„Bei mir muss alles gschwind erledigt sein.“ – GERHARD HEINZ im mica-Interview

GERHARD HEINZ war Kapellmeister im Moulin Rouge, lernte Milva, Peter Kraus und Freddy Quinn das Singen und fuhr zum Song Contest. Er komponierte für über 130 Spielfilme der 60er-, 70er- und 80er-Jahre. Außerdem bohrten sich seine Kompositionen in die Fernsehohren der Österreicherinnen und Österreicher. Ob Salzstangerln, Stifte oder Stöckelschuhe, GERHARD HEINZ war nie um eine „ohrgängige Melodie“ verlegen, die er „aus dem Kopf in die Hände und von dort aufs Blatt gespuckt“ habe. Aufgewachsen ist HEINZ, Jahrgang 1927, im dritten Bezirk. Als 17-Jähriger musste er in den Krieg und später in Gefangenschaft. Dass er nach seiner Rückkehr nach Wien nicht in der Elektrotechnik landete, hat er der Musik und Fatty George zu verdanken. Dass er mit fast 95 Jahren noch immer von seinen Erlebnissen erzählen kann, seinem unbändigen Willen zum Leben und zur steten Erneuerung. Welche Erinnerungen an seine Jugend, die Zeit des Nationalsozialismus in Österreich und seine Rückkehr nach Wien bleiben, hat GERHARD HEINZ in einem Videogespräch mit Christoph Benkeser ebenso ausführlich besprochen wie die Tatsache, dass ihm der Welthit von Waterloo & Robinson einfach im Auto einfiel.

Herr Professor, verzeihen Sie mir die Frage zu Beginn: Wie geht es Ihnen?

Gerhard Heinz: Ich hatte gerade einen Apfelstrudel mit Vanillesauce, es geht mir wunderbar.

Das ist schön zu hören. Sie werden heuer 95 Jahre alt.

Gerhard Heinz: Das ist richtig. Ich bin 1927 im dritten Bezirk zur Welt gekommen und in der Kundmanngasse nahe der Rotundenbrücke aufgewachsen.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit?

Gerhard Heinz: Ich habe als Knabe den Brand der Rotunde erlebt. Daran kann ich mich gut erinnern, weil wir nahe des Praters wohnten. Außerdem hatte ich zur damaligen Zeit schon mit Musik zu tun. Auf Wunsch meiner Eltern lernte ich ab dem sechsten Jahr Klavier beim damaligen Organisten der Rochuskirche. Er hat mir großes Talent bescheinigt, war aber ein schlechter Lehrer. So bin ich bei einem Vorarlberger gelandet, der auf Bach eingestellt war. Schließlich kam ich in die Musikschule der Stadt Wien. Dort hatte ich eine Lehrerin, bei der ich bis zu meinem 16. Lebensjahr Klavier lernte. Mit 14 begann ich zusätzlich Klarinette zu lernen. Zu dieser Zeit hatte ich einen Freund, der hervorragend Knöpferlharmonika spielte. Mit ihm bin ich das erste Mal öffentlich aufgetreten – im damaligen Löwenkino im dritten Bezirk. Das war 1941 und eine Veranstaltung mit dem Namen „Kraft durch Freude“ – eine NS-Organisation, die die Leute lustig machen sollte. Für Amateure bestand dort die Möglichkeit, auf einer Bühne aufzutreten. Also spielten wir am Xylophon den „Zirkus-Renz-Galopp“. Danach gab ich solo den „Klarinettenmuckl“. Das war für meine damaligen Kenntnisse die Spitze des Könnens.

Wie erinnern Sie sich an die Zeit des Nationalsozialismus in Wien?

Gerhard Heinz: Mit 16 hieß es in der Schule: „Bringt’s morgen ein Gepäck mit, ihr kommt’s alle zu den Luftwaffenhelfern.“ Das war das Aus für die Musik. Wir mussten einrücken, wurden eingekleidet – in Blau mit einer Hakenkreuzarmbinde – und kamen nach einer kurzen militärischen Ausbildung in eine Flak-Batterie.

Das war 1943?

Gerhard Heinz: Es muss 1943 oder 1944 gewesen sein, ja. Das war der Beginn meiner Karriere als Luftwaffenhelfer. Für mich als technikaffinen Jugendlichen war die Arbeit interessant. Es gab sogenannte Hörgeräte. Man muss sich das wie große Ohrwuschel vorstellen, Damit konnte man die Feindverbände orten. Kurz darauf wurden die ersten deutschen Radargeräte eingeführt. Damit ließ sich zusätzlich zur Ortung die Entfernung zu den jeweiligen Verbänden messen. Allerdings warfen die Feindverbände sogenannte Düppel ab, so etwas Ähnliches wie Lametta, das die genaue Ortung verhinderte.

Wo waren Sie stationiert?

Gerhard Heinz: An unterschiedlichen Orten. Zuerst waren wir in Kagran auf der sogenannten Napoleonschanze stationiert. Später kamen wir nach Fischamend. Dort betrieb die Firma Heinkel ein Flugfeld auf dem heutigen Gelände des Flughafen Wien. Wir sahen die neuen Kampfflugzeuge der Wehrmacht. Es hieß, dass wir damit den Krieg sicher gewännen.

Was dachten Sie?

Gerhard Heinz: Ich kann mich nur an die fürchterliche Kälte erinnern. Wir hausten in Pappendeckelhütten. Das war kaum auszuhalten. Meine Frau Mama hatte in unserem Wohnhaus glücklicherweise einen Bekannten, der beim Luftgau-Kommando eine höhere Offiziersstelle bekleidete. Sie bat ihn um meine Versetzung, er entsprach ihrem Wunsch – schon landete ich in einer anderen Batterie in Ober St. Veit. Dort war es wunderbar. Wir hatten einen tschechischen Koch, der aus dem Wenigen, das wir hatten, die köstlichsten Dinge zubereitete. Ein Wermutstropfen blieb: Ich war plötzlich in einer anderen Klasse aus dem 19. Bezirk.

Sie waren in einer anderen Klasse, wie meinen Sie das?

Gerhard Heinz: Luftwaffenhelfer waren meist Schüler. Eine Batterie bestand aus einer Klasse, verstehen’S? Wir hatten vor Ort auch schwachen Unterricht, bei dem sich alte Professoren als Luftwaffenoffiziere verkleidet vor uns stellten. Das wussten natürlich alle. Trotzdem schloss ich in einem neuen Klassenverband die siebte Klasse ab – mit leichten Prüfungen. Ich sollte einen Text aus dem Ilias übersetzen. Mein Griechisch-Professor fing mit der Übersetzung an und ich sagte nur: „Jo, das ist richtig. Jo, so würd ich das auch machen.“ Daraufhin meinte er, dass er mir kein „Sehr Gut“ geben könne, aber dass es für ein Gut schon reichen würde.

Ihnen wurde der Abschluss geschenkt.

Gerhard Heinz: Na, überlegen’S, danach kam ja der echte Krieg. Wir mussten einrücken. Am 24. Dezember 1944 wurde ich bei der Luftwaffe einberufen. Wir haben uns als Reserveoffiziersbewerber gemeldet, weil wir gehört hatten, dass man als solche erst ausgebildet wird, bevor es an die Front geht. Es war Verzögerungstaktik. Daraufhin kamen wir nach Rerik an der Ostseeküste. Der Krieg rückte immer näher. Wir wurden Gott sei Dank im Westen eingesetzt, wo wir uns am östlichen Mainufer eingruben. In diese Zeit fuhren dort bereits die Jeeps der Amerikaner. Sie hatten mehrgeschossige Waffen, wir nur Karabiner mit einem Schuss. Im Zuge unserer Kapitulation hörte ich erstmals wieder den Begriff Österreicher, weil man den Amerikanern erklären wollte, dass wir keine bösen Deutschen, sondern gute Österreicher seien. Die Amerikaner nahmen uns trotzdem unsere Armbanduhren ab, weil man sich mit einer Uhr ja orientieren hätte können. Danach verbrachten wir einige Zeit ohne Essen unter schlechten Bedingungen. Da merkte man schon, dass die Amerikaner nicht mit solch großen Mengen an Gefangenen gerechnet haben. Nachdem wir den März 1945 auf einem eingezäunten Feld verbracht hatten, wurden wir in ein sogenanntes Durchgangslager gebracht. Das war irgendwo in der französischen Wüste. Dort bekamen wir täglich eine Dose Suppe mit einem Blatt Kraut. Dazu gab es einen Keks. Das war die Tagesverpflegung. Schlussendlich kamen wir nach Marseille, wo wir in einem Pier untergebracht wurden. Auf dem Flachdach konnte man sich sonnen und hatte einen wunderbaren Blick auf den Hafen der Stadt. Das war wie ein Urlaub.

Sie waren zu dieser Zeit noch immer in Kriegsgefangenschaft, richtig?

Gerhard Heinz: Natürlich. Wir arbeiteten auf einem Bahnhof, wo Verpflegung verladet wurde. War eine Kiste kaputt, hatten wir die Berechtigung, ihren Inhalt unter uns aufzuteilen. Dabei lernten wir unsere ersten englischen Wörter. Wir wussten ja nicht, was eine sausage ist. Jedenfalls fraßen wir uns durch die amerikanische Armeeverpflegung, bis wir satt waren. Zu dieser Zeit war der Krieg schon beendet und alle hofften darauf, dass wir nicht nach Hause fahren müssten.

Wieso?

Gerhard Heinz: Weil es in Marseille so schön war! Trotzdem wurden wir Ende 1945 nach Österreich transportiert. Nach einem bösen Zwischenlager, wo wir fürchterlich untergebracht waren, landeten wir in Linz Wegscheid in einem ehemaligen SS-Lager. Dort konnten wir entlassen werden, sofern wir Verwandte in den Besatzungszonen der Amerikaner oder Engländer hatten. Die Russen ließen hingegen niemanden, der aus einer amerikanischen Zone kam, in ihre hinein. So verbrachte ich Weihnachten 1945 im einstigen SS-Lager in Linz. Ich kann mich daran deshalb so gut erinnern, weil wir mit ein bisserl Mehl und Wasser auf einem Kanonenofen eine Art Weihnachtsgebäck gemacht haben. Schließlich ging es im Frühjahr 1946 doch nach Wien.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Rückkehr?

Gerhard Heinz: Ich kehrte in den dritten Bezirk zurück, weil ich durch die Feldpost meiner Mutter wusste, dass unser Haus nicht zerstört wurde. Nach der Ankunft musste ich zuerst zur Entlausung, danach kam meine Mutter und meinte: „Die haben schon gefragt, wann du wieder da bist, weil sie eine Band aufmachen wollen.“ Das war eine wilde Partie in der Mediziner-Mensa, aber wenn Sie mich fragen, wer da dabei war … keine Ahnung! Ich düdelte auf meiner Klarinette mit und war zu Mitternacht unfassbar müde. Es gab dann ein belegtes Brot – Sie müssen sich vorstellen, das war in Wien zu dieser Zeit fast undenkbar, weil es außer der getrockneten Erbsen der Russen und ein bisserl Speck kaum etwas zu essen gab – und es wurde ein Viertel Wein eingeschenkt. Durstig wie ich war, hab ich es hinuntergeschüttet. Plötzlich war ich nicht mehr müde und hatte die Erkenntnis: Trinken musst, dann bleibst wach!

Das ist eine wunderbare Geschichte.

Gerhard Heinz: Wir organisierten uns danach als Band. Dabei waren der Franzi Pressler, der sich damals noch nicht Fatty George nannte, und ein Bassist, der keine einzige richtige Note spielen, aber showmäßig herumzupfen konnte. Ich sollte Klarinette spielen, wollte aber lieber ans Klavier. Das war aber schon besetzt. Jedenfalls wurde die Band mit dem späteren Fatty George für eine längere Zeit meine musikalische Beschäftigung. Wir fuhren zum Beispiel für eine gesamte Sommersaison nach Velden, um für die Engländer zu spielen. Dort haben wir in einer Villa Quartier bezogen. Die Hausherrin hat uns allerdings bald rausgeschmissen, weil wir in der Nacht immer als Gespenster herumgezogen sind, was wiederum den anderen Gästen nicht gefallen hat. Die Engländer organisierten uns daraufhin eine Garage mit einigen Zimmern im Obergeschoss. Das war gegenüber des Hotels Bulfon. Davor hatten die livrierten Chauffeure der feinen Gesellschaft ihre Standplätze. Der Eingang zu unserem Quartier bestand nur aus einem Brett, das man über eine Jauchegrube gelegt hat. Dadurch waren wir geschützt vor allen Müttern oder Großmüttern, die uns besuchen wollten. Am Abend kamen dafür die Offiziere vom Militärflughafen in Klagenfurt, um sich von uns bedudeln zu lassen. Sie brachten belegte Brote mit, aber auch Gin, Juice und Whisky. Danach hatte ich meinen ersten Vollrausch. Ich bin unter den Tisch gefallen, worauf meine Kollegen mich neben meinen ebenso betrunkenen Freund mit der Knöpferlharmonika ins Bett legten. Am nächsten Tag wachten wir auf, weil wir durchgebrochen waren. Man muss sich vorstellen, das waren Holzbetten mit Holzstrohsäcken, die man untertags aufkrempeln musste. Wenn man sich hineingelegte, ging es. Aufgewacht ist man aber in einem Gipsbett, so hart wurde der Strohsack über Nacht.

Das war 1947, richtig?

Gerhard Heinz: Das muss so gewesen sein, ja. Als wir nach Wien zurückgekehrt waren, bekamen wir ein Engagement in der Tanzschule Mader. Daneben spielten wir für Amerikaner. Das war gut, weil wir bei einem Wirten in der Porzellangasse zu Mittag essen konnten. Wir waren also gut verpflegt zu einer Zeit, in der das Gros der Bevölkerung noch hungern musste. Außerdem wurden wir oft für private Partys engagiert. Denn die Leute, die noch etwas hatten, gaben ihr Geld nur für Unterhaltung aus. Etwas anderes gab es ohnehin nicht zu kaufen. Als plötzlich die Währungsreform kam, wurde das Geld knapp. Und damit auch die privaten Feste. Gleichzeitig wurden die Bands, die damals in Wien spielten, immer professioneller. Ich stieg zum Profi auf, war aber auch studienberechtigt. Sie erinnern sich, ich schloss nur die siebte Klasse ab, danach wurden wir einberufen. Man bestimmte aber, dass die oarmen Buam nicht extra zur Matura antreten müssten und das Zeugnis der siebten Klasse zu gelten habe. Daraufhin inskribierte ich an der Technischen Universität, weil ich Starkstromtechnik studieren wollte. Nebenbei spielte ich bei Hans Koller in einer Sechserformation Klavier! Allerdings lehnten die Leute den Jazz, den wir spielten, häufig ab. Wir hatten Auftritte im Terrassencafé in Linz oder im Volksgarten in Wien, aber wenig Erfolg. Spannend war es trotzdem, weil ich so zu meiner ersten Schallplattenaufnahme kam. Die fand im Keller des Konzerthauses statt. Die Technik kann man sich kaum noch vorstellen. Man konnte die Aufnahme nur einmal anhören, weil sie auf Wachs geschnitten wurde. Tonbänder existierten zwar, aber sie waren teuer und nicht zu bekommen. Das bedeutete: Verspielte man sich, musste man die Wachsscheibe neu aufnehmen. Eine Situation werde ich nie vergessen. Wir saßen in der Kabine. Der Herr Kunatsch vom ORF kümmerte sich um die Aufnahme. Mein Vibraphon-Solo war kaum zu hören. Daraufhin regte sich der Koller beim Kunatsch auf, der meinte aber nur: „Das habe ich immer so gemacht.“ Darauf ging ihn der Koller an: „Dann haben Sie’s ollawei falsch gemacht.“

Eine prägende Geschichte, nehme ich an.

Gerhard Heinz: Sehr! Jedenfalls hörte ich 1950 von Horst Winter, der kurz zuvor ein Tanzorchester gegründet hatte. Seine Musiker wollten nicht mehr mit ihm touren, weil sie beim Mendelson gleich viel verdienten, aber in Wien bleiben konnten. Der Mendelson war zur damaligen Zeit ja ein wichtiger Produzent. Die Hälfte des Winter-Orchesters sprang ab, worauf die Crew vom Koller in das Tanzorchester überlief – inklusive mir. Geboten hat man uns eine Monatsgage von 1000 Schilling. Ich wusste: Ein studierter Diplomingenieur verdient 600 Schilling, ein Fabrikdirektor bekommt 800. Da nehm ich doch die 1000 mit offenen Armen! Natürlich bedeutete das, dass ich mein Studium nach dem ersten Abschnitt schmeißen musste. Schließlich waren wir zwischen 1950 und 1954 fast durchgehend auf Tournee und überall, nur nicht in Wien.

Horst Winter Tanzorchester (c) Gerhard Heinz Archiv

Das heißt, Sie sind früh sehr viel herumgekommen.

Gerhard Heinz: Ja, wir waren in Linz, in Salzburg, in München, Köln und Hamburg. Außerdem war das Engagement beim Tanzorchester musikalisch prägend. Ich kann mich erinnern, wir spielten beim Winkler am Mönchsberg. Ich sollte ein Instrument aus einer Kiste auspacken, das Horst Winter aus Italien beschafft hatte.

Die Hammondorgel!

Gerhard Heinz: Genau! Mit zwei Manualen, vielen Pedalen und Registern … das war ein sehr technisches Instrument, in das ich mich verliebte. Ich begann auch bald, die ersten Stücke für die Bläser des Orchesters zu schreiben. Das ging, weil ich bereits in der Volksschule ein bisserl Notenschreiben gelernt hatte …

Hammondorgel (c) Gerhard Heinz Archiv

Trotzdem hatten Sie ja keine formale Ausbildung, um Partituren für ein Orchester zu schreiben, oder?

Gerhard Heinz: Nein, ich hab es einfach probiert und es ist gelungen. Für den ORF, damals hieß er noch Ravag, haben wir einmal im Sendesaal 2 des Funkhauses in der Argentinierstraße Aufnahmen gemacht. Mit dem Komponieren ging es danach trotzdem nicht so recht weiter. Als der Winter 1954 sein Orchester aufgelöst hat …

Haben Sie ihm die Orgel abgekauft!

Gerhard Heinz: Selbstverständlich! Damit habe ich meine ersten Engagements in der Werbung bekommen. Der erste Auftrag war für Staedtler Buntstifte. Aufgenommen habe ich im Studio der Wien-Film in Grinzing. Dort bin ich mit der Hammondorgel hin. Ich hatte ja zwei Riegel als Transporteure, die mussten das 50-Kilo-Ding manchmal fünf Stockwerke hochtragen.

Jedenfalls war dieser Auftrag ein Türöffner. Denn die Produzenten von Werbespots kamen drauf, dass sie mit mir nur einen zahlen mussten, anstatt ein ganzes Orchester zu beschäftigen. Außerdem war ich durch die Hammondorgel im Rundfunkbereich bald bekannt wie ein falscher Hund. Also trat der damalige Leiter der Jugendabteilung an mich heran. Der Erfinder von Kasperl und Pezi, Hans Kraus, habe den verantwortlichen Pianisten rausgeschmissen, weil er während der Sendung an seinem Celesta eingeschlafen sei. Ob ich nicht übernehmen möchte, fragte er mich – mit dem Nachsatz, dass der Herr Kraus ein rescher Kopf sei und ich mir das gut überlegen sollte. Ich willigte natürlich trotzdem ein. Und der Kraus und ich sind gute Freunde geworden. Danach habe ich für fünf weitere Kasperlbühnen die Musik gemacht. Und für das Fernsehen natürlich auch. Das war zu einer Zeit, als der ORF noch in der Maxingerstraße sein Studio hatte. Übertragen wurde nur in schwarz-weiß. Hinter jeder Kamera saßen drei Leute, die die Kamera aussteuerten, damit das Bild richtig wurde. Als ich einmal die Orgel anstecken wollte, belehrte man mich: Das habe nicht ich zu machen, darum kümmere sich die Elektroinspektion. „Ist eine da?“, fragte ich. „Nein, die müssen wir erst kommen lassen“, meinte man. Also kam die Inspektion, schaute sich die Orgel an und segnete das Vorhaben ab. Danach konnten wir anfangen, die Sendung zu proben. Gespielt wurde nämlich live, es gab noch keine Aufzeichnungen. Apropos, ich erinnere mich an eine Veranstaltung im Künstlerhaus. Das war, bevor es überhaupt Fernsehen in Österreich gab. Man zeigte, wie es sein würde, wenn es das Fernsehen schließlich geben wird. Man stellte einige Monitore auf, zeigte zwei Kameras, sogar Artisten traten auf, die ich mit der Orgel zu begleiten hatte.

Sie waren zu dieser Zeit einer der wenigen Komponisten mit einer Hammondorgel.

Gerhard Heinz: So ist es, ja! Die Agenturen haben gemerkt, dass der Heinz guteWerbemusik schreiben kann. Deshalb hab ich in dieser Zeit noch und nöcher für die Werbung komponiert. Ich spuckte das vom Kopf in den Finger und aufs Blatt. Trotzdem hab ich immer davon geträumt, einen Spielfilm zu vertonen. Durch einen Zufall hat sich dieser Traum erfüllt. Ich befand mich am Strand des Attersees, als plötzlich zwei Männer aus dem Wasser stiegen – mit großen Pressluftflaschen auf ihren Rücken! Das war damals ein Spektakel, also kamen wir ins Gespräch. Stellte sich heraus, die beiden, der Erich Heinl und der Gerry Hytha, kamen wie ich aus Wien und drehten gerade einen Film: „Unter Wasser küßt man nicht“. Ich stellte mich als Komponist vor und sie engagierten mich für die Filmmusik. Aufgenommen haben wir am Rosenhügel. Das war ein gut ausgestattetes Studio. Danach konnte ich die Musik für „Das Mädchen auf der Titelseite“ komponieren. Allerdings fanden die Aufnahmen in Ost-Berlin statt, weil dort die Musiker billiger waren. Sie müssen sich vorstellen, das war vor dem Bau der Mauer. Ich bin also nach Berlin geflogen. Die Musiker haben sich gefreut, dass sie endlich jemand aus dem Westen dirigiert. Und ich habe mich gefreut, dass es eine schöne Musik wurde. Die Cutterin des Films fragte ich später, wann der Film denn fertig werde. Sie meinte: „Das ist ja egal, irgendwann wird er schon fertig sein.“ In der Kopieranstalt, wo man die Filmmuster auf Fehler inspizieren sollte, ging alles ebenso langsam vonstatten. Es war ein bequemes Fortleben. Man bekam im Osten zwar keine besonderen Konsumgüter. Der Teil jener Leute, der nicht politisch inkliniert war, hatte aber ein angenehmes Leben, weil der Staat für alles sorgte. Zumindest war das mein Eindruck.

Wie haben Sie das empfunden?

Gerhard Heinz: Für mich war das nichts. Bei mir muss alles gschwind erledigt sein. Die Erfahrung war aber interessant. Später hörte man ja, dass manche es bedauern, dass sie an den Westen angeschlossen wurden. Schließlich war es spätestens ab diesem Zeitpunkt mit der Bequemlichkeit vorbei.

Wie ging es mit Ihnen weiter?

Gerhard Heinz: Ich landete bei Mendelson, der gerade eine Kooperation mit dem Musiklabel Polydor begonnen hatte. Dort wurde ich zuerst als Chorleiter engagiert, weil mein Vorgänger in die USA ausgewandert war. Zustande kam das über eine Schlagersängerin, die ich zu dieser Zeit trainierte – ich gab ja privat Unterricht, auch für Sängerinnen und Sänger. Ihr Freund war jedenfalls der Konzertmanager vom Mendelson. Er empfahl mich weiter, so wurde ich Chorleiter. Dazwischen war ich auch im Moulin Rouge …

Als Kapellmeister, richtig?

Gerhard Heinz: Jawohl. Ich sollte Artisten am Klavier begleiten. Das war besonders heftig, weil die Noten oft schon zerstrichen waren. Gleichzeitig sollte man darauf achten, was die Person auf der Bühne aufführt, um darauf reagieren zu können.

Da ging es um Intuition. Das kam Ihrem Spiel sicher entgegen.

Gerhard Heinz: Unbedingt, ja. Ich war dort auch mit vielen Sprachen konfrontiert. Es kamen Franzosen, Türken, Engländer, Amerikaner und Deutsche sowieso. Die ganze Welt war zu Gast im Moulin Rouge. Die Gelegenheit nutzte ich, um Französisch zu lernen. Englisch konnte ich schon, denn nach meiner Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft hatte ich mir Bücher aus dem Information Center der Amerikaner besorgt. Eine Leseratte, die ich war – ich las bereits als Kind alle Karl May-Bücher von vorne bis hinten – brachte ich mir Englisch bei. Das war für meine Karriere ein Vorteil, weil ich mit den Amerikanern bei Polydor sprechen konnte. Gleichzeitig war ich immer noch in der Werbung aktiv. Damals gab es zwei Möglichkeiten, um in Wien dafür aufzunehmen. Am Rosenhügel war es teuer. Deshalb gingen die Produzenten oft zur Listo-Film in der Gumpendorferstraße. Dort waren die technischen Bedingungen aber fürchterlich. Daraufhin fasste ich den Entschluss, ein eigenes Studio aufzusperren. Zufällig traf ich den Leo Gruber, der damalige Geigen-Chef der Volksoper. Er hatte bereits ein Studio im 14. Bezirk. Ich machte ihm ein Angebot und sagte: „Wär doch nicht schlecht, ich besorg alle Geräte, die Film betreffen und du kümmerst dich um die Tontechnik.“ „Herrliche Idee“ sagte er. „Lass uns ein Studio suchen.“ Durch seine Verbindung zur SPÖ-Hausverwaltung kamen wir in die Penzigerstraße 42 – dort gab es einen großen Konzertsaal, unter dem weitere Räumlichkeiten waren. Wir konnten uns günstig einmieten, haben alles umgebaut und uns ein Studio eingerichtet, in dem man einen so guten Ton wie am Rosenhügel hatte – noch dazu mit derselben Bildqualität wie bei der Listo-Film. Daraufhin boten wir Preise an, teurer als die Listo, billiger als die Studios am Rosenhügel. Das war für meine Werbekunden, die ich davor schon hatte, interessant. Also eröffneten wir das Studio, das vom ersten Moment von selbst gewachsen konnte.

Im Studio mit Gerhard Heinz (c) Gerhard Heinz Archiv

Für Polydor haben Sie davor auch Schlager produziert.

Gerhard Heinz: Nein, ich war dort Coach für die Solisten. Komponiert habe ich aber nichts. Erst als der Alzner mit der Frau vom Mendelson durchgegangen ist, konnte ich auf seinen Posten aufrücken. Was heute der Producer ist, war damals ja der Aufnahmeleiter. Das hieß: Man saß in der Regie und beurteilte, ob der Part, der gesungen wurde, gut oder schlecht war. Wissen’S, das war die Zeit vor den Mehrkanalaufnahmen. Man nahm also zuerst die Bläser, dann die Streicher, weiter den Chor und letztlich die Solisten auf. Deshalb musste man mit dem Toningenieur vorausschauend arbeiten, damit am Ende alles auf die Aufnahme passt. Das hab ich bei vielen Titeln mit berühmten Solisten gemacht. Unter anderem mit dem großen Schwimmmeister der damaligen Zeit …

Peter Kraus? Der ging einmal auf Teneriffa baden.Gerhard Heinz: Der Peter Kraus war kein Schwimmer, sondern ein Schlimmer! Er konnte zwar gut vortragen, aber nicht singen! Für einen Titel – fragen’S mich nicht, welcher das war – brauchten wir 24 Schnitte, bis er richtig gesungen war. Den Madln war das wurscht. Beim Konzert in der Stadthalle haben sie ihn bejubelt. Trotzdem musste es auf der Aufnahme richtig klingen, dafür war ich verantwortlich. Der am besten vorbereitete Solist war übrigens Freddy Quinn. Er wollte zwar stets mehrere Aufnahmen machen. Aber die erste war immer die beste. Wunderbar war auch Milva. Für sie bin ich extra nach Mailand gefahren, um ihre Aufnahmen vorzubereiten. Mit Domenico Modugno, der 1958 „Volare“ sang, arbeitete ich in Rom. Er wohnte in einer wunderschönen Villa in der Via Appia Antica – mit einer Sitzgarnitur zum Hineinschmeißen. Toll war das!

Peter Kraus mit Gerhard Heinz (c) Gerhard Heinz Archiv

Das war bestimmt eine wilde Zeit auf Ihren Reisen!

Gerhard Heinz: Das war schon gut, ich habe es sehr genossen, das kann ich Ihnen sagen … Jedenfalls lernte ich kurz darauf meine Frau kennen, wir heirateten bald und sie arbeitete im Studio mit. Wir gingen ja in Werbeaufträgen unter. Mein Ziel – ein Auftrag für einen Film – war mit dem eigenen Studio aber noch nicht realisiert.

Aber bald. Wie kam es dazu?

Gerhard Heinz: Einmal holte ich eine Gage bei der Lisa Film in der Mariahilferstraße ab. Unten erwischt mich der Sepp Löwinger und fragt mich, was ich denn gemacht hätte? Ich antwortete: „Eine schöne Musik!“ Aber er meinte nur: „Billig muss es sein!“ Das ist tief in mich eingesunken. Wenn man einen Musikauftrag bekommt, überfordert man nicht den Produzenten, der die Musik braucht. Die Erkenntnis brachte aber noch keinen Filmauftrag.

Wie kam es dazu?

Gerhard Heinz: Ich habe bereits den Herrn Alzner erwähnt. Der ist bekanntlich mit der Frau von Mendelson verschwunden, hat davor aber einen Film für die Lisa Film vertont. Dem Verleih gefiel die Schlussmusik nicht. Daraufhin kam Karl Spiehs, der die Firma mit dem Löwinger führte, zu mir und fragte, ob ich die Schlussmusik übernehmen könnte. Für mich war das unangenehm, weil es ja dem Alzner sein Film gewesen war. Die Schlussmusik hab ich trotzdem gemacht. Von diesem Augenblick konnte ich für den Spiehs über 80 Spielfilme vertonen. Insgesamt sind es 133 geworden, weil durch das Engagement bei der Lisa Film verschiedene andere Produzenten auf mich aufmerksam geworden sind.

Zwischen 1968 und 1984 haben Sie in jedem Jahr nie weniger als drei Filme vertont, meistens sogar ein Vielfaches mehr.

Gerhard Heinz: Ja, das Hirn hat rotiert. Ich war nie um Einfälle verlegen, außer beim Texten. Das war ein Problem. Schließlich hab ich nie für meine Lieder getextet, sondern nur für meinen Hund. Der war in unserer Familie der Star – ein kleiner Rauhaardackel, der in allen Stimmlagen bellen konnte. Ich hab ihn auf Band aufgenommen und später im Studio eine Platte daraus gemacht, die wir als Weihnachtsgeschenk an unsere Kunden verschickt haben. Die Polydor wollte das daraufhin auch machen. Und haben es sogar auf den Markt gebracht – mit einem überschaubaren Erfolg.

Dafür war die Welt noch nicht bereit. Ihre Filmmusik kam aber gut an.

Gerhard Heinz: Es gab einige Regisseure, mit denen ich wahnsinnig gerne zusammengearbeitet habe. Einer war Kurt Nachmann. Mit ihm habe ich die Filme der Edelnutte „Josefine Mutzenbacher“ gemacht. Der erste erschien 1970 und war ein Riesenerfolg, weil: Kein normaler Mensch traute sich in ein Sexkino. In der „Josefine Mutzenbacher“ kam zwar ein bisserl nackte Haut vor, aber er lief in den normalen inos. Ein Skandal, das können’S sich nicht vorstellen. Jedenfalls sollte ich dafür schmutzige Wienerlieder produzieren, hatte aber noch keine Texte. Der Nachmann war darin ein Meister. Er kam an einem Nachmittag bei mir vorbei und spulte einen Text nach dem anderen herunter. Außerdem wusste er Regie zu führen. Er hatte ein Gespür dafür, wo die Musik hingehörte. Jammerschade, dass er relativ früh gestorben ist. Er wäre ein großartiger Partner gewesen, wir hatten vor seinem Tod sogar schon begonnen, ein Kammer-Musical zu konzipieren. Währenddessen verstarb er auf der Bühne. Daraufhin war ich wieder ohne Texter.

Wie ging es dann weiter?

Gerhard Heinz: Es kamen die Dirndl-Filme vom Spiehs, der dafür ein paar gesungene Nummern mit anstößigen Texten wollte. Ich rief daraufhin den Kurt Hertha in München an. Der war Berufsschreiber für Songtexte, er sollte das übernehmen. Er willigte ein und sollte nach Wien kommen. In der Zwischenzeit probierte ich mich an einem Text– und es gelang. Als der Hertha das hörte, meinte er: „Wannst einen kannst, kannst die anderen vier auch!“ Und tatsächlich: Es ist gegangen.

Was waren das für Texte?

Gerhard Heinz: Es ging um Dirndl und die Alm, sexy sollte es halt sein. Jedenfalls hab ich gemerkt, dass ich Texte schreiben kann, wenn ich es will. Das war entscheidend, denn: Davor musste ich die Hälfte der Tantiemen mit dem Texter teilen, obwohl ich den Film stoppen, die Partitur schreiben, die Musiker bestellen und die Aufnahmen machen musste.

Ein unfaires Geschäft!

Gerhard Heinz: Eben! Also textete ich auf Englisch, weil die Leut das eh nicht gscheid verstanden haben. Das war Mitte der Siebziger. An einem Tag kam ein Verleger auf mich zu und sprach mich auf den Eurovision Song Contest an. Er meinte, wir sollten einreichen, weil es bisher nur wenige Bewerbungen gegeben habe. Ich bin danach zur Listo Film gefahren, um einen Lichtton abzuliefern. Auf dieser Autofahrt fiel mir das Konzept des Stücks ein. Noch bevor ich bei der Listo ausgestiegen war, hatte ich „My Little World“ komponiert.

Waterloo & Robinson!

Gerhard Heinz: Wir gewannen damit tatsächlich die Ausschreibung in Österreich und fuhren daraufhin nach Den Haag. Es war ja im Vergleich zu heute eine kleine Eurovision mit ca. 20 Teilnehmern. Am Ende haben wir den fünften Platz gemacht und eine Million Stück von der Single verkauft.

My Little World (c) Gerhard Heinz

Ein Wahnsinn!

Gerhard Heinz: Auch in der Kassa natürlich! Ich hab das aber alles ins Studio investiert. Schließlich stand die Digitalisierung bevor. Konkurrenzstudios hatten bereits komplette Mischanlagen gekauft, fielen damit aber auf die Nase, weil sie nach einem Jahr wieder überholt waren. Wir haben uns deshalb zuerst eine Aufnahmemaschine mit acht Kanälen besorgt. Später kam eine Harddisk dazu. Das war ein Apparat so groß wie eine Pizzaschachtel – darauf waren ein paar Megabyte Speicher. Aber immerhin! Das Gerät kam von Apple, also kaufte ich einige Aktien der Firma. Die habe ich heute noch.

Aktien von Apple?

Gerhard Heinz: Jo, aber fragen’S mich nicht, wie hoch die gestiegen sind, da müsst ich auf der Bank nachschauen. Es war freilich ein guter Kauf, keine Frage. Wichtiger war mir aber, dass das Studio gut geführt wird. Ende der Neunzigerjahre wollte ich aufhören. Ich suchte nach einer Nachfolge. Während des Golfspielens im Waldviertel traf ich zufällig den Financier meines damaligen Konkurrenzstudios. Wir kamen ins Gespräch, ich erzählte ihm von meinen Plänen und er zeigte Interesse. Wir verhandelten über 14 Tage, am Ende war klar: Er übernimmt mein Studio und führt es weiter. Dadurch ist mir der endgültige Umstieg aufs Digitale erspart geblieben. Und das Studio konnte weiterhin bestehen.

Mittlerweile genießen Sie den Ruhestand und fahren nach wie vor Elektroauto.

Gerhard Heinz: Ich fahre inzwischen mein drittes Elektroauto. Das war immer mein Wunsch, nachdem ich gehört habe, dass es so etwas gibt. Schließlich kann ich mich noch an die alten Postautos der Vorkriegszeit erinnern. Die hatten unten eine riesige Bleibatterie befestigt, die über Nacht aufgeladen wurde. Gleichzeitig fuhr man das Ankerbrot noch mit Pferden aus, das müssen Sie sich vorstellen! Na ja, ich war jedenfalls vor einigen Jahren auf der Automesse im Prater, hab den VW e-up gesehen und gemeint: „Den will ich haben.“ Dort sagte man mir: „Gut, nach der Messe können’S den haben.“ Inzwischen fahre ich ein Elektroauto von Kia mit allen technischen Neuerungen, die man haben kann.

Fahren Sie noch immer gern mit dem Auto?

Gerhard Heinz: Sehr! Mein erstes Auto war ein Peugeot 403, ein großer schwarzer Panzer. Damit bin ich mit großem Vergnügen von Wien nach München gefahren, obwohl es noch gar keine durchgängige Autobahn gab. In München hatte man viel Platz zum Parken. Das waren noch himmlische Zeiten für Autos. Mittlerweile fahre ich viel weniger. Oft nehme ich lieber ein Taxi.

Herr Professor, lassen Sie mich eine letzte Frage stellen: Sind Sie zufrieden mit Ihrem Leben gewesen?

Gerhard Heinz: Absolut! Ich hab nichts versäumt und selten etwas falsch gemacht. Deshalb blicke ich mit großer Freude auf alles zurück, was zu tun war. Natürlich gab es manchmal schwierige Situationen, vor allem körperlicher Natur. Ich hatte vor 65 Jahren einen Nierenstein in der linken Niere. Das war lebensgefährlich, weil es damals keine Zertrümmerung gab. Man hat mich von der Wirbelsäule bis zum Nabel aufgeschnitten und die Niere rausgenommen. Ich erinnere mich gut daran, weil ich damals schon beim Mendelson gearbeitet hatte. Nach der Operation holte man mich ab – mit einem Porsche! So eine harte Federung, das hat weh getan, owe, owe! Vor zweieinhalb Jahren gab es schließlich das linke Kniegelenk zu ersetzen. Das ist zwar hinderlich beim Aufstehen, aber ich kann gut gehen. Außerdem nehme ich eine Krücke für den Fall, dass das Knie versagen sollte. Und siehe da: Will man die Straße übersetzen, bleiben die Autos stehen. Die Leute wollen einem sogar helfen. Ich habe bemerkt: Die Krücke birgt lauter Vorteile.

Herr Professor, alles Gute und vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben!

Christoph Benkeser

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Links:
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Gerhard Heinz (Discogs)
Gerhard Heinz (Wikipedia)