CARI CARI, WANDL und MAVI PHOENIX am PRIMAVERA FESTIVAL

Neben BJÖRK, LORDE und A$AP ROCKY haben heuer drei Acts aus Österreich beim PRIMAVERA FESTIVAL gespielt. Manche hatten mehr Glück als andere.

Radiohead oder Grace Jones. Nick Cave oder Fever Ray. Father John Misty oder Cari Cari. Festivals machen es einem nicht einfach. Gerade beim Primavera Festival spielen abseits der Hauptbühne viele Bands, MusikerInnen und RapperInnen, die sonst Hallen füllen. Die Musikauswahl ist in Barcelona jedes Jahr groß, ja eigentlich übergroß. Man muss sich entscheiden und wird vieles verpassen, das ist schon klar, wenn man anreist. Die volle Ungunst der Stunde musste der Wandl nutzen. Sein Album „It’s All Good Tho“ war laut Musikexpress letztes Jahr das viertbeste – und das, obwohl es nicht bangt und nur sanft bounct. Stattdessen schillert es, es ist verspielt, in sich gekehrt und recht genial. Seit einiger Zeit raunt man sich zu, dass dieser Wandl Großes kann, dass sein Insta-Game sowieso on point ist. Seit einiger Zeit spielt der Wandl in Europa, man hat ihn am Schirm.

Was aber soll man tun, wenn gleichzeitig Haim, Cigarettes After Sex, The Internet und Panda Bear spielen? Wenn Mike D von den Beastie Boys und Daphni – neben Caribou das andere Alter Ego von Dan Snaith – gerade ihre Sets beendet haben und der Weg von ihnen bis zur richtigen Bühne zu weit ist? Man muss trotzdem auf die Bühne. Auch wenn nur hundert Leute davorstehen, sitzen und kurz verschnaufen. Das war sehr schade. Denn mittlerweile singt Wandl viel öfter als früher, er verwandelt sich zum Crooner und spielt auf den Registern seiner Stimme, als würde in seiner Brust nicht nur ein sad boy wohnen, sondern ein alter Mann am Ende eines sumpfigen Flussdeltas. Kurz vor oder nach der Show postete er noch eine Insta-Story mit kurzem Text: Barce*alone*a.

Bild Primavera Bühne
Bild (c) Hannes Tschürtz

Auf derselben Bühne hatte Cari Cari ein paar Stunden zuvor gespielt. Da stand die Sonne noch am Himmel. Die meisten Leute, die schon am Festival waren, wollten von John Maus zu Father John Misty wechseln. Dazwischen waren zwanzig Minuten Zeit. Ihr Weg führte direkt an der Night-Pro-Bühne vorbei. Man konnte die Musik von Cari Cari von Weitem hören, weil sie in Richtung der einströmenden Menschen strahlte. Diese Menschen konnten zwei oder drei Leute auf der Bühne sehen, und eine von ihnen hantierte mit einem Didgeridoo, das irgendwie rockte und irgendwie wobbelte, jedenfalls sehenswert war, denn wie oft sieht man heute Didgeridoos. Viele blieben stehen. Auf der Seite war kaum noch ein Durchkommen, sie wollten schnell reinhören und eh gleich weiter – das konnte man an ihren fahrigen Festivalblicken erkennen –, aber sie waren gebannt. Cari Cari nutzten die volle Gunst der Stunde. Das funktionierte, weil sie Musik machen, die bannt. Ihr Rock-‘n‘-Roll-Minimal ist nicht brandneu, aber auf allerhöchstem Level. Er ist ideenreich, er ist lustig anzusehen, er ist auf eine sehr coole Art wild. SML und AK von Cari Cari singen und heulen, als hätten sie das von Geburt an gemacht, als wären sie mit einem hörigem Blues auf die Welt gekommen. Und sie strahlen dabei Selbstbewusstsein aus – ohne könnte man aber wohl keine so teuflische Maultrommel spielen, ohne sie versehentlich auszuspucken.

Weniger vom Mississippi gezeichnet, sondern von den Hollywood Hills angefixt kam Mavi Phoenix nach Barcelona angereist. Sie wurde regulär gebucht. Um zu verstehen, was das heißt, muss man eventuell ausholen. Das Primavera verspricht viel Prestige, es ist wohl eines der am besten programmierten Festivals in Europa, wer hier spielt, kann das stolz in den Lebenslauf schreiben. Deshalb kommen viele Professionelle hierher, Booker, Labels, Agenturen und Lobbyistinnen und Lobbyisten, also Menschen, die gern Geld einnehmen. Für sie gibt es tagsüber eine Bühne in der Innenstadt und nachts eine am Festival, sie sollen sich anhören, was demnächst durch die Decke geht. Auf der Day-Pro- und der Night-Pro-Bühne gelten deshalb ein wenig andere Regeln als für Nick Cave, Deerhunter oder Vince Staples. HVOB aber spielte letztes Jahr ganz regulär am Festival auf einer der großen Bühnen. Und heuer war es Mavi Phoenix.

Sie tat es gleich zweimal. Einmal in der Stadt in einem alten, schönen und geräumigen Theater. Das andere Mal um neun Uhr auf der Pitchfork-Bühne, die sie mit Sylvain Esso, Arca, Abra, Ibeyi und Lindstrøm teilte. Das Theater war am Mittwoch, dem klassischen Anreisetag, mit etwa tausend Leuten ganz voll. Die Setlist war knackig. Füller gibt es bei Mavi Phoenix nicht. Neben „Quiet“, „Bite“, „Yellow“, „Love Longtime“ und „Janet Jackson“ waren auch einige unveröffentlichte Songs darunter. Und natürlich musste ganz am Ende „Aventura“ kommen. Immerhin war der Song durch eine Kampagne von Desigual hier in Katalonien und den drei großen romanischen Ländern sehr bekannt geworden. Mavi Phoenix wusste, wie man mit internationalem Publikum spricht, kleine Geschichten erzählt, dort und da klarmacht, man solle den Arsch in Bewegung bringen. Wenn noch nicht jeder Song ein viraler Hit ist, braucht es solche Kniffs, denn das Publikum will auf Festivals vielleicht noch mehr als sonst bespaßt werden. Denn Glück kann man nicht erzwingen. Aber man kann es herausfordern. Und das gelingt österreichischen Musikerinnen und Musikern auch außerhalb des deutschen Sprachraums langsam immer besser.

Stefan Niederwieser

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