden und natürlich alles notwendige Equipment (vom Interface bis zum Videoschnittprogramm) besitzen müssen.
Tamara Leichtfried: Gleichzeitig war es schon spannend zu sehen, wie schnell viele Künstler*innen quasi aus dem Nichts heraus sehr coole Idee gestampft haben und man so zumindest irgendwie in Kontakt bleiben und Musik teilen konnte.
Habt ihr Lust ein Online-Konzert zu spielen? Unter welchen Voraussetzungen?
Dives: Mit E-Bass, E-Gitarre und Schlagzeug ist das schon eher aufwendig und überhaupt nur möglich, seit wir wieder in den Proberaum dürfen. Da wir bisher quasi nur analog Musik im Proberaum gemacht haben, war die Welt des Homerecordings ganz neu für uns. Wir haben begonnen uns mit den Basics des Recordings auseinanderzusetzen und konnten dann unseren Auftritt für das Europavox selbst aufnehmen. Das war schon ein Erfolgsmoment 😉
Welche Musik hört ihr zurzeit?
Viktoria Kirner: Ein gutes Lied: https://open.spotify.com/track/2IM2fs9rVuDbqtuXpycvam?si=ucJOBF3DRXaC5KStf5VtNg
Dora De Goederen: In letzter Zeit viel Juana Molina und Marilina Bertoldi
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Und für gute Laune sorgt bei mir auch immer wieder Acht Eimer Hühnerherzen
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Tamara Leichtfried: Der Song, der mich durch die Isolation gebracht hat:
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Wie ist eure Perspektive für die Zukunft? Individuell und/oder global
Dives: Wir werden die Zeit nutzen, um uns zu erholen, wieder vermehrt Songs miteinander schreiben und dann top motiviert in die nächste Konzertsaison starten – wann auch immer die sein wird. Vielleicht gibts da vorher noch ein fertiges Album (haha)
Was wird sich verändern?
Viktoria Kirner: Alle dachten, es würde sich alles ändern. Meiner Meinung nach ist erschreckend viel wieder genau so wie vorher.
Ist es euch wichtig, mit euren „Fans“ verbunden zu bleiben in dieser Zeit?
Dives: Klar, primär sind wir das normalerweise bei Konzerten und via Social Media. Derzeit bleibt nur letzteres. Wir wollen aber auch nicht dauernd künstlichen Social-Media-Content produzieren. Wir sind präsent, wenn’s etwas zu erzählen und zu teilen gibt. Da das derzeit einfach weniger der Fall ist, ist’s gut, zwischendurch auch mal eine Pause vom Content-delivering zu machen.
Was bräuchte es jetzt? Welche konkreten Hilfestellungen wären nötig?
Dives: Fördermöglichkeiten konkret auf Bands zugeschnitten, die weder auf die Selbstständigkeit der Bandmitglieder (nicht alle sind SVA pflichtig), noch auf die Wirtschaftsleistung der Band in den Jahren zuvor (oft niedriger und daher kein deutlicher Verlust nachweisbar), abstellen. Zu viele Bands fallen mit diesen Kriterien momentan durch alle Raster. Man sollte sich besser anschauen, welche fixen Einnahmen die Band mit Konzerten in dieser Zeit gehabt hätte und wieviel Geld verloren gegangen ist. Von diesem Betrag ausgehend sollte man den Bands dann eine prozentuale Entschädigung gewähren. Nur so können Bands weiterhin – abseits der Bühnen – arbeiten, die Miete für ihren Proberaum bezahlen, Songs schreiben, aufnehmen, Videos produzieren, etc.
Außerdem wären mehr projektbezogene Förderungen (wie titelbezogene Produktionsförderungen, Videoförderungen etc.) wichtig, um Bands auch ein kreatives Schaffen und ein Präsent-bleiben während der Konzertsperre zu ermöglichen – denn die Gagen, Tantiemen und Verkäufe, die normalerweise Produktionen finanzieren, fallen ja weg und so kommt ohne finanzielle Mittel schnell alles zum Erliegen.
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