CONNY FRISCHAUF ist Künstlerin und Musikerin. Während der institutionalisierte Blick noch immer eine klare Trennung zwischen diesen beiden Rollen erkennt, interessiert sie sich für Synthese. Mit “Affekt & Tradition” (Kame House) ist nun ihre zweite EP erschienen. Michael Giebl traf FRISCHAUF zu einem Gespräch über Tradition und Zusammenspiel.
„Wenn ich im Museum spiele, dann heißt das Performance“, amüsiert sich Conny Frischauf über jene Sprachtradition, die einen Auftritt im mumok – Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien von einem Auftritt im rhiz unterscheidet. „Kunst wird immer in Form eines gewissen Systems – oder daran angelehnt – rezipiert. Wenn dann etwas kommt, was da rausfällt, dann wird’s schwierig. Dafür gibt es keinen Verhaltenskodex.“ Dass Frischauf gerne in eine „Doppelrolle“ gedrängt wird – entweder die Künstlerin oder die Musikerin –, ist einer langen Rezeptionsgeschichte geschuldet: Musik (so sie nicht der Klangkunst entspringe) sei keine Kunst.
Klang und Kunst
Dass sich die Kunststudentin Frischauf nicht als experimentelle „Klangkünstlerin“ versteht, sondern „Musik und Lieder“ machen will, sorgt auch gerne für Irritation: Als sie im Zuge einer Präsentation an der Universität für angewandte Kunst ihre damals aktuelle Platte als künstlerisches Werk vorstellte, tauchte die Frage auf, warum sie nicht am Konservatorium studiere und ob man nicht professionelle Fachkräfte benötige, um diese Arbeit angemessen zu beurteilen (Frischauf stellte einen Laptop mit Mischpult und Boxen in den Seminarraum und verließ selbigen, nachdem sie die Wiedergabe startete). Ob sie an einer Skulptur oder einem Song baue – die künstlerische Produktion unterscheide sich in konkreten Handlungen, nicht aber in Themenstellungen oder Herangehensweisen. In der Kunstwelt, speziell in der akademischen, herrschen Frischauf zufolge nach wie vor „hierarchische Strukturen, denen wir uns mit einer gewissen Verbalisierung anpassen müssen“.
Das für den künstlerischen Ausdruck gewählte Medium (wie Malerei, Video, Performance, Sound …) gleiche einer Sprache. Während unter Studierenden eine grundlegende Tendenz zur Öffnung und Interdisziplinarität zu bemerken sei, so Frischauf, gebe es aufseiten der Institution und ihrer Lehrkräfte teilweise noch elitäre Zugänge. Das zeigt sich auch in musealen Kontexten, in denen der Kunstdiskurs noch mit Vorliebe den Klängen der Generation Wiener Aktionismus nachhinkt (vgl. dazu die Ausstellungen „Doppelleben – Bildende Künstler_innen machen Musik“, mumok, 2018, und „Attersee – Feuerstelle“ im Belvedere21). Performancekunst (und in ihrem Fahrwasser die Sound Art von Performancekünstlerinnen) habe sich die Nähe zum Kunstbetrieb hart erkämpfen müssen, Musik als zeitbasiertes, öffentliches Massenmedium („Pop“) habe diesen Weg noch vor sich.
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Zeit und Raum
Dabei handelt es ich bei Frischaufs „Affekt & Tradition“ (Kame House Records 2019) nicht um flache Unterhaltungsmusik für die Massen. Die vier Tracks in stringenter Nachfolge zum Debüt „Effekt & Emotion“ (International Major Label 2018) haben zwar dank mehr Text wohl auch mehr Sing-along-Potenzial als ihre Vorgänger, sind aber für Frischauf typische eklektische und langsame elektronische Kompositionen – im Plattenladen vermutlich irgendwo zwischen den „Staff Picks“ und Electronic, Leftfield, Ambient und Progressive- beziehungsweise Krautrock zu suchen.
Mit sieben und elf Minuten gibt Frischauf bereits den Songs der ersten Seite viel Raum für Entfaltung. „Thema, Stimmung und Tempo waren nicht von Anfang an gegeben,“ erklärt Frischauf, allein der Wunsch, neue Elemente in die Musik aufzunehmen, sei schon dagewesen. „Halbzeit“ eröffnet „Affekt & Tradition“ und bringt gleich an prominenter erster Stelle der Platte eine Trompete ein, die in epischer Eröffnungsgeste, von Stimmen und Wind begleitet, über Höhen und Täler hinweg ertönt (das Cover-Artwork zeigt eine abstrakte Darstellung mit dem Titel „Alpen“).
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„Wie du mir“ besteht aus Echo-Gesang, hupenden Synths (vergleiche Kraftwerks „Autobahn“!), einem tickenden Tempo, „Wortspielen und Vorwürfen“: „Wie du mir, so ich dir / Wie ich dir, so du mir / Wich [sic!] du so, da du mir / Wieso du mir, so dir / Da dir mich, so du mir / Da du ich, wo so dir / Wie du mir, wie du mir / Wie ich dir, wie ich dir.“ Die heimliche Aufgeregtheit und klamme Antizipation von „Auf und Nieder“ spielt mit Erinnerungen an die Vergnügungsparks der Kindheit und der vermeintlichen Unschuld unserer frühen Tage („Wir spielen gerne Krieg“). „Kompass“ schließt „Affekt & Tradition“ eindrücklich mit kurzen 2:40 Minuten, reduzierter Melodie und hervorgehobenem Gesang. Eine bewegende Ballade voller Aufbruchstimmung, ganz in der Tradition des Tracks „Endless Universe“ der Vorgänger-EP „Effekt & Emotion“.
„Mir ist erst im Nachhinein klar geworden, dass es auch um Landschaften geht“, antwortet Frischauf auf die Frage, ob „Affekt & Tradition“ eine Platte über den Themenkomplex „Tradition, Heimat, Kindheit“ sei. „Die Idee von Heimat beziehungsweise die Idee eines Ortes, auf den man sich bezieht, funktioniert für mich aber anders, er ist mehr ein Gefühl, eine Stimmung und mehr ein ‚Space‘.“ Damit grenzt sie sich für alle, die mit ihrem Werk nicht vertraut sind, ausgesprochen von dem „Liedgut“-Diskurs ab, der auch zur Zeit der Fertigstellung der Platte mit nationalistischen „Krautschädeln“ in den Hitparaden des Landes wiedergängerischen medialen Aufwind erfahren durfte. „Affekt & Tradition“ ist ein subjektiver Einblick in die Gefühls- und Erinnerungswelten Frischaufs und fern jeder volkstümelnden Wir-Konstruktion, die den heimischen Absatzmärkten von Austropop bis „Volks-Rock‘n‘Roll“ zugrunde liegt.
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Glaube und Korrektur
Nicht nur in der Kunst bricht Frischauf mit modrigen Traditionen und den dazugehörigen Tönen. Ihren Zugang zu elektronischer Musik fand sie „vor langer, langer Zeit“ über den Gebrauchtkauf eines vermeintlichen Keyboards, dass sich bei genauerer Betrachtung statt als „überteuerter Reinfall“ als Synthesizer entpuppte. Seither ist ihr Leben als Musikerin, DJ und Handwerkerin eng mit Schaltkreisen verbunden: In ihrer Erwerbstätigkeit arbeitet sie für Elektroakustik Wagner, zuvor war sie lange Zeit im Team von Wavemeister aktiv – beide arbeiten an und mit Studiogeräten aus den 1960er- bis 1990er-Jahren. Frischauf ist damit schon seit vielen Jahren in einem vermeintlichen „Biotop für Männer“ tätig, das archaische Geschlechterkonstruktionen nur zu gerne abruft und reproduziert. Während innerhalb der Teams auf Augenhöhe miteinander gearbeitet wird, kann sich Frischauf an viele Situationen erinnern, in denen ihr vor allem von männlichen Kunden die fachliche Kompetenz vorauseilend aberkannt wurde. „Am Telefon und im Außendienst wird man auch schon mal als Freundin des Chefs wahrgenommen und nicht als Ansprechperson in technischen Fragen“, berichtet Frischauf. „Ich bin aber froh, dass sich das in den letzten Jahren gebessert hat. Es gibt nicht mehr nur Männer, die diesen Bereich dominieren, speziell im Feld der DIY- und der Modular-Elektronik.“
Ähnliche Entwicklungen attestiert Frischauf der Musikwelt auch in Bezug auf Konzert- und DJ-Bookings – auch wenn sie sich noch hin und wieder über Anfragen ärgern muss, die sich explizit an einer „Frauenquote“ abarbeiten. „Da frage ich mich, worum es denen eigentlich geht: um mich als Frau, um mein Geschlecht, um meine Musik oder meine Kunst? Sag mir lieber, dir gefällt das, was ich mache, und nicht, dass ich deine Quote verschönern könnte!“
Zukunft und Weitergabe
In dem Prinzip Zusammenarbeit sieht Frischauf unsere Chance auf das gemeinsame Bewältigen überkommener Muster und struktureller Hürden: „Ich habe das Gefühl, dass sich in Wien immer mehr Leute aus verschiedenen Bereichen zusammentun, um gemeinsam ein größeres Ganzes zu bilden.“ Die Grundgedanken und Einstellungen der Künstlerinnen würden sich oft auch bei divergierenden Genres und Interessen überschneiden, entscheidend seien die gemeinsamen Ideale. Diese finden sich dann natürlich über die Stadtgrenzen hinaus, wie Frischaufs aktuelle Zusammenarbeit mit dem in Berlin und Köln ansässigen Label „Kame House“ bezeugt. Man hat sich auf einem Tour-Date der Neuzeitlichen Bodenbeläge in Wien und der darauf folgenden Frischauf-Vinylograph-Recording-Session kennengelernt, ein paar Monate später war man um neue Freundschaften, gemeinsame Konzerttermine in Deutschland und eine Veröffentlichung namens „Affekt & Tradition“ reicher.
Auch der lokalen Kulturszene wünscht Frischauf vor allem unter schwierigen politischen Rahmenbedingungen viel gegenseitige Unterstützung. Von zentraler Bedeutung sei es, dass Menschen mit Erfahrung ihre Kompetenzen weitergeben würden, und dies gelte sowohl für den potenziellen Nachwuchs als auch für bereits aktive Musikerinnen. Als Vortragende im Rahmen eines Workshops der Reihe „Sounds Queer?“ und als Organisatorin eines „Basic Sound Workshops“ auf der Angewandten beispielsweise arbeitet Frischauf mit Kolleginnen und Freundinnen immer wieder daran, weitverbreitete Berührungsängste mit elektronischem Equipment abzubauen. Oft begegne einem die Sorge, es könne leicht etwas kaputtgehen oder gar explodieren. „Man muss den Gedanken, etwas falsch zu machen, einfach vertreiben, indem man andere dazu ermutigt, Dinge anzugreifen, zu drehen, zu schalten, zu verkabeln und so weiter. Wenn dabei auch noch ein paar wichtige Basics vermittelt werden, kann man davon ausgehen, dass der nächste Kontakt mit entsprechendem Equipment und Situationen ein leichterer sein wird.“ Bei all den Tools zur Eigenrecherche, grenzenlosen Kommunikation und globalen Vernetzung, die sich den modernen „Bedroom-Composern“ heute anbieten, seien es am Ende immer noch die Menschen, die einen mittelbar umgegeben, von denen man auch am meisten mitbekomme, meint Frischauf.
Ein Heimspiel, sozusagen.
Michael Giebl
Termine:
30. Juni 2019 – Live Set, Werk, Wien
12. Juli 2019 – Live Set, Sacred Ground Festival, Brüssow, DE