Wie kann den enormen Herausforderungen, die das österreichische Musikleben derzeit zu gewärtigen hat, durch schrittweise Lockerungen der gesundheitlichen Vorsichtsmaßnahmen produktiv begegnet werden? Der ÖSTERREICHISCHE MUSIKRAT schlägt der Österreichischen Bundesregierung und der Staatssekretärin Mag. Ulrike Lunacek in einem Brief dazu folgende Maßnahmen vor.
Sehr geehrte Österreichische Bundesregierung,
sehr geehrte Frau Staatssekretärin Mag. Ulrike Lunacek!
Wie kann den enormen Herausforderungen, die das österreichische Musikleben derzeit zu gewärtigen hat, durch schrittweise Lockerungen der gesundheitlichen Vorsichtsmaßnahmen produktiv begegnet werden? Der Österreichische Musikrat schlägt dazu folgende Maßnahmen vor (die folgenden Punkte sind gleichberechtigt und nicht als Rangordnung zu verstehen):
1. Da in Österreich im Schnitt normalerweise täglich ca. 800 Veranstaltungen mit Live-Musik stattfinden und daher für die Monate März bis Juni ein Ausfall von rund 100.000 Veranstaltungen zu verzeichnen sein wird, muss es einerseits bald verantwortungsvoll angepasste Möglichkeiten geben, zumindest den Probe-Betrieb wieder aufzunehmen und muss andererseits die finanzielle Stützung auch von Absagen betroffene Veranstaltungen der Sommermonate umfassen. Wir schließen uns daher der Forderung vieler Interessensvertretungen anderer Kunstsparten an, alle Fonds für alle Kunst- und Kulturschaffenden bzw. alle in diesem Segment tätigen Personen zu öffnen.
2. Erste Schritte im Rahmen der derzeit bestehenden Auflagen wären
- eine explizite Erlaubnis für Einzelunterricht an Musikschulen, Schulen und Universitäten. Aufgrund der Zuständigkeit der Länder wären bundesweite Regelungen für Musikschulen dringend erforderlich.
- eine Eröffnung der Möglichkeiten für Proben, Studioarbeit und interne Besprechungen ab Mitte Mai, wenn von der Räumlichkeit her der Mindestabstand eingehalten werden kann. Interne Produktionsschritte mit bis zu ca. 5 Personen sind derzeit bereits möglich.
- spätestens ab 1. Juli 2020: die Durchführung von Veranstaltungen gegebenenfalls mit Personenbeschränkung, abhängig von der Größe des Publikumsraums.
3. Stützung größerer Musikgruppen im Amateurbereich (Chöre, Blaskapellen, Orchester, …): Da gerade in den Monaten April bis Juni viele Konzerte (oft selbst organisiert) fixiert waren, ist die Einrichtung einer Unterstützung zum Auffangen des Einnahmenentfalls wichtig, um die weiterhin laufenden Fixkosten (Miete Probenlokal, Honorare für Leiter und Korrepetitoren, Kosten der Website etc.) abdecken zu können. Auch Musikvereine müssen die Möglichkeit haben als „non profit“ Organisationen bei den eingerichteten Fonds anzusuchen. Derzeit unklar sind die Unterstützungsmöglichkeiten für freie Dienstnehmer.
4. Die derzeitige umfangreiche künstlerisch-kreative Tätigkeit im Netz sollte sehr wesentlich Eingang in die Gestaltung der Implementierung der EU-Urheberrechtsrichtlinie finden. Derzeit werden enorme Mengen an Musikstücken gratis der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Dafür sollte es im Sinne des „fair pay“ eine Abgeltung seitens der großen Plattformen geben, die rückwirkend das Jahr 2020 ab März umfasst. Zum Urhebervertragsrecht liegt bereits ein Entwurf der „Initiative Urhebervertragsrecht“ vor.
5. Größere Veranstalter beginnen nun Internetkonzerte mit online Ticket Verkauf zu organisieren („pay as you wish“, crowdfunding oder Fixpreis). Die Monetarisierung von Live-Konzerten im Netz sollte demokratisch und unkompliziert auch einzelnen Kunst/Kulturschaffenden und kleinen Veranstaltern möglich sein. Dazu sollten die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt, Angebote gebündelt und kommuniziert werden.
6. Wir ersuchen um weitere Unterstützung des Aufrufs, die Rundfunkanstalten (öffentlich-rechtliche und private) mögen Musik aus Österreich mehr Raum geben. Dazu zählt auch das gesamte Repertoire österreichischer Labels und Verlage. Einige ORF Programme haben darauf bereits reagiert, der private Sektor noch kaum. Formate für Musik aus Österreich sollten weiter ausgebaut werden (z.B. könnte ORF III als audiovisuelles Programm eine Plattform für Musikvideos einrichten).
7. Eine deutlich bessere Ausstattung des Österreichischen Musikfonds würde die Fortsetzung und den Ausbau der musikalischen Produktionen auf einem hohen internationalen Qualitätsniveau sowie deren Vermarktung ermöglichen. Damit könnten Investitionsrisiken abgefedert werden. Der Österreichische Musikfonds könnte damit wie ein Turbo für die Kreativproduktion wirken, Beschäftigung absichern und den Musikstandort Österreich festigen.
8. Weitergabe der seitens der Europäischen Union auf den Weg gebrachten Geldmittel auch an die in Österreich betroffene Musikszene: Coronavirus Response Investment Initiative, Instrument for Temporary Support Employment, Temporary Framework for State Aid sowie Maßnahmen unter „Creative Europe“. Bei aktuellen Projekten erweisen sich derzeit sowohl Mobilität als auch Laufzeit als besondere Probleme.
Mit freundlichen Grüßen>
Harald Huber und Günther Wildner
(ÖMR Präsident und Generalsekretär)
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ÖMR