„Es gibt Tausende Möglichkeiten, einen Ton auf der Gitarre zu manipulieren […]“ – BERNHARD HAMMER (BUENOVENTURA) im mica-Interview

Ein wahnsinniger Raver auf See – zwischen Freiheitswunsch und Augenzwinkern. Sein Name: BUENOVENTURA. Dieses Alter Ego lässt den als ELEKTRO-GUZZI-Gitarristen bekannten BERNHARD HAMMER über die Weiten des Soundatlantiks reisen. Mit der auf „Hezekina Pollutina“ erschienenen EP „Crude Vacation“ präsentiert er ein buntes Sinnbild dieser Seefahrerutopie in Form von facettenreichen Clubtracks. BERNHARD HAMMER aka BUENOVENTURA sprach mit Ada Karlbauer über künstlerische Wege der Entfremdung, die Faszination des Meeres und seiner Geschichten sowie über die ständige Suche nach unbekannten Klängen.

Buenoventura ist neben ihrer Arbeit als Gitarrist der Techno-Band Elektro Guzzi ihr aktuelles musikalisches Alter Ego. Wie kam es dazu?

Bernhard Hammer: Ich habe eigentlich immer schon auch allein Musik produziert. Angefangen habe ich mit einem 4-Spur-Kassettenrekorder, einem Casio-Keyboard und einem Mikrofon aus dem 10-Schilling-Shop. In der Zeit, in der Elektro Guzzi entstanden ist, habe ich dann auch angefangen, mich für Synthesizer, Drum Machines und Produktionstechniken elektronischer Tanzmusik zu interessieren. Zuerst stand aber nicht die Veröffentlichung oder die Performance im Vordergrund, sondern eher das Erlernen der Grundprinzipien der Produktion von elektronischer Tanzmusik. Über die Jahre haben sich dann Hunderte Ideen, Skizzen und fertige Tracks angesammelt. Irgendwann fing ich dann an, darüber nachzudenken, in welcher Form ich die angesammelte und ständig wachsende Musiksammlung veröffentlichen und performen könnte. Das war der Beginn von Buenoventura.

„Buenoventura was born in Vienna in 1980 as a son of a danube ship navigator and a striptease dancer. After school he decided also to become a sailor and moved to Nassau (Bahamas) where he lived for the next 10 years. There he started to play guitar and this became, besides shipping, his second passion. Since 3 years he is back in Vienna, where he is working as a musician and Karate coach“, lautet die offizielle Album-Beschreibung auf Bandcamp. Auch auf visueller Ebene macht sich diese Story bemerkbar. Welches Narrativ wird hier bedient, wofür steht die Figur?

Bernhard Hammer: Buenoventura ist eine Mischung aus einem Seefahrer und einem vom langjährigen Drogenkonsum leicht wahnsinnigem Raver, der elektronische Tanzmusik liebt und deshalb eine Radioshow auf hoher See betreibt, um die anderen Schiffe mit guter Musik zu versorgen. Er liebt Techno und die Freiheit, die ein Mensch auf einem Schiff in den Weiten des Atlantiks erleben kann. Dasselbe Gefühl habe ich schon manchmal auf guten Partys gehabt und genau dieses Gefühl von Freiheit und Spaß am Tanzen möchte ich mit Buenoventura erzeugen.

Nautische Motive spielen sowohl für die Inszenierung also auch für die Soundgestaltung eine wichtige Rolle.

Bernhard Hammer: Mich hat das Meer und alles, was damit zusammenhängt – also Schiffe, Häfen, Seeleute, Fischer etc. –, schon immer fasziniert. Auch empfinde ich das Lebensgefühl und die Stimmung von Menschen, die am Meer leben, immer als etwas Besonderes. Da ich in Wien aufgewachsen bin, verbinde ich das Meer auch immer mit Urlaub und einer gewissen Ungezwungenheit. Mit diesem Gefühl möchte ich eben an Buenoventura arbeiten.

„Crude Vacation“ lautet der Name Ihrer ersten Solo-EP. Was wird hier musikalisch verhandelt?

Bernhard Hammer: Ich habe für die EP drei meiner farbigsten und buntesten Tracks ausgewählt. Die Tendenz meiner neueren Stücke geht eher in eine dunklere, düsterere Richtung. In erster Linie war mir aber wichtig, eine EP mit tanzbarer Clubmusik herauszubringen.

Wie verläuft die Arbeitsweise?

Bernhard Hammer: Am liebsten arbeite ich so intuitiv und experimentell wie möglich. Ich versuche, das Grundthema meiner Tracks möglichst schnell zu skizzieren und mich dann von Soundfarbe zu Soundfarbe weiterzuarbeiten. Dazu baue ich mir alle möglichen elektronischen Set-ups – lasse z. B. die Drums mal durch ein paar Gitarreneffektgeräte und einen Verstärker laufen, um sie dann mit verschiedenen Mikrofonen erneut aufzunehmen. Überhaupt verwende ich liebend gerne meine Gitarreneffekte, um auf die Sounds meiner Stücke einzuwirken.

Für den Feinschliff der Tracks benötige ich normalerweise am meisten Zeit. Hier arbeite ich oftmals Listen mit Änderungsideen ab, die ich mir beim Anhören der Tracks in verschiedensten Set-ups, also zu Hause, bei Freunden, in anderen Studios, im Club etc., notiere.

Buenoventura (c) Klaus Pichler

„Die Gitarre benutze und denke ich schon seit einigen Jahren eher als Klangerzeuger […]“

Ähnlich wie auch bei Elektro Guzzi imitiert bei „Crude Vacation“ die Gitarre bewusst den Klang von synthetischen Soundstrukturen und Rhythmen. Wie viel entsteht am Computer?  In welchem Verhältnis steht die analoge Gitarre zu den digital konstruierten Sounds?

Bernhard Hammer: Den Computer verwende ich hauptsächlich zum Aufnehmen der analogen Signale, der Drum Machines, Synthesizer, Gitarre etc., und zum Arrangieren der Tracks. Es gibt ein paar wenige Softwaresynthesizer, die ich gerne benutze. In letzter Zeit finden Max-for-Live-Plug-ins immer öfter Verwendung. Die Gitarre benutze und denke ich schon seit einigen Jahren eher als Klangerzeuger für mein – modulares –Effekt-Set-up. Es finden sich also keine konventionellen Gitarrenriffs in meinen Stücken.

Auch die klangliche Entfremdung oder Verzerrung als ästhetisches Werkzeug scheint in diesem Kontext ein wesentlicher Parameter zu sein.

Bernhard Hammer: Meine Faszination für elektronische Musik hat viel mit einer Suche nach interessanten und neuen Klängen zu tun. Da ist es eine logische Folge, Wege der Entfremdung und/oder Verzerrung zu suchen. Es gibt Tausende Möglichkeiten, einen Ton auf der Gitarre zu manipulieren, sei es direkt am Instrument, durch die Aufnahmetechnik oder im Nachhinein. Da ich mich sehr viel mit der Manipulation von Gitarrenklängen beschäftige, kann dann ein 08/15-Akkord auf der Gitarre auch mal etwas ganz Besonderes sein.

Die vier Tracks der EP – „About“, „Nassau“, „Brightwork“ und „Nassau (Altroy remix)“ – zeigen eine starke musikalische Vielfalt, gerade auch in Bezug auf klassische Genres wie etwa Techno und House.

Bernhard Hammer: Ihu Anyanwu alias G.Rizo, die das Label „Hezekina Pollutina“ betreibt, und ich haben uns mit der Zusammenstellung der EP viel Zeit gelassen und dabei verschiedene Kombinationen durchgedacht. Am Ende ist es zu dieser Auswahl gekommen, weil sie für uns am stimmigsten war. Schön finde ich, dass meine Tracks eher im House-Bereich einzuordnen sind und der Remix von Altroy in eine härtere Detroit-Richtung geht.

„Mir war es sehr wichtig, ein Set-up zu finden, mit dem ich frei spielen und auch improvisieren kann.“

Kürzlich gab es einen Auftritt am Wiener Popfest. Welchen Stellenwert nimmt die Live-Performance innerhalb des ganzen Projekts ein?

Bernhard Hammer: Buenoventura war immer als ein Live-Act gedacht. Nur brauchte ich einige Zeit, um herauszufinden, wie das funktionieren kann. Mir war es sehr wichtig, ein Set-up zu finden, mit dem ich frei spielen und auch improvisieren kann. Außerdem wollte ich auf der Bühne auf den Laptop verzichten. Es hat einige Zeit gedauert und war auch eine große Herausforderung, die richtigen Instrumente zu finden. Mittlerweile habe ich großen Spaß am Livespielen und arbeite ständig an meinem Live-Set.

Auf der Homepage Ihres Managements steht: „Nachtschwärmer werden Buenoventura lieben und ihn in ihre Herzen schließen.“ Ist Buenoventura als reines Club-Projekt gedacht?

Bernhard Hammer: Buenoventura gehört auf jeden Fall in den Club und ist zum Tanzen gedacht. Aber ob das ausschließlich so sein muss, kann ich nicht sagen.

Wohin wird die Reise gehen?

Bernhard Hammer: Es sind mittlerweile wieder sehr viele Tracks fertig geworden und es wird naher Zukunft wieder einen Release auf „Hezekina Pollutina“ geben. Ebenso sind Releases auf anderen Labels in Planung. Ich arbeite auch gerade an einer EP, die sich mit Polyrhythmen beschäftigt und die vielleicht ein wenig anders klingen wird.

Vielen Dank für das Gespräch!

Ada Karlbauer

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