Am 14.2.2025 erscheint mit „Die Kunst dem Fuge“ das Debütalbum von LORENZ WIDAUER, FELIX GUTSCHI, FERDINAND RAUCHMANN, MAXIMILIAN REHRL und PAUL WIDAUER – in Kombination bekannt als die Band CHEZ FRÍA. Die gebürtigen Salzburger, alle fünf mittlerweile auf unterschiedliche Städte verteilt, brechen darin die Grenzen alter Musik auf und verbinden sie auf eine ganz eigenwillige Weise mit innovativen Klangkompositionen. Im Café Raimann, wo schon Falco einst Stammgast war, haben sich Schlagzeuger PAUL WIDAUER und Keyboarder/Synthesist FERDINAND RAUCHMANN mit Katharina Reiffenstuhl zum Interview getroffen. Darin erklären sie, wie Barock, Synths und Blockflöte zusammenpassen und warum es ihr Album erstmal nicht auf Spotify zu hören geben wird.
Wie habt ihr als Band zueinander gefunden?
Ferdinand Rauchmann: Wir kennen uns alle aus Salzburg, sind in dieselbe Schule gegangen, ins Musische Gymnasium. Wir haben aber eigentlich davor schon in unterschiedlichen Ensembles und Bands gespielt. Und dann gab es eine Anfrage, Ende 2018, ob wir einen Slot spielen möchten, bei den Festspielen von Sansoucci in Potsdam. Sie hatten einen Crossover-Slot frei, wo man neue Ideen und Konzepte aufführen konnte, vor wirklich großem Publikum. Da hat damals der Felix zugesagt und meinte “Wir haben da was”, auch wenn das vielleicht nicht ganz so fertig war, wie er das formuliert hat. (lacht) Dann haben wir uns ziemlich schnell im Tonstudio in Surheim für eine Woche eingesperrt und gewusst, dass wir ein Konzert machen müssen.
Paul Widauer: Und zwar nicht irgendwann, sondern drei Monate später.
Ferdinand Rauchmann: Wir mussten da also ein komplettes Programm einstudieren. Die Guidelines, die wir hatten, waren eigentlich nur, dass wir alte Musik mit Jazz, Fusion und Funk verbinden. Daran haben wir dann eben gearbeitet und das waren die ersten Werke, wo dann auch “Die Kunst dem Fuge” entstanden ist, was jetzt der Albumtitel ist.
Das bedeutet, ihr habt quasi für dieses Konzert eine Band gegründet?
Ferdinand Rauchmann: Im Prinzip ja. Darauffolgend haben wir auch bei der Ausschreibung vom Hubert-von-Goisern-Preis teilgenommen und haben dann den Kulturpreis bekommen.
Dann ist ja alles sehr schnell gegangen.
Ferdinand Rauchmann: Ja, wir sind im selben Jahr auch noch beim Take the A-Train Festival in Salzburg aufgetreten. Dadurch, dass wir schon viel in der Salzburger Szene gespielt haben, war es gar nicht so schwer für uns.
Was hat zum Namen “Chez Fría” geführt?
Paul Widauer: Da wir notgedrungen waren, eine Band zusammenzustellen, haben wir versucht, in kürzester Zeit einen Namen zu finden. Da kommt meistens nichts G’scheites raus. Aber es gibt in Salzburg ein Lokal, das heißt “Chez Roland”. In dem Lokal sind der Lorenz und der Felix mal spät in der Nacht versumpft – oder eher schon früh am Morgen – und haben sich gefragt: “Wie nennen wir unsere Band?”. Dann haben sie festgestellt: “Ok, wir sitzen im Chez Roland. In der Fria.” Alle glauben immer, das ist ein super französischer Name, aber es war einfach ganz sche fria – schön in der Früh.
Ferdinand Rauchmann: Das trifft auch gut auf unsere Musik zu, dass es oft sehr kompliziert wirkt, aber eigentlich sind es ganz einfache Sachen. Das ist ja auch das Schöne bei der Musik: Man kann ganz viel reininterpretieren, aber man kann es auch einfach auf sich wirken lassen.
„WENN MAN SICH DIE BAND ANSCHAUT, HAT JEDER SO SEINE EIGENEN GEBIETE, WO ER SICH WIRKLICH GUT AUSKENNT“
Das Coole bei euch ist, dass ihr ganz viele verschiedene Musikstile fusioniert. Bringt da jeder ein bisschen was mit?
Paul Widauer: Auf jeden Fall.
Ferdinand Rauchmann: Das war auch ein bisschen der Grundgedanke davon. Wir waren gemeinsam auf der Schule und haben teilweise gemeinsam Musik gemacht, aber es hat doch jeder immer Unterschiedliches gemacht. Beim Felix, unserem Blockflötisten, war es beispielsweise der Barockstil, den wir auch immer total interessant fanden. Wenn man sich die Band anschaut, hat jeder so seine eigenen Gebiete, wo er sich wirklich gut auskennt.
Paul Widauer: Man kann von jedem einfach das Spotify Wrapped nehmen und zusammen fusionieren, dann hat man genau das. (lacht)
Ferdinand Rauchmann: Genau, man hat einfach diesen barocken Schwerpunkt mit alter Musik vom Felix, beim Lorenz geht es um alle möglichen Formen von Jazz, die es jemals gegeben hat und der Pauli hört immer Funk, Richtung Groove, was ja gerade bei Fusion wichtig ist. Bei mir würde ich sagen, dass ich schon immer so richtig der Synthesizer-Giga war. Das habe ich sonst nicht so oft in anderen Kontexten, dass ich mit Synthesizern arbeiten kann, gerade im klassischen Kontext gibt es das nicht. Das war auch ein bisschen der Witz daran, wir spielen “Die Kunst der Fuge” von Bach, und zwar mit Synthesizern, die irgendwie verstimmt sind und klingen, als wäre das gerade der Bass-Sound in irgendeinem Nachtclub.
Paul Widauer: Ich glaube, dass das spannend ist, weil man selber sehr gefordert wird. Dass man sich auf das einlässt, was der jeweils andere mitbringt. Aber was da sicherlich wichtig ist – bei uns fehlt nie die nötige Portion Humor. Die ist immer dabei. Was wir bei den Proben an Blödsinn reden oder auch an Blödsinn spielen, das ist sicherlich der Grund, warum dann solche Sachen wie “Die Kunst dem Fuge” rauskommen. Weil wir das alles nicht so ernstnehmen und über unseren eigenen Horizont gehen können.
Ferdinand Rauchmann: Aber am Ende sind wir dann doch sehr konsequent und schauen, dass wir zu einem Ziel kommen. Wenn nicht wirklich jeder von uns mit den unterschiedlichen Backgrounds überzeugt von einer Idee ist, hat es der Song auch nicht auf die Platte geschafft. Wir feilen schon sehr lange an den Songs und schauen, dass da alle Genres, die wir vertreten wollen, auch vertreten sind.
„ES MUSS JA NICHT PERFEKT SEIN, SOLANGE DER VIBE PASST“
Wann ist bei euch eine Komposition “fertig”?
Paul Widauer: Das dauert. Das ist nicht so wie in anderen Projekten, wo man an einem Tag eine Komposition machen kann und der Song ist fertig. Hier sind wir teilweise eine Woche im Studio und nichts geht weiter. Aber dann auf einmal, zwei Monate später, passiert irgendwas.
Ferdinand Rauchmann: Es gibt auch alte Songs, die wir schon einmal gemacht haben, und dann mit neuer Energie überarbeitet haben. Aber dann gibt es auch den Moment, wo unsere fünfte Person, der Maxi, der dieses Studio in Surheim betreibt und uns da diesen Platz ermöglicht, die Mikrofone scharf schaltet und sagt “Jetzt nehmen wir’s einfach mal auf”.
Das braucht’s wahrscheinlich.
Ferdinand Rauchmann: Das braucht’s auf jeden Fall. Damit sich dann jeder mal kurz konzentriert und dann passieren eigentlich genau die Sachen, die dann die Songs ausmachen. Wo dann alle wieder nach Wien, Basel oder Lyon abreisen und nur diese Demo haben. Das hört man dann so oft bis zur nächsten Probe, bis sich alles fixiert. Wir machen da nie mehr als drei, vier Takes, manchmal passt auch beim zweiten Take schon alles. Vor allem, wenn die Energie passt. Es muss ja nicht perfekt sein, solange der Vibe passt – und das spürt man dann schon.
Ihr seid eine reine Instrumentalband. Und ohne, dass ich das auf irgendeine Art und Weise wertend meine – fehlt euch da nie der Text bzw. Gesang?
Ferdinand Rauchmann: Es gibt tatsächlich Stimmen auf der Platte.
Paul Widauer: Da braucht man aber ein gutes Medium zum Raushören.
Ferdinand Rauchmann: Wenn man genau hinhört, hört man tatsächlich Stimmen. In zwei Tracks sogar, die einen sind synthetisch und die anderen sind tatsächlich meine und Maximilians Wenigkeit, die da singen.
Paul Widauer: Wir haben uns öfters Gedanken gemacht um Features, dass wir wen zusätzlich dazuholen. Aber eigentlich ist noch nie ernsthaft darüber nachgedacht worden, dass wir einen Vokalisten oder eine Vokalistin brauchen.
Ferdinand Rauchmann: Ich glaube, wir haben auch ein bisschen einen surrealistischen Ansatz bei der Musik. Wenn da fixe Lyrics wären, geht das gleich in eine Richtung und das wollen wir eigentlich nicht. Was wir tatsächlich überlegt haben, ist dass wir dadaistische Parts reinhauen, also Stimmen, die man nicht versteht. Also das Abstrakte ist uns schon wichtig. Aus jeder Ecke oder Szene, wo Leute unsere Musik hören, soll sich jeder seine eigene Sache mitnehmen. Oder auch Leute, die mit Musik nicht viel am Hut haben, dass die das interessant finden.
Paul Widauer: Obwohl ich glaube, dass Menschen, die mit Musik nicht viel am Hut haben, unsere Musik nicht so hören würden. Was man zum Beispiel schnell erkennt bei uns…
… ihr seid keine FM4-Popband.
Paul Widauer: Genau. Wir bespielen kein Publikum, das zur Belustigung dort hinkommt, sondern eher Publikum, dass sich da auskennt. Leute sagen uns das meistens auch, wir machen keine Musik, die so dahinplätschert, sondern da muss man auch ein bisschen in der Materie drin sein.
Ferdinand Rauchmann: Ich bin da gar nicht so der Meinung. Ich erinnere mich an Potsdam, da waren Leute, die da jedes Jahr zu diesem “Überrasch’ mich, was kommt”-Slot gehen, die mit Musik nichts am Hut haben und einfach richtig fasziniert waren von dieser Watsch’n, die sie da jetzt bekommen. Die haben Blockflöte halt nur in der Elementarpädagogik mitbekommen. Und dann kommen die da hin und auf einmal spielt der Blockflöte über einem Rock-Beat, wo noch irgendein Synth-Bass und ganz komische alienartige Sounds sind. Ich glaube, da muss man von Musik überhaupt nichts wissen, dass man das richtig spacig findet.
„HEUTZUTAGE IST ES SUPER SCHWER, DASS MAN SEINEN EIGENEN SOUND FINDET – UND DA BIN ICH SCHON STOLZ DRAUF BEI CHEZ FRÍA“
Euer erstes Album erscheint im Februar. Kann man sagen, dass die Arbeit an diesem Album direkt mit der Gründung Band gestartet hat?
Paul Widauer: Sagen wir es so, wir hatten damals für Potsdam ein Programm von etwa einer Stunde. Von diesem Programm ist nicht mehr viel übriggeblieben. Ich glaube, es ist genau ein Song, der auf der Platte ist, deshalb haben wir die Platte auch danach benannt: “Die Kunst dem Fuge” ist in einer Kurzfassung oben. Wir haben uns vom Sound extrem weiterentwickelt. Mit der Gründung der Band war definitiv ein Album im Hinterkopf, aber soundmäßig ist das echt was vollkommen anderes als damals, sowohl vom Beat als auch vom Konzept. Wir haben früher zum Beispiel alles mit Noten aufgeschrieben, unser ganzes Programm. Jetzt komponieren wir ohne Noten. Jeder Song wird bei jedem Mal anders gespielt.
Ferdinand Rauchmann: Der Arbeitsprozess war auf jeden Fall schon da. Aber der Punkt, wo wir gesagt haben “Lass uns das auf eine Vinyl pressen” war der Moment, wo wir unseren Sound gefunden haben. Das kann man zwar auch nicht absolut sagen, aber das ist ein bisschen ein Gefühl und irgendwann haben wir schon so viele Songs produziert und gemischt – auch wenn jeder Song eine ganz eigene Geschichte und Inspiration hat –, dass diese Note irgendwann durchschimmert. Heutzutage ist es super schwer, dass man seinen eigenen Sound findet – und da bin ich schon stolz drauf bei CHEZ FRÍA, das ist teilweise so crazy und so abgespaced. Wer macht das – genau diese Musik mit der Sound-Inspiration und den Instrumenten zusammenwirbeln?
Paul Widauer: Also kann man schon sagen, dass wir seit Gründung der Band an diesem Album arbeiten. Es hat Schritte gebraucht, aber es hat auch diese Songs von früher gebraucht, dass wir jetzt das machen, was wir machen.
Würdet ihr sagen, man hört diesen Prozess am Album raus?
Paul Widauer: Schon, ja. Und man erkennt auch, wenn man uns live kennt, welche Songs älter sind und welche nicht.
Ferdinand Rauchmann: Der Beweis, wie wir uns weiterentwickelt haben währenddessen, ist eigentlich, dass wir versucht haben, alte Nummern im neuen Sound aufzunehmen – und es ist uns gar nicht gelungen. Wir haben viel versucht, herumzufeilen. “Die Kunst dem Fuge” beispielsweise ist eine Nummer, die damals immer super ankam, und die wir darum gescheit aufs Album bringen wollten – hat nicht funktioniert, ist kläglich gescheitert. Deshalb haben wir uns gedacht, wir machen es ganz anders. Da spielt Humor wieder eine ganz große Rolle.
Paul Widauer: Genau. Den Beat, der jetzt auf der Platte ist, haben wir am Tag nach einer Feier um 10 in der Früh mit einem Logic Drumcomputer erstellt. Eine Woche, bevor wir die Masterdatei abschicken mussten.
Ferdinand Rauchmann: Das passt wieder zusammen – alles super ernst und sophisticated, aber eigentlich muss es sich einfach nur gut anfühlen und lustig sein.
Wird es wieder mal ein Musikvideo geben? Das letzte ist schon fast drei Jahre her.
Paul Widauer: Wir haben leider eine Förderung einmal nicht bekommen, wo wir dieses Thema Musikvideo angegangen wären. Uns ist schon immer die Idee im Kopf herumgeschwirrt, dass wir irgendwas total Extrovertiertes und Neues machen, und daher war der Plan, dass wir ein Musikvideo an ganz untypischen Orten drehen. Sei es…
Ferdinand Rauchmann: Mozartkugel-Fabrik Salzburg. (lacht) Um ein Beispiel zu nennen.
Paul Widauer: Irgendwas ganz Skurriles.
Eine schöne Analogie zu eurer Musik.
Paul Widauer: Genau. Aber deswegen wollen wir irgendwann definitiv wieder etwas Visuelles machen.
Ferdinand Rauchmann: Unsere erste Priorität jetzt wird es sein, dass wir die Musik so gut wie es geht vor Publikum spielen und damit auch unser Album promoten. Vielleicht wird es dann ein Live-Musikvideo geben.
„WIR SIND EIN FAN DAVON, ES ANALOG ZU HALTEN“
Bisher findet man euch nur auf Youtube. Nutzt ihr bewusst kein Spotify?
Paul Widauer: Das ist bewusst so. Wenn wir mit unserer Musik publik gehen, dann zuerst auf Vinyl. Damals hat es sich auch noch nicht gut angefühlt, dadurch, dass wir noch kein fertiges Album hatten. Das waren erst zwei Lieder. Jetzt haben wir das Album, wissen aber trotzdem noch nicht, wie wir das mit dem Streaming machen sollen. Wir sind ein Fan davon, es analog zu halten. Diskussionen stehen im Raum, aber vorerst wird es das Album nur auf Vinyl geben und eventuell als Bandcamp-Download-Link, wo man es käuflich erwerben kann.
Ferdinand Rauchmann: Uns ist die Qualität schon auch wichtig. Es ist Musik, die man wahrscheinlich nicht gern in der U-Bahn nebenbei hört. Da ist es uns schon wichtig, dass man wirklich eintauchen kann in die Musik und das ist auch das Schöne an einer Vinyl: Das ist erst mal mit Arbeit verbunden, da nimmt man diese Platte aus dem Regal, legt sie auf und hört dann diese Musik, ohne nebenbei irgendetwas anderes zu machen.
Paul Widauer: Die Idee ist ja auch, dass du dieses ganze Album von vorne bis hinten durchhörst. Es ist ein Spannungsaufbau, die Songs sind bewusst in der Reihenfolge gewählt und es gibt meistens auch einen fließenden Übergang. Wenn wir das live spielen, wird es auch in einem Bogen durchgezogen und keine Songs nacheinander angekündigt. Deshalb macht es Sinn, das von vorne bis hinten anzuhören – und wie man das kennt, wird das heutzutage bei Alben kaum gemacht.
Ferdinand Rauchmann: Ich glaube, einmal dieses Album durchhören – und man ist auf demselben Trip wie wir.
Danke euch für das nette Gespräch!
Katharina Reiffenstuhl
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Live:
13.2.2025, Kramladen, Wien
15.2.2025, Jazzit, Salzburg
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