„Come for my music, not for my facial structure” – AZE im mica-Interview

EZGI ATAS und BEYZA DEMIRKALP sind zusammen AZE und haben im Februar 2022 ihre neuste Single „We move“ veröffentlicht. Seit Anfang des Jahres sind sie bei INK MUSIC – ein guter Start für 2022. Während sich EZGI in einem bezaubernden Deutsch-Englisch ausdrückt, spricht BEYZA zwar weniger, ist dafür aber stets on point. Vereint werden sie nicht nur durch ihre Freundschaft und ihre Musik, sondern auch durch ihre „sad & sexy“-Vibes. Von diesen Vibes, der Schwachstelle Instagram und wie wichtig Kontext ist sprechen AZE im Interview mit Itta Francesca Ivellio-Vellin.

Ihr seid ja quasi eine der bedauernswerten Bands, die während bzw. kurz vor der Pandemiezeit eingestiegen sind.

Ezgi: Ja genau, wir haben drei Konzerte gespielt, bevor es losging. Innerhalb eines Monats drei Bookings ohne Agentur oder so, und haben uns natürlich ur gefreut, und dann war immediately Lockdown. [lacht]

Beyza: Seit dem Erscheinen der EP hatten wir tatsächlich noch kein normales Konzert. Bei uns haben die Leute noch nie beim Konzert tanzen können.

Aze (c) Amelie Strobl

Am Waves Vienna 2021 habt ihr ja in einer Kirche gespielt. Hat das etwas in euch ausgelöst, dieser religiöse Aspekt der Location?

Ezgi: Wir haben im Vorhinein auf jeden Fall sehr darüber gelacht. Wir beschreiben uns halt als “sad and sexy” und dann stehst halt in der Kirche und bist dort “sad & sexy”, im hautengen Kleid und so [lacht].

Beyza: Es hat sich aber auf jeden Fall holy angefühlt [lacht].

Ezgi: Es war auf jeden Fall richtig geil. Definitiv einer der Konzert-Highlights im letzten Jahr.

„Wir beschreiben uns halt als ‚sad and sexy‘ und dann stehst halt in der Kirche und bist dort ‚sad & sexy‘, im hautengen Kleid und so“

Wie war 2021 sonst so für euch?

Ezgi: Sehr interessant. Wir haben unsere ersten Festivals gespielt, sind in Budapest aufgetreten. Zum ersten Mal eben außerhalb unseres eigenen Kaffs, quasi. Wir sind auch mit My Ugly Clementine aufgetreten, das war auch richtig nice. Wir hatten auch blöde Momente, zum Beispiel beim Kultursommer. Da hatten wir unsere Sachen schon komplett aufgebaut, und dann hat es komplett geschüttet, dass wir es absagen mussten.

Und wie sieht es mit 2022 aus? Welche Hoffnungen, welche Pläne habt ihr?

Ezgi: Wir haben die Hoffnung, dass wir alle Lücken, die wir letztes Jahr offengelassen haben, dieses Jahr füllen können. Soll heißen: Social Media und Releases und so.

Was Social Media angeht, habe ich schon gemerkt, dass das nicht ganz so euer Ding ist, oder?

Ezgi: Ja, keine Ahnung. Wir nehmen es beide irgendwie zu ernst, um einfach irgendwas zu posten. Wir haben ja auch private Accounts und ich bin der Meinung, dass ein Band-Account nicht wirklich beinhalten muss, was ich zum Frühstück gegessen habe. Wenn wir einen cuten Moment auf der Bühne haben, posten wir’s eh manchmal, aber wir sind meistens einfach im Moment. Da haben wir keine Kapazität für ein schönes Social Media Image.

Beyza: Aber wir arbeiten daran. Wir wissen schon, dass das ein bisschen unsere Schwachstelle ist. [lacht]

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Ihr habt ja auch großartige Pressefotos von Christoph Liebentritt!

Ezgi: Ja voll [lacht] und die sind einfach nirgendwo! Wir sitzen auf so vielen coolen Fotos!

Beyza: In unserer Musik hat halt auch alles einen roten Faden, deshalb möchten wir, dass das auf Social Media ebenso ist.

„Wir sind einfach konzeptbesessene Menschen. Das ist der Core von Aze“

Ezgi: Genau, und wenn was keinen Kontext hat, dann posten wir’s nicht. Wir sind einfach konzeptbesessene Menschen. Das ist der Core von Aze.

Also alles muss zusammenpassen.

Ezgi: Irgendwie schon. Alle meine Lieblingsartists bringen auch immer Alben zu jeweils einem Thema, einem Konzept heraus. Und dann ziehen sie zum nächsten Konzept. Die bauen quasi Welten auf, jedes Mal, wenn sie was releasen. Und da gehört der Instagram-Account auch dazu, der inszeniert diese Welt mit. Wenn ich aber gerade herausfinden will, was meine Welt ist, kann ich den Leuten nicht zeigen, was meine Welt ist – I don’t know yet, give me some time! [lacht]

Es macht dann keinen Sinn für uns, Fotos zu posten, auf denen wir einfach nur schön aussehen. I mean, come for my music, not for my facial structure. [lacht] Wir profitieren halt auch gerade davon, Frauen zu sein – gerade in einer Zeit, in der es vorteilhaft ist, Frau zu sein.

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Findest du, wir befinden uns momentan in einer Zeit, in der es gut ist, eine Frau zu sein?

Ezgi: Es war auf jeden Fall noch nie besser. Das heißt nicht, dass es gut ist. Aber es war noch nie so gut. Wir bewegen uns in eine Richtung, in der Musik mehr accessible wird, weil man auch mit dem Computer Musik machen kann, das heißt, man braucht keinen Anwalt-Daddy, der ein Studio im 1. Bezirk für dich hat. Du kannst dir Logic einfach von deinem Homie cracken, ein paar Beats basteln, singst “lalala” in ein SM85 drüber, und es ist ein Track! Oder zumindest die Skizze eines Tracks [lacht]. Es ist niederschwelliger und einfacher für weniger privilegierte Menschen.

Ihr habt ja auch einen sehr coolen Track mit Eli Preiss aufgenommen. Wie kam das zustande?

Ezgi: Jaaa! Süße Frau!

Beyza: Wir haben uns über Instagram connected. Sie war einer der ersten Followerinnen, die wir hatten.

Ezgi: Damals hat sie auch noch englische Musik gemacht. Da wurden wir oft im gleichen Atemzug genannt, weil wir ähnliche Vibes verkörpert haben. So R’n’B-inspired halt.

Beyza: Ja und wir hatten halt diesen einen Song, aber irgendwas hat gefehlt, und da hat sie einfach super dazugepasst. Vor allem, weil wir eh schon lang was zusammen machen wollten. Dann haben wir ihr den Track geschickt und tja.

Erzählt’s mal von eurem neusten Song, “We move”. Worum geht’s?

Ezgi: Was stellst du dir denn unter dem Titel vor?

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Veränderung.

Ezgi: Genau! Es geht darum, dass man Veränderung nicht hinterfragt, sondern einfach passieren lässt. Einfach weiterziehen, einfach mitmachen. Nicht zu viele Gedanken machen. Einfach tun.

„Einfach weiterziehen, einfach mitmachen.“

Seid ihr so klassische Overthinker?

Ezgi: [lacht] Absolut! Du könntest ein Diagnose-Buch aufschlagen, bei “Overthinker” ist ein Foto von uns zwei abgedruckt. Und bei “We move” geht es halt auch darum, schöne Momente im Leben zuzulassen. Und, dass man sich diese Momente auch nicht nehmen lassen soll.

Beyza: Just chill.

Ezgi: Gerade jetzt, wo die Tage wieder länger werden, haben wir uns gedacht, dass das passt.

Aze (c) Amelie Strobl

Steckt bei euch tatsächlich so ein Kalkül dahinter, wann Songs veröffentlicht werden?

Ezgi: Wir versuchen, ein Gefühl für den Moment zu haben. Wo wir sind und wo die Welt ist. Klar, manchmal trifft man’s nicht so gut, aber daraus lernt man auch.

Beyza: Ja, aber wenn wir so einen Song fast fertig haben, dann sagen wir oft „Okay, das hört sich an wie Sommer”, oder „Das fühlt sich nach Herbst an”, und so.

Abseits von diesen Moods, was wollt ihr sonst mit euren Songs transportieren? Was ist euch wichtig?

Beyza: Unsere Ehrlichkeit beim Musikmachen. Dass das auch wirklich authentisch ist, was wir machen.

Ezgi: Voll. Wir sind Menschen, generally speaking, – I hope – die recht angenehm sind. Naja, vielleicht finden mich die Leute auch ur nervig, I don’t know. Okay, da wären wir wieder beim Overthinking [lacht]. So eine Mischung aus ernst und sich nicht ernst nehmen. Ich meine schon, was ich sage, aber ich bestehe nicht auf meinen Punkt.

„Ich will schon ernst genommen werden, wenn ich was Ernstes zu sagen habe.“

Das heißt, du lässt dich überzeugen, und kannst einsehen, wenn du vielleicht falsch liegst.

Ezgi: Voll. Ich will schon ernst genommen werden, wenn ich was Ernstes zu sagen habe.

Beyza: Es ist für uns auch wichtig, dass die Leute ihre eigenen Interpretationen zu unserer Musik finden. Das ist völlig offen. Wir bestehen nicht darauf, dass man verstehen muss, was wir uns dabei gedacht haben, als wir die Musik gemacht haben, jede*r kann da frei sein, zu fühlen und zu denken, was man will.

Ezgi: Ich finde es tatsächlich belohnender, wenn die Leute mit ihrer eigenen Interpretation zu mir kommen. Dann höre ich auf einmal meinen eigenen Song mit den Ohren von anderen, das ist super exciting.

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Wie nehmt ihr die österreichische Musikszene wahr?

Ezgi: Naja, so viel konnten wir nicht wahrnehmen wegen Corona. Aber grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass wir mit offenen Armen aufgenommen wurden. Bisher habe ich die Szene also eher positiv wahrgenommen. Viele Akteur*innen sind auch echt coole Menschen.

Beyza: Es passiert viel, habe ich das Gefühl. Aber es werden immer dieselben Leute gepusht, von Medien und so.

Ezgi: Ja, da ist schon ein Establishment-Vibe. Und wenn du da reinpasst, dann geht es dir natürlich besser. Gleichzeitig bin ich nicht der Meinung, dass man nur auf der Anti-Establishment-Schiene fahren sollte. Dann bleibt man am Ende des Tages auch nur der “Protest-Artist”. Also klar, wenn man das vertritt, dann sowieso, aber wenn man einfach Pop oder Indie machen will… Wenn man nur gebucht wird, weil das in die derzeitige politische Lage passt, ist das auch scheiße.

Danke für das Interview!

Itta Francesca Ivellio-Vellin

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