BYDL – „22022022″

Der 22.02.2022 war letzte Woche. Die Tage schon wieder drübergewachsen. Neue Dinge sind passiert. 22022022 ist eine Zahlenreihe die sich in den vergangenen Tagen verschiedenartig in die Pupillen gefressen hat. Fast schon wie ein Kometen-Einschlag wurde der symbolhafte Zeitpunkt erwartet, der aber dann genauso schnell wieder vorbei war. Die EP mit dem gleichnamigen Titel „22022022“ bleibt, auch in den Ohren.

Auf der EP „2202222“ zeigt BYDL vier Facetten einer Gegenwart in Brüchen, die immer weiter auseinanderfällt. Das Wort „dystopisch“ kann man kaum mehr aussprechen, wenn die Realität von Fiktionen überlagert wurde. Das Cover ist Rot auf Schwarz, fast wie eine Warntafel. Unter dem Namen BYDL ist Sandro Nicolussi bereits seit einigen Jahren zum wesentlichen Protagonisten der experimentellen Elektronikszene in Wien geworden. Daneben hat er eine Spur in den verschiedensten Podcasts, Radiosendungen und Texten zurückgelassen. Zum Thema „Clubkultur“ spricht er auch in seinem Podcast Nachtigall. Es ist BYDLs erste Solo-EP auf dem Label Vienna Underground Traxx.

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Die Namen erzählen bereits die Geschichte, zumindest einen Teil. „Meditation for Millenials“ heißt der erste Track, der auf meditative Weise einen Raum öffnet, der sich im Laufe der EP weiterformen wird. Diese Meditation braucht vermutlich bald jeder. Die dunklen Soundcapes schmiegen sich um die Ohren, fast wie ein Kissen. Ein kurzer Moment des Innehaltens. Danach folgt das zweite Piece „Interlude: Bewaria“, dessen Soundwelt gleich ganz andere Formen annimmt. Hier werden Worte gefunden. Die modernen Arbeitsbedingungen werden über gefundenes Dictaphone-Material kommentiert, hörbar gemacht. Diese Auszüge verorten dabei das Narrativ der EP damit konkret, machen es greifbar.

Nach der Mediation die Hypnose. Der dritte Track erinnert an Gestern, oder letztes Jahr, eine Zeit, an die man sich kaum mehr erinnern kann. Körper nebeneinander, ohne einander mit Blick nach vorne. Dancefloor und so weiter. Erinnerungsräume, so fern klingt das inzwischen. Der Track ist der einzige, der trotz BYDLs Clubaffinität, tatsächlich an Club erinnert. Am Ende dann ein Requiem: „A Fading Society Requiem“ besingt all das, was zuvor schon skizziert wurde ganz ohne Worte. Das letzte Piece bildet eine Schleife zurück zum Anfang, es kehrt wieder Ruhe ein, nach oder vor dem Sturm. Eine elegische Gegenwartshymne, deren Melodie noch länger im Kopf nachhallt.

„220222“ von BYDL ist eine kurze aber dichte Gegenwartsanalyse in auditiver Form, die trotz seiner Reduktion irgendwie auf den Punkt trifft. Der 2202222 kommt nicht mehr wieder, „2202222“ von BYDL bleibt.

Ada Karlbauer

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