„Bei E C H O BOOMER kann alles Mögliche passieren.“ – BEATE WIESINGER (E C H O BOOMER) im mica-Interview

Knapp vier Jahre nach dem Erscheinen des Debüts “Aliens On Board” brachte die österreichische Jazzbassistin BEATE WIESINGER (u.a. Duo 4675, Luchs, Kammerer OrKöster) letzten Sommer mit ihrem Bandprojekt E C H O BOOMER ihr neues Album “Timeless Warrior” (JazzWerkstatt Wien) heraus. Wie schon auf dem Erstlingswerk, zelebrieren die gebürtige Oberösterreicherin und ihre hochkarätig besetzte Band die musikalische Offenheit auf wirklich packende Weise in allen ihren Facetten. Im Interview mit Michael Ternai spricht BEATE WIESINGER über die Grundidee, die hinter ihrem Projekt E C H O BOOMER steckt, ihre große Lust am Forschen und die bedeutende Rolle, die ihren Mitmusiker:innen im Entstehen der Stücke zukommt.

E C H O BOOMER ist in vielerlei Hinsicht musikalisch doch etwas anders, als das, was du sonst machst. Wie lässt sich die Grundidee von E C H O BOOMER beschreiben?

Beate Wiesinger: Die Grundidee von E C H O BOOMER ist, dass alle Dinge, die mich irgendwie fesseln und berühren, zugelassen werden. Beim Schreiben von Musik kann man verschiedene Wege verfolgen. Ein Weg ist, dass man sich auf einen bestimmten Stil fokussiert und tief in ihn eintaucht. Ein anderer wäre – und das ist der, den E C H O BOOMER praktiziert – dass man sich nicht auf einen einzelnen Stil beschränkt, sondern Elemente aus den unterschiedlichsten Richtungen verwendet und versucht, sie miteinander zu verbinden. Und zwar auf eine Art und Weise, in der man sie zuvor eher nicht miteinander verbunden hätte.

Der Musik von E C H O BOOMER ein stilistisches Etikett anzuheften ist schwer. Der Sound setzt sich aus Elementen sehr vieler Genres zusammen. Wie entsteht ein Stück bei dir?

Beate Wiesinger: Bei mir ist es so, dass ich auf der einen Seite immer auf der Suche nach Melodien und Motiven bin, die – zumindest für mich persönlich – eingängig sind und einen gewissen Anhaltspunkt bieten. Auf der anderen Seite interessiert mich das rhythmische Thema besonders. Meistens beginnt es bei mir mit einem Grundriff oder einer grundlegenden Idee, aus denen ich alle möglichen Variationen entwickle. Und an der Variante, die mich besonders fesselt, bleibe ich dann dran.

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Das Schöne an dem Album ist, dass – so unterschiedlich die einzelnen Songs auch sein mögen – alles wie aus einem Guss klingt. Man fühlt sich nicht plötzlich bei jedem Song auf einem anderen Album.

Beate Wiesinger: Ich glaube, das hat viel damit zu tun, dass ich mir sehr gut überlegt habe, mit wem ich das Projekt umsetzen möchte. Man hat natürlich eine eigene Handschrift, wie man Songs schreibt, aber genauso wichtig ist, was die anderen in der Band dazu beitragen. Ihnen kommt ein genauso großer Anteil daran zu.

Kann man sagen, dass E C H O BOOMER eine Art musikalische Spielwiese auch für andere ist?

Beate Wiesinger: Das Ziel von E C H O BOOMER ist, dass es die Musiker:innen einlädt, sich auszudrücken mit dem Wissen, dass man nicht ersetzbar ist. Ich glaube, dass man – so wie in Beziehungen auch – das Gefühl braucht, dass man eine Einheit bildet und die Dinge gemeinsam macht. Natürlich gibt es da und dort Stolpersteine. Aber das Gefühl, dass man zusammengehört, soll der Antrieb sein. Und ich hoffe sehr, dass die diejenigen, die mittun, das auch so wahrnehmen.

Für mich ist es daher ebenfalls von großer Bedeutung, auch zuzulassen, dass sich Dinge auf alternative Weisen entwickeln können.“

Bild Echoboomer
Echoboomer (c) Mani Froh

Die Leute in deiner Band bringen ja alle sehr verschiedene Stile und Ansätze mit. Auch wenn du viel offenlässt, wie verhinderst du, dass es dann zu viel wird?

Beate Wiesinger: Das ist in der Tat die Herausforderung. Diese Balance zu finden, ist manchmal nicht so leicht. Ich bin überzeugt, dass eine gewisse Ausrichtung und Anleitung notwendig sind, aber es ist ebenso wichtig, den Menschen Raum zu geben, sich innerhalb von Ideen zu entfalten, um das Ganze in eine Richtung zu lenken, die man vielleicht zuvor noch nicht erkannt hat. Für mich ist es daher ebenfalls von großer Bedeutung, auch zuzulassen, dass sich Dinge auf alternative Weisen entwickeln können. Das führt oft zu überraschenden Momenten.

Heißt das, dass du beim Schreiben der Stücke eigentlich nie sagen kannst, in welche Richtung sie sich letztlich entwickeln werden?

Beate Wiesinger: Bei diesem Album habe ich sogar bei der Hälfte der Stücke – wahrscheinlich auch zum Leidwesen unseres Produzenten David Furrer – viel offengelassen. Diese Arbeitsweise war wahrscheinlich schon hart an der Grenze [lacht]. Bei einem Stück zum Beispiel war zunächst nur ein Grundfragment vorhanden. Dazu habe ich die anderen einfach improvisieren lassen. Danach habe ich versucht, aus dem, was da war, etwas zusammenzubauen. Natürlich läuft man bei einem solchen Ansatz auch Gefahr, zu denken: „Oh Gott, das läuft jetzt in eine echt furchtbare Richtung.” Auf der anderen Seite kommt man aber gerade dadurch auf viele andere Ideen und kann auch den Personalstil der Musiker:innen mehr sichtbar machen. Und manchmal bedarf es einfach eines solchen Prozesses, um zur Essenz eines Stückes zu gelangen. Es gab aber natürlich auch Stücke, die von der Idee her schon konkreter war.

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Was sind für dich die Hauptinspirationsquellen beim Schreiben der Stücke?

Beate Wiesinger: Das ist eine gute Frage. Das kann sehr unterschiedlich sein. Im Moment habe ich ein wenig das Gefühl, dass ich wieder äußere Reize bräuchte, um etwas herauszubringen. Dann gibt es aber auch Zeiten, da brauche ich solche überhaupt nicht. Natürlich kann zum Beispiel aus einem Gefühl wie Traurigkeit etwas entstehen. Bei mir sind es aber oft entweder das Interesse an konkreten musikalischen Dingen, wie etwa das Verarbeiten einer bestimmten Rhythmik, oder die Auseinandersetzung mit bestimmten Sounds, die mir Ideen liefern. Es ist eher selten, dass mich emotionale Prozesse inspirieren zum Schreiben, es ist eher die Lust am Forschen.

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Echoboomer (c) Mani Froh

E C H O BOOMER ist auf jeden Fall auch dein poppigstes Projekt.

Beate Wiesinger: Auf jeden Fall. Bei E C H O BOOMER kann alles Mögliche passieren. Diese Offenheit ist mir sehr wichtig. Wenn man, wie ich es getan habe, Jazz studiert, kann es schon passieren, dass man in der Jazzwahrnehmung verhaftet bleibt. Meine eigenen Wurzeln liegen jedoch eigentlich gar nicht so sehr im Jazz. In meiner Kindheit und Jugend war Popmusik immer ein großer Teil von mir, genauso wie die Improvisation. Dabei verstehe ich Improvisation als die Möglichkeit, Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Zum Beispiel muss ein Popstück nicht immer nach dem gleichen Muster aufgebaut sein; man kann die Form eines solchen auch durchbrechen und zerlegen. Es fasziniert mich total, dass Dinge nicht immer in Stein gemeißelt sein müssen.

Du bist ja in verschiedenen Bandprojekten aktiv. Ich nehme aber an, dass E C H O BOOMER dein Herzensprojekt ist.

Beate Wiesinger: In meiner Traumwelt würde ich mir wünschen, dass E C H O BOOMER wirklich mein einziges Projekt ist und ich meine gesamte Zeit darin investieren kann. Ich hoffe, dass ich irgendwann einmal dorthin gelangen kann. Die derzeitigen strukturellen Bedingungen, unter denen wir Musikerinnen und Musiker arbeiten, stehen dem jedoch völlig entgegen. Jede und jeder von uns hat mehrere Projekte gleichzeitig laufen, was natürlich eine sehr genaue Planung erfordert. Dadurch bleibt auch weniger Zeit, sich wirklich kreativ einem einzelnen Projekt zu widmen. Langfristig betrachtet finde ich diesen Zustand als äußerst kontraproduktiv. Daher war eine meiner wichtigsten Erkenntnisse bei diesem Album, wie ich in Zukunft eigentlich wirklich arbeiten möchte. Das Projekt ist während der Corona-Pandemie entstanden, und es gab immer wieder Unterbrechungen, weil wir nicht gemeinsam aufnehmen konnten und alle ihr kommendes Jahr bereits durchgeplant hatten. Für mich stellt sich wirklich die bedeutende Frage, wie ich meine Ideen in Zukunft umsetzen möchte und in welcher Arbeitsform. Eigentlich sind die Prozesse, die dabei entstehen, das Schöne daran. Der Outcome ist zwar auch cool, aber mich interessiert dieser genauso wie der Prozess an sich.

Herzlichen Dank für das Interview!

Michael Ternai

++++

E C H O BOOMER
Alois Eberl: trombone
Astrid Wiesinger: reeds
Beate Wiesinger: basses, voice & composition
Clemens Sainitzer: cello
Florian Sighartner: violin, flute
Philipp Jagschitz: e-piano, synths
Michal Wierzgon: drums

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Jazzwerkstatt Records