„Blackboxed Voices – I am Here“: Ein Dialog in vier Dimensionen von Martina Claussen

Klanginstallation, -spektakel, -regen oder doch „Klangdusche“? Die formale Titulierung von „Blackboxed Voices – I am Here“ ist unbestreitbar schwierig. Das soll allerdings nicht weiter beirren, denn laut der Komponistin und Vokalistin Martina Claussen spricht die Performance für sich. Ein unvoreingenommenes, offenes Publikum ist nicht nur erwünscht, sondern mit Nachdruck erbeten.

Während Claussen mehr oder minder ins klassische Gesangsstudium „hineinstolperte“, wie sie selbst sagt, war ihre Hinwendung zur elektronischen Musik hingegen eine bewusste Entscheidung. Die Mezzosopranistin studierte Computermusik und elektronische Medien an der mdw (Lehrgang für elektroakustische und experimentelle Musik) und absolvierte darüber hinaus ihren Master in Komposition an der Anton Bruckner Privatuniversität

Neben ihrer Stimme wurde so das „Akusmonium“ zum Deuteragonisten ihrer Werke: ein Lautsprechersystem, das über ein Mischpult gesteuert wird. Dabei werden Klänge nicht nur in den Raum geworfen, sondern durch die unterschiedlichen Klangcharakteristika der einzelnen Boxen geformt – ein abstraktes Klangerlebnis zum Abtauchen und Imaginieren. Für Claussens Kompositionen typisch, übernimmt der Klang dabei die unangefochtene Hauptrolle, „jede Semantik muss sich ihren Raum erkämpfen“, so die Komponistin über ihren ästhetischen Ansatz.

Uraufgeführt wird Martina Claussens „Blackboxed Voices – I am Here“ im Rahmen von Wien Modern im Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien. Ermöglicht durch den „Publicity Preis“ des SKE Fonds verarbeitet die Künstlerin darin alle Aspekte ihres bisherigen Gesamtopus. Anspielung darauf ist auch der Titel, hier zu verstehen als Lautsprecher-Stimmen. Dabei integriert sie ein für ihre Kompositionen bislang fremdes Element: das Licht.

Klang, Raum, Bewegung und Licht – vier Säulen, die Claussen zusammen mit den Performenden Brigitte Wilfing, Tobias Leibetseder, Patric Redl und Alex Franz Zehetbauer sowie Thomas Gorbach, dem Produktionsmanager von „The Acousmatic Project“ (dem Wiener Verein zur Förderung akusmatischer Musik), der Lichtarchitektin Conny Zenk und Kostümen von Patrizia Ruthensteiner zu einer „performativen Klanginstallation“ zusammenbringt. Jede der vier Säulen kann dabei ebenso als eigenständiges Kunstwerk betrachtet werden. Die Interaktion gilt als oberste künstlerische Prämisse, ohne dass die einzelnen Säulen einander ertränken.

Die getaktete Grundstruktur des Klangs bilden von Claussen selbst „gesammelte“ Field-Recordings und Sprachaufnahmen der Performenden, die im Vorfeld zu einem Werk verknüpft wurden. Dieses Klanggerüst wird durch Live-Einspielungen ergänzt, improvisatorisch bearbeitet und über die gesamt 32 im Raum verteilten Boxen wiedergegeben. Automation und bloßes Abspielen – Fehlanzeige! Diesen Spaß lässt sich die Komponistin nicht nehmen. Die Lautsprecher übernehmen dabei nicht nur die Rolle des Orchesters, sondern werden durch ihre Positionierung auch instrumental eingesetzt. So wird der Raum selbst zum Instrument und seine akustischen Reflexionen als bewusstes Mittel ins Werk integriert. Zusätzlich werden Live-Klänge der Performenden über Mikrofone in den Raum geworfen. Kontrapunktisch zur „vor sich hinwabernden“ Klangwelt werden die Lichteinwürfe, in Interaktion mit den Bewegungen der Performenden, ebenfalls live improvisiert. 

Ziel ist die Verwebung der Ebenen und das Schaffen eines interaktiven Raums, in dem die Barriere zwischen Publikum und Performenden verschwimmt. Eine Bühne oder festgelegte Sitzplätze gibt es daher nicht. Um das je nach Position variierende Geschehen optimal wahrnehmen zu können, steht es dem Publikum frei, sich ruhig durch den Raum zu bewegen. Die Interaktion der Mitwirkenden ist dabei nicht nur ein wichtiger performativer Aspekt, sondern für die Komponistin auch ein integrales kompositorisches Element. Die Abläufe und Szenen verkörpern die Genese der gemeinsamen Improvisation über das von Claussen vorgegebene Fundament einer dystopischen Grundstimmung, die durch den „Klangpool“ aus Field-Recordings und Vokalaufnahmen erzeugt wird.

Durch die Neu-Kontextualisierung der von Claussen aufgenommenen Alltagsgeräusche lebt das Werk in einer Art eigenen Welt. Eine Dystopie, in der Zeit, Raum und Distanz aufgebrochen, neu verknüpft und den Hörenden als ein neuer, nicht ganz greifbarer Klang im Echo ferner Erinnerungen präsentiert wird. Der Untertitel des Werks „I am Here“ kann durchaus im Spiegel dieser kontextuellen Unterspülung, der Dekontextualisierung bekannter Klangeindrücke verstanden werden. Wobei hier, so wie auch in der gesamten Performance, weitläufiger Interpretationsspielraum offensteht. Ein 50-minütiger „Overkill der Sinne“, wie Claussen vorausschickt, der durch seine intrinsische Vielschichtigkeit verspricht, bei jeder Performance neue Seiten von sich preiszugeben.

Hanna Bertel, Jil Paul, Katharina Ressl